Immunvermittelte und erregerassoziierte Neuropathien
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- Benedict Müller
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1 C. Sommer, S. Koeppen Immunvermittelte und erregerassoziierte ISBN Kapitel J1 aus T. Brandt, H.C. Diener, C. Gerloff (Hrsg.) Therapie und Verlauf neurologischer Erkrankungen 6., vollständig überarbeitete und erweiterte Auflage 2012 Kohlhammer
2 J 1 Immunvermittelte und erregerassoziierte von C. Sommer und S. Koeppen * J 1.1 Immunvermittelte Dieses Kapitel behandelt die klassischen immunvermittelten entzündlichen wie das Guillain-Barré-Syndrom (GBS), die chronische inflammatorische demyelinisierende Polyradikuloneuropathie (CIDP), die multifokale motorische Neuropathie (MMN) sowie deren Unter- und Sonderformen. Weitere immunvermittelte treten bei Vaskulitiden auf, bei Kollagenosen und lymphoproliferativen Erkrankungen. Auch die neuralgische Amyotrophie wird heute als immunvermitteltes Krankheitsbild aufgefasst. Erregerbedingte kommen z. B. durch Erregerinvasion (Lepra) durch Exotoxinwirkung (Tetanus, Diphtherie, Botulismus) zustande. Weitere bei Infektionskrankheiten (HIV, Kap. F 10; Borreliose, Kap. F 6) werden ebenso wie die Neurosarkoidose (Kap. F 4) und paraneoplastische in eigenständigen Kapiteln behandelt. J 1.2 J Guillain-Barré-Syndrom Klinik Das Guillain-Barré-Syndrom (GBS) ist hierzulande die häufigste Ursache (> 50 %) für akute generalisierte Lähmungen (Tab. J 1.2). Die Inzidenz beträgt in Europa 1,2 1,6/ (Bogliun et al. 2002, Markoula et al. 2007), Männer sind etwas häufiger betroffen (1,5 : 1) (Hauck et al. 2008). Die Häufigkeit steigt mit dem Alter an, wahrscheinlich mit einem zusätzlichen kleinen Gipfel im frühen Erwachsenenalter und einem Rückgang im höchsten Lebensalter (Hughes und Rees 1997, Govoni und Granieri 2001). In % der Fälle geht der Erkrankung 1 3 Wochen zuvor ein akuter Infekt voraus, in etwa 40 % ein Atemwegsinfekt, in etwa 20 % ein gastrointestinaler Infekt. Die am häufigsten assoziierten Erreger sind Campylobacter jejuni, das Zytomegalievirus, Epstein-Barr-Virus und Mycoplasma pneumoniae (Hughes und Cornblath 2005). Ein Nachweis für den Zusammenhang mit einer Impfung ließ sich nur für die Influenzaimpfung (Risiko 1 : 10 6 ) und für die Tollwutvakzine führen, wie auch einige Impfungen GBS-Rezidive zu begünstigen scheinen (Pritchard et al. 2002). Ein Zusammenhang mit operativen Eingriffen ist umstritten. In Einzelfällen ist die Auslösung eines GBS durch TNF-Antagonisten beschrieben worden (Stübgen 2008). Das eigentliche GBS beginnt 1 4 Wochen nach dem vorausgegangenen Infekt, häufig mit starken Rückenschmerzen durch eine Radikulitis, gefolgt von aufsteigenden Paresen, die über maximal 4 Wochen bis zur Tetraplegie mit Beatmungspflicht voranschreiten können. Proximale und distale Muskelgruppen sind meist gleichermaßen und symmetrisch betroffen. Die Muskeleigenreflexe sind nach einigen Tagen abgeschwächt, meist gänzlich erloschen. Begleitend treten distal betont sensible Reiz- und Ausfallserscheinungen auf. Viele Patienten leiden unter ausgeprägten radikulären, neuralgiformen und Muskelschmerzen (Moulin et al. 1997, Martinez et al. 2010, Ruts et al. 2010). Die Störung der Tiefensensibilität kann eine deutliche Stand- und Gangataxie zur Folge haben. Meist stehen die motorischen Symptome im Vordergrund, bei ca. 15 % der Patienten ist die Symptomatik rein motorisch. Rein sensible GBS- Formen sind sehr selten (Oh et al. 2001). Hirnnervensymptome treten am häufigsten in Form einer ein- beidseitigen Fazialisparese auf, seltener kommt es zu Augenbewegungsstörungen, einer Hypoglossusparese, pharyngealer Kaumuskelschwäche (Polyneuritis cranialis). Eine Krankheitsvariante mit Ophthalmoplegie, Areflexie und Ataxie (5 %) wird als Miller-Fisher-Syndrom bezeichnet, bei dem typischerweise Antikörper gegen das Gangliosid GQ1b bnachweisbar sind. Elektroneurographisch fallen hier niedrige Amplituden der sensiblen Nervenantwortpotenziale auf. Ataxie, akute Ophthalmoparese oropharyngeale Schwäche können auch isoliert auftreten (Nagashima et al. 2007). Bei zusätzlichen Zeichen einer Hirnstammenzephalitis (Somnolenz, Hemisymptomatik) spricht man auch von einer Bickerstaff-Enzephalitis. Hier sind GQ1b-Antikörper häufig positiv (Odaka et al. 2003). Eine rein axonale GBS-Form ist in China bei Jugendlichen epidemisch anzutreffen, in Europa bei ca. 5 % (akute motorische axonale Neuropathie/ AMAN bzw. akute motorische und sensible axonale Neuropathie/AMSAN, McKhann et al. 1993). Weitere beschriebene regionale Varianten sind in Tab. J 1.1 genannt (Ropper 1986, 1994). Wichtig ist beim GBS das Erkennen der sehr häufigen autonomen Störungen (bis 80 %) mit Brady Tachykardie, kardialen Erregungsleitungsstörungen, orthostatischer Hypotonie transienter Hypertonie, Blasenentleerungsstörungen (15 %), Störungen der Darmmotilität, gestörter Schweißsekretion selten einem SIADH. Ein paralyti- J 1 * Autoren dieses Kapitels in der 5. Auflage: O. Eberhardt und S. Koeppen. 1205
3 Muskulatur und peripheres Nervensystem Tab. J 1.1: Klassifikation der immunvermittelten Akut Guillain-Barré-Syndrom (GBS) (Tab. J 1.4) akute inflammatorische demyelinisierende Neuropathie (AIDP): 90 % (Progredienz < 4 Wochen) akute motorische axonale Neuropathie (AMAN): < 10 % akute sensomotorische axonale Neuropathie (AMSAN): < 1 % Miller-Fisher-Syndrom: 1 5 % weitere Varianten: Polyneuritis cranialis, oropharyngeale, pharyngeal-zervikalbrachiale und paraparetische Variante, sensibel-ataktisches GBS, akute Pandysautonomie Subakut (Progredienz 4 8 Wochen) chronisch (Progredienz > 8 Wochen) subakute inflammatorische demyelinisierende Neuropathie chronische inflammatorische demyelinisierende Neuropathie (CIDP) (Tab. J 1.4, Tab. J 1.9) Varianten (s. Text) mit möglichen Begleiterkrankungen (Tab. J 1.7) multifokale erworbene demyelinisierende sensomotorische Neuropathie (MADSAM) Lewis-Sumner-Syndrom (Tab. J 1.8) multifokale erworbene sensomotorische Neuropathie (MASAM) distale erworbene demyelinisierende sensomotorische Neuropathie (DADS) multifokale motorische Neuropathie (MMN) (Tab. J 1.10) paraproteinämische (Tab. J 1.12) chronische schubförmige axonale Neuropathie? scher Ileus kompliziert den Verlauf bei jedem zweiten Patienten. Eine frühzeitige lange persistierende Blasensphinkterstörung ist aber ungewöhnlich. Eine isolierte Störung autonomer Funktionen wird selten in Form einer akuten Pandysautonomie beobachtet. Labor: Anti-Gangliosid-Antikörper im Serum werden beim GBS in etwa der Hälfte der Fälle gefunden. Dabei sind Antikörper gegen GM1, GM1b, GD1a und GalNac-GD1a typisch für die axonal-motorische Form AMAN (Hughes und Cornblath 2005), Antikörper gegen GQ1b, GD3 und GT1a für das Miller-Fisher-Syndrom (van Doorn et al. 2008). Tab. J 1.2: Differentialdiagnosen des Guillain-Barré- Syndroms mit Erregerassoziation bzw. Immunpathogenese FSME-induzierte Polyradikulitis (mit Pleozytose) toxinvermittelte Zeckenparalyse (tick paralysis, ohne Pleozytose) flavivirale Poliomyelitis-artige Erkrankungen (mit Pleozytose) akute transverse Myelitis diphtherische Neuropathie fulminante vaskulitische Neuropathie Critical Illness-Neuropathie HIV-Neuropathie Neuroborreliose Botulismus Poliomyelitis entzündliche Myopathien Der Liquor zeigt bei 80 % der Patienten gegen Ende der zweiten Krankheitswoche eine zytoalbuminäre Dissoziation mit isolierter Erhöhung des Liquoreiweißes. Oft ist das Liquoreiweiß in der ersten Woche noch normal (Ropper 1992), was in Zweifelsfällen eine Repunktion erforderlich macht. Die Zellzahl im Liquor liegt unter 10/mm 3, nur in Fällen von GBS bei HIV-Patienten kommen bis zu 50 Zellen/ mm 3 vor. Elektrophysiologisch finden sich bei der klassischen Form Zeichen der Demyelinisierung (Tab. J 1.3), früh als F-Wellenverzögerung -verlust, gleichzeitig eine Amplitudenreduktion der Muskelantwortpotenziale. In einer kleinen Studie wurden der Verlust des H-Reflexes und pathologische F-Wellen als sensitive Kriterien in der ersten Woche beschrieben (Gordon und Wilbourn 2001). Je nach Stringenz der angewandten diagnostischen Kriterien (Tab. J 1.3, Tab. J 1.4) können in 3 30 % der Fälle nur axonale Veränderungen (Amplitudenverlust und gegebenenfalls Zeichen florider Denervierung) nachgewiesen werden, wobei sich zum Teil im Verlauf die Einordnung ändert und Zeichen der Demyelinisierung bzw. des axonalen Schadens hinzutreten (Hadden et al. 1998, Uncini et al. 2010). Histopathologisch finden sich eine Infiltration mit T-Lymphozyten und Makrophagen in den betroffenen Nerven, in Plexus und Nervenwurzeln sowie eine segmentale Myelindestruktion mit Immunglobulin- und Komplementablagerung an der Myelinscheide. In einem Teil der Fälle können, auch ohne vorangegangene symptomatische Infektion, assoziierte Erreger in Stuhl Sputum isoliert werden bzw. eine entsprechende akute humorale Reaktion gegen diese Erreger nachgewiesen werden. Dies sind in absteigender Häufigkeit Campylobacter jejuni (C. jejuni) (20 30 %), Zytomegalievirus (5 15 %), Epstein- Barr-Virus (2 10 %) und Mycoplasma pneumoniae (1 5 %) (Hadden et al. 2001). Der Nachweis myelinspezifischer Antikörper in Assoziation mit diesen Infektionen führte zur Hypothese eines molekularen Mimikry von Erreger und Wirtsstrukturen, vorrangig Gangliosiden. C. jejuni von Patienten exprimieren Lipooligosaccharide (LOS), die Carbohydrate von Gangliosiden imitieren (Godschalk et al. 2007, Houliston et al. 2007). Das Konzept der molekularen Mimikry wird gestärkt durch das Auftreten GM1-Antikörper-assoziierter schlaffer Paresen 1206
4 Immunvermittelte und erregerassoziierte Tab. J 1.3: Elektrophysiologische Demyelinisierungszeichen bei GBS (AIDP) und CIDP Asbury und Cornblath 1990, Olney 1999 (GBS) 1. reduzierte motorische NLG < 80 % (70 %) in 2 N < 70 % in 2 N 2. verlängerte distale motorische Latenz > 125 % (150 %) in 2 N > 150 % in 2 N 3. verlängerte F-Wellenlatenz ( fehlende F-Wellen) Van den Bergh und Piéret 2004 (GBS, CIDP) > 120 % (150 %) in 2 N > 120 % (150 %) in 2 N 4. Leitungsblock abnorme Potenzialdispersion (vereinfacht) sicherer Leitungsblock Arm > 50 %, Bein > 60 % (Potenzialdauer max. 130 % der Norm) wahrscheinlicher Leitungsblock Arm > 40 %, Bein > 50 % (Potenzialdauer max. 130 % der Norm) fehlende F-Wellen in 2 N* + 1 weiterer Parameter in 1 N > 50 % in 2 N* > 50 % in 1 N* + 1 weiterer Parameter in 1 N > 30 % in 2 N* > 50 % in 1 N* + 1 weiterer Parameter in 1 N abnorme Potenzialdispersion > 30 % in 2 N sichere Diagnose: 3 Kriterien sichere Diagnose: 1 Kriterium * Voraussetzung: CMAP-Ampl. > 20 %. Der Wert in Klammern gilt bei Reduktion der motorischen Amplitude um mehr als 20 % des Normwerts. Für die CIDP wurde als weiteres Kriterium die Verlängerung der DML auf mind. 9 ms in einem Nerven (N), begleitet von Demyelinisierung in einem weiteren Nerven vorgeschlagen (Hughes 2005). Zu beachten: Diese Kriterien-Sets sind nur als Beispiele gedacht. Mehrere weitere Sets von Kriterien für die Demyelinisierung, insbesondere bei der CIDP, wurden veröffentlicht. Tab. J 1.4: erforderlich Diagnosekriterien des Guillain-Barré-Syndroms 1. progrediente schlaffe Parese mit Progression über weniger als 4 Wochen 2. bilaterale Symptome, im Wesentlichen symmetrisch 3. Hypo- Areflexie (kann in den ersten 2 3 Tagen fehlen) 4. Ausschluss anderer Ursache (Toxine und Schwermetalle, Elektrolytentgleisungen, Botulismus, Porphyrie, Diphtherie, Vaskulitis, HIV-Infektion, Borreliose, Diabetes mellitus, Critical Illness- Neuropathie, Myositis, myasthene Krise, Motoneuronerkrankung, spinale Läsion) unterstützend nicht passend zur Diagnose 1. (milde) sensible Zeichen und Symptome 2. HN-Beteiligung, insb. HN VII 3. autonome Störungen 4. Proteinerhöhung im Liquor (65 80 % in 2. Woche), Zellzahl unter 10 (20)/mm 3 5. elektrophysiologische Demyelinisierungszeichen 6. Rückenschmerzen (Radikulitis) zu Beginn 7. kein Fieber zu Beginn 8. Rückbildung der Symptome nach Plateauphase 1. ausgeprägte Asymmetrie 2. frühzeitige lange persistierende Sphinkterstörung 3. Granulozyten mehr als 50 Lymphozyten/mm 3 im Liquor 4. sensibles Niveau J 1 (modifiziert nach Asbury und Cornblath 1990, van der Meché et al. 2001, van Doorn et al. 2008) bei Kaninchen nach Sensibilisierung mit C. jejuni- Lipooligosacchariden (Yuki et al. 2004). Aktivierte T-Lymphozyten sorgen über Chemokine und Zytokine für die Öffnung der Blut-Nerven-Schranke, was den Zutritt von Antikörpern ermöglicht. Diese aktivieren das Komplementsystem und opsonisieren die Schwannzell-Membran das Axolemm für Makrophagen, was dann letztlich die Demyelinisierung axonale Schädigung bewirkt. Warum nur einer von Menschen mit C. jejuni-infektion ein GBS entwickelt ist noch unbekannt. Diese Zahl weist jedenfalls darauf hin, dass individuelle Faktoren eine große Rolle bei der Krankheitsentstehung spielen. J Verlauf Ein Symptomplateau wird in drei Viertel der Fälle nach 2 Wochen erreicht. 2 4 Wochen nach Ende der 1207
5 Muskulatur und peripheres Nervensystem Progression setzt eine langsame Rückbildung der Ausfallserscheinungen ein, beginnend mit den zuletzt aufgetretenen Paresen. Milde Formen erreichen das Plateau früher. Die Gehfähigkeit bleibt auf dem Höhepunkt der Erkrankung bei nur % erhalten. Eine respiratorische Insuffizienz mit Notwendigkeit zur Beatmung resultiert bei % der Patienten (mittlere Beatmungsdauer Tage). In der Akutphase versterben auch nach intensivmedizinischer Betreuung 3 12 % der Patienten, vor allem an respiratorischen Komplikationen, kardialen Arrhythmien, interkurrenten Infekten thrombembolischen Ereignissen (Hughes und Rees 1997). Die mediane Zeit bis zur Wiedererlangung der Gehfähigkeit beträgt Tage bei therapierten Patienten, bis zur maximalen Symptomerholung vergehen rund sechs Monate, bei einzelnen Patienten bis zu 24 Monate % der Patienten können nach einem Jahr noch nicht frei gehen, in der Hälfte bis zwei Drittel der Fälle bleiben längerfristig leichtere motorische sensible Defizite (PE/Sandoglobulin GBS TG 1997, de la Cour und Jakobsen 2005). Ungünstige prognostische Faktoren sind ein höheres Lebensalter, eine vorausgegangene Diarrhö, der Nachweis einer Campylobacter-Infektion, eine starke axonale Schädigung mit ausgeprägter Muskelatrophie und elektrisch nicht erregbaren Nerven sowie eine Beatmungspflicht (Hadden et al. 2001). Auch eine Small fiber-beteiligung in der Biopsie scheint die Prognose zu verschlechtern (Pan et al. 2003). Rein axonale GBS-Verläufe bzw. rein motorische Formen sind in den meisten Studien nicht mit einer langfristig schlechteren Prognose korreliert (PE/Sandoglobulin GBS TG 1997, Hadden et al. 1998, Hiraga et al. 2005). Über längere Zeit können Fatigue-Symptome persistieren. Patienten mit Miller-Fisher-Syndrom sind nach 6 Monaten im Allgemeinen symptomfrei. Wenn ein GBS ähnliches Bild eine Progression über 4 8 Wochen hat, wird dies als subakute inflammatorische demyelinisierende Polyradikuloneuropathie bezeichnet. Diese Form kann im Gegensatz zum GBS auf Prednison ansprechen (Hughes et al. 1992, Oh et al. 2003). Zwei Drittel der Patienten erholen sich nach der Therapie vollständig, weniger als 20 % nehmen einen chronischen Verlauf (Oh et al. 2003). Ein zweiter Erkrankungsschub nach Monaten bis 10 Jahren wird in 3 5 % der Fälle beobachtet. Risikofaktoren für ein GBS-Rezidiv konnten nicht ermittelt werden. Einige akut wie ein GBS beginnende Fälle gehen in eine CIDP über (bis 2 %). Hinweisend sind späte (> 8 Wochen) mehrfache Verschlechterungen. J Therapeutische Prinzipien Bei leichten GBS-Formen mit nur geringgradigen Paresen ist eine sorgfältige Betreuung auf einer Normalstation ausreichend. Eine intensivmedizinische Betreuung wird bei rascher Progredienz der Paresen, bulbärer Schwäche, drohender Ateminsuffizienz, begleitenden Infekten kardiovaskulärautonomer Dysregulation erforderlich (Tab. J 1.5). Die Indikation zur Beatmung ergibt sich bei progredientem Abfall des po 2 als Zeichen der alveolären Hypoventilation. Ein regelmäßiges Monitoring kardialer Funktionen sollte erfolgen. Die häufig zu beobachtende Sinustachykardie ist meist nicht behandlungsbedürftig, mit Ausnahme von älteren Patienten mit koronarer Herzkrankheit (Mukerji et al. 2009). Betablocker sollten jedoch wegen der Gefahr der Hypotonie und Bradykardie vermieden werden. Gefährliche Bradyarrhythmien und kardiale Reizleitungsstörungen, die eine Behandlung mit Atropin einem Schrittmacher erfordern, sind bei ca. 25 % der Patienten beschrieben worden (Mukerji et al. 2009) und stellen eine Indikation für die Intensivbehandlung dar. Der Bulbusdruckversuch und die Herzfrequenzanalyse haben eine mäßig gute Vorhersagekraft für Bradyarrhythmien und Asystolien (Flachenecker 2007). Die Indikation für einen temporären Herzschrittmacher sollte daher großzügig gestellt werden. Thrombose- und Pneumonieprophylaxe sind bei bettlägerigen Patienten notwendig. Eine konsequente Schmerzbehandlung ist erforderlich. Kortikosteroide sind in der Immuntherapie des GBS unwirksam ( ) (Hughes et al. 2010). Sechs randomisierte, placebokontrollierte Studien mit 649 Patienten haben hingegen gezeigt, dass die Plasmapherese behandlung beim GBS wirksam ist (Raphael et al. 2002). Bei leichten und schweren Formen wurde altersunabhängig die Zeit bis zum Einsetzen der Besserung bis zur Erlangung der Gehfähigkeit (um einen Monat) bzw. die Dauer der Beatmung verkürzt und die Rate schwerer Defizite nach einem Jahr reduziert. Plasmapheresen wirken am besten, wenn sie früh, d. h. innerhalb der ersten beiden Wochen nach Symptombeginn angefangen werden, sie wirken auch noch bei Beginn innerhalb der ersten 4 Wochen. Bei leichten Formen (Gehfähigkeit erhalten) waren zwei Plasmapheresebehandlungen besser wirksam als keine, bei mäßig schweren Formen vier Behandlungen besser als zwei, aber bei schweren Formen sechs nicht wirksamer als vier. In den Studien wurden im Allgemeinen insgesamt ml Plasma/kg ausgetauscht, entsprechend vier bis sechs Austauschbehandlungen zu je 2 4 l innerhalb von 5 14 Tagen (ein Plasmavolumen entspricht etwa 50 ml/kg). Für das Miller-Fisher-Syndrom gibt es keinen studienbasierten Wirknachweis (Mori et al. 2002). Bei rund % kann die Plasmapherese nebenwirkungsbedingt nicht zu Ende geführt werden, wofür u. a. Bradykardien, Infektionen und technische Schwierigkeiten verantwortlich sind. Weitere Nebenwirkungen sind eine arterielle Hypotonie und vereinzelt Gerinnungsstörungen. Ein niedriger Hämoglobinwert vor Beginn der Behandlung und die Verwendung von Fresh-frozen-Plasma anstelle von Albumin als Plasmaproteinersatz begünstigen das Auftreten von Komplikationen. Eine Citrattoxizität kann auftreten. Weitere zu berücksichtigende Faktoren bei der Plasmapherese sind der hohe apparative Aufwand und die Notwendigkeit eines großlumigen vaskulären Zugangs. Bei der selektiven Immunadsorption werden zirkulierende IgG-Antikörper und in geringerem Maß Proteine an eine Adsorbersäule gebunden, das Eigenplasma wird dem Patienten zurückinfundiert. Das Verfahren gilt als schonender als die Plasmapherese, ist aber nur in kleinen, retrospektiven bzw. offenen Studien getestet worden (Galldiks et al. 1208
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