JEDES KIND IST EINZIGARTIG. Die Kita ein Ort für alle Kinder. Die normale Entwicklung gibt es sie? Das Leben orientiert sich an der Normalität!
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- Siegfried Hoch
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1 JEDES KIND IM BLICK VIELFALT ALS HERAUSFORDERUNG UND CHANCE JEDES KIND IST EINZIGARTIG Dr. Joachim Bensel Forschungsgruppe Verhaltensbiologie des Menschen individuelle Ausgangslagen der Kinder und ihrer Herkunftsfamilien 3 Kinder mit starken Ängsten; gehemmte Kinder; Kinder mit hohem Bewegungsbedarf; Kinder, die sich nicht konzentrieren können; Kinder mit unbändiger Lebensfreude aggressive Kinder; sich nicht wehrende Kinder Familien mit unterschiedlicher Religiosität Die Kita ein Ort für alle Kinder nicht nur für Standard-Stefan und Norm-Nora! arme Familien; reiche Familien unterschiedliche körperliche Verfasstheit berufstätige; nicht berufstätige Eltern anderssprachige, mehrsprachige Familien Das Leben orientiert sich an der Normalität! 5 Die normale Entwicklung gibt es sie? 6 ist eine falsche und eine diskriminierende Aussage! Ja, aber sie ist höchst individuell, sogar bei der Bewältigung von anstehenden Entwicklungsaufgaben und dazugehörigen Zeitfenstern gibt es riesige Abweichungen!
2 Die normale Entwicklung ist variabel! 7 Entwicklungsforschung belegt Diversität: 8 Bei jedem Kind sind Eigenschaften und Fähigkeiten unterschiedlich angelegt und reifen verschieden aus, z. B. können sich sprachliche Fähigkeiten rascher entwickeln als motorische oder umgekehrt Jedes Kind hat seine eigenen Entwicklungs- Schnellzüge und Entwicklungs-Bummelzüge in seiner Entwicklungs-Flotte Erstklässler unterscheiden sich in ihrem Entwicklungsalter um mindestens 3 Jahre! Es gibt Siebenjährige, die ein Entwicklungsalter von 8 bis 9 Jahren haben und bereits lesen können. Andere Siebenjährige haben ein Entwicklungsalter von 5 bis 6 Jahren, ihnen fehlen sämtliche Voraussetzungen zum Lesen. alle nicht individualisierten Angebote drohen zu scheitern! 9 Jedes Kind ist einzigartig, 10 Das Jahrmillionen erprobte Grundprinzip der Entwicklungsvariabilität ermöglicht unendliche Vielfalt bezüglich der auszubildenden Eigenschaften und zu erwerbenden Spezialfähigkeiten, aber nur dann, wenn die daraus resultierenden Diversitäten eine Lehr- und Lernatmosphäre vorfinden, die Verschiedenartigkeit nicht nur akzeptiert, sondern als Bereicherung empfindet. d. h. das es nicht gerecht ist, alles für alle gleich zu machen, von allen dasselbe zu erwarten! gleichwertig, aber nicht gleichartig! 11 EQUALITY = GLEICHBEHANDLUNG: jeder bekommt dasselbe EQUITY = CHANCENGERECHTIGKEIT: jeder bekommt das, was er braucht DIVERSITÄTSBEWUSST
3 Individuelle Unterschiede als Normalität zu akzeptieren bedeutet: 13 sich eigener Sichtweise und Maßstäbe bewusst werden sich seine Vorlieben und Abneigungen bewusst machen und kritisch damit umgehen eigenen Vorurteilen auf die Spur kommen! BLICK FÜR DISKRIMINIERUNG SCHÄRFEN Blickschulung und Sensibilisierung 15 diskriminierungskritische, vorurteilsbewusste Hinterfragung 16 für diversitätsbewusste und diskriminierungskritische Abläufe und Prozesse im Alltag Reflektieren der eigenen Haltung und Einstellung gegenüber: Geschlecht, Alter Erfassen der Diversität in der Gruppe als Teil der Planungsprozesse: Gelten alle Regeln für alle? Gleiche Zeitdauer für einzelne Aktivitäten? Erkennen von Strukturen, die der Diversität der Kinder nicht angemessen sind oder für einzelne Kinder nicht passen Ermöglichung gemeinsamer Spielerfahrungen, die die Stärken jedes Kindes zeigen 17 Beispiel: Diversitätsbewusste Bewegungsangebote 18 Alle Kinder können an Spielen, Aktionen und Tätigkeiten teilhaben; sensibel auf exkludierende Prozesse reagieren und ihnen entgegenwirken; alle Kinder darin unterstützen, dass ihre Vorstellungen, Absichten und Bedürfnisse von den anderen Kindern verstanden werden und beantwortet werden können; Stärken einzelner Kinder transparent und erfahrbar machen Nicht jedes Kind ist sportlich, aber jedes Kind will sich bewegen können und ohne Angst neue Bewegungserfahrungen machen. Eine neue Spielplatzphilosophie sieht vor, dass es mehrere Wege zum Ziel geben muss, um mit unterschiedlichem Anforderungsgrad ganz nach oben und wieder runter zu kommen, und zwar ohne Gesichtsverlust, ohne Versagensängste, ohne Versagergefühle!
4 Es gibt Unterschiede! 20 Herausforderung und Chancen kultureller Vielfalt in der frühen Bildung Neben der Tatsache, dass in anderen Ländern ein anderes Klima herrscht, die Wohnungen von Familien sich deutlich unterscheiden und unbekannte Nahrungsmittel gegessen werden, erfahren die Kinder auch, dass es Mädchen und Jungen gibt, die nicht Weihnachten, auch nicht Ostern, dafür aber ganz andere Feste feiern, dass sie bestimmte Nahrung nicht zu sich nehmen dürfen, wie z. B. Schweinefleisch, oder während eines Monats im Sommer (Ramadan) tagsüber fasten, also beim gemeinsamen Frühstück nicht dabei sind. 21 Eine Bemerkung wie: In Afrika haben die Leute ja nur Hütten oder Zelte, keine richtigen Häuser kann ein Einstieg in achtsam sensible Überlegungen zu Gründen für Andersseins und Andersartigkeit sein, um sich den Lebenswelten anderer Menschen annähern und diese verstehen und respektieren zu können. ERZIEHUNG IM KULTURELLEN KONTEXT Erziehung im kulturellen Kontext 23 Autonomie versus Verbundenheit 24 Das elterliche Verhalten im Umgang mit ihren Kindern ist an ihre jeweiligen Überzeugungen und Vorstellungen angepasst Dementsprechend unterschiedlich sind auch die Erwartungen an die Arbeit in der Kinderbetreuung In westlichen Industriestaaten dominiert Autonomie im öffentlichen Leben also auch in der Kindertagesbetreuung In anderen kulturellen Kontexten strebt man stärker nach Verbundenheit
5 An Autonomie orientierte Eltern 25 An Verbundenheit orientierte Eltern 26 sind daran interessiert, dass ihre Kinder so früh wie möglich lernen, sich allein zu beschäftigen und ihre Wünsche oder Interessen auszudrücken beginnen vermutlich zeitig damit, ihre Kinder im eigenen Bettchen schlafen zu lassen geben den Kindern Gelegenheit, sich beim Essen zwischen verschiedenen Angeboten zu entscheiden beachten kindliche Vorlieben beim Spiel sind daran interessiert, dass ihre Kinder lernen, Teil einer Gemeinschaft zu sein, sich in die Familie einzuordnen, auf Ältere zu hören, mit anderen Menschen zu teilen und sich auch um deren Wohlergehen zu sorgen lassen ihre Kinder das Zimmer und ggf. sogar das Bett mit Eltern oder Geschwistern teilen geben ihren Kindern vor, was sie essen sollen erwarten, dass die Kinder ihnen gehorchen Herausforderungen für päd. Fachkräfte 28 KULTURSENSITIVE FRÜHPÄDAGOGIK Pädagogische Fachkräfte stehen vor der Herausforderung, auf die Vielfalt der Familien einzugehen, dem Leitbild ihrer Einrichtungen dennoch zu folgen und ihr Fachwissen einzubringen hat unterschiedliche Erziehungsvorstellungen im Blick Wie kann mit diesen Herausforderungen umgegangen werden? 29 Voraussetzungen für eine kultursensitive Haltung der pädagogischen Fachkräfte 30 Auf Wertungen und Zuschreibungen verzichten Ein [kulturelles] Modell ist nicht besser als das andere, sondern ein Modell stellt jeweils Anpassungsstrategien dar, die mehr oder minder zweckmäßig für die aktuelle Familiensituation in dem jeweils gegebenen Kontext sind (Borke & Keller 2014) Reflektierte Auseinandersetzung mit dem eigenen kulturellen Hintergrund und den Erfahrungen mit anderen kulturellen Kontexten Wissen über unterschiedliche kulturelle Kontexte und deren Bedeutung für das Verhalten der Eltern aus der Einrichtung Offenheit, Neugier und Respekt in der Begegnung mit Kindern und Eltern
6 Voraussetzungen für eine kultursensitive Haltung der pädagogischen Fachkräfte 31 keine vorschnelle Bewertung ungewohnter Situationen Verstehen-Wollen anderer Sichtweisen und Umgangsformen Offenheit für Veränderungen der eigenen Position Fähigkeit, gemeinsam mit den Eltern nach Kompromissen zu suchen Ansatzpunkte im Kita-Alltag für eine diversitätsorientierte Pädagogik Beispiele: 34 themenspezifische Angebote in Kleingruppen; Angebote für Schulkinder, Krippenkinder, Kindergartenkinder, für Jungen und/oder Mädchen; heterogene Zusammensetzung; Angebote in der Konzeption festgehalten, im Tages- und Wochenablauf dokumentiert AKTIVITÄTEN IN KLEINGRUPPEN - der neue Qualitätsstandard Ein Beispiel: 36 PRINZIP DER INNEREN DIFFERENZIERUNG HINSICHTLICH GESCHLECHTERN, KULTUREN, LEBENSMODELLEN UND MILIEUS durch die pädagogischen Fachkräfte soll die Geschlechterdifferenz nicht aufgehoben werden; Jungen und Mädchen im Alltag erfahren lassen, dass sie mehr können und mehr zeigen dürfen als das, was die Trennung in typisch Junge und typisch Mädchen ihnen suggeriert; Funktionsbereiche und Bewegungsbereiche sind mal nur für Jungen, mal nur für Mädchen zugänglich - der neue Qualitätsstandard
7 Beispiele: 38 RAUM UND MATERIALIEN BERÜCKSICHTIGEN GESCHLECHTER, KULTUREN, LEBENSMODELLE UND MILIEUS mehrsprachige Materialien; Bilder- und Illustrationsauswahl berücksichtigt die verschiedenen Kulturen und ihre Sprachen, Geschlechter, Lebensmodelle und Milieus der Kinder; Musik aus verschiedenen Kulturen; Gebrauchs- und Einrichtungsgegenstände aus verschiedenen Kulturen (Kochutensilien, Bestecke); attraktive Verkleidungsvarianten für Jungen und Mädchen und verschiedener Kulturen Qualitätsevaluation hat neue Blickwinkel! Beobachten ist der Schlüssel zur individuellen Beantwortung 40 Diversität beantworten ohne intensives Beobachten jedes einzelnen Kindes in seinem Tun und Interagieren mit anderen Kindern ist undenkbar aber was folgt auf Beobachtung und Dokumentation? BEOBACHTEN HANDELN Interpretation der Beobachtung 41 Handlungskonsequenzen 42 Das Beobachtete ist Ausdruck einer bestimmten Eigenart, Fähigkeit, Kompetenz, eines bestimmten Interesses oder einer bestimmten Absicht eines Kindes, den es zu deuten gilt. Die Interpretation zieht Schlussfolgerungen nach sich, die sich als Verhaltensänderungen (dem Kind gegenüber), als neue Angebote oder als Umstrukturierungen von Räumlichkeiten, Tagesrhythmus oder Regeln zeigen können.
8 44 ERFAHRUNGEN - REFLEXION - VERÄNDERUNG Diversitätsorientiert und inklusiv zu arbeiten setzt eine spezielle pädagogische Einstellung zur Entwicklungsbegleitung von Kindern und die sich dadurch von Grund auf verändernden Beziehungen zwischen dem Kind und den Erwachsenen voraus, unabhängig davon, wie alt ein Kind ist, welche Besonderheiten es hat und aus welchen familiären Lebenslagen es kommt In jedem Alter kann man einem Kind Zutrauen in seine Aktionen vermitteln, es in seinem Streben nach Unabhängigkeit und Eigenverantwortung Schritt für Schritt unterstützen. Ihm immer wieder neue Umwelten bieten, die ihm die Chance geben, sich in der jeweiligen Gemeinschaft, besonders in seiner gerade selbst gewählten Gruppe wohl zu fühlen und wirksam empfinden. Gemeinsame Lernumgebungen schaffen, die die Vielfältigkeit aller Kinder und Familien widerspiegeln und repräsentieren, heißt die große Aufgabe Forschungsgruppe Verhaltensbiologie des Menschen (FVM, Kandern)
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