Einleitung. Dr. Timo Tohidipur. Kompetenzen erwachsen insbesondere aus dem Titel IV des EUV, der zur autonomen
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1 ISSN TEISĖ Solidarität in der europäischen Asylund Flüchtlingspolitik Dr. Timo Tohidipur Wissenschaftlicher Mitarbeiter Institut für Öffentliches Recht Goethe-Universität Frankfurt am Main Grüneburgplatz Frankfurt am Main Tohidipur@jur.uni-frankfurt.de Solidarumas yra ne tik svarbi žmonių tarpusavio santykių kategorija, bet ir vaidina svarbų vaidmenį tarpvalstybiniuose santykiuose. Straipsnyje solidarumo principas suprantamas kaip esminis Europos Sąjungos principas, dvejomis formomis pasireiškiantis Europos prieglobsčio prašančių asmenų bei pabėgėlių politikoje. Viena vertus, Europos Sąjungos valstybių narių solidarumas šioje politikos srityje yra būtinas, norint vykdyti valstybių poreikius atitinkančią bendrą ir patikimą politiką. Kita vertus, solidarumo principas taip pat ir tiesiogiai turi būti taikomas saugumo ieškantiems asmenims, kurie įvairiais būdais bando patekti į Europos Sąjungą ir kuriems turi būti suteikiamos pagrindinių ir žmogaus teisių garantijos. Solidarität ist nicht nur eine wichtige Kategorie in zwischenmenschlichen Beziehungen, sondern spielt auch eine große Rolle im Bereich der zwischenstaatlichen Beziehungen. Der Beitrag versteht das Prinzip der Solidarität als ein für die Europäische Union grundlegendes Prinzip und wendet es in zweifacher Form auf die europäische Asyl- und Flüchtlingspolitik an. Einerseits ist eine Solidarität zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Union in diesem Politikbereich notwendig, um eine kohärente und verlässliche Politik zu gestalten, die den Bedürfnissen der Staaten entspricht. Zweitens ist eine Solidarität aber auch und gerade gegenüber den Schutzsuchenden geboten, die die Europäische Union auf vielen Wegen zu erreichen versuchen und die sich auf grund- und menschenrechtliche Rechtsverbürgungen stützen können. Einleitung Migrationssteuerung hat in der Europäischen Union politische Priorität. Die Entscheidung über die Frage, wer im politischen Raum der Europäischen Union lebt und wer den Raum über die Außengrenzen betreten darf, ist für das Selbstverständnis der Europäischen Union als freiwilligem Verbund europäischer Staaten von besonderer Bedeutung. Die erforderlichen Kompetenzen erwachsen insbesondere aus dem Titel IV des EUV, der zur autonomen supranationalen Rechtsetzung ermächtigt. Gleichzeitig definiert sich der Hoheitsbereich der Europäischen Union über die Hoheitsbereiche ihre Mitglieder, die Mitgliedstaaten, deren Außengrenzen zu Drittstaaten zugleich die Außengrenzen der Europäischen Union darstellen. Daher wird im Grundsatz der innergemeinschaft- 21
2 lichen Solidarität im Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts ein Schlüsselerfordernis für die sekundärrechtliche Gestaltung des Asyl- und Flüchtlingsrechts gesehen, denn ohne interne solidarische Struktur wären allein die Staaten an den Außengrenzen von Phänomen der Einwanderung betroffen. Als einem Staat an der Außengrenze der EU, der nun auch in das Schengen-Raum einbezogen ist, muss dies für Litauen von besonderem Interesse sein. Das auf europäischer Ebene gesetzte Asyl- und Flüchtlingsrecht hat sich darüber hinaus an völkerrechtlichen Rechtsregimen zu orientieren, die den Einzelnen als Träger subjektiver Rechte identifizieren. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, ob der Grundsatz der Solidarität sich allein in mitgliedstaatsfokusierter Gegenbezüglichkeit erschöpft, oder ob nicht auch die Perspektive der betroffenen Einzelnen zwingend ins Solidarsystem einzubeziehen ist. Aus diesen Vorüberlegungen heraus soll zunächst der Grundsatz der Solidarität in der EU im vertraglichen Kontext eingeordnet werden (I.), um sodann Migrationssteuerung als solidarisches Projekt unter Berücksichtigung völkerrechtlicher Implikationen im EU-Kontext beleuchten zu können (II.). Die Harmonisierung im Bereich Asyl- und Flüchtlingsrecht in der EU (III.) ist notwendige Voraussetzung für die Absprachen zur Lastenverteilung, des Burden Sharing innerhalb der EU (IV.). Dabei sollen auch Aspekte der deutschen Rechtslage einbezogen werden (V.). Über die innergemeinschaftliche Solidarität hinaus soll aber auch eine weitere Solidaritätsdimension, die Solidarität mit den betroffenen Einzelnen, Berücksichtigung finden (VI.), da die europäische Migrationspolitik sehr stark unter dem Einfluss des sicherheitspolitisch inspirierten Gedankens der möglichst effektiven Abwehr von Migration steht. 1. Solidarität und europäisches Recht Solidarität im europäischen Kontext hat ihren Ursprung in der Zeit der Französischen Revolution, wo die Bedeutung einer solidarité für die Sitten hervorgehoben wurde und die Solidarität sich über die Identität des Verhaltens verdeutliche [5, S. 9ff.]. Während sich aber im Fortgang der Französischen Revolution der Begriff der Brüderlichkeit fraternité durchsetzte, greift die Europäischen Union in ihren Vertragsgrundlagen die Solidarität als Verhaltensmaxime zwischen Staaten wieder auf und stützt sich schon in der Präambel des EUV auf die Solidarität zwischen den Völkern. Entsprechend achtet die Europäische Union gemäß Art. 6 Abs. 3 EU die nationale Identität ihrer Mitgliedstaaten und verkündet in Art. 10 EG die Pflicht zum grundsätzlichen Protegieren der Vertragsziele durch die Mitgliedstaaten. Diese Konstruktion der Verpflichtung auf Gegenseitigkeit wird im Rechtsdiskurs und insbesondere auch vom EuGH als Pflicht zu loyalen Zusammenarbeit (Loyalitätsgrundsatz) zwischen den Mitgliedstaaten und den Gemeinschaftsorganen bzw. als Ausdruck der Pflicht zur Solidarität (Solidaritätsgrundsatz) verstanden 1. Auch das nicht ausdrücklich im Normtext erwähnte Verhältnis der Mitgliedstaaten untereinan- 1 EuGH, Rs. 39/72, Kommission/Italien, Slg. 1973, 101, 115; EuGH, Rs. C-230/81, Luxemburg/Parlament, Slg. 1983, 255, 287; EuGH, Rs. C-52/84, Kommission/ Belgien, Slg. 1986, 89, 105 sowie EuGH, Rs. C-44/84, Hurd Jones, Slg. 1986, 29,
3 der, das für den asyl- und flüchtlingsrechtlichen Zusammenhang von besonderer Bedeutung ist, ist hier einbezogen 2. Der ebenfalls aus Art. 10 EG entnommene Grundsatz der Gemeinschaftstreue oder besser: Unionstreue [35, S. 2847] hat im deutschen Verfassungsrecht eine Entsprechung in der Bundestreue, die zugleich den Gesamtstaat wie auch die Gliedstaaten auf gegenseitige Rücksichtnahme und ein damit verbundenes solidarisches Procedere bei der Wahrnehmung der jeweiligen Kompetenzen verpflichtet 3. Solidarität wird damit in einem föderalen Kontext eine integrierende Kraft zugeschrieben. Diese integrierende Kraft verdeutlicht sich auch im Titel IV des EUV, der sich der Thematik von VISA, Asyl und Einwanderung widmet. Die diesem Titel zugehörigen Art. 61 ff. EG formulieren ebenfalls ein solidarisches Unternehmen der gemeinsamen Steuerung von Migration. 2. Migrationssteuerung als solidarisches Programm Grenzüberschreitende Wanderungsbewegungen von Menschen sind eine fast schon natürliche Folge des weltweiten Organisationssystems von Nationalstaaten. Die integrierende Kraft der Nationalstaaten lässt indes nach [3, S. 155ff.]. Doch trotz der Auswirkungen weltweiter Globalisierung ist ein Weltsystem ohne sie noch schwer vorstellbar [19, S. 37ff.; 28]. Damit bleiben auch Grenzen eine natürliche Lebensgrundlage [27, S. 155ff.; 33, S. 76ff.] und Zuwanderung in Staaten oder Staaten- 2 EuGH, Rs. C-186/91, Kommission/Belgien, Slg. 1993, I-851, Grundlegend BVerfGE 12, 205, 255 ff.; BVerfGE 34, 9, 20ff.; BVerfGE 86, 148, 211 f. gemeinschaften, sei es Form der einfachen Einwanderung oder aus Gründen von Asyl oder Flucht, eine dauerhafte Realität [25, S. 23ff.]. Wanderungsbewegungen über solche Grenzen hinweg werden (Internationale) Migration genannt. Mithin sind nicht alle Migranten Flüchtlinge, vielmehr bilden die Flüchtlinge nach klassischer Lesart eine besondere Gruppe der Migranten [9, S. 514ff.]. Während, schematischvereinfachend, Migration grundsätzlich freiwillig erfolgt und im Aufnahmestaat kein Anspruch auf Einwanderung besteht, da die Interessen und Bedürfnisse des Aufnahmestaates im Kontext der jeweiligen Einwanderungspolitik im Vordergrund stehen, ist Flucht grundsätzlich erzwungen und begründet einen individuellen Anspruch auf Schutz, der sich nach den Bedürfnissen des Schutzssuchenden und nicht nach denen des Aufnahmestaates richtet [31]. Eine klare Trennung oder gar Hierarchie der Begriffe erweist sich als schwierig, mithin besteht eine gewisse Unübersichtlichkeit von der Tagespresse bis in den wissenschaftlichen Diskurs hinein [12, S. 15ff.; 13, S. 28ff.]. Jedenfalls sind Teile der Migranten auf der Flucht vor staatlicher oder nicht-staatlicher Verfolgung und folglich als Flüchtlinge i.s.d. Art. 1 A der Genfer Flüchtlingskonvention einzustufen. Dies bedeutet in erster Linie, dass das Gebot des Non-Refoulement eingreift, ihnen also zumindest die Möglichkeit des Schutzsuchens eingeräumt werden muss und dem jeweiligen Staat eine sofortige Ablehnung der Einreise, also die Ausweisung nicht erlaubt ist [15]. Auch Litauen hat sich durch die Unterzeichnung der GFK im Jahre 1997 zur Wahrung der entsprechenden Grundsätze des Flüchtlingsschutzes verpflichtet. Über die GFK hinaus ist die sog. 23
4 Qualifikationsrichtlinie 4 in der EU die maßgebliche Normierung, die die GFK in europäisches Recht transferiert, dabei aber nicht ohne eigenen spezifischen Gehalt auskommt. So wird im 3. Erwägungsgrund der Richtlinie ausdrücklich hervorgehoben, dass die Genfer Konvention einen wesentlichen Bestandteil für den Schutz der Rechte der Flüchtlinge darstellt und in Konsequenz dessen im 4. Erwägungsgrund bestimmt, dass das Europäische Asyl system sich diesem Standard annähern soll. Der hohe Standard der GFK hat einen menschenrechtlichen Ausgangspunkt, denn Art. 14 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte normiert ausdrücklich: Jeder Mensch hat das Recht, in anderen Ländern Asyl vor Verfolgung zu suchen und zu genießen. Diese Absichtserklärung muss sich jedoch in konkreten verbindlichen Normen verdichten, um ein subjektives Schutzrecht zu konstruieren. Angestoßen durch die weitreichende Flüchtlingskrise während und nach dem 2. Weltkrieg, [23, S. 435ff.] wurde das Flüchtlingskommissariat der UN (UNHCR) 1951 durch Resolution 319(IV) der UN-Generalversammlung vom 03. Dezember 1949 geschaffen 5. Das Instrument des UNHCR ist ein Abkommen aus dem Jahre 1951, die GFK, die zunächst nur für die menschenrechtskonforme Abwicklung der Flüchtlingsproblematik nach dem 2. 4 Richtlinie 2004/83/EG des Rates v. 29. April 2004 über Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig internationalen Schutz benötigen, und über den Inhalt des zu gewährenden Schutzes, Abl. L 304 v , S. 12; berichtigt in Abl. L 204 v , S Die Satzung des UNHCR wurde von der Generalversammlung am 14. Dezember 1950 als Anhang zur Resolution 428 (V) angenommen. Weltkrieg gedacht war. Hieraus erklärt sich auch das zunächst nur dreijährige Mandat des UNHCR, das in der Folgezeit stetig verlängert wurde und erst seit 2004 unbefristet ist. Die Präambel des Abkommens formuliert im 4. Erwägungsgrund die dem Abkommen zugrundeliegende Vorstellung notwendiger internationaler Zusammenarbeit, also die internationale Solidarität. Die Umsetzung der GFK in deutsches Recht erfolgte erst Die GFK wird als Magna Charta des Flüchtlingsrechts [16, S. 4] bzw. etwas weniger pathetisch als Grundstein des internationalen Flüchtlingsschutzes 7 bezeichnet. Dabei knüpft die durch Art. 1 A Nr. 2 GFK definierte Flüchtlingseigenschaft ausdrücklich an Ereignisse vor 1951 und dazu auch noch primär in Europa an, enthält also eine zeitliche und eine geografische Begrenzung in ihrem Anwendungsbereich. Die GFK ist folglich nur durch das Protokoll aus dem Jahre 1967 auf die heutigen Flüchtlingssachverhalte anwendbar, wobei nicht alle Unterzeichnerstaaten der GFK auch das Zusatzprotokoll gezeichnet haben. Dieses Zusatzprotokoll hebt die zeitliche und die geografische Beschränkung der GFK auf. Diese Zuständigkeitserweiterung war und ist auch mehr als notwendig angesichts dessen, dass momentan von ca. 21 Millionen Flüchtlingen bzw. flüchtlingsähnlichen Situationen ausgegangen wird, wozu noch schätzungsweise 24 Millionen Binnenflüchtlinge hinzukommen. Die Notwendigkeit internationaler Solidarität als Grundstein des Asyl- und Flüchtlingsschutzes bleibt essentielles Desiderat. 6 BGBl. II 1953, Rotes Kreuz Österreich, Recherche von Herkunftsländerinformationen, S. 12, abrufbar unter:
5 3. Elemente des Asylund Flüchtlingsregimes der EU Seit dem Amsterdamer Vertrag, der 1999 geschlossen wurde, konstituiert sich die EU als Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts und nahm erstmalig in den Art. 61 ff. EG das Asyl- und Flüchtlingsrecht als Regelungsmaterie auf, wodurch eine weitgehende Harmonisierung in diesen Bereichen ermöglicht wurde. Die wichtigsten Grundlagen für sind dabei die Art. 62 und 63 des EGV. Nach Art. 62 Abs. 2 wird die EU dazu ermächtigt, Maßnahmen bezüglich des Überschreitens der Außengrenzen festzulegen das umfasst u.a. die Festlegung von Normen und Verfahren bzgl. der Durchführung der Kontrolle der Außengrenzen und Vorschriften über die Visa-Erteilung. Auf dieser Grundlage entstand beispielsweise die Europäische Grenzschutzagentur Frontex, die als Agentur den Grenzschutz der Europäischen Union koordinieren und effektuieren soll [10 und 29]. Der Art. 63 EG legt hingegen die Kompetenzen der EU zur Rechtsstellung der Flüchtlinge und anderer vertriebener Personen sowie zum Erlass generell einwanderungspolitischer Maßnahmen inkl. dem Recht von Staatsangehörigen aus Drittstaaten fest. Damit ist dies die Grundlage für die Errichtung eines vollständig harmonisierten gemeinsamen Asylsystems, mithin für die Etablierung eines einheitlichen Verfahrens für alle Flüchtlingsgruppen, für die Formulierung einheitlicher materiell-rechtlicher Anforderungen an die Schutzgewährung und letztlich für die Festlegung eines einheitlichen unionsweiten Status für anerkannte Flüchtlinge [26, Rn. 5; 34]. Die Kompetenz des Art. 63 EG umfasst auch die Regelung von Fragen illegaler Einwanderung und illegalen Aufenthalts, denn Art. 63 Nr. 3 b) bestimmt ausdrücklich, dass die Union einwanderungspolitische Maßnahmen im Bereich der illegalen Einwanderung und des illegalen Aufenthalts, einschließlich der Rückführung treffen soll. Mit der Formulierung einschließlich der Rückführung wird ausgedrückt, dass es auch einen Regelungsbereich des so genannten illegalen Aufenthalts außerhalb der Rückführung gibt, wenngleich die Rückführung den Regelfall darstellen wird. Hinzu treten Art. 18 und 19 der Grundrechtecharta (GRCh), die das Recht auf Asyl nach Maßgabe der GFK und des EGV sowie den Schutz bei Abschiebung, Ausweisung und Auslieferung gewähren. Dabei vermag Art. 18 GRCh schon aufgrund der unterschiedlichen innerstaatlichen Regelungen keinen subjektiv-rechtlichen Anspruch zu begründen, während Art. 19 GRCh materielle Gehalte des Abschiebungsschutzes aus der EMRK in den Rechtskorpus der EU festschreibt [20, Rn. 87ff.]. Im Hinblick auf ihre Bedeutung für eine europäische Asylpolitik werden diese Grundrechtsbestimmungen auch in einen Kontext mit Art. 7 GRCh, also der Achtung des Privat-und Familienlebens und den sozialen Rechten in Kapitel IV der GRCh gestellt. Die Grundrechtecharta entfaltet bis zum Inkrafttreten des Lissaboner Vertrages noch keine Rechtskraft, bietet gleichwohl schon jetzt Orientierung für rechtsförmiges Handeln der EU und damit auch für die Judikatur der Europäischen Gerichtsbarkeit. So war sie bereits ausdrücklicher Bezugspunkt in Urteilen des EuG, Schlussanträgen der Generalanwalt- 25
6 schaft und des Gerichtshofs 8 und erlangte dadurch eine nicht zu vernachlässigende Funktion bei der Rechtsfindung und Festlegung der Reichweite bei Gewährung von Rechten. Auf dem Gipfel von Tampere hatte der Europäische Rat 1999 allgemeine Leitsätze zur Umsetzung der gemeinsamen Asyl- und Migrationspolitik formuliert 9. Mit dem Haager Programm aus dem Jahre wurden sodann Leitlinien für einen einheitlichen Schutzstatus und ein gemeinsames Asylverfahren gelegt. Man kann der Europäischen Union im Bereich der Einwanderungs-und Flüchtlingspolitik des EG-Vertrages keine Untätigkeit vorwerfen vielmehr wurde in den letzten Jahren ein sehr umfassendes Richtlinienwerk vorgelegt [20, S. 1829; 14, S ]. Eine der bekanntesten ist bisher sicher die Qualifikationsrichtlinie, die den Flüchtlingsschutz der Genfer Flüchtlingskonvention mehr oder weniger unmittelbar in den Rechtsbereich der EU inkludiert. Die Qualifikationsrichtlinie nimmt ausdrücklich Bezug auf die EMRK und die GFK, ist aber materiell-rechtlich enger gefasst als beide [22]. Sie regelt die Voraussetzungen der Flüchtlingsanerkennung, der subsidiären Schutzgewährung und deren status- 8 EuGH Rs. C-540/03, Parlament/Rat, Slg. 2006, I-5769, Rn. 38; EuG Rs. T-194/04, Bavarian Lager/ Kommission, Slg. 2006, II-1429, Rn. 71; Schlussanträge des Generalanwalts Siegbert Alber, Rs. C-63/01, Evans, Slg. 2003, I-14447, Rn. 84 ff. 9 Schlussfolgerungen des Vorsitzes, vgl: Zur Bilanz des Tampere-Programms aus dem Jahre 2004 vgl. Mitteilung der Kommission an den Rat und das Europäische Parlament, Bilanz des Tampere-Programms und Perspektiven v , KOM (2004) 401 endgültig. 10 Haager Programm, Mitteilung der Kommission an den Rat und das Europäische Parlament, KOM(2005) 184 endgültig. rechtliche Folgen, sowie auch die Voraussetzungen der Statusaberkennung. Doch in der Gesamtschau steht die im Grünbuch über das künftige gemeinsame Asylsystem 11 geforderte tatsächliche Verwirklichung eines einheitlichen Schutzraums für Flüchtlinge, in dem die vollständige und uneingeschränkte Anwendung der Genfer Konvention verwirklicht wird, die sich zudem in den gemeinsamen humanitären Werten der Mitgliedstaaten widerspiegele, noch aus. 4. Elemente des europäischen Burden Sharing Die Gewährung von Asyl- und Flüchtlingsrechten kann und muss auch unter dem Gesichtspunkt der Ressourcenaufwendung betrachtet werden, denn die Aufnahme und Versorgung von Asylanten und Flüchtlingen kann, je nach Antrags- bzw. Fluchtgrund, dauerhaft und umfangreich sein. So gesehen birgt die rechtmäßige Durchführung der Rechtsregime Lasten für den jeweiligen Staat, die in einem solidarischen System nicht nur wenigen Mitgliedstaaten aufgebürdet werden kann. Im europäischen Recht wurden daher Mechanismen der Lastenverteilung, des Burden Sharing, installiert. Eine diesbezüglich bedeutende Quelle des Einwanderungs- und Asylrechts der EU ist die auf der Rechtsgrundlage des Art. 63 Abs. 1 Nr. 1 EG erlassene Dublin II-Verordnung 12, die das alte Dubliner 11 KOM(2007)301 endgültig. 12 Verordnung (EG) 343/2003 des Rates v. 18. Februar 2003 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen in einem Mitgliedstaat gestellten Asylantrags zuständig ist, Abl. EG L 50/01. 26
7 Übereinkommen aus dem Jahre 1990 ablöste und damit die Regelungen aus dem rein intergouvernementalen Kontext in das Sekundärrecht der EU überführte. Inhaltlich strukturiert die Dublin II -Verordnung 343/2003 die Suche nach der Feststellung des zuständigen Mitgliedsstaates für die Prüfung eines Asylantrages anhand verbindlicher Kriterien. Mit einer möglichst klaren Zuständigkeitsbestimmung sollen nachprüfbare Verfahrensverantwortlichkeiten und die Verhinderung von refugees in orbit, also das Weiterschieben von Flüchtlingen aufgrund erklärter innerstaatlicher Unzuständigkeit, erreicht werden. Jedem Asylbewerber wird nur ein Verfahren in einem Dublin-Mitgliedstaat zugestanden. Dies bedingt zugleich, dass alle Mitgliedstaaten die Entscheidung des einen zuständigen Staates als verbindlich anerkennen. Hierzu formuliert die Dublin II-VO Kriterien, die in einem hierarchischen Verhältnis zueinander stehen und entsprechend der in Art. 5 Dublin II-VO zu prüfen sind. Die sich dabei ergebenden 8 Stufen sind in den Art. 6 ff. Dublin II- VO ausdrücklich festgeschrieben. In der sogenannten Dublin II-Durchführungsverordnung 13 legt die Kommission genaue Regeln für die Anwendung der Dublin-II- Verordnung fest, insbesondere im Hinblick auf die Durchführung von Überstellungen und die Anwendung der humanitären Klausel. Diese Regeln beruhen auf den Anwendungsrichtlinien, die im Zusammenhang mit dem Dubliner Übereinkommen entwickelt wurden. 13 Verordnung (EG) 1560/2003 v. 2. September 2003 mit Durchführungsbestimmungen zur Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen in einem Mitgliedstaat gestellten Asylantrags zuständig ist, ABl. L 222/3 v. 15. September Notwendiges Instrument zur Implementierung der Dublin II-Regularien ist die EURODAC Datenbank 14, die seit ihrer Inbetriebnahme 2003 die Sammlung von Fingerabdrücken Asylsuchender und solchen Personen, die illegal die Außengrenzen überschreiten, vornimmt. Die Mitgliedstaaten können durch direkten Zugriff also umgehend feststellen, ob ein Asylsuchender bereits zuvor in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union einen entsprechenden Antrag gestellt hat oder dort aufgegriffen wurde und ihn dann dorthin verweisen. Problematisch bleiben indes die durchaus divergierenden mitgliedstaatlichen Standards bei der Prüfung von Asylgesuchen, wodurch bei innergemeinschaftlicher Überstellung zwischen Mitgliedstaaten nicht immer ein faires Verfahren gewährleistet wird [30, S. 5f.; 4, S. 213; 32], auch wenn hier das harmonisierende Potential der EU wirkt [1]. Grund zur wesentlich grundlegenderen Besorgnis bietet die Anwendung der sogenannten Drittstaatenregelung, wonach die nachweisbare Durchreise des Antragstellers durch einen sicheren Drittstaat die Überstellung an diesen durch den betroffenen Mitgliedstaat ermöglicht. Die Drittstaatenregelung wird dazu genutzt, Asylsuchende in ein Drittland abzuschieben, ohne ihren Asylantrag substantiell zu prüfen und ohne ein wirklich faires Verfahren im Drittstaat sichergestellt zu wissen. Der Grundsatz der Solidarität wird hier zur Gleichbehandlungs- bzw. Gleichverpflichtungsregel. Versteht sich die EU 14 Rechtsgrundlage hierfür ist die Verordnung (EG) Nr. 2725/2000 des Rates vom 11. Dezember 2000 über die Einrichtung von Eurodac für den Vergleich von Fingerabdrücken zum Zwecke der effektiven Anwendung des Dubliner Übereinkommens, ABl. L 316/1, 15. Dezember
8 als solidarische Gemeinschaft, so ist im Bereich der Asyl- und Flüchtlingsrechts eine angemessene innere Lastenverteilung vorzunehmen, doch das Dublin-System scheint diesbezüglich defizitär, denn es ist eher als burden-shifting denn als burden-sharing -Ansatz konstruiert. Zuständig ist grundsätzlich der Staat der Ersteinreise, Ausnahmen werden v.a. zugunsten von Minderjährigen oder zur Wahrung der Familieneinheit gemacht. Grundannahme von Dublin II ist, dass die Asylentscheidungen und -verfahren in den verschiedenen Mitgliedstaaten soweit vergleichbar sind, dass es keine Rolle spielt, wo die Prüfung stattfindet. Dies ist jedoch nur der Ideal-, nicht der Realzustand. Ein wirksameres Instrument tatsächlicher Lastenverteilung ist der Europäische Flüchtlingsfonds, der durch eine Entscheidung der Mitgliedstaaten aus dem Jahre 2000 ins Leben gerufen wurde 15. Der erste Berechnungszeitraum lief von , sodann wurden durch eine zweite Entscheidung die Modalitäten für die Jahre festgelegt 16. Gemäß Art. 1 der Entscheidung hat der Flüchtlingsfonds zum Ziel, das Tragen der Belastungen zu unterstützen und zu erleichtern, die für die Mitgliedstaaten mit der Aufnahme von Flüchtlingen und vertriebenen Personen und den Folgen dieser Aufnahme verbunden sind. Im primären Fokus der Unterstützung sind daher die Aufnahmebedingungen, die Integration und die Rückführung. Die Auszahlungen aus dem Fonds an 15 Flüchtlingsfonds-Entscheidung 2000/596/EG v. 28 September 2000, Abl. L 252 v. 06. Oktober 2000, S Entscheidung 2004/904/EG des Rates v. 02. Dezember 2004 über die Errichtung des Europäischen Flüchtlingsfonds für den Zeitraum , Abl. L 381 v. 28. Dezember 2004, S. 52. die Mitgliedstaaten erfolgt entsprechend Art. 17 der Entscheidung nach (jährlich erneuter) Antragstellung durch die Kommission. 5. Implikationen für die deutsche Rechtslage Deutschland mit seiner Lage im Zentrum der EU ist für Flüchtlinge von außen nahezu unerreichbar, da in fast jeder Richtung ein EU-Mitgliedstaat liegt, der folglich selbst zur Gewährung von Schutz vor Verfolgung verpflichtet ist. Eine Ausnahme bilden die verkehrsreichen internationalen Flughäfen Deutschlands und die Häfen. Die Hürden für eine legale Einwanderung sind nach deutschem Recht immer noch sehr hoch. Insoweit könnte sich der deutsche Staat in Bezug auf die Migrationsproblematik im ruhigen Abseits wähnen. Die aktuelle Migrationssituation verdeutlicht der alljährlich erscheinende Migrationsbericht im Auftrag der Bundesregierung [6, S. 12]. Zwar sind demnach vermehrt Zuzüge von Unionsbürgern aus den neuen östlichen Mitgliedstaaten der EU zu verzeichnen, doch dafür geht generell die Zahl der Asylsuchenden zurück [6, S. 18f.], was sicher auch der geographischen Lage Deutschlands und der Rechtslage der EU geschuldet ist. Doch gerade hier greifen die Solidaritätsregeln der EU, die eben nicht nur die Mitgliedstaaten, die Grenzen zu Drittstaaten haben und damit die EU-Außengrenze bilden, in der Pflicht sieht, sondern alle Mitgliedstaaten zu gleichen Teilen. Bestärkung findet die erwartbare Solidarität mit den anderen Mitgliedstaaten durch die im Grundgesetz fixierte Teilhabe an der immer engeren Union europäischer Staaten, Art. 23 GG. 28
9 Der deutsche Umgang mit der Qualifikationsrichtlinie war zunächst problematisch, da die Umsetzungsfrist versäumt wurde und somit die Richtlinie unmittelbare Wirkung entfaltete 17. Immerhin hat aber die für die Mitgliedstaaten verpflichtende Umsetzung der Qualifikationsrichtlinie in der Folge zu erheblichen Änderungen, genauer: Verbesserungen der deutschen Rechtslage geführt. So sind nunmehr nichtstaatliche und geschlechtsspezifische Verfolgung rechtlich anerkannt, vgl. 60 Abs. 1 Aufenthaltsgesetz (AufenthG). Zudem ist zugleich die Anerkennung kumulativer Verfolgungsgründe anerkannt, vgl. 9 Abs. 1 b) AufenthG. Die unterschiedlichen Tatbestände des Asyl- und Flüchtlingsschutzes im deutschen Recht implizieren zunächst einmal Probleme beim Umgang mit der Abgrenzung zwischen Asylant und Flüchtling. Doch dem entgeht die deutsche Rechtsordnung dadurch, dass nach 3 AsylVfG eine rechtliche Gleichstellung von Asylberechtigtem und einem Konventionsflüchtling besteht. Die deutsche Besonderheit, dass neben der einfachgesetzlichen Schutzgewährleistung für Asylsuchende und Flüchtlinge auch aus dem Art. 16 a des Grundgesetzes ein Asylgrundrecht besteht, hat für die Frage der Solidarität im europäischen Asyl- und Flüchtlingsrecht keine unmittelbare Relevanz. Einer Umsetzung für die Dublin II-VO in deutsches Recht bedurfte es aufgrund der stets unmittelbaren Anwendbarkeit von Verordnungen gemäß Art. 249 Abs. 2 EG nicht. Die Dublin II-VO samt ihrer Durchführungs-VO wird also direkt von 17 So ausdrücklich die Hinweise des BMI zur Anwendung der Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29. April 2004 in der Bundesrepublik Deutschland v. 13. Oktober den deutschen Behörden und Gerichten angewendet. Sie entfaltet Wirksamkeit für alle Asylanträge ab dem 1. September 2003 [24, Rn. 3ff.]. Problematisch ist unter Rechtsschutzgesichtspunkten die fehlende aufschiebende Wirkung von Rechtsbehelfen gegen einen sogenannten Dublin II-Bescheid nach deutschem Recht. Nach 34a Abs. 2 AsylVerfG darf die angeordnete Abschiebung in einen sicheren Drittstaat oder einen nach der Dublin II-VO zuständigen Staat nicht ausgesetzt werden, der einstweilige Rechtsschutz ist also suspendiert. Eine mögliche verfassungsrechtliche Grundlage findet diese Rechtswegeverkürzung allerdings in Art. 16a Abs. 2 Satz 3 des Grundgesetzes[24, Rn. 1f.]. Gleichwohl betont der EuGH in ständiger Rechtsprechung die Notwendigkeit der Gewährung effektiven gerichtlichen Schutzes bei Rechten, die aus der Gemeinschaftsrechtsordnung hergeleitet werden 18. Ebenso könnte der Rechtsgedanke des Art. 19 Abs. 4 GG, als verwaltungsrechtliche Ausprägung des im Rechtsstaatsprinzip verorteten allgemeinen Justizgewährungsanspruchs, hier angeführt werden. Somit wird die hier offen auftretende Ambivalenz zwischen strikter und rechtlich unreflektierter Durchführung der Dublin II- Regeln und dem solidarischen Impuls mit dem betroffenen Rechtsschutzsuchenden aufzulösen sein. 6. Ausblick: Solidaritätsdimensionen Grenzen sind insoweit eine Konstruktion sozialer Prozesse, als sie die Herstellung 18 Vgl. nur EuGH, Rs. C-263/02, Jégo-Quéré/Kom- C-263/02, Jégo-Quéré/Kommission, Slg. 2004, S. I-3425; EuGH, Rs. C-50/00P, Unión Pequeños Agricultores/Rat, Slg. 2002, I-6677, Rn. 39; EuGH, Rs. 222/84, Johnston, Slg. 1986, S. 1651, Rn
10 von Differenz bedingen. Dies trifft selbstverständlich in abgeschwächter Form auch auf Binnengrenzen zu, gilt aber umso wirkmächtiger für Außengrenzen, wie die der Außengrenzen der EU, die eine starke Trennung von innerem und äußerem Raum konstituieren [18, S. 295]. Die Solidarität nach Innen, innerhalb des Binnenraumes ist daher nicht mit der Solidarität mit Außen, dem Anderen jenseits der Grenze gleichsetzbar. Der Zusammenhalt innerhalb des Verbandes, die innere Solidarität der EU gründet auf der Freiwilligkeit des Zusammenschlusses und der Unterzeichnung der Gründungsverträge bzw. der einvernehmlichen Aufnahme. Dies inkludiert die Anerkennung der gemeinsamen Regeln des Migrations- und Flüchtlingsrechts und die sich hieraus ergebenden Verpflichtungen [21, S. 20ff.]. Doch die grenzüberschreitenden Verrechtlichungsprozesse machen vor den Grenzen der EU nicht halt und garantieren beispielsweise über völkerrechtliche Verbürgungen eine grenzübergreifende Solidarität, der sich auch die europäischen Staaten in ihrem Handeln bewusst sein müssen. Die EU darf als Rechtsgemeinschaft nicht nur auf die normgestützte Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten fixiert sein, da der Anspruch an eine Rechtsgemeinschaft darüber hinaus geht. Sie ist auch auf die Gewährung von Rechten gegenüber Einzelnen ausgelegt und muss damit aus dem Asyl- und Flüchtlingsrecht entspringende Individualrechte achten und sich den Betroffenen gegenüber solidarisch zeigen 19. Diese Solidarität beinhaltet zumindest die zügige und vor allem faire Prüfung sei- 19 So auch ausdrücklich die Europäische Kommission in ihrer Mitteilung Eine gemeinsame Einwanderungspolitik für Europa: Grundsätze, Maßnahmen, Instrumente v , KOM (2008)359 endg, S. 2. nes Anliegens [30, S. 5] und erlaubt keine reine Migrationsvermeidungspolitik [8, S. 58]. Dies gilt auch in Zeiten, in denen eher unter sicherheitspolitischen Vorzeichen gehandelt wird und wo die Militarisierung der Globalpolitik zu Beschränkungen von (demokratischen) Rechten führen kann [7, S. 162ff., 170ff.]. 7. Schlussfolgerung Die Tendenz der Militarisierung von Globalpolitik ist auch bei der Europäischen Union spürbar. So lässt sich am integrierten Grenzschutzregime im europäischen Maßstab ablesen, dass Migration zunehmend nach einer Sicherheitslogik bearbeitet wird, die sich institutioneller und rechtlicher Grenzen zu entledigen sucht. Die europäische Asyl- und Einwanderungspolitik wird so zur Migrationsvermeidungspolitik. Die geplante Blue Card ändert mit ihrem begrenzten Anwendungsbereich hieran nichts. Die Konsequenz ist eine innergemeinschaftliche, solidarische Einigkeit darüber, dass das Gebiet der EU nach Außen abgeschottet wird, wodurch die Solidarität mit dem Flüchtling suspendiert wird. Die Ernsthaftigkeit anerkannter völkerrechtlicher Verpflichtungen und deren Niederschlag in der Grundrechtecharta und dem asyl- und flüchtlingsrechtlichen Sekundärrecht führt jedoch zu gleichzeitiger Solidarität mit den anderen Mitgliedstaaten und dem betroffenen Einzelnen und damit zur ausgewogenen, weil nicht allein sicherheitszentrierten Verwirklichung eines Raums der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts. Es wäre gleichzeitig die wünschenswerte Entwicklung vom Konzept des burden sharing zur Idee des responsibility sharing. 30
11 LITERATUR 1. Acker, Doede. The Negotiations on the Asylum Procedures Directive, European Journal of Migration and Law, 2005, Arnst, Olga. Grenzüberschreitende Verrechtlichungsprozesse: Einige Überlegungen zur Konzeptualisierung, in: Friedrich Arndt / Carmen Dege u.a. (Hrsg.), Ordnungen im Wandel. Bielefeldt, Benhabib, Seyla. Demokratische Iterationen, in: dies. (Hrsg.), Kosmopolitismus und Demokratie, Boeles, Pieter. Fair and Effective Immigration- Procedures in Europe? European Journal of Migration and Law, 2005, Brunkhorst H. Solidarität. Suhrkamp, Bundesministerium des Inneren (Hrsg.). Migrationsbericht. Berlin, Czempiel, Ernst-Otto. Weltpolitik im Umbruch. München, Eigmüller, Monika. Grenzsicherungspolitik. Funktion und Wirkung der europäischen Außengrenze. Wiesbaden, Feller, Erika. Asylum, Migration and refugee Protection: Realities, Myths and the Promise of Things to Come. International Journal of Refugee Law, 2006, Fischer-Lescano, Andreas/Tohidipur, Timo. Europäisches Grenzkontrollregime, ZaöRV 2007, Forum Menschenrechte, Stellungsnahme zur EU-Grundrechtecharta, CHARTE 4224/00 v. 12. April Goodwin-Gil, Guy S. / McAdam, Jane. The Refugee in International Law, 3. Auflage. Oxford, Hoerder, Dirk / Lucassen, Jan / Lucassen, Leo. Terminologien und Konzepte in der Migrationsforschung, in: Klaus J. Bade u.a. (Hrsg.), Enzyklopädie Migration in Europa. München, 2007, Hofmann, Rainer M. / Hoffmann, Holger (Hrsg.). Ausländerrecht. Handkommentar. Baden-Baden, 2008, Hong, Mathias. Asylgrundrecht und Refoulementverbot. Baden-Baden, IBIS Interkulturelle Arbeitsstelle e.v., Die Genfer Flüchtlingskonvention: Magna Charta des Flüchtlingsrechts oder Verhandlungsmasse? Jungfer, Eberhard. Migrationen im Sozialen Weltkrieg, in: Komitee für grundrechte und Demokratie (Hrsg.), Jahrbuch 2009, Kamlage, Jan-Hendrik / Kathmann, Till / Wrobel, Sonja (Hrsg.), Transformationen europäischer Grenzen, in: Arndt, Friedrich / Dege, Carmen u.a. (Hrsg.), Ordnungen im Wandel. Bielefeldt, 2008, Krell, Gert. Weltbilder und Weltordnung. Baden- -Baden, Kugelmann, 41 Einwanderungs- und Asylrecht, in: Schulze, Reiner / Zuleeg, Manfred (Hrsg.). Europarecht. Handbuch für die deutsche Rechtspraxis. Baden-Baden, Leuthardt, Beat. Europas neuer Pförtner, Litauen im Schatten des deutschen Asylrechts. Karlsruhe, Löhr, Tillmann. Die Qualifikationsrichtlinie: Rückschritt hinter internationale Standards?, in: Löhr, Tillmann / Hofmann, Rainer (Hrsg.). Europäisches Flüchtlings- und Einwnderungsrecht. Baden-Baden, 2008, Makarov, A. N. Das internationale Flüchtlingsrecht und die Rechtsstellung heimatloser Ausländer nach dem Bundesgesetz vom 25. April ZaöRV 1951, Müller, Kerstin, 34a, in: Hofmann, Rainer M. / Hoffmann, Holger (Hrsg.), Ausländerrecht. Handkommentar. Baden-Baden, Reinhardt, Markus. Die Entwicklung des Zuwanderungsrechts einschließlich rechtstatsächlicher sowie internationalrechtlicher Bezüge, in: Winfried Kluth / Michael Hund / Hans-Georg Maaßen (Hrsg.). Zuwanderungsrecht. Baden- Baden Rossi, Matthias, Art. 63 EGV, in: Calliess, Christian / Ruffert, Matthias. Das Verfassungsrecht der Europäischen Union, 3 Auflage. München, 2007, Rn Rumford, Chris. Theorizing Borders, European Journal of Social Theory 2006, Sassen, Saskia. Das Paradox des Nationalen. Frankfurt, Tohidipur, Timo. Die Europäische Grenzsicherungsarchitektur, in: Felix Arndt / Nicole Betz / Anuscheh Farahat u.a. (Hrsg.), Freiheit-Sicherheit-Öffentlichkeit, 48. Assistententagung Öffentliches Recht. Baden-Baden, 2009, UNHCR, The Dublin II Regulation A UNHCR Discussion Paper,
12 31. UNHCR, Handbuch über Verfahren und Kriterien zur Feststellung der Flüchtlingseigenschaft, 2. Auflage Vedsted-Hansen, Jens, Common EU Standards on Asylum Optional Harmonisation and Exclusive Procedures? European Journal of Migration and Law 2005, Vobruba, Georg. Die Dynamik Europas. Wiesbaden, Wolter, Miriam. Auf dem Weg zu einem gemeinschaftsrechtlichen Asylrecht in der EU, Zuleeg M. Die föderativen Grundsätze der Europäischen Union, NJW 2000, Solidarumas Europos prieglobsčio prašančių asmenų ir pabėgėlių politikos principas Timo Tohidipur Santrauka Straipsnyje solidarumo principas suprantamas kaip esminis Europos Sąjungos principas, dviem formomis pasireiškiantis Europos prieglobsčio prašančių asmenų ir pabėgėlių politikoje. Viena vertus, Europos Sąjungos valstybių narių solidarumas šioje politikos srityje yra būtinas, norint vykdyti valstybių poreikius atitinkančią bendrą ir patikimą politiką kontroliuojant migraciją ir tinkamai paskirstant funkcijas ir atsakomybę. Kita vertus, solidarumo principas taip pat ir tiesiogiai turi būti taikomas saugumo ieškantiems asmenims, kurie įvairiais būdais bando patekti į Europos Sąjungą ir kuriems turi būti suteikiamos pagrindinių ir žmogaus teisių garantijos. Tačiau integruotas Europos Sąjungos sienų apsaugos režimas leidžia teigti, kad migraciją linkstama vertinti iš saugumo politikos logikos migracija suprantama tik kaip pavojus. To pasekmė Bendrijos viduje susiformavęs solidarus ir vienodas požiūris į tai, kad Europos Sąjungos teritorija turi būti atitverta nuo išorės, tačiau tokiu būdu suspenduojamas solidarumas su pabėgėliais. Visuotinai pripažintų tarptautinių įsipareigojimų svarba ir jų įtvirtinimas Pagrindinių teisių chartijoje bei antrinės teisės šaltiniuose prieglobsčio prašančių asmenų ir pabėgėlių teisės srityje skatina ne tik solidarumą tarp valstybių narių, bet ir solidarumą su atitinkamu asmeniu. Todėl pageidautina raidos kryptis šioje srityje būtų įtvirtinti atsakomybės pasidalijimo principą. Įteikta 2009 m. rugpjūčio 26 d. Priimta publikuoti 2009 m. gruodžio 16 d. 32
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