ÖPNV-Finanzierung und EU-VO 1370

Größe: px

Ab Seite anzeigen:

Download "ÖPNV-Finanzierung und EU-VO 1370"

Johann Gerhardt
vor 6 Jahren
Abrufe

1 ÖPNV-Finanzierung und EU-VO 1370 Die Instrumente sind da, aber reichen die Mittel? Volker Wente Geschäftsführer NRW des VDV

2 Die VO 1370 und die Ziele der EU Mit der VO 1370 verfolgt die EU bestimmte Regelungsziele: Eingriff der öffentlichen Hand in den Sektor ÖPNV gestatten Rahmenbedingungen für diesen Eingriff definieren; anders als bei der VO 1191/69 aber kein verpflichtendes Mittel mehr Diskriminierungen, Protektionismus, Überkompensationen und daraus folgend Wettbewerbsverfälschungen unterbinden Zusätzliche Effizienzanreize setzen nicht: Vorgabe eines bestimmten Ordnungsmodells für Sektor ÖPNV 2

3 Grundsatz der VO 1370-Anwendung VO 1370 einschlägig, wenn Verkehrsunternehmen eine gemeinwirtschaftliche Verpflichtung übernimmt und öffentliche Hand finanziellen Ausgleich hierfür zahlt oder ein ausschließliches Recht gewährt weil beides birgt die Gefahr in sich, dass ein Unternehmen wettbewerbsverfälschenden Vorteil erlangt 3

4 Regelungsgehalt der VO 1370 nicht neu Altmark-Trans-Urteil hat die beihilferechtliche Zulässigkeit einer ÖPNV-Finanzierung bereits definiert: Klare Betrauung mit einer gemeinwirtschaftlichen Verpflichtung Klare, transparente und vorab definierte Ausgleichsparameter Begrenzung der Ausgleichshöhe auf den Nettoeffekt der gemeinwirtschaftlichen Verpflichtung Bei Verzicht auf Ausschreibung Effizienzkontrolle, Vergleich mit durchschnittlichem, gut geführten Unternehmen 4

5 VO 1370 greift nur diese Altmark-Kriterien auf Finanzausgleich der öffentlichen Hand setzt öffentlichen Dienstleistungsauftrag voraus, die Definition entspricht den Altmark Trans Kriterien: Klare Definition der gemeinwirtschaftlichen Verpflichtung Vorab-Bestimmung der Ausgleichsparameter Begrenzung auf Nettokosten Benchmark wird durch Transparenz ersetzt Keine (vollständige) Ausgleichspflicht der öffentlichen Hand für gewünschte Parameter des ÖPNV-Angebots 5

6 Bekannte Fördertatbestände sind zu prüfen Einige Fördertatbestände können diskriminierend wirken Überkompensation ist teilweise ebenfalls nicht ausgeschlossen Zu prüfen und ggf. nachzujustieren, aber nicht verboten sind Ausgleich nach 45 a PBefG Investitionsförderung für die Fahrzeugbeschaffung Verbundförderung Unproblematisch sind Schülerfahrtkostenerstattung Ausgleich nach 146 SGB IX (Schwerbehinderten-Freifahrt) 6

7 Vergaberechtliche Diskussion verschleiert vieles Die Mitgliedsstaaten regeln den Sektor ÖPNV selbst Aus der VO 1370 ist für öffentliche Hand und Unternehmen kein ordnungspolitisches Modell oder keine Kompetenzverteilung oder eine Zuständigkeitsregelung abzuleiten Die VO 1370 anerkennt, dass die öffentliche Hand ÖPNV selbst betreiben darf, wenn Wettbewerbsverfälschungen auf Drittmärkten ausgeschlossen sind Vergaberegelungen dienen in erster Linie dem Schutz vor Wettbewerbsverfälschungen Effizienzgewinne sollen mittelbar durch Transparenz erzielt werden 7

8 Zwischenfazit Die VO 1370 hat die rechtlichen Rahmenbedingungen für die Finanzierung des ÖPNV nicht wesentlich verändert Die bekannten Fördertatbestände bleiben zulässig, sollten aber im Einzelfall geprüft werden Ein ordnungspolitisches Modell sieht die VO 1370 nicht vor Transparenz und Kontrolle werden auf verschiedenen Ebenen gestärkt, auch um Effizienz zu steigern Es nützt der beste Rechtsrahmen aber nichts, wenn es nichts zu verteilen gibt! 8

9 Die Finanzausstattung erodiert langsam... Viele Faktoren lassen die Finanzierungsbasis des ÖPNV langsam, aber sicher erodieren Haushaltsengpässe führen zu unsystematischen Kürzungen GVFG und EntflechtungsG Mittel sind nicht dauerhaft gesichert Sinnvolle Neubaumaßnahmen können nicht budgetiert werden Erneuerungsinvestitionen für GVFG-geförderte Stadtbahn- Anlagen sind dringend, aber nicht durchfinanziert Die Akzeptanz weiterer Fahrpreiserhöhungen ist endlich Rationalisierungsgewinne der Unternehmen sind vollständig an die öffentliche Hand zurückgeflossen 9

10 ... und steht auf tönernen Füßen Der anlagenintensive und fixkostenlastige ÖPNV braucht, verlässliche, dauerhaft planungssichere Finanzierungsstrukturen Pauschale Mittelzuweisungen an Aufgabenträger erweisen sich als wenig effizient: Fehlverwendung mangels Zielen unausweichlich Steuerungsfunktion fehlt Bundesweit hohe Qualitätsniveau gefährdet Hoch anfällig für Kürzungen Es fehlt an einem belastbaren Zielkanon für alle Akteure im ÖPNV 10

11 Dieselbe Betriebsleistung erbringen die Unternehmen in NRW heute deutlich günstiger Basis: Alle VDV Unternehmen in NRW 11

12 Trotz sinkender Leistungen der öffentlichen Hand steigt der Kostendeckungsgrad deutlich Basis: Alle VDV Unternehmen in NRW 12

13 Allein der Ausgleich nach 45 a PBefG ist in NRW in 7 Jahren um 115 Mio. p. a. gesunken NRW leistet für bundesweit 24,5 % der Schüler nur noch 9,4 % der bundesweiten Ausgleichsleistungen 13

14 Der ÖPNV braucht neuen Finanzierungskonsens Die Finanzierung der Bahn hat Vorbildcharakter: Öffentliche Hand stellt definiertes Mittelvolumen am Bedarf orientiert bereit Investitionsfinanzierung der Eisenbahn - Infrastruktur durch den Staat ist dort politisch gewollt und akzeptiert Mittels BSchwaG und LuF werden Neu-/Ausbau und Erneuerung umfassend finanziert Ergänzende Maßnahmen (z. B. Bahnhofsmodernisierungen) finanzieren die Länder zusätzlich aus BRegG Mitteln Rationalisierungsgewinne und Mehrerträge aus dem Betrieb verbleiben im System Die Mittel sind gesetzlich langfristig gesichert und werden dynamisiert 14

15 Fazit Die VO 1370 bringt für die Finanzierung des ÖPNV nichts grundlegend Neues Einzelne Instrumente müssen bestenfalls nachjustiert werden Problematisch ist die Erosion der Finanzierungsbasis durch unsystematische Kürzungen Die Unternehmen haben bereits einen wesentlichen Beitrag zur Kostensenkung des Systems geleistet Für die Zukunft ist der gesellschaftliche Stellenwert des ÖPNV klar zu bestimmen, sind seine Ziele für alle Akteure messbar zu definieren und die Finanzausstattung ist daran auszurichten 15

16 Besten Dank für Ihre Aufmerksamkeit Kontakt: Volker Wente Geschäftsführer Nordrhein - Westfalen Verband Deutscher Verkehrsunternehmen e. V. Kamekestraße Köln Telefon: Fax: wente@vdv.de Internet: 16

Ähnliche Dokumente

Berichtspflichten für Aufgabenträger nach der VO 1370/2007

Berichtspflichten für Aufgabenträger nach der VO 1370/2007 Dr. Mehmet H. Sarikaya, Leiter Planungsamt des Rhein-Sieg-Kreises Arbeitsgruppe des Landkreistages NRW Siegburg, 21.10.2010 Agenda Begriffsbestimmung