Das Leben bin ich leid: Depression
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- Brigitte Mann
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1 Das Leben bin ich leid: Depression Prof. Dr. med. Edith Holsboer-Trachsler Chefärztin Stv. Erwachsenen-Psychiatrische Klinik (EPK) Leiterin Zentrum für Affektive -, Stress- und Schlafstörungen (ZASS) Extraordinaria für klinische Stress- und Traumaforschung Präsidentin Verein Stress Management Öffentlichkeitsveranstaltung «Was ich schon immer wissen wollte», ZLF Basel, 20. September 2012
2 Übersicht 1. Depression, die stigmatisierte Volkskrankheit 2. Licht auf die Depression
3 - Depression eine Volkskrankheit? - Depression kann jeden treffen? Lebenszeitprävalenz: 17% Saul, erster König von Israel (bis ca v. Chr.) Johann Wolfgang von Goethe( ) Abraham Lincoln ( ) Conrad Ferdinand Meyer ( ) Winston Churchill ( ) Ingmar Bergman (*1918) Rolf Schweiger (*1945) Robbie Williams (*1974) Sebastian Deisler (*1980) Ivan Ergic (*1981) Robert Enke ( ) L Wren Scott ( )
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5 Robert Burton: Anatomie der Melancholie (1621) «.. denn dies Leiden ist nach dem Zeugnis des Mercurialis so häufig in unseren Tagen und nach Laurentius so grassierend in unserer elenden Zeit, dass nur wenige ihre Qualen nicht zu spüren bekommen»
6 Depression: Stigma oder Krankheit? Umfrage zur öffentlichen Wahrnehmung Anteil der Befragten 71 % 65 % 45 % 43 % 35 % 10 % Angenommene Ursache einer Depression Emotionale Schwäche Böse Eltern Betroffene sind selber schuld; Willenssache Unheilbar Sündhaftes Verhalten Biologischer Grund, Hirnkrankheit
7 Depression ist ein Zeichen von Charakterschwäche Depressionen treten häufiger bei Menschen mit ängstlichen, zwanghaften oder gehemmten Zügen auf. Aber: grundsätzlich kann jeder Mensch unter ungünstigen Bedingungen depressiv werden Selten mangelnder Wille, sondern viel eher - hohe Selbstansprüche - strenges Pflichtbewusstsein - hohe Leistungsbereitschaft Selbstinfragestellung
8 Wohlstands- und Modekrankheit Es gibt in den westlichen Ländern eine Zunahme der Depressionen Aber: Risiko für Depression ist besonders erhöht bei - Arbeitslosigkeit und Arbeitsplatzunsicherheit -Armut -Alter - mehrfach belastete Personen (körperliche Krankheit, soziale Probleme, schwierige life events ) - Flexibilisierung der Gesellschaft In anderen Kulturen treten Depressionen seltener in Form von psychischen, sondern eher mit körperlichen Beschwerden auf.
9 Depression ist rein seelisch bedingt Seelische Verletzungen sind zwar sehr häufig Ausgangspunkt einer Depression Selbstwertproblematik und überhöhtes Ich-Ideal Aber: auch körperliche Krankheiten (Schilddrüsenunterfunktion, hormonelle Störungen) können zu Depression führen. Bio-Psycho-Soziales Stressvulnerabilitätsmodell
10 Ätiologie der Depression: Integratives Modell Aktuelle Stressoren i Psychosoziale Stressoren: i Physiologische Stressoren: z.b. Lebensereignisse, akute z.b. hirnorganische Veränderungen, oder chronische Belastungen Virusinfekte, Schilddrüsenstörung Auslenkung der Neurotransmitter Katecholamin-/Serotonin-Hypothese Auslenkung der Neuroendokrinologie Kortikosteroid-Rezeptor-Hypothese Dysfunktion neuronaler Netzwerke Depression Symptome emotionale kognitive somatische Aktuelle Episode Verlauf Psychobiologische Disposition genetisch biographisch Persönlichkeitsfaktoren Therapieergebnis und Verlauf beeinflussende Faktoren
11 Stress-Vulnerabilitäts-Modell der rezidivierenden Depressionen STRESS,LEBENSEREIGNIS Neurobiologische Veränderungen Sensibilisierung Neurobiologische Narben Pathologischer Dex-CRH-Test Wachstumshormonsekretion im Schlaf Tiefschlaf Erhöhte Vulnerabilität für weitere Depressionen
12 Strukturelle Veränderungen im Gehirn depressiver Patienten Summarized by Fuchs & Flügge 2005
13 Die Stresshormonachse (HPA) von depressiven Patienten zeigt erhöhte Hormonwerte Glucocorticoideffekte akut - Gluconeogenese - Lipolyse - Immunsuppression - Antiinflamatorische Wirkung ACTH/ Cortisol Depressiv Kontrolle Zeit Glucocorticoideffekte chronisch - Hypertonie - Muskelschwäche - Hemmung der Insulinwirkung - Osteoporose, Hautatrophie - Lern- und Gedächtnisstörung - Schlafstörungen - Depression und Angst
14 Depression: eine systemische Erkrankung 2. Nebenniere: Hypersekretion von Catecholaminen und Cortisol 3. Catecholaminerhöhung, ev. Folgen: - Myokardischämie - Herzfrequenzvariabilität - ventrikuläre Arrhythmien 1. Hypophyse: Hypersekretion von ACTH und Aktivierung von Nebenniere nach Überstimulation durch Hypothalamus 5. Cortisolerhöhung, ev. Folgen: - Insulinresistenz - Dyslipidämie, Diabetes Typ II - Übergewicht - Verminderte Immunresistenz 4. Catecholaminerhöhung, ev. Folgen: - Thrombozytenaktivierung - Zunahme von Zytokinen und Interleukinen - Artherosklerose - Hypertension Musselman DL, et al. Arch Gen Psychiatry 1998;55(7):
15 Depression ist keine harmlose Verstimmung! Depression kann tödlich verlaufen 40% der Betroffenen versuchen einen Suizid 15% der Suizidversuche enden erfolgreich 42% der Suizidenten haben in der Woche vor dem Tod ihren Hausarzt aufgesucht!
16 Globale Bedeutung: Kosten Disease burden Unipolare Depression: 1990 Rang Rang Rang Rang 1 Lopez & Murray 1998
17 Sozioökonomische Kosten von Hirnerkrankungen in der Schweiz (2004) Affektive Krankheiten Angststörungen Jäger, Sobocki und Rössler 2007
18 The economic burden of depression in Switzerland Annual burden of depression Total costs (billion in ) Switzerland mild moderate severe total Universitäre Psychiatrische Kliniken Basel Y. Tomonaga E. Holsboer-Trachsler et al. PharmacoEconomics 2013
19 Beeinträchtigung durch Depression im Vergleich mit anderen chronischen Krankheiten The WHO Primary care study nach Üstün und Sartorius, 1995
20 Folgen der unerkannten Depression Chronifizierungstendenz Verlust der Lebensqualität Soziale Isolierung Erhöhte Mortalität (Suizide) Erhöhte Vulnerabilität für körperliche Erkrankungen Erhöhte Gesundheitskosten
21 Depressionen können die Umgebung anstecken Verlust der Lebensfreude Soziale Ängste Hilflosigkeit Schuldgefühle Selbstvertrauen Agitiertheit Vermehrte Reizbarkeit Schlaflosigkeit, etc.
22 Diagnose: schwierig? Wie kommuniziert der Patient seine Depression Symptomenvielzahl Einzelsymptom nicht typisch für Diagnose Symptomüberlappung Mehrere Diagnosen möglich
23 Wo sucht der depressive Patient Hilfe? 60% 50% 20% Arzt Freunde Familie nirgends 8. ECNP-Kongress, Venedig 1995
24 Symptome der depressiven Episode nach ICD-10 Hauptsymptome Gedrückte Stimmung Interesse, Freude Ermüdbarkeit, Antrieb Zusatzsymptome Konzentration, Aufmerksamkeit Selbstwertgefühl, Selbstvertrauen Schuldgefühle, Gefühl der Wertlosigkeit Negativ-pessimistische Zukunftsperspektiven Suizidale Gedanken/Handlungen Schlafstörungen Appetit Somatische Symptome Interessensverlust oder Freudlosigkeit an normalerweise angenehmen Aktivitäten Mangelnde Fähigkeit, auf eine freundliche Umgebung oder günstige emotionale Ereignisse emotional zu reagieren Erwachen 2 oder 3 Std. früher als üblich Morgentief Psychomotorische Hemmung/Agitiertheit Deutlicher Appetitverlust Gewichtsverlust (mehr als 5% des Körpergewichtes im letzten Monat) Deutlicher Libidoverlust
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26 Das affektive Spektrum Die bipolaren Erkrankungen Die unipolaren Erkrankungen Manie Hypomanie Normal Depression Schwere Depression Normale Zyclothyme Zyclothyme Bipolar II Unipolare Bipolar I Stimmungs- Persönlichk. Störung Manie variation Major Depression Recurrent brief depression Dysthyme Störung Dysthyme Persönlichk. Norm. Stimm.- variation nach Goodwin et al. Manic-depressive illness. Oxford University Press, 1990
27 Larvierte Depression oder somatisierte Depression Depression maskiert durch körperliche Symptome: Kopfschmerzen Rückenschmerzen Atembeschwerden Herzbeschwerden Magen-Darm-Beschwerden Unterleibsbeschwerden Rheumatische Beschwerden
28 Burnout : eine häufige Selbstdiagnose Verminderte Leistungsfähigkeit Emotionale und körperliche Erschöpfung Gleichgültige, negative, zynische Haltung gegenüber der Arbeit und Mitmenschen Überzeugt, beruflich versagt zu haben und überfordert zu sein Schlafstörungen Müdigkeit Erhöhte Reizbarkeit Freudlosigkeit Konzentrationsstörungen Schmerzsyndrome Lustlosigkeit R. Magritte, La belle captive, 1950
29 Die atypische Depression oder weibliche Depression Atypische Symptome häufiger bei Frauen Reaktivität der Stimmung auf äussere Ereignisse Appetitsteigerung, Gewichtszunahme Hypersomnie Müdigkeit Überempfindlichkeit in Beziehungen auf Zurückweisung
30 Männliche Depression Reduzierte Stresstoleranz Aggressivität Geringe Impulskontrolle Dissoziales Verhalten Missbrauchstendenzen (Alkohol)
31 Kulturunabhängige und kulturabhängige Sicht der Depression Kulturunabhängige Symptome Stimmungsveränderung (selten typisch depressiv) Antriebsstörungen Schlafstörungen Appetitstörung Libido- und Potenzverlust Körperliche Beschwerden als Druck, Schmerz, Brennen etc. Brust, Herz, Bauch, Kopf Kulturabhängige Symptome Psychomotorik: Mimik, Verlangsamung, Agitation Suizidalität Schuldgefühle Hypochondrie nach WHO-Daten
32 Altersdepression Interessenverlust und Antriebsstörung als normale Alterserscheinung verkannt Organische Erkrankungen maskieren Depression Erklärbarkeit für Gemütszustand
33 Symptomatik bei Kindern und Jugendlichen Altersabhängige Symptomatik Schlafstörungen Kopf-, Bauchschmerzen Spielhemmung Nervosität, Gereiztheit Schulschwierigkeiten Bedrücktheit Minderwertigkeitsgefühle Suizidimpulse
34 EEG sleep profiles and HPA activity in kindergarten children: Early indication of poor sleep quality associated with increased cortisol secretion AUCtotal (arbitrary units) * F(2, 64) = 5.83, p <.01 Schlafquantität ist mit HPA-Achsen-Aktivität assoziiiert Universitäre Psychiatrische Kliniken Basel Hatzinger et al. 2008
35 EEG sleep profiles and HPA activity in kindergarten children: Early indication of poor sleep quality associated with increased cortisol secretion Hatzinger et al. 2008
36 Depression: Therapie Frühe Diagnostik!!!, da lebensbedrohliche Krankheiten Spezifische Psychotherapien Medikamentöse Verfahren - leichtere Erkrankungen: pflanzliche Präparate -schwerere Erkrankungen: moderne AD
37 Angehörige: die wichtige Hilfe im therapeutischen Konzept Angehörige depressiver Patienten ins therapeutische Konzept einbeziehen Voraussetzungen Leidensbild verstehen lernen Verständnis für Biologie Bereitschaft zur Zusammenarbeit Therapieplan verstehen lernen Verständnis für Unfähigkeit Kleine Schritte positiv werten Compliance unterstützen Rezidivmöglichkeit Suizid
38 Selbsthilfegruppen Erfahrungsaustausch Positive Motivation Vertrauen zu Arzt Pharmakotherapie Equilibrium: Verein zur Bewältigung von Depressionen (
39 Bündnisse gegen Depression Eine Depression kann jeden treffen Depressionen haben viele Gesichter Depressionen sind gut behandelbar
40 Prävention = Früherkennen Vielen Dank für die Aufmerksamkeit! ZASS Zentrum für Affektive -, Stress- und Schlafstörungen Universitäre Psychiatrische Kliniken (UPK) Basel ZENTRUM FÜR SCHLAFMEDIZIN DER BASLER UNIVERSITÄTSKLINIKEN Eine Kooperation von: Universitäre Psychiatrische Kliniken (UPK), Medizinische Universitätsklinik und Neurologische Universitätsklinik
41 Zuger Woche, 1. Mai 2013
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