Krebskranke Männer und ihre psychische Befindlichkeit
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- Otto Kraus
- vor 7 Jahren
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Transkript
1 Krebskranke Männer und ihre psychische Befindlichkeit Thomas Stompe Abteilung für Sozialpsychiatrie, Medizinische Universität Wien
2 Einleitung Die Diagnose einer onkologischen Erkrankung stellt eine hochgradige psychische Belastung dar. Nach einer akuten Belastungsreaktion können Anpassungsund Angststörungen (generalisierte Angststörung, hypochondrische Ängste, PTSD) gefolgt von Depressionen auftreten. Diese Störungsbilder sind in nicht-onkologischen Populationen bei Frauen häufiger als bei Männern anzutreffen. Frauen zeichnen sich dagegen durch bessere Copingstrategien aus, sie können etwa deutlich leichter Hilfe suchen und annehmen.
3 Einleitung Neben den psychischen Problemen, die durch die Verarbeitung der Diagnose, der Konfrontation mit Schmerzen, den Veränderungen des Körperbildes und der Konfrontation mit der existentiellen Bedrohung sowie durch die erforderliche Umorientierung im Alltag auftreten können, stellt auch der Umgang mit dem privaten und beruflichen Umfeld eine erhebliche Herausforderung dar. Gehirnmetastasen können zu organischen Psychosyndromen und neurologischen Ausfällen bzw. cerebralen Anfällen führen. Chemotherapien, Immunsuppressiva, Interferon und Cortison können verschiedene psychische Störungen wie Durchgangssyndrome verursachen oder vorbestehende psychische Erkrankrungen aggravieren. Das sich häufig einstellende Fatigue-Syndrom bedeutet ebenfalls eine erhebliche Einschränkung der Lebensqualität und damit auch der psychischen Verfassung
4 Psycho-onkologischpsychiatrische Grundbegriffe
5 Lebensqualität Lebensqualität ist die subjektive Wahrnehmung einer Person über ihre Stellung in Relation zur Kultur und den Wertesystemen, in denen sie lebt, und in Bezug auf ihre Ziele, Erwartungen, Standards und Anliegen. Ist die Differenz zwischen Erwartung und Realität sehr groß, ist die Lebensqualität schlecht, ist die Differenz gering, ist die Lebensqualität gut. Die subjektive Lebensqualität des Krebspatienten ist nicht nur durch die objektiven Faktoren der Erkrankungs-, Behandlungs- und Lebenssituation, sondern auch durch seine Persönlichkeitseigenschaften bestimmt.
6 Stress und emotionale Aufregung Angst, nicht mehr gesund zu werden Traurigkeit und Trauer als normale Reaktion auf eine einschneidende, lebensbedrohliche Erkrankung Störungen des Körperbildes und psychosoziale Beeinträchtigungen Gefühle der Sinn- und Zwecklosigkeit Subjektiv verlangsamtes Vergehen der Zeit Regressive Abwehrmechanismen: Spaltung, Verleugnung, Idealisierung
7 Fatigue Fatigue ist eine quälende Form von Müdigkeit, die auch nach einem noch so guten Schlaf nicht verschwindet. Sie gehört für KrebspatientInnen zu den am schlimmsten empfundenen Symptomen. Unterschieden wird zwischen einer physischen, einer mentalen und einer emotionalen Form. Verantwortlich dafür sind Chemo- und Strahlentherapie, Infekte und Fieber sowie Anämie.
8 Akute Belastungsreaktion (F43.0) Eine vorübergehende Störung, die sich bei einem psychisch nicht manifest gestörten Menschen als Reaktion auf eine außergewöhnliche physische oder psychische Belastung entwickelt, und die im allgemeinen innerhalb von Stunden oder Tagen abklingt. Die Symptomatik zeigt typischerweise ein gemischtes und wechselndes Bild, beginnend mit einer Art von "Betäubung", mit einer gewissen Bewusstseinseinengung und eingeschränkten Aufmerksamkeit, einer Unfähigkeit, Reize zu verarbeiten und Desorientiertheit. Vegetative Zeichen panischer Angst wie Tachykardie, Schwitzen und Erröten treten zumeist auf. Die Symptome erscheinen im allgemeinen innerhalb von Minuten nach dem belastenden Ereignis und gehen innerhalb von zwei oder drei Tagen, oft innerhalb von Stunden zurück.
9 Anpassungsstörungen (F43.2) Hierbei handelt es sich um Zustände von subjektiver Bedrängnis und emotionaler Beeinträchtigung, die im allgemeinen soziale Funktionen und Leistungen behindern und während des Anpassungsprozesses nach einer entscheidenden Lebensveränderung oder nach belastenden Lebensereignissen auftreten. Die individuelle Prädisposition oder Vulnerabilität spielt bei dem möglichen Auftreten und bei der Form der Anpassungsstörung eine bedeutsame Rolle; es ist aber dennoch davon auszugehen, dass das Krankheitsbild ohne die Belastung nicht entstanden wäre. Die Anzeichen sind unterschiedlich und umfassen depressive Stimmung, Angst oder Sorge. Außerdem kann ein Gefühl bestehen, mit den alltäglichen Gegebenheiten nicht zurechtzukommen, diese nicht vorausplanen oder fortsetzen zu können.
10 Depressive Episode (F32) Bei den typischen leichten (F32.0), mittelgradigen (F32.1) oder schweren (F32.2 und F32.3) Episoden leidet der betroffene Patient unter einer gedrückten Stimmung und einer Verminderung von Antrieb und Aktivität. Die Fähigkeit zu Freude, das Interesse und die Konzentration sind vermindert. Ausgeprägte Müdigkeit kann nach jeder kleinsten Anstrengung auftreten. Der Schlaf ist meist gestört, der Appetit vermindert. Selbstwertgefühl und Selbstvertrauen sind fast immer beeinträchtigt. Sogar bei der leichten Form kommen Schuldgefühle oder Gedanken über eigene Wertlosigkeit vor. Die gedrückte Stimmung verändert sich von Tag zu Tag wenig, reagiert nicht auf Lebensumstände und kann von so genannten "somatischen" Symptomen begleitet werden, wie Interessenverlust oder Verlust der Freude, Früherwachen, Morgentief, deutliche psychomotorische Hemmung, Agitiertheit, Appetitverlust, Gewichtsverlust und Libidoverlust. Abhängig von Anzahl und Schwere der Symptome ist eine depressive Episode als leicht, mittelgradig oder schwer zu bezeichnen.
11 Die Prävalenz psychischer Störungen bei Krebserkrankungen
12 Alle onkologischen Erkrankungen - Voraussetzungen Angststörungen und Depressionen finden sich in der Allgemeinbevölkerung bei Frauen häufiger als bei Männern. Die Punktprävalenz für Depressionen betrug 2011 in Deutschland für Männer 6%, für Frauen 10%. Es sind theoretisch drei Szenarien möglich: (1) Krebserkrankungen führen zu keiner weiteren Steigerung der Rate psychischer Störungen, das Geschlechterverhältnis bleibt gewahrt. (2) Krebserkrankungen sind ein massiver Einschnitt, der unter Wahrung des Geschlechterverhältnisses zu einer Steigerung der Rate psychischer Störungen führt. (3) Krebserkrankungen sind ein massiver Einschnitt, es kommt zu einer Steigerung der Rate psychischer Störungen, das Geschlechterverhältnis ändert sich.
13 Metaanalyse über 94 Studien zur Prävalenz affektiver Störungen bei KrebspatientInnen (N=14.178) ,3 14,9 19,4 Kein Einfluss von Alter und Geschlecht! , schwere Depression leichte Depression Anpassungsstörung Angststörung Mitchell et al. 2011
14 Onkologische Erkrankungen des männlichen Urogenital-Traktes Prostatakarzinom (Inzidenz: 30/ ), Hodentumore (Inzidenz: 9,8/ ), Peniskarzinom (Inzidenz: <1/ ). Männer mit Prostata Ca sind großen psychischen Belastungen ausgesetzt: Viele Patienten leiden unter krankheitsbedingter Impotenz, Inkontinenz und eventuell quälendem imperativen Harndrang. Dies ist oft mit einem Verlust des männlichen Selbstbildes verbunden.
15 Angst (STAI) bei Patienten (N=299) mit Prostata Ca ,9 39,2 39,1 40, ,1 45,6 42, ,8 29, , ,8 30,6 30,6 31, Präoperativ 6 Monate 12 Monate 5 Jahre 0 Präoperativ 6 Monate 12 Monate 5 Jahre High anxiety Low anxiety High anxiety Low anxiety Prostektomie Strahlentherapie Korfage et al. 2006
16 Depression (CES-D) bei Patienten (N=299) mit Prostata Ca , , , , ,6 13 5,9 11,6 5,9 10,6 6, ,1 6,5 6,5 7, Präoperativ 6 Monate 12 Monate 5 Jahre 0 Präoperativ 6 Monate 12 Monate 5 Jahre High anxiety Low anxiety High anxiety Low anxiety Prostektomie Strahlentherapie Korfage et al. 2006
17 Geschlecht und Hilfesuchverhalten
18 Geschlecht und Kommunikationsstil Frauen zeigen im Allgemeinen eine größere Bereitschaft, sich Hilfe zu organisieren bzw. anzunehmen. Männer hüllen sich gerne in Schweigen, reden weniger und konzentrieren sich dem Arzt gegenüber auf das sachlich notwendige (problemorientierte Umgangsstrategien). Tatsächlich leiden auch Männer unter Ängsten, Depressionen und Selbstzweifeln, dieser werden aber häufiger weggeschoben oder verleugnet, weil derartige Verhaltensmuster nicht in männliche Rollenerwartungen passen.
19 Wunsch nach psychologischer Unterstützung (%) (247 Frauen, 134 Männer) Hämatologisch 14,6 32,1 Lunge 15 16,7 Brust 0 30,7 Gastrointestinal andere solide Tu Prostata 7,7 9,5 10,3 7,1 15 Männer Frauen Gynäkologisch 7, Merckaert et al. 2010
20 Zusammenfassung Von Krebserkrankungen betroffene Männer und Frauen leiden in gleichem Maße unter Ängsten und Depressionen. Frauen können aber leichter Hilfe akzeptieren als Männer, was zumindest für den Verlauf der psychischen Störung ein günstiger Prädiktor ist. In Behandlungseinrichtungen sollten daher Männer aktiver nach psychischen Problemen befragt werden.
21
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