Bestimmung modifizierter Teilsicherheitsbeiwerte zur semiprobabilistischen Bemessung von Stahlbetonkonstruktionen im Bestand
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- Elke Schreiber
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1 Bestimmung modifizierter Teilsicherheitsbeiwerte zur semiprobabilistischen Bemessung von Stahlbetonkonstruktionen im Bestand Vom Fachbereich Architektur / Raum- und Umweltplanung / Bauingenieurwesen der Technischen Universität Kaiserslautern zur Verleihung des akademischen Grades DOKTOR-INGENIEUR (Dr.-Ing.) genehmigte DISSERTATION von Dipl.-Ing. Alexander Markus Fischer aus Mömbris Dekanin: Prof. Dr. habil. G. Troeger-Weiß 1. Berichterstatter: Prof. Dr.-Ing. J. Schnell 2. Berichterstatter: Univ.-Prof. Dr.-Ing. C.-A. Graubner Tag der mündlichen Prüfung: Kaiserslautern 2010 (D 386)
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3 Alexander Markus Fischer Bestimmung modifizierter Teilsicherheitsbeiwerte zur semiprobabilistischen Bemessung von Stahlbetonkonstruktionen im Bestand
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5 Vorwort Die vorliegende Arbeit entstand In den Jahren 2007 bis 2009 während meiner Tätigkeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Fachgebiet Massivbau und Baukonstruktion der Technischen Universität Kaiserslautern. Ausgangspunkt für die bearbeitete Thematik war das vom Bundesamt Bauwesen und Raumordnung (BBR) geförderte Forschungsvorhaben Anwendung von Teilsicherheitsbeiwerten auf Bestandsbauten im Hochbau, das u. a. von der HOCHTIEF Construction AG finanziell unterstützt wurde. In diesem Zusammenhang möchte ich den Herren Dr.-Ing. Gerhard Stenzel sowie Dr.-Ing. Volker Theile für die Initiierung der Forschung bei HOCHTIEF auf dem Gebiet Bauen im Bestand danken. Ebenso möchte ich mich recht herzlich bei Prof. Dr.-Ing. Michael Hirschfeld, Dr.-Ing. Hans-Georg Balthaus, Dr.-Ing. Manfred Wessels, Dr.-Ing. Julian Meyer und Dipl.-Ing. Heribert Hansen von HOCHTIEF Consult für die Unterstützung während meiner Entsendung an die TU Kaiserslautern bedanken. Meinem Doktorvater Herrn Prof. Dr.-Ing. Jürgen Schnell danke ich sehr herzlich für seine Betreuung und das mir entgegengebrachte Vertrauen sowie seine stetige Diskussionsbereitschaft. Herrn Univ.-Prof. Dr.-Ing. Carl-Alexander Graubner danke ich für die Übernahme des Korreferats sowie die vielfältigen Hinweise und Anregungen. Weiter danke ich allen Kollegen des Fachgebietes Massivbau und Baukonstruktion für die dreijährige Zusammenarbeit. Herrn Dr.-Ing. Simon Glowienka danke ich für die stetige Diskussionsbereitschaft sowie hilfreiche Hinweise auf zahlreiche Fragestellungen auf dem Gebiet der Zuverlässigkeitstheorie. Mein herzlicher Dank gilt meiner Schwester Ivonne Fischer und Frau Miriam Grob für die Durchsicht dieser Arbeit. Meinen Eltern danke ich sehr herzlich für die stetige Unterstützung und Förderung während all den Jahren meiner Ausbildung. Meinen langjährigen Freunden danke ich für ihr Verständnis und Motivation zur Anfertigung dieser Arbeit. Mömbris, Januar 2010 Alexander Fischer
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7 Inhaltsverzeichnis Inhaltsverzeichnis Inhaltsverzeichnis i Formelzeichen, Variablen und Abkürzungen viii Zusammenfassung xiv Abstract xiv 1 Einleitung Motivation und Problemstellung Zielsetzung Vorgehensweise 4 2 Bauen im Bestand Begriffsdefinition Besonderheiten der Zuverlässigkeitsanalyse beim Bauen im Bestand Istzustand des Tragwerkes Beurteilung von bestehenden Tragwerken Einleitung Beurteilungsaspekte und Sicherheitsempfinden Entscheidungsfindung Gewinnung von Materialkennwerten Materialkennwerte aus Planungsdokumenten Entnahme von Materialproben Stichprobenumfang Bewertung von Materialproben Einbeziehen von Fremdinformationen 17 3 Zuverlässigkeitstheoretische Grundlagen im Bauwesen Vorbemerkung Einführung Zufallsvariablen Verteilungsfunktionen stetiger Zufallsvariablen Allgemeines Normalverteilung N(μ,σ) Logarithmische Normalverteilung Gumbelverteilung Mehrdimensionale Zufallsvariablen und ihre Verteilungen Gemeinsame Verteilungen 25 i
8 Inhaltsverzeichnis Funktionaler Zusammenhang von Verteilungen Statistische Momente Transformation von Verteilungen Parameterschätzung auf Grundlage von Versuchsdaten Allgemeines Momentenmethode Maximum-Likelihood-Prinzip Bayes sches Updating Tragwerkszuverlässigkeit Historische Entwicklung Methoden der Zuverlässigkeitsanalyse nach DIN Mathematische Definition der Tragwerkszuverlässigkeit Probabilistische Näherungsverfahren Momentenmethode (FOSM) Zuverlässigkeitstheorie I. Ordnung (FORM) Zuverlässigkeitstheorie II. Ordnung (SORM) Probabilistisch exakte Verfahren Analytische Lösung Numerische Integration Monte-Carlo-Methode Zielwert der Zuverlässigkeit Zuverlässigkeitsindex β Ansätze zur Optimierung baulicher Anlagen Festlegung des erforderlichen Sicherheitsniveaus Zielwerte des Zuverlässigkeitsindex Umsetzung der Zuverlässigkeitstheorie in Bauwerksnormen Baupraktische Sicherheitskonzepte Methoden zur probabilistisch fundierten Definition von Teilsicherheitsbeiwerten Bestimmung von Teilsicherheitsfaktoren auf Basis von Bemessungswerten Bestimmung von optimierten Teilsicherheitsfaktoren Bestimmung von Sicherheitselementen aus Experimenten Herleitung von Sicherheitselementen Nennwert, charakteristischer Wert, repräsentativer Wert Zentraler und globaler Sicherheitsfaktor Aufspaltung des globalen Sicherheitsfaktors Teilsicherheitsbeiwerte in der Baupraxis Teilsicherheitsbeiwerte in der Methode der Grenzzustände Grundsätze 87 ii
9 Inhaltsverzeichnis Lastfaktor γ f Materialfaktor γ m Erfassung der Modellungenauigkeiten: γ Ed bzw. γ Rd Teilsicherheitsbeiwert γ n zur Differenzierung des Sicherheitsniveaus Nachweis nach dem Verfahren der Teilsicherheitsbeiwerte Kombinationsregeln und Faktoren Besonderheiten bei bestehenden Bauwerken 92 4 Tragwiderstand von Stahlbetonbauteilen Einführung Bauteilgeometrie und Querschnittswerte Betonquerschnitt Betondeckung / Randabstand der Bewehrung Statische Nutzhöhe des Betonbauteils Betonstahl Systemabmessungen Statistische Kenngrößen der Materialkennwerte Betonstahl Streckgrenze Elastizitätsmodul Querdehnungszahl Beton Druckfestigkeit Wahl der Variationskoeffizienten Zugfestigkeit Verwendete Bemessungsmodelle Modellunsicherheiten auf Widerstandsseite Allgemeines Definition der Modellunsicherheiten Zusammenfassung Einwirkungen auf Tragwerke Einführung Grundlagen der Modellierung und Festlegung von Lasten Allgemeines Stationäre Zufallsfolgen Erneuerungsprozesse zeitvarianter Einwirkungen Kombination zeitabhängiger Einwirkungen bei stochastischen Prozessen Vereinfachte stochastische Modellierung von Lastkombinationen Modellierung der räumlichen Wirkung von Lasten 129 iii
10 Inhaltsverzeichnis 5.3 Ständige Einwirkungen Allgemeines Modellierung der Konstruktionseigenlast Allgemeines Eigenlast von Stahlbetonbauteilen Modellierung von Nutzlasten Grundlagen Räumliche Variabilität Bestimmung von Lastkonzentrationsfaktoren Zeitliche Änderungen der Verkehrslast Verteilung der Gesamtnutzlast Modellierung der Schneelast Allgemeines Schneelast in Abhängigkeit der Geländehöhe und Klimazone Verteilungsfunktion der Schneehöhen und -lasten Schneedichte, charakteristischer Wert der Grundschneelast Dachschneelast Modellierung der Windlast Allgemeines Beschreibung des Windes Vereinfachtes stochastisches Modell Modellunsicherheiten der Beanspruchung Allgemeines Quantifizierung der Modellunsicherheiten der Schnittgrößen Berücksichtigung von Modellunsicherheiten bei der Bemessung Zusammenfassung Zuverlässigkeit von Stahlbetonbauteilen im Bestand Einführung Grundlage der Zuverlässigkeitsanalyse von Stahlbetonbauteilen Allgemeines Durchführung der Zuverlässigkeitsanalyse Definition typischer Bauteile für die Zuverlässigkeitsanalyse Deterministische Bemessungsgleichungen, Teilsicherheitsbeiwerte Probabilistische Modellierung des Querschnittstragverhaltens Allgemeines Grenzzustandsgleichung für reine Zugbeanspruchung Grenzzustandsgleichung für eine zentrische Druckkraft Grenzzustandsgleichung für reine Biegebeanspruchung Unbewehrter Rechteckquerschnitt 176 iv
11 Inhaltsverzeichnis Einfach bewehrter Rechteckquerschnitt Rechteckquerschnitt mit Druckbewehrung Überprüfung der Versagensart Biegezugbruch Überprüfung des Versagens zentrisch gedrückter Bauteile Grenzzustandsgleichung für Biegung mit Längskraft Einfach bewehrter Rechteckquerschnitt Rechteckquerschnitt mit Druckbewehrung Querkraftversagen unbewehrter Bauteile Allgemeines Grenzzustandsgleichung Grenzzustandsgleichungen für Querkraftversagen bewehrter Bauteile Allgemeines Bauteile ohne Querkraftbewehrung Mindesttragfähigkeit von Bauteilen ohne Querkraftbewehrung Bauteile mit Querkraftbewehrung Grenzzustandsgleichung für Durchstanzen Platten oder Fundamente ohne Durchstanzbewehrung Platten oder Fundamente mit Durchstanzbewehrung Zuverlässigkeit von Stahlbetonbauteilen im Bestand Allgemeines Verwendete Basisvariablen Zuverlässigkeitsanalyse nach Versagensart Zentrischer Druck Biegezugversagen Querkraftversagen Durchstanzen Biegeversagen unbewehrter Bauteile Querkraftversagen unbewehrter Bauteile Druckversagen unbewehrter Bauteile Zusammenfassung Probabilistische Untersuchungen von Bestandsbauten Einführung Einwirkungsverhältnis Normierung der Grenzzustandsgleichungen Auswirkung auf die Zuverlässigkeit bei Variation der Einflussgrößen Allgemeines Streuung der Betondruckfestigkeit Streuung der Stahlzugfestigkeit Streuung der geometrischen Größen 237 v
12 Inhaltsverzeichnis Breite, Höhe Nutzhöhe, Randabstand Streuung der Modellunsicherheit Streuung der Einwirkung Ständige Einwirkungen Veränderliche Einwirkungen Lastverhältnis ständiger zu veränderlicher Einwirkung Auswirkung des Längsbewehrungsgrads Annahme einer falschen Verteilungsfunktion Bewertung der Zuverlässigkeit bei Anwendung der DAfStb- Belastungsrichtlinie Allgemeines Zuverlässigkeit hinsichtlich Biegezugversagen Zuverlässigkeit bei Querkraftbeanspruchung Versagensart V Rd,ct Versagensart V Rd,sy Versagensart V Rd,max Zuverlässigkeit bei Durchstanzen Zuverlässigkeit zentrisch gedrückter Bauteile Bewertung der Untersuchungsergebnisse Modifizierte Teilsicherheitsbeiwerte für Bestandsbauten Einführung Zuverlässigkeitstheoretische Optimierung von Teilsicherheitsbeiwerten _ Allgemeines Vereinfachtes Verfahren nach DIN Lösungsansatz zur Bestimmung modifizierter Teilsicherheitsbeiwerte Teilsicherheitsbeiwerte für Biegezugversagen Variation des Materialsicherheitsbeiwertes γ c Variation des Materialsicherheitsbeiwertes γ s Erkenntnisse aus den Untersuchungen für Biegezugversagen Querkraftnachweis bei nicht querkraftbewehrten Bauteilen Teilsicherheitsbeiwert γ c für nicht querkraftbewehrte Bauteile Querkraftnachweis bei querkraftbewehrten Bauteilen Variation der Sicherheitsbeiwerte γ s für den Zugstrebennachweis Variation der Sicherheitsbeiwerte γ c für den Druckstrebennachweis Teilsicherheitsfaktoren für Durchstanzen Durchstanzen bei nicht querkraftbewehrten Bauteilen Durchstanzen bei querkraftbewehrten Stahlbetonbauteilen Teilsicherheitsbeiwerte bewehrter, zentrisch gedrückter Querschnitte 296 vi
13 Inhaltsverzeichnis Variation des Teilsicherheitsbeiwertes γ c Variation des Teilsicherheitsbeiwertes γ s Kombinationen der Teilsicherheitsbeiwerte γ c und γ s Ergebnisse der Parameterstudien zentrisch gedrückter Querschnitte Teilsicherheitsbeiwerte für unbewehrte Bauteile Teilsicherheitsbeiwert γ c für zentrisch gedrückte Bauteile Teilsicherheitsbeiwert γ c für unbewehrte Biegebauteile Teilsicherheitsbeiwert γ c für querkraftbeanspruchte unbewehrte Bauteile Berücksichtigung von Monitoringmaßnahmen Berücksichtigung einer Restnutzungsdauer Ausweisung modifizierter Teilsicherheitsbeiwerte Teilsicherheitsbeiwerte für zentrisch beanspruchte Stahlbetondruckglieder Modifizierte Teilsicherheitsbeiwerte für Biegezugversagen Teilsicherheitsbeiwerte für Querkraftversagen nicht querkraftbewehrter Bauteile Teilsicherheitsbeiwerte für Querkraftversagen querkraftbewehrter Stahlbetonbauteile Teilsicherheitsbeiwerte für Durchstanzen bei Bauteilen ohne Querkraftbewehrung Teilsicherheitsbeiwerte für Durchstanzen querkraftbewehrter Bauteile Modifizierte Teilsicherheitsbeiwerte für unbewehrte Biegebauteile Teilsicherheitsbeiwerte unbewehrter, querkraftbeanspruchter Bauteile Teilsicherheitsbeiwerte für zentrisch gedrückte, unbewehrte Bauteile Bestimmung des Übertragungsfaktors γ TF Nachweisführung mit modifizierten Teilsicherheitsbeiwerten Optimierte Sensitivitätsfaktoren Zusammenfassung Resümee und Ausblick 344 Literaturverzeichnis 349 Technische Regelwerke 356 vii
14 Formelzeichnen, Variablen und Abkürzungen Formelzeichen, Variablen und Abkürzungen Auf den nachfolgenden Seiten werden die verwendeten Formelzeichen, Variablen und Abkürzungen zusammengestellt. Nicht aufgeführte Zeichen werden im Kontext erläutert. Lateinische Buchstaben und Abkürzungen a Linearfaktor; Variable; Parameter der Gumbelverteilung; Jahr a nominale Bauteilabmessung (bzw. deren Streuung) a Randabstand der Bewehrung vom gedrückten Querschnittsrand A; A c ; A s Querschnittsfläche allgemein; Beton- bzw. Betonstahlquerschnittsfläche A s1 ; A s2 Betonstahlquerschnittsfläche gezogen bzw. gedrückt A sw ; A sl Querschnittsfläche der Querkraftbewehrung bzw. Längsbewehrung b Linearfaktor, Bauteil- bzw. Querschnittsbreite b w kleinste Querschnittsbreite innerhalb der Zugzone des Querschnitts c, c i Konstante, Lastverhältnis ständige Lasten c nom Betondeckung (nominal) C Beton (engl. Concrete) COV[X,Y] Kovarianz der Basisvariablen X und Y d; d x ; d y statische Nutzhöhe (allg.); statische Nutzhöhe in x- bzw. y-richtung d 1 Randabstand der Biegezugbewehrung d 2 Randabstand der Druckbewehrung e; e k ; e d Realisierung der Einwirkung (allgem.); Realisierung des charakteristischen Wertes bzw. des Bemessungswertes der Einwirkung e 0 ; e 01 ; e 02 Ausmitte (allgemein); Ausmitte Stützenfuß; Ausmitte am Stützenkopf exp(x) Exponentialfunktion von x E; E k ; E d Einwirkung (allgemein); charakteristischer Wert der Einwirkung; Bemessungswert der Einwirkung E c ; E s E-Modul Beton bzw. Betonstahl E[X] Erwartungswert der Basisvariable X f b am Bauwerk vorhandene charakteristische Druckfestigkeit des Betons f ck charakteristische Druckfestigkeit des Betons f cd Bemessungswert der Betondruckfestigkeit f cm, f c Mittelwert der Betondruckfestigkeit deterministisch bzw. probabilistisch f ctk charakteristischer Wert der Betonzugfestigkeit f ctd Bemessungswert der Betonzugfestigkeit f ctm mittlere Zugfestigkeit des Betons f yk charakteristischer Wert der Stahlstreckgrenze f ym ; f y ; Mittelwert der Stahlstreckgrenze deterministisch bzw. probabilistisch f yd Bemessungswert der Stahlstreckgrenze f e ; f r ; f x Verteilungsdichtefunktion von Einwirkung e; Widerstand r; allgemein f X,Y (x,y) gemeinsame Verteilungsdichtefunktion der Basisvariablen X und Y f R,E (r,e) gemeinsame Verteilungsdichtefunktion von Einwirkung und Widerstand viii
15 Formelzeichen, Variablen und Abkürzungen F cd ; F ctd Bemessungswert der Betondruckkraft bzw. Betonzugkraft F sd1 ; F sd2 Bemessungswert der Bewehrungsstahlzugkraft bzw. Stahldruckkraft F X (x) Stammfunktion der Verteilungsdichtefunktion bzw. Verteilungsfunktion der Basisvariable X F qs (x); F qt (x) Stammfunktion der Verteilungsdichtefunktion der quasi-ständigen bzw. transienten (kurzzeitigen) Nutzlast Q F max (x) Stammfunktion der Verteilungsdichtefunktion der Extremwerte von x G ständige Einwirkung bzw. Eigenlast allgemein bzw. Einzellast G k ; g k ; G d ; g d charakterist. Wert der ständigen Einwirkung bzw. Bemessungswert g(x), g(r, E) Grenzzustandsfunktion (allg.), Grenzzustandsfunktion von R und E g -1 (y) Umkehrfunktion der Funktion g(y) GAM Gammaverteilung GUM Gumbelverteilung GZT Grenzzustand der Tragfähigkeit h Bauteil- bzw. Querschnittshöhe; Schichtdicke h(y) transformierte Grenzzustandsgleichung i, j Zählvariable i(x,y) Ordinate der Einflussfläche im stochastischen Feld an der Stelle x, y k Konstante (normalverteilt); Abminderungswert der Druckzonenhöhe k a Höhenbeiwert bei Querschnittsbem. mit Parabel-Rechteckdiagramm k 1 ; k 2 Faktoren zur Bestimmung der Quantilwerte der Normal- bzw. Lognormalverteilung lim( ) Grenzwertbetrachtung von ( ) ln( ); ln(x) Logarithmus, natürlicher von x LN Lognormalverteilung bzw. logarithmische Normalverteilung L(θ,x) Likelihoodfunktion des Schätzparameters θ aus der Datenreihe x L(x,y) Nutzlastordinate im stochastischen Feld an der Stelle x, y m Mittelwert der Stichprobe m x ; m R ; m E Mittelwert der Basisvariablen X; des Widerstands bzw. der Einwirkung m qtot Mittelwert der Gesamtnutzlast M Ed ; M Rd Bemessungsmoment der Einwirkung; Bruchmoment (design) M Eds auf die Stahllage bezogenes Bemessungsmoment der Einwirkung n G ; n Q ständige bzw. veränderliche, flächenbezogene Normalkraft n ; n Stichprobenanzahl der Prior- bzw. Posteriorverteilung N Normalkraft bzw. Normalverteilung N Ed ; N Rd Bemessungswert der einwirkenden Normalkraft bzw. maximal aufnehmbare Normalkraft N Gk ; N Qk charakteristischer Wert der ständigen bzw. veränderlichen Normalkraft p Wahrscheinlichkeit; Quantil P F Versagenswahrscheinlichkeit P(A); P(X) Wahrscheinlichkeit des Eintretens der Basisvariablen A bzw. X q veränderliche Einwirkung (Flächen- bzw. Gleichstreckenlast) q Gegenwahrscheinlichkeit q = 1 - p ix
16 Formelzeichnen, Variablen und Abkürzungen q k q d q equ q st ; q in Q r r d r i charakteristischer Wert der veränderlichen Einwirkung Bemessungswert der veränderlichen Einwirkung gleichförmig verteilte, veränderliche Einwirkung quasi-ständiger bzw. kurzzeitiger Anteil der veränderlichen Einwirkung zeitlich veränderliche Einwirkungen bzw. Nutzlast Realisierungen des Bauteilwiderstands; Niveaukreuzung Realisierung des Bemessungswertes des Bauteilwiderstands zeitlich konstantes Grundzeitintervall r; r allgem. Zinssatz; jährlicher Zinssatz R; R k ; R d Widerstand (allgemein); charakteristischer Wert bzw. Bemessungswert des Bauteilwiderstands R F Bauteilzuverlässigkeit R F = 1 - P F RC Zuverlässigkeitsklasse (engl. Reliability Class) s Standardabweichung der Stichprobe s w Abstand der Bügel- bzw. Querkraftbewehrung untereinander S Schnittgröße S max (t) maximale Einwirkung aus der Linearkombination mehrerer Einzeleinwirkungen S i (t) t B ; t SN Beobachtungszeitraum bzw. Bezugszeitraum einer Lastmessung T Bezugszeitraum (allg.) T R Wiederkehrperiode; Rückkehrperiode TSBW Teilsicherheitsbeiwert u Modalwert, Parameter Gumbelverteilung; Realisierung der Variablen u u Umfang des betrachteten Rundschnittes bei Durchstanzen U i transformierte Variable v Freiheitsgrad der t-verteilung; Geschwindigkeit v x Variationskoeffizient bzw. Streuung der Basisvariablen X V; V z Querkraft; Querkraft in z-richtung wirkend V Ed Bemessungswert der einwirkenden Querkraft V Rd,ct ; v Rd,ct Querkraftbeanspruchbarkeit nicht-querkraftbewehrter Bauteile V Rd,sy ; v Rd,sy Beanspruchbarkeit der Zugstrebe im Querkraftnachweisformat V Rd,max Beanspruchbarkeit der Druckstrebe beim Querkraftnachweis VAR [X] Varianz der Basisvariablen X w charakteristische Windlast w i Wichtung bzw. Lastwechselzahl X i Basisvariable X i Y i transformierte Basisvariable Y i z; z G Höhe über Geländeoberfläche; Gradientenhöhe z Integrationsvariable; Realisation der Zufallsvariablen Z Z Zufallsvariable Ø Stabdurchmesser x
17 Formelzeichen, Variablen und Abkürzungen Griechische Buchstaben α Dauerstandsfaktor der Betondruckfestigkeit nach DIN : α = 0,85 α Neigung der Querkraftbewehrung im Bauteil nach DIN α i ; α x α R α E ; α R α G ; α Q β β β T ; β 1 ; β n β c ; β HL Sensitivitätsfaktoren bzw. Wichtungsfaktoren (allgemein) Völligkeitsbeiwert bei der Stahlbetonbemessung mit Parabel-Rechteck- Diagramm resultierende Sensitivitätsfaktoren bzw. feste Wichtungsfaktoren der Einwirkung E bzw. des Bauteilwiderstandes R Sensitivitätsfaktoren der ständigen bzw. veränderlichen Einwirkung Faktor zur Berücksichtigung von Lastausmitten bei Durchstanzen Sicherheitsindex bzw. Zuverlässigkeitsindex Sicherheitsindex für den Bezugszeitraum T; 1 Jahr bzw. n-jahre Sicherheitsindex nach Cornell bzw. Hasofer & Lind β min ; β Ziel ; β ist minimal tolerierter Sicherheitsindex bzw. Zielzuverlässigkeitsindex; errechneter Sicherheitsindex Δβ Veränderung des Sicherheitsindexes χ Abminderungsbeiwert der Betondruckfestigkeit bei Bemessung mithilfe des Spannungsblocks Δ Differenz ε; ε c ; ε s ; ε cu Dehnung (allgemein); Beton- bzw. Stahldehnung; Betonbruchdehnung Φ(x); Φ -1 (x) Standardnormalverteilungsfunktion bzw. deren Umkehrfunktion γ γ c γ s γ f γ F γ Ed γ Rd γ m γ M Teilsicherheitsbeiwert oder Wichte bzw. Euler-Konstante Teilsicherheitsbeiwert Beton Teilsicherheitsbeiwert Betonstahl Teilsicherheitsbeiwert der repräsentativen Werter der Einwirkungen Teilsicherheitsbeiwert der Einwirkungen inkl. Modellunsicherheiten und Maßabweichungen Teilsicherheitsbeiwert der Modellunsicherheiten der Einwirkungen und Beanspruchungen Teilsicherheitsbeiwert der Modellunsicherheiten der Bauteilwiderstände Teilsicherheitsbeiwert für Unsicherheiten der Baustoffeigenschaften Teilsicherheitsbeiwert der Bauteileigenschaft inkl. Modellunsicherheiten γ G Teilsicherheitsbeiwert der ständigen Einwirkung gemäß DIN γ Q Teilsicherheitsbeiwert der veränderlichen Einwirkung (DIN ) γ ges γ Gl γ c, γ s γ TF zentraler Sicherheitsfaktor globaler Sicherheitsfaktor probabilistisch begründete, anhand der Zuverlässigkeitskurven abgelesene Teilsicherheitsbeiwerte von Beton und Betonstahl Übertragungsfaktor zur Berücksichtigung von Restunsicherheiten bei geringen Stichprobenumfängen in Abh. vom Variationskoeffizienten xi
18 Formelzeichnen, Variablen und Abkürzungen γ c,mod, γ s,mod modifizierte Teilsicherheitsbeiwerte von Beton und Betonstahl zur Nachweisführung von Bestandsbauten Γ η Gammafunktion Einwirkungsverhältnis: ständige Last zur Gesamtlast η 1 Beiwert bei Querkraftbemessung nach DIN : für Normalbeton 1,0 κ κ red λ λ t λ crit Lastkonzentrationsfaktor Varianzreduktionsfaktor Parameter der Lognormalverteilung Auftrittsrate kritische Schlankheit μ; μ x Mittelwert der Grundgesamtheit μ ; μ Δμ a μ Ed ν Ed π θ Mittelwert der Priorverteilung bzw. der Posteriorverteilung mittlere Abweichung des Sollquerschnittsmaßes a bezogenes Moment bezogene Normalkraft Bogenmaß Winkel der Druckstrebenneigung beim Querkraftnachweis θ; θ E ; θ R Modellunsicherheit (allgemein); der Einwirkung bzw. des Widerstands ρ ρ xy ρ l ; ρ w Rohdichte bzw. Korrelationskoeffizient allgemein Korrelationskoeffizient der Basisvariablen X und Y Längs- bzw. Querkraftbewehrungsgrad σ; σ x Standardabweichung (allgemein) σ ; σ σ qtot ; σ T σ x ; σ cd σ E ; σ R σ s1 ; σ s2 σ x 2 ξ ψ R ; ψ E ψ 0 ; ψ 1 ; ψ 2 ζ Standardabweichung der Prior- bzw. Posteriorverteilung Standardabweichung der Gesamtnutzlast bzw. der in den Bezugzeitraum T transformierten Nutzlast Normalspannung; Betondrucknormalspannung (design) Standardabweichung der resultierenden Einwirkung bzw. Beanspruchbarkeit Stahlzugspannung; Stahldruckspannung Varianz Ordinate; bezogene Druckzonenhöhe Winkel der Lage von β (Lot auf Grenzzustandsgerade) im transformierten Standardnormalraum Kombinationsbeiwerte Parameter der Lognormalverteilung; bezogener Hebelarm Häufig verwendete Indizes b Querschnittsbreite C, c Beton cr Riss d design / Bemessungswert xii
19 Formelzeichen, Variablen und Abkürzungen E; e Einwirkung Ek; Ed Einwirkung charakteristisch / design fc; fct; fy Betondruck- bzw. Betonzugfestigkeit; Stahlzugfestigkeit G; g ständige Einwirkung h Querschnittshöhe i; j Zählvariablen k charakteristisch lim Grenzwert m Mittelwert M, MG; MQ Moment; Moment infolge ständiger bzw. veränderlicher Einwirkung max; min Maximalwert; Minimalwert n Zählvariable N; NG; NQ Normalkraft (allg.); ständig wirkende bzw. veränderliche Normalkraft Q, q veränderliche Einwirkung (allg.; Einzellast); Flächen-/Gleichstreckenlast R, r Widerstand Rk; Rd Widerstand charakteristisch / design T Bezugszeitraum u Bruchzustand V; v Querkraft/ bezogene Querkraft bzw. Durchstanzkraft VG; VQ; Querkraft ständige bzw. veränderliche Einwirkung VRd,ct Querkraftbeanspruchbarkeit nicht querkraftbewehrter Bauteile VRd,sy Querkraftbeanspruchbarkeit querkraftbewehrter Bauteile (Zugstrebe) VRd,max Querkraftbeanspruchbarkeit querkraftbewehrter Bauteile (Druckstrebe) X; x der Basisvariable X y transformiert; Stahl θ θe; θr Modellunsicherheit (allgemein) Modellunsicherheit der Beanspruchung bzw. der Beanspruchbarkeit θe,n; θe,m Modellunsicherheit bei Normalkraft- bzw. Momentbeanspruchung θe,v Modellunsicherheit bei Querkraftbeanspruchung θr,v; θr,m Modellunsicherheit der Querkraft- bzw. Momentbeanspruchbarkeit Mengenlehre ω Elementarereignis Ω Grundgesamtheit Schnittmenge von Ereignissen Vereinigung von Ereignissen unter der Bedingung von Betrag von, Element von, kein Element von, kleiner gleich, größer gleich xiii
20 Zusammenfassung Zusammenfassung Alle derzeit in Deutschland gültigen Bemessungsnormen sind für Neubauten oder neu anzufertigende Bauteile konzipiert. Diese Normen unterliegen dem semiprobabilistischen Sicherheitskonzept, das mithilfe von Teilsicherheitsbeiwerten und charakteristischen Werten der Materialien bzw. Einwirkungen die in DIN geforderte Zuverlässigkeit sicherstellen soll. Die Nachbemessung von Stahlbetonbauteilen im Bestand, die beispielweise eine direkte Lasterhöhung infolge einer Nutzungsänderung erfahren, hat grundsätzlich nach aktueller DIN zu erfolgen. Die direkte Anwendung der Nachweisformate der DIN ist aber in vielen Fällen nicht zielführend, da alle Unsicherheiten der Planungs- und Errichtungsphase durch die Teilsicherheitsbeiwerte mit abgedeckt werden. Im Bestand können die Unsicherheiten z. B. der Geometrie, der Materialkennwerte sowie Lage und Menge der vorhandenen Bewehrung oder der ständigen Einwirkungen infolge einer qualifizierten Bestandsaufnahme eingeschränkt werden. Die Tatsache, dass die oben genannten streuenden Größen genauer quantifiziert werden können, erlaubt eine Anpassung der Teilsicherheitsbeiwerte an die am Bauwerk vorherrschenden Streuungen der Festigkeitswerte und geometrischen Größen. Ziel dieser Arbeit ist die Ausweisung modifizierter Teilsicherheitsbeiwerte unter Beachtung des geforderten Zielzuverlässigkeitsniveaus für im Bestand übliche Nachweisformate. Die tabelliert ausgewiesenen Teilsicherheitsbeiwerte auf Widerstandsseite ermöglichen je nach angetroffener Materialstreuung eine praxisgerechte, wirtschaftliche und erfolgreiche Nachweisführung von Bestandsbauten bei Anwendung des semiprobabilistischen Teilsicherheitskonzeptes. Abstract In Germany all current standards are designed for new buildings or new manufactured structural components. These codes are based on the semiprobabilistic safety concept, that guarantee the required reliability level according to DIN by using partial safety factors and characteristic values of materials and actions. Structural analysis of existing reinforced concrete structures, which receive a direct load increase in consequence of a change of utilisation have to be carried out according to the current DIN A strict application of the current design procedures of DIN is in many cases not feasible, because the partial safety factors considers all uncertainties of design- and construction phase. In existing structures uncertainties for example like the geometrical data, the material data of used materials as well as the size and location of the embedded reinforcement or the dead loads can be restricted by an inventory. The fact, that the dispersive variables mentioned above can be quantified more precise allows an assimilation of the partial safety factors to the predominant dispersions of the structure s strength values and dimensions. The intention of this study is the determination of modified partial safety factors on resistance side for failure criterions of existing structures considering the required reliability. With the tabeled partial safety factors a praxis compatible, economical and successful verification of existing structures due to the expected material dispersions is possible while using the semiprobabilistic safety concept. xiv
21 Einleitung 1 Einleitung 1.1 Motivation und Problemstellung Bauen im Bestand gewinnt in Deutschland in den letzten Jahren mehr und mehr an Bedeutung und übertrifft das Neubauvolumen seit einigen Jahren. Somit stellt Bauen im Bestand einen wichtigen Zukunftsmarkt dar. Die Gründe hierfür sind vielschichtig, wie eine Expertenbefragung von Schnell, J.; Fischer, A unter Tragwerksplanern und Bauunternehmen zeigt. Etwa die Hälfte der Bautätigkeit geht auf Nutzungsänderungen von Immobilien zurück, ein Drittel resultiert aus Eigentümerwechsel. Allgemeiner Sanierungsbedarf bzw. neue Stadtentwicklungspläne sind weitere Ursachen für die Bautätigkeit im Bestand (siehe Abb. 1.1). Insbesondere in Ballungszentren steht wachsender Wohnraumbedarf der Bevölkerung dem vorhandenen Wohnraummangel gegenüber. Die Ausweisung von Neubaugebieten ist aus Platzmangel, gesellschaftspolitischen und genehmigungsrechtlichen Gründen sowie Naturschutzgründen ebenfalls stark zurückgegangen. Ein Blick auf den Gebäudebestand in der Bundesrepublik Deutschland zeigt, dass etwa Dreiviertel der Gebäude nach 1945 errichtet wurden, wobei die Hälfte der Gebäude in den Jahren 1949 bis 1978 erstellt wurde (Abb. 1.2) Nutzungsänderung 49% % Restrukturierung/ Stadtentwicklung 9% Sanierung/ Baufälligkeit 9% Eigentümerwechsel 33% Erneuerung Neubau Abb. 1.1: Links Umlagerung der Bauinvestitionen gemäß IPP 2007, rechts Anlass der Baumaßnahmen in Bestandsbauten Schnell, J.; Fischer, A Beim Bauen im Bestand erfordern Planung, Bemessung, Konstruktion und Ausführung die ganze Breite des Ingenieurwissens, wie es auch bei Neubauten erforderlich ist. Hinzu tritt aber eine Vielzahl von Fragen hinsichtlich genehmigungsrechtlicher und sicherheitstheoretischer Aspekte. Weiterhin sind der sachgerechte Umgang mit der vorhandenen Bausubstanz und umfangreiche Kenntnisse von historisch verwendeten Materialien, Konstruktionen und Standards bzw. Normen unumgänglich (siehe DBV Heft ). Fehlende Klarheit bei der Festlegung von Anforderungen zur Standsicherheit begrenzt tendenziell die Bereitschaft zur Weiternutzung bestehender Bausubstanz und damit das Bestreben nach Nachhaltigkeit im Baubereich. Wegen der Vielzahl offener Fragen verfasste die Fachkommission Bautechnik der Bauministerkonferenz (ARGEBAU 2008) Hinweise und Beispiele zum Vorgehen beim Nachweis der Standsicherheit beim Bauen im Bestand. Die dort gegebenen 1
22 Einleitung Hinweise sind allerdings ausschließlich allgemeiner Art und lassen nur die grundsätzliche Auffassung der obersten Bauaufsichtsbehörden erkennen. Hiernach hat eine Nachbemessung der direkt beanspruchten Bestandsbauteile z. B. infolge einer Lasterhöhung grundsätzlich immer nach aktuellem Normenwerk zu erfolgen. Wohngebäude Deutschland 60,0% 50,0% 51,1% 40,0% 30,0% Abb. 1.2: 20,0% 10,0% 0,0% 5,7% 7,1% 12,7% 10,0% bis und später Errichtungsjahr Prozentualer Anteil des gesamten Wohngebäudebestands nach Errichtungsjahr, Statistisches Bundesamt ,0% 9,9% 0,5% Für die Nachrechnung von Bestandsbauten gibt es in Deutschland bisher kein Normenwerk, da die aktuellen Normen fast ausschließlich für Neubauten konzipiert wurden. In einigen europäischen Ländern wird aktuell an der Erstellung eigenständiger Normen für Bestandsbauten gearbeitet, wie es z. B. in der Schweiz mit der Normenreihe SIA geschieht. In Deutschland steht zurzeit lediglich die Belastungsrichtlinie des Deutschen Ausschusses für Stahlbeton DAfStb 2000 für die Standsicherheitsbewertung durch Probebelastungen an Bestandsbauten zur Verfügung. Hierin werden verminderte Teilsicherheitsbeiwerte zur Nachrechnung der im Versuch belasteten Bauteile nach einer Bestandsaufnahme ausgewiesen. Zur Nachweisführung nach aktuellen Normen wird das semiprobabilistische Nachweiskonzept verwendet. Die Tragwerkssicherheit wird darin durch die Wahl der Teilsicherheitsbeiwerte sowie der Quantilwerte der Materialfestigkeiten und Einwirkungen sichergestellt. Eine Festlegung der 5 %-Quantilwerte historischer Materialien ist z. B. in Schnell, J.; Fischer, A.; Loch, M und DBV-Merkblatt 2008 zu finden. Problematisch ist bei Bestandsbauten oft, dass keinerlei Kenntnisse der im Bauwerk vorhandenen Materialien vorhanden sind, und daher keine Einordnung in Festigkeitsklassen vorgenommen werden kann. Die Materialkennwerte der vorhandenen Baustoffe können i. d. R. nur durch eine sorgfältige und umfassende Bestandsaufnahme gewonnen werden. Eine Ausweisung modifizierter Teilsicherheitsbeiwerte für Stahlbetonbauteile im Bestand bei vorausgegangener Bestandsaufnahme erfolgte insbesondere für biegebeanspruchte Bauteile bereits in Fingerloos, F.; Schnell, J sowie in Fingerloos, F.; Schnell, J
23 Einleitung 1.2 Zielsetzung Vor dem Hintergrund der Zunahme an Tragfähigkeitsbewertungen von Bestandsbauten ist eine klare Nachweisführung auf der Basis des semiprobabilistischen Sicherheitskonzeptes nach DIN erforderlich. Bei Anwendung des semiprobabilistischen Bemessungskonzepts, unter der Voraussetzung der Kenntnis der Materialkennwerte, ist zurzeit in vielen Fällen keine erfolgreiche Nachweisführung möglich. Die Teilsicherheitsbeiwerte beinhalten die Unsicherheiten der repräsentativen Werte der Einwirkungen und Widerstände sowie die Modellunsicherheiten der Beanspruchungen und des mechanischen Modells. Es erfolgt allerdings keinerlei Berücksichtigung von Planungs- und Ausführungsfehlern. Diese sind durch Kontrolle zu minimieren. Die Wahl des anzustrebenden Sicherheitsniveaus für Neubauten gemäß DIN erfolgt u. a. vor diesem Hintergrund. Nichterkannte Planungs- und Ausführungsfehler können bei Bestandsbauten aufgrund deren bisherigen Standzeit zumindest eingeschränkt werden. Eine Absenkung des anzustrebenden Sicherheitsniveaus, wie z. B. in JCSS 2000 vorgeschlagen, wäre hier sinnvoll. Dies ist allerdings eine politische Diskussion, da das damit einhergehende Restrisiko von Schadensfällen zu definieren ist, was immer eng damit verbunden ist, welch großer Verlust von Menschenleben im Schadensfall toleriert wird. Ebenso sind die wirtschaftlichen Schäden sowie der Verlust kultureller Güter zu beziffern. Richtiger wäre die Festlegung des Sicherheitsniveaus in Abhängigkeit von den Schadensfolgen, womit auch eine monetäre Bewertung eines Menschenlebens verbunden wäre, wie es z. B. die Schweizer Norm SIA mit einem Wert von 3,5 Mio. Schweizer Franken definiert. Eine sorgfältige, umfassende Bestandsaufnahme liefert beispielsweise präzise Informationen zu Bauteilgeometrie, vorhandener Bewehrung sowie den Materialkennwerten und den ständigen Lasten (ARGEBAU 2006). Diese stark schwankenden Größen können durch Aufmaß und Probeentnahme in ihren Streuungen erfasst und eingegrenzt werden. Aus den Proben einer Bestandsaufnahme am Tragwerk lassen sich stets Mittelwert sowie Standardabweichung und letztlich charakteristische Werte in Abhängigkeit der Stichprobenanzahl für das gewünschte Konfidenzintervall bestimmen. Eine Ausweisung von universal anwendbaren Teilsicherheitsbeiwerten zur semiprobabilistischen Nachweisführung von Bestandsbauten ist daher nur in Abhängigkeit der aus der Bestandsaufnahme festgestellten, statistischen Kennwerte der Basisvariablen sinnvoll. Im Rahmen dieser Arbeit sollen nun mithilfe von probabilistischen Methoden Teilsicherheitsbeiwerte in Abhängigkeit der jeweiligen Versagensart und für variable Streuungen der Basisvariablen bestimmt werden, die zur einfachen Nachweisführung in der Praxis verwendet werden können. Angemerkt sei, dass bei allen angestellten Untersuchungen stets von einem überwiegend intakten Bauwerkszustand ausgegangen wird. Dabei werden keine Betrachtungen über tragfähigkeitsmindernde Schäden wie beispielsweise Schäden infolge Bauteilalterung oder sonstige Schäden angestellt. Die Verwendung dieser modifizierten Teilsicherheitsbeiwerte beim Nachweis von Stahlbeton- und Betonbauteilen führt zur Sicherstellung des gewünschten Sicherheitsniveaus. 3
24 Einleitung 1.3 Vorgehensweise Zur Beurteilung der Zuverlässigkeit von Stahlbetonbauten im Bestand werden die Grundlagen der Zuverlässigkeitstheorie in Abschnitt 3 erarbeitet. Die Festlegung von Teilsicherheitsbeiwerten zur semiprobabilistischen Nachweisführung von Bestandsbauten erfolgt auf der Basis probabilistischer Analysen mithilfe der Zuverlässigkeitstheorie I. Ordnung. Zur Durchführung der Zuverlässigkeitsanalyse ist die sogenannte Grenzzustandsfunktion zu ermitteln, die das Bauteilversagen möglichst exakt beschreibt. In der Grenzzustandsgleichung werden die streuenden Zufallsvariablen von Widerstand und Einwirkung miteinander verknüpft. Die stochastische Modellierung der einzelnen Zufallsvariablen erfolgt auf der Grundlage ihrer vorhandenen Datenbasis. Im Rahmen einer sorgfältigen Bestandsaufnahme des zu untersuchenden Bestandsbauwerks können einzelne streuende Größen - insbesondere des Bauteilwiderstandes - gemessen oder durch eine Auswertung der am Bauwerk entnommenen Probekörper gemäß Abschnitt 2 bestimmt bzw. eingeschränkt werden. Die streuenden Größen der Einwirkungen sind nur schwer oder mit wirtschaftlich unverhältnismäßig großem Aufwand für das einzelne Bauwerk zu ermitteln. Direkte Einwirkungen auf Tragwerke lassen sich in ständige und veränderliche Einwirkungen unterteilen. Indirekte Einwirkung wie z. B. Kriechen und Schwinden haben zeitlich veränderlichen Charakter und werden im Rahmen dieser Arbeit nicht betrachtet. Gerade bei zeitlich und örtlich veränderlichen Einwirkungen wie Nutzlasten, Schneeoder Windlasten muss auf allgemeingültige vorliegende Daten aus der Literatur zurückgegriffen werden. Lediglich die zeitunabhängigen ständigen Einwirkungen wie z. B. die Bauteileigenlast oder die Ausbaulast können mit vergleichsweise geringem Aufwand ermittelt werden. Die stochastische Modellierung des Bauteilwiderstands und der Einwirkungen wird im Abschnitt 4 und 5 dargelegt. Anschließend werden in Abschnitt 6 dieser Arbeit die Grenzzustandsgleichungen für maßgebende Versagensarten von Stahlbetonbauten im Bestand formuliert. Weiter erfolgt eine zuverlässigkeitstheoretische Bewertung von Bestandsbauteilen herkömmlicher Hochbauten bei Anwendung der Teilsicherheitsbeiwerte nach DIN , die auf mögliche Reserven oder evtl. Defizite der Tragfähigkeitsnachweise hinweisen soll. Hierbei wird das im Hochbau üblicherweise vorherrschende Lastverhältnis g k / q k = 70 / 30 angesetzt. Im Abschnitt 7 werden Untersuchungen über die Auswirkung verschiedener Randbedingungen hinsichtlich der einzelnen Versagensarten dargestellt. Unter anderem werden unterschiedliche Streuungen der Materialkennwerte von Beton und Betonstahl, der geometrischen Größen sowie Längs- und Schubbewehrungsgrade hinsichtlich der Bauteilzuverlässigkeit analysiert. Als veränderliche Einwirkungen q k werden Nutzlasten, Schnee- und Windlasten für verschiedene Lastverhältnisse g k / q k angesetzt. Ebenso wird die Auswirkung auf die Zuverlässigkeit bei Verwendung unterschiedlicher statistischer Kenngrößen der Modellunsicherheiten für die Nachweisformate diskutiert. Weiter wird die Querschnittszuverlässigkeit bei Anwendung der Belastungsrichtlinie DAfStb 2000 untersucht. Hierbei erweist sich die Abminderung des Teilsicherheitsbeiwertes der ständigen Einwirkung als maßgeblich zuverlässigkeitsmindernd. 4
25 Einleitung Die angestrebte Modifikation von Teilsicherheitsbeiwerten für Bestandsbauten erfolgt ausschließlich auf der Widerstandsseite, da diese streuenden Größen z. B. durch eine Bestandsaufnahme bestimmbar sind. Ein weiteres gewichtiges Argument für diese Vorgehensweise stellt die Tatsache dar, dass die Sicherheitsbeiwerte der Einwirkungen in der DIN baustoff- und bauartübergreifend geregelt sind. Eine Modifikation der Teilsicherheitsbeiwerte ist direkt mit der Beschreibung des Querschnittsversagens verknüpft. Anhand umfangreicher probabilistischer Parameterstudien der einzelnen Versagensarten werden im Abschnitt 8 Teilsicherheitsbeiwerte in Abhängigkeit der Materialstreuungen und des Verhältnisses der ständigen zu veränderlichen Einwirkungen für das festgelegte Zielzuverlässigkeitsniveau kalibriert. Hierbei werden verschiedene Kombinationen der Teilsicherheitsbeiwerte von Beton γ c und Betonstahl γ s hinsichtlich der Bauteilzuverlässigkeit bei einer 100 %-igen Querschnittsausnutzung analysiert und grafisch dargestellt. Die möglichen Kombinationen der Materialsicherheitsbeiwerte werden anschließend in Abhängigkeit der Versagensart auf Grundlage der erstellten Zuverlässigkeitskurven in Tabellen praxisgerecht aufbereitet. Liegen nur sehr wenige bzw. nicht von alle Bauteilbereichen Materialproben aus der Bestandsaufnahme vor oder sind nicht analysierte Fehlstellen am Bauwerk zu erwarten, so sind die probabilistisch ermittelten Teilsicherheitsbeiwerte noch mit einem sogenannten Übertragungsfaktor γ TF zu multiplizieren. Die Nachweisführung für das Bestandsbauteil kann nun unter Verwendung der modifizierten, probabilistisch begründeten Teilsicherheitsbeiwerte sowie der am Bauwerk ermittelten charakteristischen Festigkeit erfolgen. Mithilfe der aus den Parameterstudien gewonnenen Sensitivitätsfaktoren wird der Versuch unternommen, feste Sensitivitätsfaktoren in Anlehnung an DIN Anhang B für die jeweilige Versagensart zur vereinfachten Berechnung von Teilsicherheitsbeiwerten auf Grundlage des Bemessungspunktes auszuweisen. Abschließend werden im Abschnitt 9 alle Ergebnisse dieser Arbeit kurz zusammengefasst und weiterer Forschungsbedarf zu verschiedenen sicherheitstheoretischen Themen rund um das Bauen im Bestand aufgezeigt. 5
26 Bauen im Bestand 2 Bauen im Bestand 2.1 Begriffsdefinition Unter Bauen im Bestand wird die Instandsetzung, die Ertüchtigung oder die Änderung bestehender baulicher Anlagen verstanden. Dabei ist zu entscheiden, welche technischen Baubestimmungen anzuwenden sind und in welchen Fällen nach dem Grundsatz des Bestandschutzes verfahren werden darf. Das ist vor allem dann von Bedeutung, wenn sich die Anforderungen in den aktuell geltenden technischen Baubestimmungen gegenüber den zum Zeitpunkt der Errichtung der baulichen Anlage geltenden Bestimmungen (Bemessungsnormen) geändert haben und keine Regelungen für bestehende Gebäude getroffen worden sind. Die Beteiligten müssen dabei klären, auf welcher Grundlage bautechnische Nachweise zu führen sind. Die ARGEBAU 2008 empfiehlt den Nachweis neuer Bauteile oder neu ertüchtigter Bauteile nach neuem Regelwerk zu führen. Allerdings kann der Nachweis mit den ursprünglichen Vorschriften erfolgen, wenn beispielsweise lastweiterleitende Bestandsbauteile im Zuge einer Lasterhöhung überprüft werden müssen. Bauen im Bestand geht in vielen Fällen mit erheblichen Eingriffen in die Tragstruktur einher und unterliegt somit der Nachweispflicht. Dies stellt für Tragwerksplaner nicht selten eine Herausforderung dar. Häufig kann die Standsicherheit der Tragwerke bei strikter Anwendung der aktuellen Regelwerke nicht mit einer ausreichenden Zuverlässigkeit nachgewiesen werden, da mit der zukünftigen Nutzung oft eine Lasterhöhung einhergeht. Grundlage für das Bauen im Bestand sollte eine umfassende und sorgfältig durchgeführte Bestandsaufnahme sein, durch die evtl. vorhandene Unsicherheiten ausgeschlossen oder zumindest eingegrenzt werden können. Bestandsbauten liefern im Gegensatz zum Neubau eine Vielzahl von Informationen, die im Rahmen der qualifizierten Bestandsaufnahme erfasst werden können. Während beim Neubau in der Planungs- und Ausführungsphase eine Vielzahl von Unsicherheiten vorliegt, können diese an Bestandsbauten z. B. durch Aufmessen und Sichten des Bauwerks sowie Materialprobeentnahme weitgehend ausgeschlossen werden (JCSS 2001). Bei Umbau oder Umnutzung von bestehenden Tragwerken oder Tragwerksteilen kann zunächst versucht werden, durch Lastvergleiche nachzuweisen, dass eine Vergrößerung von bemessungsmaßgebenden Schnittgrößen gegenüber dem Istzustand nicht eintreten wird. Durch Wahl geeigneter leichter Ausbaustoffe kann dies in vielen Fällen realisiert werden. Nutzlasterhöhungen können in manchen Fällen durch die Reduzierung von Ausbaulasten wie z. B. den Ersatz eines Verbundestrichs durch einen Trockenestrich kompensiert werden. Sind im Tragwerk beispielsweise infolge Überdimensionierung Tragreserven vorhanden, können in deren Rahmen prinzipiell auch Laststeigerungen akzeptiert werden. Sofern sich Schnittgrößenerhöhungen ergeben, besteht alternativ zu Verstärkungsmaßnahmen grundsätzlich auch die Möglichkeit, die bestehende Tragstruktur nach aktuellem Regelwerk nachzuweisen. Dabei können ggf. tatsäch- 6
27 Bauen im Bestand liche, am Bauwerk ermittelte größere Festigkeiten sowie eine Überprüfung von Geometrie und Lage der Bewehrung vorteilhaft berücksichtigt werden. Für einige Bemessungsziele erlauben aktuelle Regelwerke auch im Vergleich zu den früheren Normen zugeschärfte Nachweise. Zudem dürfen verdeckte Tragfähigkeitsreserven auch durch nichtlineare Schnittgrößenermittlung mit Unterstützung leistungsfähiger Rechenprogramme aktiviert werden. Zu beachten ist in all diesen Fällen jedoch, dass dann auch alle einschlägigen Nachweise der aktuellen Regelwerke in den Grenzzuständen der Tragfähigkeit und Gebrauchstauglichkeit zu untersuchen sind, die früher zum Teil aufgrund sehr konservativer zulässiger Bemessungsspannungen indirekt abgesichert waren und daher entfallen durften. Eine weitere Möglichkeit zur Einschätzung der Tragfähigkeit von Bestandsbauten stellt die Durchführung von Probebelastungen am Bauwerk dar. Für Beton- und Stahlbetonbauteile kann die Belastungsrichtlinie DAfStb 2000 zum Nachweis der Tragfähigkeit mithilfe einer Probebelastung herangezogen werden. Die Bauteile müssen trotz erfolgreicher Probebelastungen immer auch rechnerisch nachgewiesen werden, wofür die modifizierten Teilsicherheitsbeiwerte gemäß DAfStb 2000 verwendet werden dürfen. Eine kritische Bewertung des damit erreichbaren Zuverlässigkeitsniveaus wird im Rahmen dieser Arbeit vorgenommen. Sind die oben genannten Nachweismethoden nicht zielführend, so kann eine probabilistisch begründete Modifikation der Teilsicherheitsbeiwerte nach Durchführung einer Bestandsaufnahme zur erfolgreichen Nachweisführung beitragen. Mithilfe probabilistischer Verfahren können Teilsicherheitsbeiwerte für Stahlbetonbauwerke anhand umfangreicher Parameterstudien ermittelt werden, die in das semiprobabilistische Nachweiskonzept der DIN einfließen können. 2.2 Besonderheiten der Zuverlässigkeitsanalyse beim Bauen im Bestand Alle aktuellen Normen streben bereits im Entwurfsstadium eines Bauwerks ein bestimmtes Zuverlässigkeitsniveau für den Zeitpunkt nach dessen Realisierung an. Bei Bestandsbauten kann das zum Zeitpunkt der Errichtung zugrunde gelegte Zuverlässigkeitsniveau von dem heute geforderten Niveau abweichen. Aus verschiedenen Gründen, wie z. B. infolge von erkannten Ausführungsfehlern, Alterungseinflüssen, Schädigungen oder Lasterhöhungen kann das Zuverlässigkeitsniveau abgesunken sein. Die aktuellen Bemessungsnormen basieren auf dem semiprobabilistischen Sicherheitskonzept, das durch die Bestimmung von charakteristischen Werten der Einwirkungen und der Baustoffe sowie definierter Teilsicherheitsfaktoren die angestrebte Bauteilzuverlässigkeit sicherstellt. Nach DIN setzt sich der Teilsicherheitsbeiwert auf Einwirkungsseite aus den Unsicherheiten der repräsentativen Einwirkungen sowie den Modellunsicherheiten des Lastmodells zusammen. Auf Widerstandsseite sind die Unsicherheiten des mechanischen Modells sowie der repräsentativen Werte der Baustoffe im Sicherheitsbeiwert enthalten. Zu beachten ist allerdings, dass menschliche Fehler in Planung und Ausführung hierbei nicht erfasst werden können und diese durch 7
28 Bauen im Bestand Kontrolle zu minimieren sind. Diese Fehler können bei Bestandsbauten aufgrund der vorhandenen Standzeit des Bauwerks größtenteils ausgeschlossen werden. Bei Bestandsbauten liegen in der Regel zusätzliche Informationen über die Art der Nutzung aber auch über vorhandene Bauwerkseigenschaften vor. Im Rahmen einer eigenen Expertenbefragung zum Bauen im Bestand (Schnell, J.; Fischer, A bzw. DBV Heft ) hat sich gezeigt, dass die Entwurfsunterlagen wie z. B. statische Berechnungen und Pläne in den meisten Fällen nicht vorhanden oder zumindest unvollständig sind. Wird allerdings vor Beginn der Baumaßnahme eine qualifizierte Bestandsaufnahme durchgeführt, können Informationsdefizite beseitigt und die vorhandenen Kenntnisse über das Bauwerk erweitert werden. Zusätzliche Untersuchungen können auch zerstörungsfreie Prüfungen, Materialprobeentnahmen aber auch die Bestimmung der tatsächlich vorhandenen ständigen Lasten sein. Durch die bei der Bestandsaufnahme gewonnenen Zusatzinformationen werden die Unsicherheiten, die zum Zeitpunkt der Entwurfsphase noch vorhanden sind, vermindert. Beispielsweise können im Rahmen der Bestandsaufnahme die Unsicherheiten der Basisvariablen auf Widerstandsseite wie z. B. der Baustoffkennwerte, Lage und Querschnitt der tatsächlich eingelegten Bewehrung sowie der Bauteilgeometrie und -spannweite stark eingegrenzt werden. Weiter können Änderungen der Verteilungstypen und den stochastischen Parametern aller Basisvariablen (z. B. Einschränkung der Streuungen, Anheben der Mittelwerte) berücksichtigt werden. Ebenso sind Änderungen der Grenzzustandsbedingungen oder die Formulierung zusätzlicher Bedingungen, die sich über die bisherige Standzeit ergeben haben, möglich. Die Teilsicherheitsbeiwerte und charakteristische Materialkennwerte für Neubauten müssen alle in Abb. 2.1 dargestellten Unsicherheitsfelder weitgehend abdecken. Dies wurde bei Festlegung der Größe der Teilsicherheitsbeiwerte in DIN berücksichtigt, wie in Abb ersichtlich ist. Bei Bestandsbauten bleibt nach einer Bestandsaufnahme somit nur noch ein eingeschränktes Unsicherheitspotenzial übrig. Diese Tatsache macht Modifikationen bei Teilsicherheitsbeiwerten auf der Widerstandsseite, wie z. B. in Abschnitt 8 dieser Arbeit diskutiert, möglich. Sonstiges 7% Anwendung 7% Planung 41% Material 15% Ausführung 30% Abb. 2.1: Ursachen für Qualitätsmängel für Bauwerke nach Hansen, M
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