Vigilanz VIG. Trainingsablauf. Einleitung. Szene. Seite 14 von 28
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- Eike Kerner
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1 Trainingsablauf Einleitung Bei der längerfristigen Aufmerksamkeitszuwendung unterscheidet man zwischen Daueraufmerksamkeit und Vigilanz. Aufgaben zur längerfristigen Aufmerksamkeitsaktivierung verlangen vom Klienten dass die Aufmerksamkeit über lange Zeiträume ununterbrochen einer oder mehreren Informationsquellen zugewandt wird, um kleine Veränderungen der dargebotenen Information zu entdecken und darauf zu reagieren (Davies u. Mitarb. 1984). Die Vigilanz stellt eine spezielle Variante der längerfristigen Aufmerksamkeit dar. Vigilanzleistungen beanspruchen die Aufmerksamkeit über einen langen Zeitraum, oft Stunden, hinweg, und die relevanten Stimuli kommen hierbei typischerweise nur in sehr unregelmäßigen Intervallen und mit sehr geringer Auftretenshäufigkeit zwischen einer großen Menge irrelevanter Stimuli vor. Eine typische Vigilanzleistung vollbringt nach der Definition von Mackworth (1948) zum Beispiel ein Radarbeobachter, der über lange Zeit hinweg aufmerksam sein muss, um auf einem Bildschirm ein Signal zu entdecken, welches sich gegen irrelevante Hintergrundreize abhebt. Vigilanzaufgaben müssen daher definitionsgemäß sehr eintönig sein. Szene Der Klient fährt eine monotone Landstraße entlang. Ab und zu überholen andere Fahrzeuge oder kommen auf der Gegenfahrbahn entgegen. Die Aufgabe des Klienten besteht ausschließlich darin, die Reaktionstaste zu drücken (grüne Taste am Probandenpanel), falls ein überholendes Fahrzeug plötzlich vor dem eigenen Fahrzeug abbremst (siehe Abb. 1). Bei rechtzeitiger Reaktion erlischen die Bremslichter des Vordermanns, das Auto beschleunigt und fährt davon. Reagiert der Klient nicht rechtzeitig, dann beginnen zunächst die Bremslichter zu blinken und abschließend ertönt ein unangenehmes Bremsgeräusch. Die Monotonität des Trainings wird durch die Häufigkeit der überholenden Fahrzeuge, des Gegenverkehrs und von zusätzlichen Reizen bestimmt: Unter der Daueraufmerksamkeitsbedingung liegt die Häufigkeit der relevanten und irrelevanten Überholer sehr hoch. Zusätzlich helfen Umgebungsreize wie Häuser, Bäume, Berge, wartende Fahrzeuge an Kreuzungen, etc. die Aufmerksamkeit aufrecht zu erhalten. Unter der Vigilanzbedingungen ist es dunkel und neblig, so dass nur noch der unmittelbar vorm eigenen Fahrzeug liegende Straßenabschnitt zu erkennen ist. Die Häufigkeit an Autos, die vor dem eigenen Fahrzeug abbremsen, liegt nur mehr bei rund einem pro Minute. In den obersten Schwierigkeitslevels tauchen die Autos plötzlich aus dem Dunkel bzw. Nebel vor dem Klienten-Fahrzeug auf und bremsen ab. Seite 14 von 28
2 Abbildung 1 Ein überholendes Auto bremst ab Reaktionsablauf Bei einem überholenden Auto, das vor dem Klienten abbremst, muss der Klient reagieren. Nach erfolgter Reaktion verlöschen die Bremslichter und das Auto beschleunigt und fährt davon. Wenn innerhalb von zunächst drei Sekunden auf den Reaktionsreiz reagiert wird (Diese Zeit adaptiert sich im Laufe des Trainings an die Reaktionsgeschwindigkeit des Klienten), gilt die Reaktion als zeitgerechte Reaktion. Versäumt es der Klient innerhalb dieser Zeit auf den relevanten Überholer zu reagieren, dann beginnen die Bremslichter drei Sekunden lang zu blinken. Wenn in dieser Zeitspanne auch keine Reaktion erfolgt, dann ertönt in den untersten Levels ein Quietschen. Es handelt sich dabei um einen intensiven, grellen Ton, der den Zweck verfolgt, den Klienten aufzuwecken. Eine Reaktion innerhalb der Blink- und der Quietschgeräusch-Phasen gilt als verspätete Reaktion. Erfolgt auch dann keine Reaktion fährt das überholende Auto nach weiteren drei Sekunden auf und davon. Abbildung 2 veranschaulicht den Reaktionsablauf: Nach 3s keine Reaktion Bremslichter beginnen zu leuchten Nach weiteren 3s keine Reaktion Zusätzlich ertönt ein Quietschen Nach weiteren 3s keine Reaktion Auflösen der Situation 3s 6s 9s Zeit nach dem Reiz Abbildung 2 Reaktionsablauf im Trainingsprogramm Seite 15 von 28
3 Schwierigkeitsstruktur arbeitet mit 3 kontinuierlich verlaufenden Schwierigkeitsleveln. Die Schwierigkeitslevels unterscheiden sich hinsichtlich folgender Parameter: 1. Vorhandensein peripherer Reize (PS): Häuser, Bäume, Kreuzungen, Brücken 2. Gegenverkehr (G) 3. Frequenz der irrelevanten, nicht bremsenden Überholer (I) = Fahrzeuge, die überholen, aber ohne zu bremsen, am Horizont verschwinden 4. Frequenz der relevanten, bremsenden Überholer (RÜ) = Fahrzeuge, die überholen; diese schwenken auf die rechte Fahrbahn und bremsen plötzlich ab 5. Frequenz der relevanten, plötzlichen Hindernisse (RH) = plötzlich aus dem Dunkel bzw. Nebel vor dem Klienten- Fahrzeug auftauchendes, bremsendes Fahrzeug 6. Fahrzeugtype LKW, PKW 7. Farbe des Fahrzeuges: zunächst bunt (FB), dann nur mehr einfärbig (FE), am Schluss nur mehr grau (FG) (auch bedingt durch Nacht und Nebel) 8. Bremsgeräusch (B) 9. Bremslicht Amplitude und Größe der Lichter (AG) 1. Helligkeit: Tageslicht (T), Dämmerung (D), Nacht (N), Nebel (Ne) In Tabelle 2 sind pro Level die Ausprägungen der einzelnen Parameter angeführt. Tabelle 2 Schwierigkeitsparameter pro Level Level Periphere Reize PS PS PS PS PS PS PS PS PS PS Gegenverkehr G G G G G G G G G G Irrelevante Überholer I I I I I I I I I I Relevante Überholer RÜ RÜ RÜ RÜ RÜ RÜ RÜ RÜ RÜ RÜ Fahrzeugtypen PKW PKW PKW PKW PKW PKW PKW PKW PKW PKW LKW LKW LKW LKW LKW LKW Farbe d. KFZ FB FB FB FB FB FB FB FB FB FB Bremsgeräusch B B B B B B B B B B Seite 16 von 28
4 Bremslicht Amplitude und Größe der Lichter AG AG AG AG AG AG AG AG AG AG Helligkeit T T T T T T T T T D Level Periphere Reize PS PS PS PS PS PS PS PS PS PS Gegenverkehr G G G G G G G G G Gmin Irrelevante Überholer I I I I I I I I I I Relevante Überholer RÜ RÜ RÜ RÜ RÜ RÜ RÜ RÜ RÜ RÜ Fahrzeugtypen PKW PKW PKW PKW PKW PKW PKW PKW PKW PKW Farbe d. KFZ FE FE FE FE FE FE FE FE FG FG Bremsgeräusch B B B B Bmin Bremslicht Amplitude und Größe der Lichter AG AG AG AG AG AG AG AG AG AG Helligkeit D D D D D D D D N N Level Irrelevante Überholer I I I I Imin Relevante Überholer RÜ RÜ RÜ RÜmin RHmax RH RH RH RH RHmin Fahrzeugtypen PKW PKW PKW PKW PKW PKW PKW PKW PKW PKW Farbe d. KFZ FG FG FG FG FG FG FG FG FG FG Bremslicht Amplitude und Größe der Lichter AG AG AG AG AG AG AG AG AG AGmin Helligkeit N N N N N/NE N/NE N/NE N/NE N/NE N/NE Seite 17 von 28
5 Instruktion Abbildung 3 Instruktionsablauf in Der Ablauf der Instruktion in ist schematisch in Abbildung 3 dargestellt. Das Trainingsprogramm startet mit einer verbalen Instruktion, in der dem Klienten zunächst die Aufgabe erklärt wird (siehe Abb. 4). In der Instruktion wird darauf hingewiesen, dass die Aufgabe unter Umständen recht langweilig sein kann und dass der Klient trotzdem versuchen soll, wach zu bleiben, um adäquat reagieren zu können. Außerdem wird darauf hingewiesen, dass mit dem Programm nicht Auto fahren trainiert wird. Beim erstmaligen Training mit folgt zwingend eine Übungsphase. Bei aufgabenwidrigen keine Reaktion beim Abbremsen eines Autos oder Reaktion ohne dass ein überholendes Auto abbremst wird dem Klienten die Aufgabe noch einmal erklärt (siehe Abb. 4). Bei jeder weiteren Trainingssitzung mit wird dem Klienten die Möglichkeit geboten, die Übungsphase zu überspringen und direkt in die Trainingsphase einzusteigen. Ein Levelwechsel während des Trainings (bei Auf- und Abstieg) wird dem Klienten nicht angekündigt, da dies einen Aufweck-Effekt haben könnte. Seite 18 von 28
6 Für Patienten mit Halbseitenneglect oder Hemianopsie ist einstellbar, ob die Instruktion rechts- oder linksseitig präsentiert wird. Die Einstellung erfolgt über das Eingabefeld Gesichtsfeldausfall/Neglect in der Lasche Klientendaten (siehe Abb. 6). Abbildung 4 Aufgabeninstruktion Seite 19 von 28
7 Abbildung 5 Verbales Feedback bei Fehlreaktionen in der Übungsphase Abbildung 6 Einstellung der Neglect-Region oder des Gesichtfeldausfalls Trainingsphase Seite 2 von 28
8 Der Klient startet bei der ersten Sitzung im ersten Level. Die maximale Reaktionszeit für eine rechtzeitige Reaktion liegt zunächst bei 3 Sekunden. Nach 1 rechtzeitigen erfolgt die adaptive Anpassung der maximalen Reaktionszeit an die reaktive Leistungsfähigkeit des Klienten. Die Reaktionszeiten des Klienten werden dabei gemittelt und um einen Faktor (3 mal der Quartilabstand) erweitert. Die maximale Reaktionszeit passt sich laufend an die Leistungsfähigkeit des Klienten an. Es werden immer die letzten 2 Reize in die Berechnung des Mittelwerts und des Quartilabstands miteinbezogen. Der Levelauf- und abstieg erfolgt anhand der Fehler (Ausgelassene und Verspätete) und der Anzahl der richtigen in Folge. Im Einstiegslevel verbringt der Klient zunächst eine Minimumzeit von 5 Minuten, bevor ein Auf- oder Abstieg möglich ist. Dies dient der Anpassung der maximalen Reaktionszeit an das reaktive Leistungsniveau des Klienten. Nach dieser Zeit steigt der Klient ins nächst höhere Level auf, wenn er in den Leveln 1 bis 1 15 und in den Leveln 11 bis 3 1 relevante Reize in Folge richtig reagiert. In den ersten 1 Leveln werden in dieser Reihe 2 Fehlreaktionen toleriert, in den Leveln 11 bis 3 nur mehr eine Fehlreaktion. Der Levelabstieg erfolgt bei mehr als vier Fehlern in dieser Reihe im 1. bis 1. Level, bei mehr als drei Fehlern im 11. bis 24. Level und bei mehr als zwei Fehlern im 25. bis 3. Level. Es wird eine Mindesttrainingszeit von 3 Minuten empfohlen. Falls ein Klient noch nicht in der Lage ist 3 Minuten zu trainieren, dann sollte zunächst das Programm ALERT zum Training seiner Alertness-Fähigkeit vorgegeben werden. Eingriff während des Trainings [fehlt noch] Auswertung Die Leistungen des Klienten können bei sowohl in der leicht verständlichen Gesamtdarstellung des Leistungsverlaufs in den letzten Sitzungen als auch mittels der Detailergebnisse pro Sitzung beurteilt werden. Gesamtdarstellung des Leistungsverlaufs Die erste Graphik der Resultatausgabe stellt einen Level-Verlauf über die Trainingssitzungen hinweg dar (siehe Abb. 7). Pro durchgeführte Sitzung wird das zuletzt erreichte Level angezeigt. Seite 21 von 28
9 Zuletzt erreichtes Level in den bisherigen Sitzungen: 15 Level Sitzung Abbildung 7 Level-Verlauf über die Trainingssitzungen hinweg Die in Abbildung 8 dargestellte Leistungsgraphik zeigt den Verlauf der mittleren Reaktionszeiten über die Trainingssitzungen hinweg an. Pro durchgeführte Sitzung wird die mittlere Reaktionszeit, die aus allen getätigten dieser Sitzung berechnet wird, angezeigt. Mittlere Reaktionszeit in den bisherigen Sitzungen: Reaktionzeit(ms) Sitzung Abbildung 8 Verlauf der mittleren Reaktionszeiten über die Trainingssitzungen hinweg Das in Abbildung 9 dargestellte Fehlerdiagramm gibt Auskunft über die Summe an verspäteten und ausgelassenen pro durchgeführte Trainingssitzung. Fehler / Sitzungen: Fehler 15 zu spät reagiert ausgelassen Sitzung Seite 22 von 28
10 Abbildung 9 Summe der verspäteten und ausgelassenen in allen Trainingssitzungen Sämtliche Globalergebnisse sind weiters in einer Tabelle zusammengefasst (siehe Abb. 1). Resultat-Tabelle: Sitzung Zuletzt erreichtes Level Mittlere Reaktionszeit(ms) Anzahl rechtzeitiger Anzahl verspäteter Anzahl ausgelassener Anzahl nicht gefordert Abbildung 1 Zusammenfassung der Globalergebnisse in einer Tabelle Detailauswertung pro Sitzung In der Darstellung der Detailergebnisse pro Sitzung (siehe Abb. 11) wird jede Reaktion mit ihrer Reaktionszeit in ein Reaktionszeitdiagramm eingetragen. Unterhalb des Reaktionszeitdiagramms sind auf einer zusätzlichen x-achse die Zeitpunkte von verspäteten bzw. ausgelassenen vermerkt. Reaktionszeiten in der aktuellen Sitzung: Reaktionzeit(ms) Lev 12 Lev 13 Lev 14 Ausgelassene richtig zu spät reagiert Zeit(min) Abbildung 11 Verlauf der Reaktionszeiten über die Zeit hinweg Das in Abbildung 12 dargestellte Fehlerdiagramm gibt Auskunft über die Summe an verspäteten und ausgelassenen pro Level. Seite 23 von 28
11 Anzahl verspäteter und ausgelassener in der aktuellen Sitzung: 2 Fehler zu spät reagiert ausgelassen Level Abbildung 12 Summe der verspäteten und ausgelassenen pro Level Die Detailergebnisse sind weiters in einer Tabelle zusammengefasst (siehe Abb. 13). Result table: Level-Verlauf Mittlere Reaktionszeit (ms) Anzahl rechzeitiger Anzahl verspäteter Anzahl ausgelassener Zeit (min) Abbildung 13 Zusammenfassung der Detailergebnisse in einer Tabelle Seite 24 von 28
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