Hungern für die Spritfresser
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- Kirsten Peters
- vor 6 Jahren
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1 Hungern für die Spritfresser Agrartreibstoffe und das Menschenrecht auf Nahrung 22. Oktober 2013 / 7. Münchner Klimaherbst Roman Herre, FIAN Deutschland
2 I. Grundannahmen unserer Agrartreibstoffpolitik II. Menschenrechtliche Analyse und Forderungen III. Agrartreibstoffe im Kontext: Bioökonomie
3 I. Die Grundannahmen unserer Agrartreibstoffpolitik. Bedeutender Beitrag für den Klimaschutz Impuls für eine ländliche Entwicklung (hier und weltweit) Es gibt reichlich ungenutztes Land Agrartreibstoffe haben keinen Einfluss auf die Nahrungsmittelpreise Es werden kaum Importe für die Erfüllung unserer Beimischungsziele benötigt.haben sich als falsch erwiesen
4 Klimaschutz Anfänglich wurden Agrartreibstoffe als vollkommen Klima-neutrale Energie angepriesen. Heute ist klar: Viele Energiepflanzen haben eine gering positive bis negative Treibhausgas-Bilanz im Vergleich zu fossiler Energie; Die kalkulierte THG-Einsparung im Verkehrssektor von 3,5% (bei 10% Beimischung und 35% festgeschriebener THG-Einsparung) könnte die EU mit einer minimalen Verschärfung der Emissionsvorgaben bis 2020 von Kraftfahrzeugen von 95 Gramm CO2/Km auf 91,7 Gramm CO2/km erreichen. Die Bundesregierung hat aktuell sogar diese beschlossene Vorgabe wieder in Frage gestellt ( dt. Automobilindustrie).
5 Ländliche Entwicklung Energiepflanzenanbau führt de facto fast ausschließlich zu einer agrarindustrielle, monokulturellen Landwirtschaft und vernichtet Arbeitsplätze anstatt sie zu schaffen (FAO 2012 Trends and Impacts of Foreign Investment in Developing Country Agriculture) Agrarindustrielle Produktion verschärft Landkonzentration, Verteilungsungerechtigkeit und entleert ländliche Räume (Ø Fläche der Landdeals Hektar) (Brasilien: Green Deserts, Green Hell )
6 Reichlich ungenutztes Land Der kalkulierte Landbedarf enorm: 480 Mha global bis 2045 für einen 'nachhaltigen' Treibstoffmix (Ecofys 2010); 10% globale Beimischung benötigt bis zu 500 Mha (Ravindranath 2009); Realität: Vielzahl dokumentierte Landkonflikte und Menschenrechtsverletzungen im Zuge der Expansion des Energiepflanzenanbaus (bspw. FIAN, EuropAfrica 2012 (Bio-)fueling Injustice); Agrartreibstoffe wichtigster Faktor für Land Grabbing. Etwa 60% der Fläche aller Landnahmen seit 2001 wurden für die Agrartreibstoffproduktion getätigt (Anseeuw et al Land Rights);
7 Kein Einfluss auf Nahrungsmittelpreise Internationalen Studien bestätigen: Agrartreibstoffe ein wichtiger Preistreiber bei Grundnahrungsmitteln (Weltbank, OECD 2011; HLPE 2011 & 2013). Die verschiedensten quantitativen Studien sprechen von etwa 10% - 66% Anteil an den Preisanstiegen. Die Zusammenhänge: o Nahrung wird direkt in Agrartreibstoffe umgewandelt (Mais, Soja, Weizen ) o Nahrungsmittelanbau wird verdrängt (Flächenkonkurrenz) o der gesetzlich festgeschriebene, künstlich wachsende Markt der Agrartreibstoffe zieht Spekulanten magisch an.
8 Kaum Importe nötig Schon 2004 verbrauche Deutschland 21% mehr Ackerland als national vorhanden (Bringezu et al. (2012) Beyond Biofuels); schon 2008 importierte die EU knapp 40% der Agrartreibstoffe (inkl. Rohstoffe, s. Tabelle 14, 15) (Ecofys 2011 Baseline Study) Mittlerweile beziehen wir unsere Agrartreibstoffe auch aus Hungerländern und Ländern mit massiven Landkonflikten wie Kambodscha, Argentinien, Guatemala oder Indonesien.
9 Indirekte Effekte werden gern verschwiegen (Landaspekt der so genannte Indirekte Landnutzungsänderungen/ ILUC); Die Importe werden stark wachsen. Expansionsmöglichkeiten hier in Europa sind begrenzt. Die Erfüllung der 10-Prozent-Quote (geschätzt 9,5% Agrartreibstoffe) wird insbesondere durch Importe erreicht werden müssen;
10 II. Menschenrechtliche Analyse und Forderungen Das Recht auf Nahrung (RaN) ist verankert unter anderem im Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte (IPwskR) alle Mitgliedsstaaten der EU haben den Pakt ratifiziert. Artikel 11 des IPwskR (1966) In Anerkennung des grundlegenden Rechts eines jeden, vor Hunger geschützt zu sein, werden die Vertragsstaaten einzeln und im Wege internationaler Zusammenarbeit die erforderlichen Maßnahmen, einschließlich besonderer Programme, durchführen. (Artikel 11) Rechtskommentar Nr. 12 (1999) Das Recht auf angemessene Ernährung ist erfüllt, wenn jeder Mann, jede Frau und jedes Kind [...] jederzeit physischen oder ökonomischen Zugang zu angemessener Nahrung oder zu Mitteln zu deren Beschaffung zu haben.
11 Das RaN erlegt Staaten spezifische Plichten auf. Sie müssen das Recht auf Nahrung respektieren, schützen und gewährleisten (sog. Pflichtentrias). Bezug Agrartreibstoffe und normative Gehalt des RaN: Zugang zu produktiven Ressourcen (Land, Wasser, Saatgut) Agrartreibstoffanbau verschärft Landkonflikte, Land Grabbing und den Verlust des Zugangs zu Land und Wasser besonders von margnialisierten Gruppen. Ökonomischer Zugang zu Nahrung Arme Menschen geben oft 80% ihres Geldes für Nahrung aus. Steigen die Preise auch nur gering, können sie sich nicht mehr ausreichend Nahrung kaufen und ihr RaN wird verletzt. Verfügbarkeit von Nahrung Agrartreibstoffe verdrängen Nahrungsmittelanbau und gefährten so die lokale Verfügbarkeit von Nahrungsmittel. Sie erhöhen die existrierende Importabhängigkeit der meisten armen Länder bei Grundnahrungsmitteln.
12 Die europäischen Staaten haben diese menschenrechtlichen Pflichten natürlich auch in ihrer Rolle als Mitglieder der Europäischen Union. Sie müssen sicher stellen, das die EU als Staatenbund diese Pflichten aller Mitgliedsländer nicht verletzt. Die Europäsiche Union ist zudem über den Vertrag über die Europäische Union ( Lissaboner Vertrag, Art.3, 21) gebunden, mit die Menschenrechte zu schützen und zu fördern: bei allen ihren Politikmaßnahmen bei ihrem auswärtigen Handeln mit konkreten Maßnahmen Renewable Energy Directive (2009, Punkt 74) Die in dieser Richtlinie vorgesehenen Anreize werden weltweit einen Produktionsanstieg bei Biokraftstoffen und flüssigen Biobrennstoffen begünstigen. was würde das genau beinhalten?
13 Konkrete menschenrechtliche Mindestanforderungen basierend auf den Maastrichter Prinzipien, MP Menschenrechtsstandards in Nachhaltigkeitskriterien (MP 1: General principles) Menschenrechtliche Risikoanalyse im Vorfeld v.a. in Bezug auf (MP 14: Impact assessment and prevention) Effekte auf Zugang zu Land für marginalisierte Gruppen (Landkonflikte, Vertreibungen...) Preiseffekte auf Grundnahrungsmittel - lokal bis international Effekte bzgl. Abhängigkeit von Nahrungsmittelimporten und Verwundbarkeit durch hohe Weltmarktabhängigkeit Das Warten auf die 'letzte wissenschaftliche Sicherheit' Bsp. Zusammenhang Agrartreibstoffe - Nahrungsmittelpreise Die MP klären dass 'reale Risiken' Grundlage für Handel oder Unterlassen sein müssen, nicht etwa die letzte wissenschaftliche Sicherheit (MP 13: Obligation to avoid causing harm).
14 Evaluierungsprozesse der RED transparent und unter Einbindung von MenschenrechtsexpertInnen (OHCHR/ De Schutter, DG Justice) Beschwerde- und Entschädigungsmöglichkeit für Betroffene (MP 37: Obligation to provide effective remedy) Regulierung europäischer Finanzinvestoren und Unternehmen im Agrartreibstoff-Sektor (MP 24: Obligation to regulate) Die EU und die Mitgliedsstaaten ignorieren bis heute ALLE dieser menschenrechtlichen Mindestanforderungen! Unsere (Mit-)Verantwortung für Verletzungen des Rechts auf Nahrung im Zuge des Agrartreibstoff-Booms ist substantiell.
15 III. Agrartreibstoffe im Kontext: Bioökonomie Umbau vom fossilen Zeitalter zur Bioökonomie Vision der Industrie und Politik: Fossile Rohstoffe sollen nach und nach durch Rohstoffe vom Acker ersetzt werden. The depletion of fossil resources, on which the European economy heavily depends, calls for a shift towards a new, post-petroleum society. ( Agrartreibstoffe sind die aktuell prominenteste Ausprägung - Biokunststoffe ( Bioplastiktüte ) eine weitere. BMELV 2013
16 Politik fördert Bioökonomie seit etwa 2009 sehr aktiv mit viel Geld o EU-Richtlinie: Innovating for Sustainable Growth: A Bioeconomy for Europe (2012) o Deutschland: Politikstrategie Bioökonomie (2013) Agrartreibstoff-Debatte muss von drei T (Trog, Tank, Teller) zu fünf T (plus Tablette und T-Shirt/Tüte) ausgebaut werden Umbau vom fossilen Zeitalter zur Bioökonomie: enorm Landintensiv woher nehmen wenn nicht stehlen?
17 Bioökonomie-Blick auf den Acker: Flex Crops Agrarresourcen als Flex Crops der Bioökonomie Je nach Marktsignal kann beispielsweise o Zuckerrohr in den Nahrungsmittel-, Ethanol- oder Bioplastik- Markt verkauft werden o Soja zu Tofu, Futtermittel, Speiseöl oder Biodiesel verarbeitet werden Fokus auf etwa 5 Flex Crops (auch dominante Pflanzen bei Land Grabbing!): Soja, Mais, Ölpalme, Zuckerrohr, Bäume (tree plantations) Landwirtschaft wird als Grundlage der Bioökonomie immer stärker mit anderen Wirtschaftszweigen verflochten. imaging dissent
18 Fazit 1 Wir erleben einen Transformationsprozess, in dem Land und die Landwirtschaft (und damit das Ernährungssystem insgesamt) rasant in das globale Wirtschafts- und Finanzsystemsystem eingegliedert werden. Der Agrartreibstoffboom ist ein prominente Ausprägung. Fazit 2 Diese Umstrukturierung der globalen Wirtschaft über die Landwirtschaft geschieht ohne die dortige Bevölkerung! Fazit 3 Grundsätzliche strukturelle Probleme lassen sich nicht auflösen auch nicht durch Zertifizierung (Flächenkonkurrenz, Industrialisierung der Landwirtschaft, Preiseffekte) Fazit 4 Land und Nahrung wird die Bedeutung als Grundlage des Lebens und sozialer/ gesellschaftlicher Beziehungen genommen dies äußert sich unter anderem in gewaltsamen Landnahmen.
19 Fazit 5 Aktiv werden! Auf die Straße gehen, sich vernetzen, Briefe an verantwortliche schreiben, weniger Auto fahren und vieles mehr. Petition an die brasilianische Regierung um die Landrechte der Indigenen (hier die Guarani- Kaiowa) gegen die aggressive Expansion der Zuckerrohr-Plantagen zu schützen: direkt unterschreiben, jetzt und hier.
20 Danke!
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