Behandlungsverzicht und Behandlungsabbruch: ethischer und rechtlicher Rahmen. PD Dr. med. Georg Bosshard MAE Oberarzt Klinische Ethik
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- Carin Krämer
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1 Behandlungsverzicht und Behandlungsabbruch: ethischer und rechtlicher Rahmen PD Dr. med. Georg Bosshard MAE Oberarzt Klinische Ethik
2 Übersicht - Einleitung - Begriffsdefinitionen im Bereiche Sterbehilfe - Empirische Daten zu Behandlungsverzicht und Behandlungsabbruch - Behandlungsverzicht / Behandlungsabbruch und informed consent - Behandlungsverzicht / Behandlungsabbruch in den SAMW-Richtlinien
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5 Konsequenzen der Hämmerli-Affäre: - Freispruch und vollständige Rehabilitierung von Prof. Hämmerli - Schweiz wird eines der ersten Länder Europas, in welchem die grundsätzliche Zulässigkeit von Behandlungsabbruch und Behandlungsverzicht standesrechtlich explizit festgehalten wird.
6 Definition Sterbehilfe Medizinische (ärztliche) Entscheidungen am Lebensende, welche in Kauf nehmen oder zum Ziel haben, möglicherweise oder sicher den Todeseintritt des Patienten zu beschleunigen
7 Passive Sterbehilfe Verzicht auf bzw. Abbruch von lebenserhaltenden Massnahmen
8 Indirekt aktive Sterbehilfe Einsatz von Mitteln zur Leidenslinderung, welche als Nebenwirkung die Überlebensdauer herabsetzen können
9 Suizidbeihilfe Bereitstellung oder Verschreibung eines tödlichen Medikamentes mit dem Ziel, dem Patienten die Selbsttötung zu ermöglichen
10 Aktive Sterbehilfe auf Verlangen bzw. ohne ausdrückliches Verlangen Gezielte Verabreichung eines tödlichen Medikamentes auf bzw. ohne ausdrückliches Verlangen des Patienten
11 Form der Sterbehilfe Strafrechtlicher Status Einordnung als Meldung an Passive Sterbehilfe Grundsätzlich erlaubt Natürlicher Todesfall Zivilbehörden Indirekte Sterbehilfe Grundsätzlich erlaubt Natürlicher Todesfall Zivilbehörden Suizidbeihilfe Erlaubt, wenn keine selbstsüchtigen Motive (Art. 115 StGB) nichtnatürlicher Todesfall Strafuntersuchungsbehörde Aktive Sterbehilfe Grundsätzlich verboten: Art. 111 StGB, Art. 114 StGB nichtnatürlicher Todesfall Strafuntersuchungsbehörde
12 Sterbehilfe ist in aller Regel dann nicht illegal, wenn sie entweder - durch Unterlassen als sogenannte passive Sterbehilfe, oder - ohne direkte Absicht, als sogenannte indirekte Sterbehilfe (- oder als Beihilfe zur Selbsttötung) erfolgt
13 Häufigkeit von Sterbehilfe insgesamt Prozent aller Todesfälle % 17% 51% unerwartete Todesfälle erwartet, Sterbehilfe nein erwartet, Sterbehilfe ja CH NL DK B S I Van der Heide A et al (2003) End-of-life decision-making in six European countries: descriptive study. Lancet 362:345-50
14 Häufigkeit der verschiedenen Formen von Sterbehilfe Prozent aller Todesfälle % 22% 1% CH NL DK B S I passive Sterbehilfe indirekt aktive Sterbehilfe Suizidbeihilfe und aktive Sterbehilfe
15 Häufigkeit von Suizidbeihilfe und aktiver Sterbehilfe Prozent aller Todesfälle % 0.3% 0.4% NL B CH DK S I Suizidbeihilfe aktive Sterbehilfe auf Verlangen aktive Sterbehilfe ohne ausdrückliches Verlangen
16 Fälle mit einer geschätzten Lebensverkürzung von über einem Monat Prozent aller Todesfälle durch % 7% 3% CH NL BE DK IT SE passive Sterbehilfe indirekt aktive Sterbehilfe Suizidbeihilfe und aktive Sterbehilfe
17 Formen der passiven Sterbehilfe nach Häufigkeit Verzicht auf / Abbruch von Gabe von Medikamenten 44% Künstl. Flüssigkeits- und Nahrungsersatz 22% Chemotherapie oder Radiotherapie 6% Intubation / Maschinelle Beatmung 6% Chirurgische Interventionen 6% Dialyse 3% Anderes 15% Bosshard G et al (2005) Forgoing treatment at the end of life in six European countries. Arch Int Med 165:
18 Lebensverkürzung bei versch. Formen von passiver Sterbehilfe 25% 20% 15% 10% 5% 0% Dialyse Beatmung Chirurgie Onkotherapie Hydr./Ernährg Medikation Allgemein
19 1. Urteilsfähiger Patient 2. Nicht urteilsfähiger Patient 2.1 Patientenverfügung 2.2 Patientenvertretung Mutmasslicher Wille 2.3 Hinweise von Angehörigen 2.4 Best interest
20 Zürcher Patientengesetz (in Kraft seit 1. Januar 2005) Abschnitt 2, Teil B Aufklärung und Information 20. Urteilsfähige Patientinnen und Patienten dürfen nur mit deren Einwilligung behandelt werden
21 Zürcher Patientengesetz Abschnitt 2, Teil C Behandlung und Betreuung Sterbender 31. Bei tödlich erkrankten, nicht urteilsfähigen Patienten können die Ärzte die kurative Behandlung einstellen, wenn a) das Grundleiden mit aussichtsloser Prognose einen irreversiblen Verlauf genommen hat und b) ein Hinausschieben des Todes für die Sterbenden eine nicht zumutbare Verlängerung des Leidens bedeutet und c) der Verzicht auf eine Weiterführung der Behandlung dem mutmasslichen Willen des Patienten entspricht.
22 31 Patientenrechtsgesetz (Fortsetzung) Die Bezugspersonen oder die gesetzliche Vertretung sind von den behandelnden Ärzten für ihren Entscheid mit einzubeziehen. Bei unmündigen oder entmündigten Patienten darf die Behandlung nicht gegen den Willen der gesetzlichen Vertretung eingeschränkt oder eingestellt werden. Eine vom Patienten früher verfasste Verfügung bezüglich lebensverlängernder Massnahmen ist zu beachten. Sie ist unbeachtlich, wenn sie gegen die Rechtsordnung verstösst oder Anhaltspunkte dafür bestehen, dass der Sterbende in der Zwischenzeit die Einstellung geändert hat.
23 informed consent bei verschiedenen Formen von passiver Sterbehilfe 100% 80% 60% 40% 20% 0% Dialyse Beatmung Chirurgie Onkotherapie Hydr./Ernährg Medikation Allgemein
24 Informed consent (Säulen hinten) und Lebensverkürzung (Säulen vorne) und bei versch. Formen von passiver Sterbehilfe 100% 80% 60% 40% 20% 0% Hydr./Ernährg Medikation Dialyse Beatmung Chirurgie Onkotherapie Allgemein
25 Für Lebensend-Entscheidungen relevante medizinisch-ethische Richtlinien der Schweizerische Akademie der Medizinischen Wissenschaften Betreuung von Patientinnen und Patienten am Lebensende (2005). Grenzfragen der Intensivmedizin (1999) Behandlung und Betreuung von zerebal schwerst geschädigten Langzeitpatienten (2003). Behandlung und Betreuuung von älteren, pflegebedürftigen Menschen (2004). Palliative Care. Medizinisch-ethische Richtlinien (2006). Reanimationsentscheidungen (in Vorbereitung)
26 Behandlungsverzicht und Behandlungsabbruch: Sondersituation 1 Nahrungs- und Flüssigkeitszufuhr bei Patient im Wachkoma / persistierenden vegetativen Status (PVS)?
27 Behandlungsverzicht und Behandlungsabbruch: Sondersituation 1 Nahrungs- und Flüssigkeitszufuhr bei Patient im Wachkoma / persistierenden vegetativen Status (PVS)? Ohne gegenteilige frühere Willensäusserung ist gemäss SAMW-Richtlinien ein klinisch stabiler Patient adäquat zu ernähren und mit Flüssigkeit zu versorgen. Beim Auftreten von Komplikationen (z.b. einer Lungenentzündung) ist der Verzicht auf lebensverlängernde Massnahmen gerechtfertigt, wenn dies dem mutmasslichen Willen des Patienten entspricht. (SAMW-Richtlinien Behandlung und Betreuung von zerebal schwerst geschädigten Langzeitpatienten).
28 Behandlungsverzicht und Behandlungsabbruch: Sondersituation 2 Ein dementer Patient verweigert zunehmend die Nahrungs-, ev. auch Flüssigkeitsaufnahme Zwangsernährung ja oder nein?
29 Behandlungsverzicht und Behandlungsabbruch: Sondersituation 2 Ein dementer Patient verweigert zunehmend die Nahrungs-, ev. auch Flüssigkeitsaufnahme Zwangsernährung ja oder nein? Gemäss SAMW-Richtlinien ist, nach zumutbarer Diagnostik zum Ausschluss einer behandelbaren Störung (Schluckstörung, gastrointestinale Pathologie), ein solches Verhalten als verbindliche Willensäusserung zu respektieren und auf das Legen einer PEG-Sonde zur Zwangsernährung zu verzichten. (SAMW-Richtlinien Behandlung und Betreuung von zerebal schwerst geschädigten Langzeitpatienten).
30 Behandlungsverzicht und Behandlungsabbruch: Sondersituation 3 Vorentscheid Reanimation ja-nein resp. Rea A, B oder C: Muss der Entscheid mit dem Patienten / mit dessen Angehörigen besprochen werde?
31 Behandlungsverzicht und Behandlungsabbruch: Sondersituation 3 Vorentscheid Reanimation ja-nein resp. Rea A, B oder C: Muss der Entscheid mit dem Patienten / mit dessen Angehörigen besprochen werde? Es ist umstritten, wieweit eine generelle Absprache des Rea nein -Entscheides mit dem Patienten und/oder den Angehörigen zu fordern ist. Entsprechende Richtlinien der SAMW sind in Vorbereitung. Ein Verzicht auf den informed consent könnte rechtlich insbesondere dann begründet werden, wenn die Wahrscheinlichkeit einer erfolgreichen Reanimation verschwindend klein erscheint (futile treatment).
32 Behandlungsverzicht und Behandlungsabbruch: Sondersituation 3 - interne Regelung des DIM ( Reanimationsmassnahmen Entscheidungsfindung Die Meinung der Patientinnen und Patienten sollte im Rahmen des Gesprächs über die Therapie taktvoll erfragt werden. Bei Patientinnen und Patienten mit fortgeschrittenen Krankheiten, bei denen mit dem Tod innerhalb von Wochen gerechnet wird oder die Überlebenschancen nach einer Reanimation sehr gering sind, ist eine Diskussion mit der Patientin/dem Patienten über die Einschränkung der Rea Massnahmen meistens nicht angebracht. Entscheidungen sind interdisziplinär zu besprechen. Entscheidungen sollen bei Änderung des klinischen Verlaufes revidiert werden.
33 Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!
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