Die Schweiz und die UNO-BRK
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- Juliane Stieber
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1 Die Schweiz und die UNO-BRK Nationale Konferenz i.s. UNO-BRK Vaduz, 26. September 2018
2 Übersicht Der Weg zum Beitritt Stand der Umsetzung und Herausforderungen Die nächste Etappe: Bericht Behindertenpolitik 2
3 Chronologie 2006: Die Motion Bruderer Wyss verlangt vom Bundesrat den Beitritt der Schweiz zur UNO-BRK 2007: In der Stellungnahme zur Mo erklärt sich der Bundesrat bereit, zu prüfen, ob die Voraussetzungen für Beitritt der Schweiz zur UNO-BRK erfüllt seien. 2008: Die Ergebnisse eines vom EDI in Auftrag gegebenen Gutachtens «Mögliche Konsequenzen einer Ratifizierung der UNO-BRK durch die Schweiz» liegen vor. 2012: Botschaft des Bundesrats zum Beitritt zur UNO-BRK 2013: Genehmigung durch das Parlament 2014: Beitritt der Schweiz zur UNO-BRK (nicht jedoch zum Fakultativprotokoll) 2016: Einreichung des Initial-Staatenberichts der Schweiz zur UNO-BRK; die Behandlung durch den Ausschuss steht noch aus. 3
4 Annäherung an die UNO-BRK Die Schweiz ist zunächst skeptisch gegenüber der Erarbeitung eines Übereinkommens über die Rechte von Menschen mit Behinderungen. Die allgemeinen Menschenrechtsübereinkommen werden als ausreichend erachtet. Die Schweiz spielt bei der Erarbeitung des Übereinkommens keinen aktive Rolle. Nach der Verabschiedung der UNO-BRK verweist der Bundesrat auf die Praxis bei der Ratifizierung internationaler Übereinkommen; eine Ratifizierung erfolgt nur, wenn die Auswirkungen auf die schweizerische Rechtsordnung klar sind. 4
5 Vereinbarkeit UNO-BRK CH-Recht Ein Gutachten der Universität Bern stellt eine weitgehende Übereinstimmung der UNO-BRK und der schweizerischen Rechtsordnung fest. Die schweizerische Rechtsordnung ist jedoch in etlichen Bereichen wesentlich weniger konkret als die UNO-BRK Das Gutachten verweist auch auf mögliche Konflikte: Justiziabilität von wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechten. Inklusion als Herausforderung in der schweizerischen Bildungsverfassung. Schutz vor Diskriminierung, insbesondere vor und während der Begründung eines Arbeitsverhältnisses. Schwacher institutioneller Rahmen zur innerstaatlichen Durchführung und Überwachung der UNO-BRK. 5
6 Beitritt zur UNO-BRK Die Vernehmlassung zum Beitritt zur UNO-BRK ergibt eine klare Mehrheit für den Beitritt, wenn auch aus unterschiedlichen Gründen: Impulse für das schweizerische Recht / Anforderungen bereits erfüllt. Insbesondere sprechen sich auch die Kantone für den Beitritt aus. Als heikel werden vor allem die Artikel 24 (Bildung) und 27 (Arbeit) erachtet. Der Bundesrat erachtet in seiner Botschaft den Beitritt zur UNO-BRK als konsequenten nächsten Schritt in der Weiterentwicklung des schweizerischen Behindertengleichstellungsrechts. Die Schweiz erfülle bereits wesentliche Voraussetzungen. Ein Beitritt trage zu einem kohärenten Rahmen für das fragmentierte nationale Behindertengleichstellungsrecht bei. 6
7 Genereller Stand der Umsetzung Die Botschaft des BR und der Initialstaatenbericht von 2016 geben den Stand der Umsetzung der UNO-BRK in der Schweiz wieder. Generell lässt sich festhalten, dass der gesetzliche Rahmen für die Umsetzung der UNO-BRK vorhanden ist. In den Jahren vor dem Beitritt sind wesentliche Verbesserungen erreicht worden: Behindertengleichstellungsgesetz; neue Ausrichtung des Invalidenversicherungsgesetzes; neues Erwachsenenschutzrecht. Das relevante Recht ist jedoch fragmentiert: Zuständigkeit von Bund und Kantonen; sektorielle Regelungen). Die Realisierung der Rechte von Menschen mit Behinderungen wird nur teilweise als Querschnittsaufgabe wahrgenommen. 7
8 Zugang zu Bauten und Anlagen Das Behindertengleichstellungsgesetz (BehiG) von 2004 sieht einen nationalen Mindeststandard für die Zugänglichkeit von Bauten und Anlagen vor. Es sieht eine schrittweise Beseitigung von baulichen Hindernissen unter Beachtung der Verhältnismässigkeit vor (Neubauten und bewilligungspflichtige Erneuerungen, keine bestehenden Bauten und Anlagen). Eine Evaluation des BehiG weist auf die positive Wirkung des Gesetzes in diesem Bereich hin. Gewisser Handlungsbedarf besteht bei der Durchsetzung und dem Informationsstande von privaten Akteuren und vor allem kommunalen Baubewilligungsbehörden. 8
9 Öffentlicher Verkehr Das BehiG sieht die Beseitigung von Benachteiligungen bei der Inanspruchnahme des öffentlichen Verkehrs vor und setzt dafür einen Zeitrahmen (Ende 2013: Kommunikationssysteme und Billettausgabe; Ende 2023: öffentliche Transportmittel und Infrastruktur. Die meisten BehiG-relevanten Massnahmen im öffentlichen Verkehr werden zusammen mit anderen Umbauten (Substanzerhaltung, Sicherheit, Netzausbau) koordiniert und über die ordentliche Bahninfrastrukturmassfinanzierung abgewickelt (zwischen 2004 und 2023 rund 2,5 3 Mrd. CHF). Die BehiG-Evaluation stellt im öv die grössten Verbesserungen fest. Herausforderungen sind die Steuerung und das Controlling der BehiG-Vorgaben bei den Bahnhöfen und insbesondere die Umsetzung der Vorgaben bei den Bushaltestellen. 9
10 Dienstleistungen und Kommunikation Das BehiG sieht die Beseitigung von Benachteiligungen bei der Inanspruchnahme von Dienstleistungen der Gemeinwesen und öffentlich konzessionierter Unternehmen vor. Erfasst sind insbesondere auch IKT-Dienstleistungen. Private haben eine weniger weit gehende Verpflichtung (Diskriminierungsverbot, jedoch keine Verpflichtung zur Anpassung von Leistungen). Die Förderung der Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen ist insbesondere auch in der Radio- und Fernsehgesetzgebung vorgesehen. Die Evaluation des BehiG sieht insbesondere Fortschritte bei der E-Accessibility. Darüber hinaus fehlt es jedoch an Kenntnissen und der Sensibilisierung für die Barrierefreiheit von Dienstleistungen. Es gilt, den Herausforderungen der Digitalisierung und der Informationsvermittlung in zugänglichen Formaten (Leichte Sprache, Gebärdensprache) vermehrt Rechnung zu tragen. 10
11 Bildung Die Bildungsverfassung und die Gesetzgebung bieten eine umfassende Grundlage für ein integratives Bildungssystem. Das BehiG verankert den Vorrang einer integrativen vor einer separativen Schulung. Eine grosse Herausforderung stellt weiterhin die angemessene Berücksichtigung (und Finanzierung) der spezifischen Bedürfnisse von Menschen mit Behinderungen innerhalb der einzelnen Stufen des Bildungssystems dar. Eine weitere Herausforderung ist die Abstimmung an den Schnittstellen und am Übergang zur Berufstätigkeit. 11
12 Arbeit und Beschäftigung Die berufliche Integration von Menschen mit Behinderungen erfolgt in der Schweiz durch Massnahmen der Invalidenversicherung IV und durch Gleichstellungsmassnahmen. Die Massnahmen der IV zur Förderung der beruflichen (Re-)Integration wurden in den vergangenen Jahren erheblich verstärkt. Das BehiG sieht nur für den Bund als Arbeitgeber spezifischen Bestimmungen vor. Ansonsten gilt der arbeitsrechtliche Persönlichkeitsschutz. Die grösste Herausforderung liegt in der konsequenten Zusammenarbeit aller beteiligten Akteure sowie in der Stärkung des Gleichstellungsansatzes zur Förderung der beruflichen Integration. 12
13 Gesundheit Das schweizerische Gesundheitssystem gewährleistet die Verfügbarkeit und die Erschwinglichkeit von Gesundheitsleistungen im Allgemeinen und die Verfügbarkeit von spezifischen Gesundheitsleistungen für Menschen mit Behinderungen. Dennoch können verschiedenen Hürden (kommunikativ, physisch, etc.) Menschen mit Behinderungen den Zugang zum Gesundheitswesen oder ihren Weg zu Gesundheitsversorgung erschweren. 13
14 Selbstbestimmtes Leben Förderung eines selbstbestimmten Lebens durch: Invalidenversicherung: Finanzielle Leistungen, Hilflosenentschädigung und Hilfsmittel, Assistenzbeitrag. Institutionen zur Förderung der Eingliederung: Bedürfnisgerechtes Angebot an Institutionen, vermehrte Berücksichtigung des individuellen Bedarfs. Kindes- und Erwachsenenschutz: Verschiedene Formen der Beistandschaft, welche es erlauben, der individuellen Situation der betroffenen Person Rechnung zu tragen. Herausforderungen: Erweiterung der Wahlmöglichkeiten; konsequente Ausrichtung auf den individuellen Bedarf und Wechsel von der Objekt- zur Subjektfinanzierung; von der stellvertretenden zur unterstützten Entscheidungsfindung. 14
15 Politische Partizipation Politische Rechte für alle Schweizerinnen und Schweizer, welche das 18. Altersjahr zurückgelegt haben und nicht wegen Geisteskrankheit oder Geistesschwäche entmündigt sind = Ausschluss von Personen, die umfassende verbeiständet sind. Zugänglichkeit der Verfahren: Urne, brieflich und elektronisch weitgehend gewährleistet. Herausforderungen: Ausschluss vom Stimmrecht für umfassend verbeiständete Personen; Zugänglichkeit von amtlichen Informationen. 15
16 Zwischenfazit Der gesetzliche Rahmen für die Umsetzung der UNO-BRK ist grundsätzlich gegeben. Eine Herausforderung bleibt die Konkretisierung und die Umsetzung der Rechte von Menschen mit Behinderungen. Die bedingt einen eigentlichen Paradigmenwechsel und die konsequente Umsetzung der Rechte von Menschen mit Behinderungen als Querschnittsaufgabe über die föderalen Niveaus und sämtliche Politikbereiche hinweg. Zentrale Herausforderung: Etablierung eines gemeinsamen Verständnisses und eines gemeinsamen Diskurses 16
17 Bericht zur Behindertenpolitik Bericht des Bundesrats zur Behindertenpolitik vom 9. Mai 2018: Ausrichtung der Behindertenpolitik auf die volle, autonome und gleichberechtigte Teilhabe von Menschen mit Behinderungen am politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Leben. Enge Zusammenarbeit der verschiedenen Akteure. Setzen von Impulsen in prioritären Handlungsfeldern. Sichtbarmachen der Umsetzung. 17
18 Handlungsfelder der Behindertenpolitik Handlungsfeld 1: «Rahmen schaffen» Koordination auf Bundesebene verbessern Zusammenarbeit von Bund und Kantonen in der Behindertenpolitik Einbezug von Menschen mit Behinderungen und ihren Organisationen Handlungsfeld 2: «Impulse setzen» Programm «Gleichstellung und Arbeit» Themenschwerpunkt der Behindertenpolitik von Bund und Kantonen: «Selbstbestimmtes Leben» Barrierefreiheit und Digitalisierung Handlungsfeld 3: «Umsetzung sichtbar machen» Bestandesaufnahme der Behindertenpolitik Punktuelle Vertiefung anhand eines Monitorings 18
19 Handlungsfeld 1: Rahmen schaffen Koordination auf Bundesebene verbessern Zusammenarbeit von Bund und Kantonen Einbezug von Menschen mit Behinderungen und ihren Organisationen 19
20 Handlungsfeld 2: Impulse setzen Programm «Gleichstellung und Arbeit» Mehrjahresprogramm «Selbstbestimmtes Leben» Barrierefreiheit und Digitalisierung 20
21 Handlungsfeld 3: Sichtbar machen Bestandesaufnahme der Behindertenpolitik Punktuelle Vertiefung anhand eines Monitorings 21
22 Einordnung Massnahmen als Grundlage für proaktive, umfassende und kohärente Behindertenpolitik. Weiterer Schritt zur Umsetzung der Rechte von Menschen mit Behinderungen. Engagement verschiedener Akteure erforderlich. Gleichstellung nützt allen Beteiligten. 22
23 Fazit Die UNO-BRK gibt der schweizerischen Behindertenpolitik einen (notwendigen) Rahmen und wichtige Impulse. Handlungsbedarf besteht in der Schweiz vor allem auf institutioneller/struktureller Ebene und in der Konkretisierung und konsequenten Umsetzung des bestehenden rechtlichen Rahmens. Die Innerstaatliche Durchführung der UNO-BRK erfolgt schrittweise; die nächste Etappe zeichnet der Bericht des Bundesrats zur Behindertenpolitik vor. 23
24 Besten Dank für Ihre Aufmerksamkeit! Eidgenössisches Büro für die Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen EBGB CH-3003 Bern 24
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