1.4 Zufallsvariablen und ihre Verteilung
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- Luisa Langenberg
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1 1.4.1 Diskrete Zufallsvariablen Ein Zufallsexperiment wird beschrieben durch einen Grundraum Ω und eine Wahrscheinlichkeit P auf Ω. Häufig interessieren nicht die Ergebnisse an sich, sondern bestimmte abgeleitete Eigenschaften/Konsequenzen. 1 Wahrscheinlichkeitsrechnung 94
2 Bsp [Würfelwurf mit fairem Würfel] 1 Wahrscheinlichkeitsrechnung 95
3 Definition Gegeben seien ein diskreter, d.h. höchstens abzählbarer, Ergebnisraum Ω und die Wahrscheinlichkeit P auf Ω. Jede Abbildung X :Ω Ω X ω X(ω) heißt Zufallselement. Setzt man für jede Realisation x Ω X P X ({x}) :=P ({X = x}) :=P ({ω X(ω) =x}) so erhält man eine Wahrscheinlichkeit auf Ω X. (Oft wird auch P (X = x) statt P ({X = x}) geschrieben.) 1 Wahrscheinlichkeitsrechnung 96
4 Bem P X heißt Wahrscheinlichkeitsverteilung von X. X (als Variable) beschreibt den Ausgang eines Zufallsexperiments vor der Durchführung (Auszahlungsregel beim Würfelspiel: wenn 3 dann 10 Euro, wenn...,dann... ). x (als Realisation) gibt den Wert der Variablen nach Durchführung des Zufallsexperiments an (daher Realisation, konkreter Auszahlungsbetrag). Weiteres Beispiel: X Größe der nächsten eintretenden Person (als Messvorschrift) x Wert, z.b. 167 cm In der Verwendung analog zur Unterscheidung Merkmal / Merkmalsausprägung in Statistik I. Es ist häufig üblich, bei P X den Index wegzulassen, also P ({x}) statt P X ({x}) zu schreiben. 1 Wahrscheinlichkeitsrechnung 97
5 Ist Ω X = R, so bezeichnet man das Zufallselement X als Zufallsvariable. In der Literatur wird der Begriff Zufallselemente relativ selten verwendet, gerade aber in den Sozialwissenschaften sind oft nicht reelle Zahlen im Sinne einer metrischen Skala gegeben: Zufallselemente entsprechen nominal skalierten Merkmalen. 1 Wahrscheinlichkeitsrechnung 98
6 Definition Gegeben sei eine diskrete Zufallsvariable X mit der Wahrscheinlichkeitsverteilung P. Die Menge X := {x R P ({x}) > 0} heißt Träger von X. Definition Die Wahrscheinlichkeitsfunktion f(x) einer diskreten Zufallsvariable X ist für x R definiert durch f(x) = { P (X = xi )=p i, x = x i {x 1,x 2,...,x k,...} 0, sonst. 1 Wahrscheinlichkeitsrechnung 99
7 Bsp [Benfords Gesetz] Simon Newcomb ( ) und später Frank Benford ( ) machten die verblüffende Entdeckung, dass die Anfangsziffern 1 9 von ganzen Zahlen in vielen Fällen nicht gleich häufig vorkommen. Am häufigsten ist die Anfangsziffer 1, am zweithäufigsten die Anfangsziffer 2 usw. Beispiele sind die Häufigkeit der Anfangsziffern von Zahlen in Zeitungsartikeln die Häufigkeit der Anfangsziffern von Steuerdokumenten die Häufigkeit der ersten Ziffer der Dateigröße von gespeicherten Dateien. 1 Wahrscheinlichkeitsrechnung 100
8 f(x) Wahrscheinlichkeitsrechnung 101
9 Benford publizierte für die Zufallsvariable X = Anfangsziffer von Zahlen die Wahrscheinlichkeitsfunktion f(x) =P (X = x) = ( ) x +1 log 10, x x =1,...,9 0, sonst Benfords Gesetz findet zum Beispiel Anwendung bei der Fahndung nach Steuerbetrügern, bei der Überprüfung von Wahlergebnissen oder bei der Optimierung von Computerfestplatten. 1 Wahrscheinlichkeitsrechnung 102
10 Bsp [Zum Rechenen mit Zufallsvariablen] Sei X die Zufallsvariable Anzahl der Haushaltsmitglieder mit der Verteilung P({X=1})=0.4 P({X=2})=0.3 P({X=3})=0.2 P({X=4})=0.1 (Annahme: Nur bis zu 4-Personen-Haushalte). Man berechne die Wahrscheinlichkeit, bei reiner Zufallsauswahl vom Umfang 1 einen Mehrpersonenhaushalt zu erhalten und die Wahrscheinlichkeit des Ereignisses Die Zahl der Haushaltsmitglieder ist gerade. P ({X >1}) = P (X =2)+P (X =3)+P (X =4) = = Wahrscheinlichkeitsrechnung 103
11 alternativ: P ({X >1}) = 1 P (X 1) = 1 P (X =1) = 0.6 P ({X =2} {X =4}) disjunkt = P (X =2)+P (X =4) = = Wahrscheinlichkeitsrechnung 104
12 Bsp [Wahlbeispiel] Gegeben sei eine Grundgesamtheit Ω (z.b. alle Wähler). Wir betrachten eine reine Zufallsauswahl mit Ergebnisraum Ω= Ω Ω... Ω mit Ergebnissen ω =(ω 1,ω 2,...,ω n ), wobei ω i dem beim i-ten Zug gezogenen Wähler entspricht. Dann bezeichnet das Merkmal X : Ω {SPD, CDU/CSU,... } die individuelle Wahlentscheidung jedes Wählers ω Ω, X( ω) von ω gewählte Partei. Betrachtet werden die Ereignisse A ij = i-te gezogene Person hat Merkmalsausprägung a j. Diese sind nun durch Zufallselemente beschreibbar: 1 Wahrscheinlichkeitsrechnung 105
13 Sei X i die Auswertung des Merkmals X an der i-ten zufällig ausgewählten Person, d.h. an ω i,soistx i ein Zufallselement X i : Ω Ω X = {a 1,...,a k } ω X(ω i ) Das Ereignis A ij lässt sich dann schreiben als {X i = a j }. Es gilt also für jedes i und j P Xi ({a j })=P ({X i = a j })=P (A ij )=f j Die Wahrscheinlichkeitsverteilung des Zufallselements X i (Stichprobe!) spiegelt also genau die Häufigkeitsverteilung des Merkmals X (Grundgesamtheit!) wider. 1 Wahrscheinlichkeitsrechnung 106
14 Fasst man man die einzelnen X i zusammen, so bezeichnet man den Vektor (X 1,X 2,...,X n ) als i.i.d. Stichprobe oder reine Zufallsstichprobe des Merkmals X. Die Abkürzung i.i.d. steht für independently (die einzelnen Ziehungen sind stochastisch unabhängig) identically distributed (jedes X i besitzt dieselbe Wahrscheinlichkeitsverteilung) Nach dem Durchführen des Zufallsexperiments und der Auswertung von X erhält man die Realisationen x 1 := X 1 (ω 1 ),x 2 := X 2 (ω 2 ),...,x n := X n (ω n ), also einen Vektor (x 1,x 2,...,x n ), der formal korrekt als Realisation oder Stichprobenrealisation der i.i.d. Stichprobe (X 1,X 2,...,X n ) bezeichnet werden würde, allgemein üblich aber einfach auch als Stichprobe bezeichnet wird. Man nimmt diese Stichprobe als Realisation der Stichprobe X 1,...,X n und versucht jetzt auf die Grundgesamtheit, genauer auf die f 1,...,f n, zu schließen. 1 Wahrscheinlichkeitsrechnung 107
15 Koppelt man die einzelnen Zufallsexperimente, so kann man die sogenannte gemeinsame Verteilung der X 1,X 2,...,X n berechnen. P ({X 1 = x 1 } {X 2 = x 2 }... {X n = x n }) = P ({X 1 = x 1 }) P ({X 2 = x 2 })... P ({X n = x n }) und damit für jede potentielle Stichprobe(nrealisation) die Wahrscheinlichkeit, genau sie zu erhalten. 1 Wahrscheinlichkeitsrechnung 108
16 1.4.2 Verteilungsfunktion Viele interessierende Ereignisse besitzen folgende Form: {X a} oder {Xɛ[a, b]} = {a X b}, wobei a und b feste reelle Zahlen sind. P ({X a}) für variables a entspricht der empirischen Verteilungsfunktion. In der Tat definiert man: 1 Wahrscheinlichkeitsrechnung 109
17 Definition Sei X eine diskrete Zufallsvariable. Die Funktion F : R [0; 1] x F (x) F (x) :=P (X x) 1 Wahrscheinlichkeitsrechnung 110
18 Satz Die Wahrscheinlichkeitsverteilung einer (diskreten) Zufallsvariablen X kann man durch die Verteilungsfunktion eineindeutig erklären. Die Wahrscheinlichkeit anderer Ereignisse ergibt sich aus dem dritten Kolmogorovschen Axiom. Es gilt zum Beispiel P (a <X b) =F (b) F (a). Die Ereignisse {X a} = {ω X(ω) a}, {a <X b} und {X >b} sind disjunkt und ergeben in ihrer Vereinigung Ω. Also gilt 1 = P (Ω) = P (X a)+p (a <X b)+p (X >b) 1 P (X a) P (X >b)=p (a <X b) P (X b) P (X a) =P (a <X b) 1 Wahrscheinlichkeitsrechnung 111
19 Bsp [Fortsetzung von Bsp. 1.36] Berechne die Verteilungsfunktion und zeichne sie. Allgemein gilt: F (x) ist eine stückweise konstante Treppenfunktion und P (X = x) ist genau die Sprunghöhe der Verteilungsfunktion im Punkt x. Bsp [Fortsetzung von Bsp. 1.36] 1 Wahrscheinlichkeitsrechnung 112
20 1.4.3 Stetige Zufallsvariablen Im Folgenden nur die Grundidee, keine mathematisch saubere Herleitung. Eine stetige Zufallsvariable X : Ω Ω X = R besitzt überabzählbaren Ergebnisraum Ω X, d.h. jeder Wert innerhalb eines Intervalls [a, b] ist ein mögliches Ergebnis. Vorstellung: Auswertung eines stetigen Merkmals X an zufällig ausgewählter Person aus einer Grundgesamtheit. Problem: Den einzelnen Ereignissen kann keine positive Wahrscheinlichkeit mehr zugeordnet werden. 1 Wahrscheinlichkeitsrechnung 113
21 Idee: Versuche eine stetige Gleichverteilung auf dem Intervall [0, 1] zu konstruieren. Dazu geben wir uns ein diskretes, gleichabständiges Gitter bestehend aus n Werten aus [0, 1] vor, also die Werte { X = 0, 1 n, 2 n,...,n 1 } n, 1. Die diskrete Gleichverteilung auf diesem Gitter ergibt die Wahrscheinlichkeitsfunktion P (X = x) = 1 n +1, x X. Wahrscheinlichkeit für jeden einzelnen Wert geht gegen Null für n. Tatsächlich gilt für jede stetige Zufallsvariable P X ({x}) =0 für jedes x R. Andererseits bleibt die Wahrscheinlichkeit P (X 0.5) = Wahrscheinlichkeitsrechnung 114
22 im Wesentlichen konstant, unabhängig vom Feinheitsgrad des Gitters. Allgemeiner gilt hier (im Grenzfall) sogar P (X x) =x, für alle x [0, 1] Verteilungsfunktion betrachten. Im Gegensatz zu diskreten Zufallsvariablen ist die Verteilungsfunktion jetzt allerdings stetig. Die Wahrscheinlichkeitsverteilung einer stetigen Zufallsvariablen ist durch die Verteilungsfunktion F (x) =P (X x) eindeutig festgelegt. 1 Wahrscheinlichkeitsrechnung 115
23 Allgemeiner als zuvor gilt hier P (a <X b) = P (a X b) = P (a <X<b)=F (b) F (a) da P (X = A) =P (X = b) =0. Bem Stetige Zufallsvariablen sind in der Wahrscheinlichkeitsrechnung sehr wichtig. Später wird fast ausschließlich mit stetigen Zufallsvariablen gerechnet. Insbesondere ergeben sich Approximationsmöglichkeiten für diskrete durch stetige Zufallsvariablen bei größeren Stichprobenumfängen. Damit lassen sich zahlreiche Berechnungen vereinfachen (auch wenn die stetige Formulierung zunächst komplizierter wirkt). 1 Wahrscheinlichkeitsrechnung 116
24 Typische Verteilungsfunktion: (z.b. zur Beschreibung der Dauer von Arbeitslosigkeit) 1 F (x) =1 exp[( λx)] Die Kurve ist unterschiedlich steil. Sie hat zwar in keinem Punkt eine Sprungstelle (P (X = x) =0), aber in jedem kleinen Intervall um x ist: P (x h<x<x+ h) =F (x + h) F (x h) durchaus unterschiedlich. 1 Wahrscheinlichkeitsrechnung 117
25 Die Steigung F (x + h) F (x h) lim h 0 h enthält also wesentliche Information über P. Dies führt zu folgender Definition: Definition Gegeben sei eine stetige Zufallsvariable X mit differenzierbarer Verteilungsfunktion F X (x). Dann heißt die Ableitung von F (x) nach x, also f(x) = df (x) dx Dichte der Zufallsvariablen X. 1 Wahrscheinlichkeitsrechnung 118
26 Umgekehrt erhält man aus der Dichte die Verteilungsfunktion durch Integration: Satz In der Situation der obigen Definition gilt F (x) = x f(u) du und damit für beliebige reelle Zahlen a und b mit a<b P (a X b) = P (a <X b) =P (a <X<b) = P (a X<b) b = f(x) dx. a 1 Wahrscheinlichkeitsrechnung 119
27 Jede Funktion f auf R mit f(x) 0 für alle x und kann als Dichte verwendet werden. f(x) dx =1 Alternative Definition stetiger Zufallsvariblen: Eine Zufallsvariable X heißt stetig, wenn es eine Funktion f(x) 0 gibt, so dass fü jedes Intervall [a, b] P (a X b) = b a f(x)dx = Fläche zwischen a und b unter der Funktion gilt. 1 Wahrscheinlichkeitsrechnung 120
28 Bsp Gegeben sei eine Zufallsvariable X mit Verteilungsfunktion F (x) = 0 x< x x [0, 40] 1 x>40 Bestimmen Sie die Dichte f(x) von X, skizzieren Sie f(x) und interpretieren Sie f(x) anschaulich! Skizze zu F (x): Wahrscheinlichkeitsrechnung 121
29 Bei der Modellbildung geht man auch häufig umgekehrt vor: Gegeben ist eine Dichte, die die Verteilungsfunktion eindeutig bestimmt. Man erhält die Verteilungsfunktion durch F (x) =P (X x) = x f(u)du und das Wahrscheinlichkeitsmaß P über P (a <X b) = b a f(x)dx. 1 Wahrscheinlichkeitsrechnung 122
30 Bsp Gegeben sei die Funktion f c (x) = { c x x [0, 1] 0 sonst, a) Wie ist c zu wählen, dass f c eine Dichte ist? b) Berechnen Sie die Verteilungsfunktion und P (X [ 1 4, 3 4 ])! 1 Wahrscheinlichkeitsrechnung 123
31 1.4.4 Lebensdauern; Hazardrate und Survivorfunktion Moderner Zweig vieler empirischer Untersuchungen: Lebensdaueranalyse bzw. allgemeiner Ereignisanalyse. Im Folgenden nur eine kurze Einführung, weiterführende Texte sind Rohwer und Pötter (2001): Grundzüge der sozialwissenschaftlichen Statistik, Teil III. Juventa, Soziologische Grundlagentexte. Blossfeld, Hamerle, Mayer (1986): Ereignisanalyse: Statistische Theorie und Anwendungen in den Wirtschafts- und Sozialwissenschaften. Campus. Diekmann und Mitter (1984): Methoden zur Analyse von Zeitverläufen. Teubner. Blossfeld und Rohwer (1995): Techniques of Event History Modelling. Erlbaur. 1 Wahrscheinlichkeitsrechnung 124
32 Betrachtet wird die Zufallsgröße Zeit bis zu einem Ereignis, z.b. Tod, Rückkehr aus Arbeitslosigkeit, Konkurs. Um den zeitlichen Aspekt (time) zu betonen, wird die interessierende Zufallsvariable häufig mit T statt mit X bezeichnet. Bedingt durch die spezielle Anwendung, werden in der Lebensdaueranalyse häufig nicht die Dichte oder die Verteilungsfunktion betrachtet, sondern alternative Charakterisierungen einer Wahrscheinlichkeitsverteilung. 1 Wahrscheinlichkeitsrechnung 125
33 Satz Die Verteilung einer nicht negativen, stetigen Zufallsvariable X wird eineindeutig durch die Überlebensfunktion (Survivorfunktion) S(x) :=P (X x) =1 F (x) und durch die Hazardrate beschrieben. λ(x) := lim h 0 P (x X x + h X x) h 1 Wahrscheinlichkeitsrechnung 126
34 Zur Interpretation der Hazardrate: Beachte: λ( ) ist keine Wahrscheinlichkeit, kann Werte zwischen 0 und unendlich annehmen. Sehr anschauliches Instrument zur Beschreibung von Lebensdauerverteilungen. Es gelten folgende Zusammenhänge S(x) = exp( x λ(u)du) F (x) = 1 exp( 0 x λ(u)du) f(x) = λ(x) S(x) 0 1 Wahrscheinlichkeitsrechnung 127
35 0.08 Dichtefunktionen im Weibull-Modell t 1 Wahrscheinlichkeitsrechnung 128
36 1 Funktionen im Weibull-Modell // Ma stab auf Ordinate nicht einheitlich t 1 Wahrscheinlichkeitsrechnung 129
37 Hazardraten im Weibull-Modell t 1 Wahrscheinlichkeitsrechnung 130
38 1 Survivorfunktionen im Weibull-Modell t 1 Wahrscheinlichkeitsrechnung 131
39 Verteilungsfunktionen im Weibull-Modell t 1 Wahrscheinlichkeitsrechnung 132
40 1.4.5 Unabhängigkeit von Zufallsvariablen Definition Zwei Zufallsvariablen X und Y mit den Verteilungsfunktionen F X und F Y heißen stochastisch unabhängig, falls für alle x und y gilt P ({X x} {Y y}) =P ({X x}) P ({Y y}) =F X (x) F Y (y), andernfalls heißen sie stochastisch abhängig. 1 Wahrscheinlichkeitsrechnung 133
41 Bem Entspricht der Definition der Unabhängigkeit für die Ereignisse {X x} und {Y y} (wird hier allerdings für alle möglichen Werte von x und y gefordert!). Für diskrete Zufallsvariablen kann man alternativ fordern, dass P (X = x, Y = y) =P (X = x) P (Y = y) für alle x und y gilt. 1 Wahrscheinlichkeitsrechnung 134
42 1.5 Erwartungswert und Varianz 1.5 Erwartungswert und Varianz Ziel: Charakterisiere Verteilungen von Zufallsvariablen durch Kenngrößen (in Analogie zu Lage- und Streuungsmaßen der deskriptiven Statistik). Insbesondere: a) durchschnittlicher Wert Erwartungswert, z.b. mittleres Einkommen, durchschnittliche Körpergröße, fairer Preis eines Spiels. b) Streuung (Dispersion), z.b. wie stark schwankt das Einkommen, die Körpergröße etc. 1 Wahrscheinlichkeitsrechnung 135
43 1.5.1 Diskrete Zufallsvariablen 1.5 Erwartungswert und Varianz Definition Gegeben sei eine diskrete Zufallsvariable X mit Träger X. Dann heißt E X := E(X) := x X x P (X = x) Erwartungswert von X, Var X := Var(X) :=V(X) := E((X E(X)) 2 ) = x X(x E(X)) 2 P (X = x) Varianz von X und Standardabweichung von X. σ X := Var(X) 1 Wahrscheinlichkeitsrechnung 136
44 Anmerkungen: 1.5 Erwartungswert und Varianz Die Varianz gibt die mittlere quadratische Abweichung vom Erwartungswert an. Durch das Quadrieren werden Abweichungen nach unten (negative Werte) auch positiv gezählt. Damit Erwartungswert und Varianz sinnvoll interpretiert werden können, muss eine metrische Skala zugrundeliegen. Dies sei im Folgenden bei der Verwendung des Begriffs Zufallsvariable (im Unterschied zu Zufallselement) stets implizit unterstellt. Allgemein bezeichnet man E(X k ) als k-tes Moment. Zur Berechnung der Varianz ist der sogenannte Verschiebungssatz sehr praktisch: Var(X) =E(X 2 ) (E X) 2 1 Wahrscheinlichkeitsrechnung 137
45 Bsp Erwartungswert und Varianz Sei X eine Zufallsvariable mit der Wahrscheinlichkeitsverteilung P ({X =1}) = 0.4 P ({X =2}) = 0.3 Berechne Erwartungswert P ({X =3}) = 0.2 und Varianz von X! P ({X =4}) = Wahrscheinlichkeitsrechnung 138
46 Bemerkungen zur Interpretation: 1.5 Erwartungswert und Varianz Man kann zeigen ( Gesetz der großen Zahl, Kap. 1.7): E(X) ist der durchschnittswertliche Wert, wenn das durch X beschriebene Zufallsexperiment unendlich oft unabhängig wiederholt wird (Häufigkeitsinterpretation). Eine andere Interpretation, die auch mit dem subjektivistischen Wahrscheinlichkeitsbegriff verträglich ist, versteht E(X) als erwarteter Gewinn - und damit al fairen Einsatz - eines Spieles mit zufälliger Auszahlung X ( Erwartungswert ). Man kann auch wieder einen direkten Bezug zu den Momenten einer Grundgesamtheit herstellen. Grundgesamtheit Ω, Merkmal X, Xi Auswertung von X an der i-ten durch reine Zufallsauswahl gewonnenen Einheit ω i. Sei x 1, x 2,..., x N die Urliste von X ; μ := x das arithmetische Mittel und σ 2 := s 2 x die empirische Varianz, dann gilt für jedes i: 1 Wahrscheinlichkeitsrechnung 139
47 1.5.2 Stetige Zufallsvariablen 1.5 Erwartungswert und Varianz Bei stetigen Zufallsvariablen gilt P ({X = x}) =0, deshalb Definition über die Dichte: 1 Wahrscheinlichkeitsrechnung 140
48 Definition Erwartungswert und Varianz Sei X eine stetige Zufallsvariable mit Dichte f(x). Dann heißt E X := E(X) := x f(x) dx Erwartungswert von X, Var X := Var(X) :=V(X) := E((X E(X)) 2 = (x E(X)) 2 f(x) dx Varianz von X und Standardabweichung von X. σ X := Var(X) 1 Wahrscheinlichkeitsrechnung 141
49 Anmerkungen: 1.5 Erwartungswert und Varianz Der Verschiebungssatz zur Berechnung der Varianz gilt nach wie vor. Es gibt Verteilungen, bei denen der Erwartungswert und damit auch die Varianz nicht existiert (z.b. Cauchy-Verteilung, Anwendung etwa in der Finanzmathematik). Die eben gegebenen Bemerkungen zur Interpretation behalten ihre Gültigkeit. 1 Wahrscheinlichkeitsrechnung 142
50 1.5.3 Allgemeine Rechenregeln für Erwartungswert und Varianz 1.5 Erwartungswert und Varianz Satz Seien X und Y diskrete oder stetige Zufallsvariablen (mit existierenden Erwartungswerten und Varianzen). Dann gilt: a) E(aX + by )=a E(X)+b E(Y ) und insbesondere auch E(a) = a, E(aX) = a E(X) E(X + Y ) = E(X)+E(Y ) b) Var(aX + b) =a 2 Var(X). 1 Wahrscheinlichkeitsrechnung 143
51 Sind X und Y zusätzlich unabhängig, so gilt 1.5 Erwartungswert und Varianz E(X Y ) = E(X) E(Y ) Var(X + Y ) = Var(X)+Var(Y ) 1 Wahrscheinlichkeitsrechnung 144
52 Bem Erwartungswert und Varianz Der Erwartungswert ist immer additiv aufspaltbar, die Varianz dagegen nur bei Unabhängigkeit! Die Additivität der Varianz unter Unabhängigkeit gilt nicht für die Standardabweichung σ: Var(X + Y ) Var(X)+ Var(Y ) Man beachte explizit, dass wegen b) gilt Var( X) = Var(X) und damit unter Unabhängigkeit Var(X Y ) = Var(X)+Var(Y ). Im Allgemeinen gilt: also z.b. E(g(X)) g(e(x)) E ( ) 1 X 1 E(X) 1 Wahrscheinlichkeitsrechnung 145
53 und E(X 2 ) (E(X)) Erwartungswert und Varianz Definition Die Zufallsvariable Z := X E(X) Var(X) heißt standardisierte Zufallsvariable. Es gilt E(Z) =0 und Var(Z) =1. 1 Wahrscheinlichkeitsrechnung 146
54 1.5 Erwartungswert und Varianz Bsp [Abschließendes Beispiel zu Erwartungswert und Varianz: Chuck-a-Luck] Beim Spiel Chuck-a-Luck werden drei Würfel geworfen. Der Spieler setzt auf eine der Zahlen 1, 2, 3, 4, 5, 6. Zeigt keiner der Würfel die gesetzte Zahl, so ist der Einsatz verloren. Andernfalls erhält der Spieler (zusätzlich zu seinem Einsatz) für jeden Würfel, der die gesetzte Zahl zeigt, einen Betrag in Höhe des Einsatzes. Wahrscheinlichkeitsfunktion des Gewinns nach einem Spiel: G = Gewinn Würfelkombinationen Anzahl Wahrscheinlichkeit / a, 6a6, a66 mit a=1,2,3,4, / ab, a6b, ab6, mit a,b=1,2,3,4, /216-1 abc mit a,b,c=1,2,3,4, /216 Summe Wahrscheinlichkeitsrechnung 147
55 Für den Erwartungswert erhält man 1.5 Erwartungswert und Varianz E(G) = also einen erwarteten Verlust von 7.8% des Einsatzes = = Betrachte die Zufallsvariablen: X 1,X 2,...,X 6 Gewinn, wenn beim ersten Wurf ein Einsatz auf 1, 2,...,6 gesetzt wird. Y 1,Y 2,...,Y 6 Gewinn, wenn beim zweiten Wurf ein Einsatz auf 1, 2,...,6 gesetzt wird. 1 Wahrscheinlichkeitsrechnung 148
56 1.5 Erwartungswert und Varianz Mögliche Spielstrategien und zugehörige Gewinne: 2X 6 Gewinn, wenn beim ersten Wurf ein zweifacher Einsatz auf 6 gesetzt wird (Strategie 1). X 1 + X 6 Gewinn, wenn beim ersten Wurf jeweils ein Einsatz auf 1 und 6 gesetzt wird (Strategie 2). X 6 + Y 6 Gewinn, wenn beim ersten und zweiten Wurf ein Einsatz auf 6 Gesetzt wird (Strategie 3). Erwartungswerte: Aus E(X i )=E(Y i )= folgt: E(2X 6 ) = 2E(X 6 )= E(X 1 + X 6 ) = E(X 1 )+E(X 6 )= E(X 6 + Y 6 ) = E(X 6 )+E(Y 6 )= d.h. bei den drei Strategien sind die Erwartungswerte alle gleich! 1 Wahrscheinlichkeitsrechnung 149
57 Trotzdem gibt es deutliche Unterschiede in den drei Strategien: Strategie Wertebereich P ({ 2}) 2X 6-2,2,4, X 1 + X 6-2,0,1,2, X 6 + Y 6-2,0,1,2,3,4,5, Erwartungswert und Varianz Varianz des Gewinns nach einem Spiel Var(G) = ( ) 2 ( ) ( ) ( ) = = = Var(G) = Wahrscheinlichkeitsrechnung 150
58 1.5 Erwartungswert und Varianz Nach den Rechenregeln für Varianzen erhält man für die Strategien 1 und 3: Var(2X 6 ) = 4 Var(X 6 )= = und Var(X 6 + Y 6 ) = Var(X 6 )+Var(Y 6 )= = Da X 1 und X 6 nicht unabhängig sind, muss hier die Varianz explizit berechnet werden. 1 Wahrscheinlichkeitsrechnung 151
59 Wahrscheinlichkeitsverteilung von X 1 + X 6 : x P (X 1 + X 2 = x) Var(X 1 + X 6 ) = ( ( ( = ) 2 ( ) 2 ( ) = 1.5 Erwartungswert und Varianz ) ) Wahrscheinlichkeitsrechnung 152
60 Fazit: 1.5 Erwartungswert und Varianz * Strategie 1, also 2X 6, ist am riskantesten. * Die Gewinnchancen sind bei Strategie 1 aber größer als bei Strategie 2. * Am wenigsten riskant ist Strategie 2. 1 Wahrscheinlichkeitsrechnung 153
1.5 Erwartungswert und Varianz
Ziel: Charakterisiere Verteilungen von Zufallsvariablen durch Kenngrößen (in Analogie zu Lage- und Streuungsmaßen der deskriptiven Statistik). Insbesondere: a) durchschnittlicher Wert Erwartungswert, z.b.
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