Diagnose von lernbeeinträchtigenden Faktoren im Mathematikunterricht und mögliche Förderung
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- Heike Raske
- vor 7 Jahren
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Transkript
1 Diagnose von lernbeeinträchtigenden Faktoren im Mathematikunterricht und mögliche Förderung Tagung Pippis Plutimikation Bozen, Jens Holger Lorenz Repräsentation der Zahlen und Rechenoperationen Wie rechnen Sie ?
2 Repräsentation der Zahlen und Rechenoperationen Wie rechnen Sie ? Genauer: Was passiert dabei in Ihrem Kopf? Repräsentation der Zahlen und Rechenoperationen Wie rechnen Sie ? Genauer: Was passiert dabei in Ihrem Kopf? Wie kommt Ihr Gehirn auf die Lösungsstrategie ?
3 Die Frage nach der Repräsentation von Zahlen Werden Zahlen und Rechenoperationen im Kopf des Kindes (und des Erwachsenen) sprachlich repräsentiert? Ist das Denken tatsächlich sprachlich, wenn es sich um mathematische Inhalte handelt? Beschreibung der Lösungswege Sprachlich Ich addiere (zu der 47) erst 10 und dann 9 Ich addiere erst 3, dann 10 und dann 6 Ich addiere zu der 40 erst 10, dann zu der 7 die 9, erhalte 16 und addiere zu der 50 die 16 Ich addiere 20 und subtrahiere 1
4 Symbolisch = = = = = = 66
5 Zahlenstrahl (klassisch)
6
7
8 Hunderter-Tafel und Rechenrahmen (Abakus, Russische Rechenmaschine )
9
10
11 Der leere Zahlenstrahl
12 Frühe Zahlbeziehungen
13 Ein Problem rechenschwacher Kinder: Die unerkannte Schulbiographie
14 Möglichkeiten der Früherkennung Früherkennung im Vorschulalter durch Screening-Verfahren der mathematischen Vorläuferfähigkeiten (Mengenvergleich, visuelle Wahrnehmungsfaktoren, (Arbeits-) Gedächtnis, Sprachrezeption) Früherkennung bei Schuleintritt Erkennung im 1. Schuljahr Fehlende Analogieschlüsse im Zahlenraum bis 20 Unsicherheiten im ZR bis 20 Kinder fallen durch zählendes Rechnen noch am Ende des 1. Schuljahrs auf (Zählstrategie droht zu persistieren)
15 Besonderheiten im 2. Schuljahr Schulbiographischer Tiefpunkt: Übertragung der Zählstrategie auf den Zahlenraum bis 100 misslingt Unverständnis der Rechenoperationen Multiplikation und v.a. Division Schulbiographischer Höhepunkt: Auswendiglernen des 1x1 (allerdings ohne Operationsverständnis)
16 Höhepunkt des Gedächtnisses Carl Dieter wohnt in der Adi-Bert-Straße. Carl Gustav wohnt in der Bert-Adi-Straße. Gustav Elly wohnt in der Carl-Elly-Straße. Julius Carl wohnt in der Adi-Elly-Straße. Dieter Elly wohnt in der Bert-Nelly-Straße. Carl-Dieter arbeitet in der Gustav-Fabrik Elly Fabian arbeitet in der Adi-Adi-Zentrale Gustav Carl arbeitet in der Adi-Nelly-Firma Fabian Gustav arbeitet in der Adi-Carl-Bank Höhepunkt des Gedächtnisses Schwer, oder? Es gibt zu viele Ähnlichkeiten zwischen den Sätzen. Aber wenn man die Namen Nelly, Adi, Bert, Carl, Dieter, Elly, Fabian und Gustav durch die Ziffern 0, 1, 2, 3, 4, 5, 6 und 7 ersetzt, dann erhält man Terme aus dem Kleinen Einmaleins bzw. dem Kleinen Einspluseins
17 Höhepunkt des Gedächtnisses Carl Dieter wohnt in der Adi-Bert-Straße. Carl Gustav wohnt in der Bert-Adi-Straße. Gustav Elly wohnt in der Carl-Elly-Straße. Julius Carl wohnt in der Adi-Elly-Straße. Dieter Elly wohnt in der Bert-Nelly-Straße. 3 4 = = = = = 20 Höhepunkt des Gedächtnisses Carl-Dieter arbeitet in der Gustav-Fabrik Elly Fabian arbeitet in der Adi-Adi-Zentrale Gustav Carl arbeitet in der Adi-Nelly-Firma Fabian Gustav arbeitet in der Adi-Carl-Bank = = = = 13
18 Besonderheiten im 2. Schuljahr Einführung der Multiplikation: prototypisch als wiederholte Addition prototypisch als funktionaler Zusammenhang Misskonzeption bei wiederholter Addition: Multiplikation macht größer dadurch Konflikt mit späterer Bruchrechnung Besonderheiten im 2. Schuljahr Einführung der Division: prototypisch als Verteilen (Kindergeburtstag: 18 Mohrenköpfe, 6 Kinder; Frage: Wie viele bekommt jedes Kind?) prototypisch als Aufteilen (18 Mohrenköpfe, immer 6 in eine Schachtel; Frage: Wie oft geht 6 in 18?)
19 Besonderheiten im 2. Schuljahr Bei Verteilen: Die prototypische Vorstellung steht einer Begriffserweiterung in der 6. Klasse bei der Bruchrechnung entgegen (14 : ¼=? 14 Mohrenköpfe an ¼Kind? Geht doch gar nicht!! ) Beim Aufteilen: Kein Problem (14 : ¼=? Wie oft geht ¼in 14? ) Besonderheiten in Klasse 3/4 Beherrschung der schriftlichen Addition und Subtraktion, da hierbei der Zahlenraum bis 20 nicht überschritten wird und zählendes Rechnen ermöglicht Beherrschung der schriftlichen Multiplikation und Division, da das 1x1 automatisiert ist und das Gedächtnis kompensatorisch eingesetzt wird Sachaufgaben sind nicht lösbar
20 Besonderheiten in Klasse 5/6 Beherrschung der Bruchrechnung im Sinne einer Automatisierung Kein Verständnis über Bruchzahlen (und später über Dezimalzahlen) Kein Verständnis der Rechenoperationen in der Bruchrechnung Besonderheiten in höheren Klassen Auswendiglernen von Verfahren/Algorithmen, die unverstanden bleiben, aber von Schülern durchgeführt werden können Übertragung von missverstandenen symbolischen Darstellungen auf neue Situationen in der Algebra Sprachprobleme in der Geometrie
21 Das Problem des Zahlensinns Beispiel (auch zur Verwirrung der Zuhörerinnen und Zuhörer gedacht): Ein Malermeister schlägt dem befreunde-ten Auftraggeber vor, entweder ¼vom Preis nachzulassen und dann 19 % MwSt aufzuschlagen oder umgekehrt erst die MwSt aufzuschlagen und anschließend ¼ nachzulassen. Was ist günstiger? Wie lösen Kinder, wie lösen Sie Sachaufgaben?
22 Wie lösen Kinder, wie lösen Sie Sachaufgaben? Zum Beispiel: Ein Heidelberger Professor verdient im Jahr Wie viel verdient er im Monat?
23
24 Text Symbole Text Handlung Bild Symbole
25 Text Handlung Bild Symbole Text Handlung Bild Symbole
26 Der Erwerb von Operationen Der Erwerb mathematischer Begriffe gelingt durch die Verbindung verschiedener Repräsentationsformate. Für die Grundschule gilt, dass die Prototypen arithmetischer Operationen aus Handlungen entstanden, deren situative Charakteristik abgestreift wurde; sie bleiben aber dynamisch.
27 Umgang mit Sachsituationen Reihenfolge bei Bildgeschichten Präpositionen Passende Rechnung auswählen Passende Darstellung auswählen Passende Skizze auswählen Überflüssige Information erkennen Fragen finden etc. Ein Problem rechenschwacher Kinder: Rechts-Links-Orientierungsstörung
28 Rechts-Links-Störung 75 % der uns vorgestellten Kinder weisen eine RL-Störung auf. Diese Kinder fallen durch abstruse Fehler auf: 57+4=79 (71, 35, 17, 16 etc.) Das Üben arithmetischer Aufgaben ist sinnlos und ohne Effekt. Fehler von Kindern mit einer Rechts-Links- Schwäche Richtungswechsel beim Zählen (, 13, 14, 15, 16, 15, 14, ) Zahleninversion ab Klasse 2 (37 73) Operationsinversion (+/-, /:) Kombination von beidem mit abstrusen Ergebnissen (25-4=92 oder 56, 12, 48)
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33 R-L-Störung Zahleninversion =18 gerechnet als , d.h. sehr geschickt = 67 ( ) = 17 (manchmal 18 durch zusätzliches Rückwärtszählen) = = = 81 (zählend?) = = 46
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35 Diagnostik bei Schuleintritt und in den Eingangsklassen Kognitive Bereiche, die für das Lernen von Mathematik relevant sind und daher günstiger Weise bei Schuleintritt erhoben werden sollten, sind (mindestens) die folgenden: Größenvergleich Vergleichen von Längenproportionen (als relevanter Fähigkeit für den analogen Zahlmodul, d.h. Zahlen als Längenbeziehung zu denken)
36 Präpositionen Mathematisches Sprachverständnis für Raum- Lage-Beziehungen
37
38 Bilder ordnen Erkennen von Handlungszusammenhängen Erfassen zeitlicher Ordnung
39 Vergleich von Mengen Perzeptiver Mengenvergleich ohne die Elemente abzuzählen (Vorläuferfähigkeit der Arithmetik)
40 Visuelle Vorstellung Visuelles Operieren Veränderungen in der Vorstellung vornehmen ist notwendig für arithmetische Operationen (Kopfrechnen) geometrische Aufgaben (Vergleichen, Analysieren) kindliche Logik
41
42 Operationen finden Zahlensinnaufgaben Beziehungen zwischen Zahlen finden Größenausgleiche herstellen
43
44 Zahlenstrahl Zahlbeziehungen als Längenbeziehungen denken (im Sinne des analogen Moduls) (visuelle) Größenbeziehungen zwischen Zahlen herstellen
45 Würfelaufgaben Visuelles Operieren in der Vorstellung Unterschiedliche Strategien in der Einzelbeobachtung möglich (z.b. Ausgleichstechnik)
46
47 Würfelnetze Kopfgeometrie Visuelle Vorstellungsfähigkeit Visuelles Operieren (keine geometrische Propädeutik!)
48 Facit Es gibt eine Vielzahl kognitiver Verursachungsfaktoren, die eine Rechenschwierigkeit hervor bringen können. Es gilt, die Schwächen frühzeitig zu entdecken. Was die Lehrperson bei Rechen-schwierigkeiten machen sollte Frühzeitige Diagnose der Entwicklung kognitiver Fähigkeiten Diagnose des Operationsverständnisses Diagnose der Fähigkeit, Repräsentationen zu wechseln
49 Was die Lehrperson bei Rechen-schwierigkeiten machen sollte den Schülern bei ihren Problemlöse-prozessen zuschauen bei den Schülern neue, ungeahnte Denkprozesse wahrnehmen überlegen, wie Fehler zustande kamen die eigenständige Ausbildung von Vorstellungsbildern und Prototypen anregen Was die Lehrperson bei Rechen-schwierigkeiten machen sollte dies gelingt, indem die Schüler die entsprechenden Handlungen ausführen die Handlung teilweise auslassen diese aber sprachlich beschreiben oder aufmalen nicht-ausgeführte Handlungsteile ggf. ertasten
50 Was die Lehrperson bei Rechen-schwierigkeiten machen sollte lange den Zahlenraum bis 10/20 nicht verlassen (bzw. Wiederholung in Klasse 3 und 4) wenig instruieren, aber viele Anbindungen des Inhalts anbieten (Vernetzungsmöglichkeiten) Gruppen-/Partnerarbeit ermöglicht Kommunikation und Metakognition Was die Lehrperson bei Rechen-schwierigkeiten machen sollte NichtKorrektur von Fehlern durch Erklärung und Vormachen Bereitstellung von relevanten Lernsituationen und Problemen Planung von Wegen, vorhandene Entwicklungsrückschritte aufzuholen
51 Was die Eltern bei Rechenschwäche ihres Kindes machen sollten Nicht curricular arbeiten!!! Viele Anbindungen im Alltag Größen wie Länge Gewicht Zeit Was die Eltern bei Rechenschwäche ihres Kindes machen sollten Viel Geometrie Zeichnen Schattenspiele etc. Sprachliche Beschreibungen Automatisierungen Kleines 1+1 im Zahlraum bis 20 Kleines 1x1
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