Theorien der Persönlichkeit
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1 Theorien der Persönlichkeit Wintersemester 2008/2009 Gabriele Helga Franke 8. Persönlichkeitswesenszüge: Fünf- Faktoren-Modell 1
2 10. Theorien der Persönlichkeit GHF im WiSe 2008 / 2009 an der HS MD- SDL(FH) im Studiengang Rehabilitationspsychologie, B.Sc., 1. Semester Kapitel 8 Persönlichkeitswesenszüge: Big Five 8. Persönlichkeitswesenszüge: Big Five 2
3 8. Persönlichkeitswesenszüge: Big Five 1. Ist es für Forscher der Wesenszüge möglich, sich auf ein Modell zu einigen, wie die Persönlichkeitswesenszüge organisiert sind? 2. Wie viele und welche Dimensionen der Wesenszüge sind für eine grundlegende Beschreibung der Persönlichkeit notwendig? 8. Persönlichkeitswesenszüge: Fünf- Faktoren-Modell 3
4 8. Persönlichkeitswesenszüge: Big Five 3. Kann ein von der Faktorenanalyse abgeleitetes Modell der Wesenszüge mit den Begriffen in Verbindung gebracht werden, die wir in unserer Alltagssprache für Beschreibungen der Persönlichkeit nutzen? Würden wir davon ausgehen, dass ein solches Modell kulturübergreifend wäre? Würden wir davon ausgehen, dass es im Sinne unseres evolutionären Erbes Sinn machen würde? 8. Persönlichkeitswesenszüge: Fünf- Faktoren-Modell 4
5 8. Persönlichkeitswesenszüge: Big Five 4. Welche Implikationen haben individuelle Unterschiede in den Wesenszügen für die Berufswahl, die körperliche Gesundheit und das psychische Wohlbefinden? 5. Wie stabil oder variabel sind Wesenszüge über die Zeit oder über Situationen hinweg? Wie sehr verändert sich die Persönlichkeit im Laufe der Zeit und von Situation zu Situation? 8. Persönlichkeitswesenszüge: Fünf- Faktoren-Modell 5
6 8. Persönlichkeitswesenszüge: Fünf-Faktoren-Modell Gliederung: 1. Der lexikalische Ansatz 1.1 Methodische Voraussetzungen 1.2 Entwicklungsschritte des lexikalischen Ansatzes 2. Die Big Five 2.1 Bedeutsame Vertreter 2.2 Beschreibung der Persönlichkeitsdimensionen 2.3 Konzeptionen anderer Autoren 2.4 Erfassung der Big Five durch den NEO-FFI-R 3. Anwendungsbeispiele für den Big Five-Ansatz 4. Bewertung 8. Persönlichkeitswesenszüge: Fünf- Faktoren-Modell 6
7 1. Der Lexikalische Ansatz man kann annehmen, dass nur für solche Merkmale Begriffe geschaffen werden, die für bedeutsame Erfahrungen stehen, die Menschen miteinander machen, und die Aspekte der Persönlichkeit repräsentieren, auf die zu achten eine Kultur oder eine Gesellschaft für wesentlich hält. Je entscheidender eine Erfahrung oder ein Merkmal ist,, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass ein Wort dafür geprägt wird (John, Angleitner & Ostendorf, 1988) 8. Persönlichkeitswesenszüge: Fünf-Faktoren-Modell 7
8 1. Der Lexikalische Ansatz Aufdeckung der Persönlichkeitsdimensionen der Gesamtpersönlichkeit durch die Analyse von Sprache 8. Persönlichkeitswesenszüge: Fünf-Faktoren-Modell 8
9 1.1 Methodische Voraussetzungen Vorhandensein von aussagekräftigen Daten Statistische Verfahren zur Zusammenfassung der Daten: Faktorenanalyse 8. Persönlichkeitswesenszüge: Fünf-Faktoren-Modell 9
10 1.1 Methodische Voraussetzungen Die Faktorenanalyse ist ein statistisches Verfahren, mehr oder weniger korrelierende Variablen in Gruppen hoch miteinander korrelierender Variablen zusammenzufassen. Jede solche Variablengruppe wird durch einen Faktor repräsentiert, wobei man sich unter einem Faktor eine neue Variable vorstellen kann, die so gewählt ist, dass ihre Ähnlichkeit zu allen Variablen der Gruppe maximal ist (Asendorpf, 2007) 8. Persönlichkeitswesenszüge: Fünf-Faktoren-Modell 10
11 1.1 Methodische Voraussetzungen 8. Persönlichkeitswesenszüge: Fünf-Faktoren-Modell 11
12 1.1 Methodische Voraussetzungen 8. Persönlichkeitswesenszüge: Fünf-Faktoren-Modell 12
13 1.2 Entwicklungsschritte des Lexikalischen Ansatzes Suche von Allport und Odbert nach persönlichkeitsrelevanten Begriffen in Webster s New International Dictionary (1925) Begriffe nach Ausschluss z.b. von sehr ähnlichen Wörtern 8. Persönlichkeitswesenszüge: Fünf-Faktoren-Modell 13
14 1.2 Entwicklungsschritte des Lexikalischen Ansatzes Norman (1967): Reduktion dieser Liste auf 2800 gebräuchlichere Eigenschaftsworte (Ausschluss von gesundheitsbezogenen Bezeichnungen und stark bewertenden Bezeichnungen) Vorlage von jeweils 200 Begriffen an Gruppen von jeweils 100 Studierenden zur Selbstbeurteilung und Beurteilung der Verständlichkeit des Wortes Liste von 1566 allgemeinverständlichen Begriffen mit ausreichender Differenzierungsfähigkeit 5 breite, nicht weiter reduzierbare Persönlichkeitsfaktoren 8. Persönlichkeitswesenszüge: Fünf-Faktoren-Modell 14
15 1.2 Entwicklungsschritte des Lexikalischen Ansatzes Weiterführungen Goldberg: Analyse eigener und fremder Arbeiten; Beständigkeit der Fünf- Faktorenlösung Begriffsprägung: Big Five 8. Persönlichkeitswesenszüge: Fünf-Faktoren-Modell 15
16 1.2 Entwicklungsschritte des Lexikalischen Ansatzes Angleitner et al. (1990): Persönlichkeitsbeschreibende Adjektive aus Wahrigs deutschem Lexikon, 5092 Adjektive Klassifikation von 411 Adjektive durch mindestens sechs von zehn Beurteilern als Verhaltensdispositionen (wieder: Ausschluss stark bewertender Bezeichnungen) Selbst- und Bekannteneinschätzungen durch große Gruppen von Versuchspersonen 5 Faktoren 8. Persönlichkeitswesenszüge: Fünf-Faktoren-Modell 16
17 2. Die Big Five Die Big Five beschreiben fünf unabhängige Persönlichkeitsdimensionen alltagspsychologisch repräsentierte Eigenschaften in verschiedenen Sprachen reproduzierbar 8. Persönlichkeitswesenszüge: Fünf-Faktoren-Modell 17
18 2.1 Bedeutsame Vertreter Paul Costa Robert McCrae Lewis R. Goldberg Alois Angleitner - Oliver John - Peter Borkenau - u.v.m. 8. Persönlichkeitswesenszüge: Fünf-Faktoren-Modell 18
19 2.2 Beschreibung der Persönlichkeitsdimensionen Neurotizismus bewertet Anpassung versus emotionale Labilität hohe Werte: besorgt, nervös, gefühlsbetont, unsicher, unangemessen, hypochondrisch niedrige Werte: gelassen, entspannt, leidenschaftslos, unerschrocken, furchtlos, selbstzufrieden 8. Persönlichkeitswesenszüge: Fünf-Faktoren-Modell 19
20 2.2 Beschreibung der Persönlichkeitsdimensionen Extraversion bewertet Quantität und Intensität zwischenmenschlicher Interaktion, Grad der Aktivität und Notwendigkeit, stimuliert zu werden hohe Werte: gesellig, aktiv, redselig, personenorientiert, optimistisch, lebenslustig, liebevoll niedrige Werte: reserviert, nüchtern, beherrscht, unnahbar, aufgabenorientiert, zurückhaltend, ruhig 8. Persönlichkeitswesenszüge: Fünf-Faktoren-Modell 20
21 2.2 Beschreibung der Persönlichkeitsdimensionen Offenheit für Erfahrungen bewertet eigenständiges Suchen nach Erfahrungen sowie Toleranz gegenüber dem Unbekannten und dessen Erkundung hohe Werte: neugierig, weit reichende Interessen, kreativ, originell, einfallsreich, unkonventionell niedrige Werte: traditionsverhaftet, bodenständig, einseitige Interessen, kein Sinn für Künste, unanalytisch denkend 8. Persönlichkeitswesenszüge: Fünf-Faktoren-Modell 21
22 2.2 Beschreibung der Persönlichkeitsdimensionen Verträglichkeit bewertet die Qualität der zwischenmenschlichen Orientierung entlang eines Kontinuums von Mitgefühl bis Feindseligkeit in Gedanken, Gefühlen und Taten hohe Werte: weichherzig, gutmütig, vertrauensvoll, hilfsbereit, versöhnlich, leichtgläubig, aufrichtig niedrige Werte: zynisch, unverschämt, argwöhnisch, unkooperativ, rachsüchtig, rücksichtslos, reizbar, dirigierend 8. Persönlichkeitswesenszüge: Fünf-Faktoren-Modell 22
23 2.2 Beschreibung der Persönlichkeitsdimensionen Gewissenhaftigkeit bewertet das Maß an Organisation, Ausdauer und Motivation beim zielgerichteten Handeln hohe Werte: systematisch, zuverlässig, fleißig, diszipliniert, pünktlich, gewissenhaft, ordentlich, ehrgeizig, ausdauernd niedrige Werte: ziellos, unzuverlässig, nachlässig, lasch, willensschwach, hedonistisch 8. Persönlichkeitswesenszüge: Fünf-Faktoren-Modell 23
24 2.3 Konzeptionen anderer Autoren Norman (1963): Extraversion/Surgency, Agreeableness; Conscientiousness, Emotional Stability, Culture Conley (1985): Social Extraversion, Agreeableness, Impulse Control, Neuroticism, Intellectual Interest Zuckerman (1993): Impulsive Sensation Seeking, Aggression Hostility, Activity, Sociability, Neuroticism-Anxiety 8. Persönlichkeitswesenszüge: Fünf-Faktoren-Modell 24
25 2.4 Erfassung der Big Five durch den NEO-FFI-R Amerikanische Originalfassungen: Costa & McCrae Deutsche Fassungen: Ostendorf & Angleitner, 2004 (NEO-PI-R) Mehrdimensionalen Persönlichkeitsfragebogen für die Untersuchung an Personen aus der Allgemeinbevölkerung; 16 Jahre hohes Alter Grundlage ist das Fünf-Faktoren-Modell bzw. Big Five 240 Items in 5 Hauptskalen mit je 6 Facetten Selbstbewertungsform und Fremdbewertungsform 8. Persönlichkeitswesenszüge: Fünf-Faktoren-Modell 25
26 2.4 Erfassung der Big Five durch den NEO-FFI-R Offenheit für neue Erfahrungen (Openness) Ich probiere oft neue und fremde Speisen aus. Gewissenhaftigkeit (Conscientiousness) Ich werde wohl niemals fähig sein, Ordnung in mein Leben zu bringen. Extraversion (Extraversion) Ich habe gerne viele Leute um mich. Verträglichkeit Liebenswürdigkeit (Agreeableness) Ich könnte niemanden betrügen, selbst wenn ich es wollte. Neurotizismus (Neuroticism) Manchmal erscheint mir alles ziemlich düster und hoffnungslos. OCEAN 8. Persönlichkeitswesenszüge: Fünf-Faktoren-Modell 26
27 3. Anwendungsbeispiele für den Big Five-Ansatz Berufliche Auswahlverfahren: Verkäufer mit höherer Extraversion erfolgreicher Auswahl der Behandlung-/Therapiemethode Menschen mit hoher Offenheit profitieren mehr von Therapien, die Phantasie und Forschungsdrang anregen Zusammenhänge mit Persönlichkeitsstörungen zwanghaft Persönlichkeitsgestörten zeigen oft hohe Werte in Gewissenhaftigkeit 8. Persönlichkeitswesenszüge: Fünf-Faktoren-Modell 27
28 4. Bewertung Big Five erlauben eine umfassende Beschreibung individueller Unterschiede im Temperamentsbereich aber: nur hinsichtlich solcher Eigenschaften, die in der Sprache Niederschlag gefunden haben deskriptives Modell, daher geeignet zur Verhaltensbeschreibung und ggf. -vorhersage aber: keine Erklärung, warum sich Personen in z.b. Extraversion unterscheiden; Lösungsmöglichkeiten: Evolutionsperspektive, Biologische Begründung Big X : Anzahl, Benennung und Inhalte der Faktoren nicht eindeutig Hierarchische Ordnung? Fehlende inhaltliche Begründung für Anzahl und Inhalte der Faktoren 8. Persönlichkeitswesenszüge: Fünf-Faktoren-Modell 28
29 8. Persönlichkeitswesenszüge: Big Five - Zusammenfassung 1. Unter den Theoretikern der Wesenszüge zeichnet sich ein Konsens über die Big Five ab (OCEAN). Unterstützt wird das Modell durch die Ergebnisse von Faktorenanalysen * der Begriffe der Wesenszüge * der Bewertungen und Fragebogendaten. 2. Die grundlegende lexikalische Hypothese geht davon aus, dass die grundlegenden individuellen Unterschiede zwischen den Menschen im Laufe der Zeit in der Sprache verschlüsselt worden sind. 8. Persönlichkeitswesenszüge: Fünf- Faktoren-Modell 29
30 8. Persönlichkeitswesenszüge: Big Five - Zusammenfassung 3. Das Big Five Modell betont die biologischen Grundlagen der Grundneigungen und dass die Entwicklung dieser Neigungen im Wesentlichen unabhängig von Umwelteinflüssen erfolgt (intrinsische Reifeentwicklung). 4. Befürworter des Modells gehen davon aus, dass das Modell in Bereichen wie der Berufswahl, Persönlichkeitsdiagnose und der psychologischen Behandlung eingesetzt werden kann. 8. Persönlichkeitswesenszüge: Fünf- Faktoren-Modell 30
31 8. Persönlichkeitswesenszüge: Big Five - Zusammenfassung 5. Kritiker der Wesenszugtheorie halten das menschliche Verhalten für sehr veränderlich. Statt breit angelegter Dispositionen in der Person zu betonen, soll die Wichtigkeit situativer Einflüsse berücksichtigt werden. 6. Stärken: Forschung, Formulierung interessanter Hypothesen, Verbindung zur Biologie, Genetik, Evolutionsbiologie. Schwächen: Faktorenanalyse ist nicht unproblematisch (Stichprobenabhängigkeit), klare Definitionen, Vernachlässigung wichtiger Bereiche des psychologischen Funktionierens und der Veränderung. 8. Persönlichkeitswesenszüge: Fünf- Faktoren-Modell 31
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