Wie hart ist der Radsport und welche Konsequenzen ergeben sich daraus für die Trainingspraxis?
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- Albert Michel
- vor 7 Jahren
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1 Der Autor Sebastian Mühlenhoff, Sportwissenschaftler M.A., A Lizenztrainer dflv, Leitung Diagnostik & Planung bei iq athletik sebastian@iq-athletik.de Wie hart ist der Radsport und welche Konsequenzen ergeben sich daraus für die Trainingspraxis? Kein effektives Training ohne genaue Kenntnis der Anforderungen im Wettkampf Wie eigene Untersuchungen und die Sichtung der Literatur zeigen, besteht ein deutlicher Unterschied im Anforderungsprofil des Amateurwettkampfs im Gegensatz zu den Wettkämpfen im Spitzensport, die über deutlich längere Distanzen führen. Sowohl die Mountainbike Cross-Country als auch die Straßenwettkämpfe werden vom Start bis zum Ziel mit sehr hohen relativen Intensitäten absolviert. Den Sportlern wird eine extrem intermittierende Leistung abgefordert, die neben der nötigen Grundlagenausdauer teilweise sehr hohe Anforderungen an die anaerobe Leistungsfähigkeit stellt. Die Belastung wechselt in sehr kurzen Zeitabständen zwischen Phasen ohne Leistungsabgabe und maximalen Beanspruchungen. Die im Mittel erbrachte Leistung während derartigen Intervallbelastungen ist nicht mit der gleichen Durchschnittsleistung bei konstanter Leistungsabgabe vergleichbar. Die Beanspruchung bei variierender Belastung ist wesentlich höher, da diese Belastungen größerer Krafteinsätze mit hohen anaeroben Anteilen erfordern, was zu einer stärkeren Ermüdung und einer Einschränkung der aeroben Enzymaktivität führt. Im Gegensatz zu den höheren Leistungsklassen müssen bei den Amateur Straßenrennen meist nur kurze Hügel mit einer Belastungsdauer von ca. drei Minuten bewältigt werden. Diese Phasen fordern neben den anaeroben Stoffwechselfähigkeiten auch ein hohes Niveau der Kraftfähigkeit. Der Einfluss der Kraftfähigkeiten ist im Mountainbike Cross-Country Wett- -1-
2 kampf auf Grund der niedrigen Trittfrequenzen noch höher einzuschätzen als im Straßenwettkampf. Durch die in kurzer Folge wiederkehrenden, hoch intensiven anaeroben Phasen ist mit einem stärkeren Anstieg der Laktatkonzentration zu rechnen, als bei konstanter Arbeit mit gleicher mittlerer Intensität, was die Nutzung des Fettstoffwechsels stark einschränkt (vgl. PALMER/ BORGHOUTS/ NOAKES/ HAWLEY, 1999). Dem zu Folge kommt dem Fettstoffwechsel nur eine untergeordnete Rolle bei der energetischen Absicherung der Wettkampfleistung zu. Als leistungslimitierend können dagegen die aerobe und anaerobe Glykolyse und damit die Glykogenspeicher und die Kohlenhydrat- Suplementierung während des Wettkampfs angesehen werden (vgl. STAPELFELD et al., 2002). Der Kohlenhydrataufnahme während intermittierender Belastung kommt hierbei eventuell eine besondere Bedeutung zu. PALMER et al. (1999) stellten fest, dass die Plasmaglukose Oxidation bei variierender Belastung signifikant höher ist als bei konstanter Belastung gleicher Intensität. Der über eine kontinuierliche Kohlenhydrat Einnahme erhöhte Blutzuckerspiegel kann demzufolge den erhöhten Blutglukosebedarf teilweise abdecken und den Verbrauch von Muskelglykogen reduzieren. Die beiden Belastungsformen depletieren (entleeren) gezielt die Glykogen-speicher der spezifisch angesprochenen Fasertypen. Die Dauermethode entleert verstärkt die Typ I Fasern, wohingegen die Intervallbelastung zusätzlich zu einer vermehrten Glykogendepletierung der Typ II Fasern führt. Neben den energetischen Faktoren scheinen die Puffer- und Laktattransportkapazität eine wichtige Rolle zu spielen. Diese Tatsachen verstärken die Forderung nach einem spezifisch intensiven Training mit variablen Belastungswechseln, und einer Begrenzung des reinen Fettstoffwechseltrainings mittels Dauermethode auf ein angemessenes Maß. Die speziellen Anforderungen müssen im Training gezielt vorbereitet werden. In diesem Zusammenhang sind weitere Untersuchungen, insbesondere in Bezug auf den Einfluss eines gezielten Krafttrainings zur Steigerung der Maximalkraft sowie der Trainingsmethodik, im Ausdauerbereich nötig. Obwohl die mobile Leistungsmessung mittlerweile im Profiradsport weit verbreitet ist, gibt es nur eine geringe Anzahl publizierter Untersuchungen, die wie beispielsweise die Veröffentlichung von STAPELFELDT et al. (2002) für den Cross-Country Sport, ein genaues Anforderungsprofil einzelner Disziplinen erstellt haben. Für die Ableitung von weiteren Trainingsempfehlungen wäre deshalb sowohl im Profi wie auch im Amateurbereich eine systematische Datenerhebung für alle Disziplinen, ergänzend zu den bereits veröffentlichen Herzfrequenzanalysen, notwendig. -2-
3 Folgerung für die Trainings- und Wettkampfpraxis Wie die oben geschilderte Sachlage verdeutlicht, kann nicht alleine der Trainingsumfang die entscheidende Größe bei der Ausprägung der Ausdauerleistungsfähigkeit sein. Es ist hinreichend in der Literatur dokumentiert, dass die Steigerung des Umfangs für den Anfängerbereich und die ersten Jahre eines systematischen Ausdauertrainings die maßgebende Größe darstellt. Für Amateurradsportler, die bereits ein mehrjähriges systematisches Ausdauertraining absolviert haben und sich auf einem hohen und stabilen Leistungsniveau befinden, reicht eine reine Volumenerhöhung jedoch nicht zur weiteren Entwicklung aus. Nach mehrjährigem Training bei einem Pensum von ca.15 Stunden pro Woche scheint ein Plateau erreicht zu sein, dass auch über sprunghafte Umfangserhöhungen, wenn überhaupt, nur schwer überwunden werden kann. Eine Steigerung der Leistung scheint nur über einen deutlichen Anstieg der Trainingsintensitäten zu realisieren. Sind ab einem gewissen Trainingsalter die klassischen Adaptionen an ein Ausdauertraining weitestgehend durchlaufen, befindet sich die Grundlagenausdauer auf einem sehr stabilen Niveau, was eine Intensivierung, entgegen der weit verbreiteten Meinung, problemlos ermöglicht. Spätestens wenn sich durch eine stetige Umfangserhöhung über einen längeren Zeitraum keine Veränderungen der aeroben Kapazität in leistungsdiagnostischen Untersuchungen darstellen lassen, sollte die Intensität immer mehr in den Vordergrund des Trainingsgeschehens rücken. Zur Umsetzung sollte die Periodisierung des Trainingsjahres neu strukturiert werden. Von besonderem Interesse sind hier die Vorbereitungsperioden in den Wintermonaten. In dieser Zeit liegt der Schwerpunkt klassischerweise auf dem GA 1 Training nach der Dauermethode. Da aber insbesondere während dieser Trainingsphase oftmals kein ausreichender Trainingsreiz zur Leistungssteigerung gesetzt werden kann, muss insbesondere hier über eine Umstellung des Trainings nachgedacht werden. Es ist zu überlegen, bereits nach einer kurzen Gewöhnungsphase im Anschluss an die Übergangsperiode mit einer Intensitätssteigerung innerhalb des Grundlagentrainings durch die vermehrte Einbindung von GA II Einheiten zu beginnen. Hierdurch könnte frühzeitig bis zum Jahreswechsel ein deutlicher Leistungssprung erreicht werden, auf dem dann bis zum Beginn der Saison weiter aufgebaut werden kann. Nach der klassischen Vorgehensweise bewirkte die VP I in unseren Untersuchungen mit gut trainierten Amateuren bestenfalls eine -3-
4 Konservierung der Leistung. Der relativ lange Zeitraum der VP I wurde hierdurch praktisch ohne Nutzen verschenkt. Die Leistungsfähigkeit und die Stabilität des Grundlagenausdauerniveaus unterschied sich beim Einstieg in das Wintertraining nicht von dem Niveau zu Beginn der VP III. Es ist demzufolge davon auszugehen, dass auch eine frühzeitigere Intensitätserhöhung in gleicher Weise tolerierbar ist und zu vergleichbaren Steigerungen der Leistungsfähigkeit führt, wie im untersuchten Fall das Training der VP III. Mit Beginn des neuen Jahres könnte dann beispielsweise ein moderater Grundlagenausdauerblock zur Stabilisierung des neuen Leistungsniveaus durchgeführt werden. Bis Ende Februar bzw. Mitte März wäre eine weitere progressive Intensitätserhöhung mit einer Gipfelbelastung 5-6 Wochen vor den ersten Wettkämpfen in den letzten Trainingslagern möglich. Bei Betrachtung der Ergebnisse unserer Untersuchungen sowie der wenigen Studien, die sich mit den Anpassungen und der physiologische Leistungsfähigkeit von hoch trainierten Ausdauersportlern befassen, liegt die Nötigkeit einer Intensivierung des Trainings und eine Begrenzung des Umfangs zumindest für den Amateursport auf der Hand. Auch wenn bei einer Erhöhung des Trainingsvolumens auf ein regelmäßiges Wochenpensum von ca. 25 Stunden eventuell mit einer weiteren Steigerung der aeroben Leistungsfähigkeit zu rechnen ist, würde dieses Training weder der Belastungsdauer noch den geforderten Intensitäten im Amateurwettkampf gerecht werden und wäre somit kontraproduktiv zur Ausbildung der wettkampfspezifischen Leistungsfähigkeit. Die Reduzierung des Umfangs ist zwangsläufig nötig, um die höheren Intensitäten des spezifischen Trainings regenerieren zu können. Auch die Beobachtung der Belastungen, die im Profiradsport bewältigt werden müssen zeigen, dass hier die Kombination aus hohem Volumen und hoher Intensität zur Spitzenleistung führen. Die leider nur anekdotischen Berichte zum Training erfolgreicher Radprofis, die in den Medien verfügbar sind, zeigen ebenfalls den Trend zu einem intensiveren Training. So konnte Georg Totschnig durch die konsequente Einbindung von hoch intensiven Intervalleinheiten in das Wintertraining in den letzten Jahren einen deutlichen Leistungssprung unter die Top 10 bei den großen Rundfahrten erreichen (vgl. MUSCH/ WEISS, 2003). Oder die Berichte von US Postal Fahrern, die unter Lance Armstrong bereits im Frühjahrstraining ganze Bergetappen im Renntempo absolvieren, deuten darauf hin, dass auch im Profibereich nicht nur umfangsorientiert trainiert wird. Das die Steigerung sowohl des Umfangs als auch der Intensität nur bis zu einem gewissen Maß verkraftbar ist, ist -4-
5 offensichtlich. Worin der große Unterschied in der Tolerierbarkeit solcher Belastungen und der Regenerationsfähigkeit zwischen Profi und Amateur liegen sei dahin gestellt. Alleine die Belastungsdauer und Belastungsstruktur im Amateurwettkampf und die Tatsache, dass sich die meisten physiologischen Parameter bereits auf hohem Niveau befinden, verlangen nach einem spezifisch intensiven Ausdauertraining. Da es im Wettkampf zu einer starken Beanspruchung der Fasern des Typs II und der Kraftfähigkeiten kommt, müssen diese auch im Training gezielt angesprochen werden. Ein primär niedrig intensives Überdistanztraining würde nur die Leistungsfähigkeit der Typ I Fasern maximieren. Es sollte deshalb zusätzlich zum intensiven Ausdauertraining ein Hypertrophiekrafttraining für die am Tretzyklus beteiligte Muskulatur zur Erhöhung des Maximalkraftniveaus durchgeführt werden. Die Angst vor einer übermäßigen Gewichtszunahme auf Grund des Krafttrainings, wie sie in Radsportkreisen weit verbreitet ist, ist dabei absolut unbegründet. Das immer noch hohe Gesamtvolumen des Ausdauertrainings lässt definitiv keine größeren Gewichtszunahmen, bedingt durch das Krafttraining, zu. Das gezielte Training im Kraftraum sollte vielmehr das äußerst fragwürdige Kraftausdauertraining mit dem Rad ersetzten. Wie bereits geschildert handelt es sich hierbei eher um ein Ausdauertraining mit erhöhtem Widerstand als um ein Krafttraining. Da die Maximalkraft auch eine bedingende Größe für Kraftausdauerleistungen darstellt (GÜLLICH/ SCHMIDTBLEICHER, 1999; SCHMIDTBLEICHER, 2003) und im Wettkampf ständig extreme Belastungsspitzen zu bewältigen sind, sollte diese auch speziell ausgebildet werden. Durch eine Intensivierung des Grundlagenausdauertrainings, beispielsweise in Form von Fahrtspielen in bergigem Gelände, wird die Fähigkeit über längere Zeit mit erhöhtem Widerstand zu fahren sowieso automatisch trainiert und bedarf keiner eigenen Kraftausdauer -Trainingsmethode. Als größtes Problem für eine erfolgreiche Umsetzung neuer Trainingsansätze in die Praxis, zeigen sich leider immer wieder die konservativen Strukturen im Radsport. Die Akzeptanz für Änderungen in der Vorgehensweise ist extrem gering und die Trainer geben meist unkritisch das wieder, was schon immer gemacht wurde. Dieses Phänomen wird durch die unbedarfte Darstellung der immer gleichen Aussagen in den diversen Büchern zum Thema Radsport verstärkt. Die Aufzählung der angeblich gravierendsten Trainingsfehler im Handbuch für Radsport von SCHMIDT (2001) verdeutlicht unfreiwillig die Problematik und fehlende Offenheit für neue Ansätze. Als erster Fehler wird hier, wie immer, das zu intensive Training -5-
6 aufgeführt. Erst als letzter Punkt der Liste ist die teilweise Ignoranz der neueren trainingswissenschaftlichen Erkenntnisse aufgeführt. Diese Rangfolge spiegelt in gewisser Weise die verkehrte Welt der Vorgehensweise im Radsport wieder. Nur weil eine Methode bis zu einem gewissen Punkt erfolgreich war, bedeutet dies nicht, dass man neuen Erkenntnissen und Ansätzen nicht weiter nachgehen muss. Der Wissensstand in diesem Bereich ist begrenzt und somit besteht definitiv weiterer Forschungsbedarf. Literaturliste beim Verfasser Stand: 10/2006»Vorsprung durch Wissen. Lesen Sie mehr unter
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