Neubau der ÖBB-Ötztaler Achbrücke, Tirol

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1 Neubau der ÖBB-Ötztaler Achbrücke, Tirol Eine elegante Brückenkonstruktion bringt klare Vorteile für den Bahnkunden. Dipl.-Ing. Stefan Plankensteiner Einleitung Die eingleisige ÖBB-Westbahnstrecke im Tiroler Oberland zwischen den Bahnhöfen Ötztal und Imst quert die Ötztaler Ache im unmittelbaren Bereich der Einmündung in den Inn. Die Ötztaler Achbrücke mit einer Gesamtlänge von 121 m wurde im Jahre 1883 als Fachwerkskonstruktion erbaut und zuletzt 1968 durch ein 280 t schweres Stahlhohlkastentragwerk ersetzt. Die gerade Brückenkonstruktion verläuft in einer Höhe von ca. 23 m über dem Gelände und besteht aus drei Brückenfeldern, wobei das erste Feld als Einfeldträger ausgebildet wurde und die anderen beiden Felder durch einen Durchlaufträger überbrückt werden. Die beiden Pfeiler befinden sich außerhalb des Normalabflussquerschnittes der Ötztaler Ache auf den Vorlandbereichen. Die Stahlbrücke war sehr wartungsintensiv bzw. wegen der ungenügenden Dauerhaftigkeit der Stahlverbindungsmittel mit einem hohen laufenden Sanierungsaufwand verbunden. Aufgrund dieses Umstandes konnte die Brücke nur mit ca. 40 km/h befahren werden, sodass jeder Schnellzug ca. 2 Minuten an Fahrzeit auf diesem Streckenabschnitt eingebüßt hat. Zusätzlich waren die hohen Lärmmissionen nicht mehr akzeptabel. Bestandsbrücke über die Ötztaler Achbrücke (2010) Die ÖBB Infrastruktur AG hat sich daher im Rahmen eines Wettbewerbs mit Variantenstudien zur Entscheidungsfindung hinsichtlich Systemwahl und architektonischer Gestaltung entschlossen. Anstatt einer Sanierung der bestehenden Brücke hat sich der Bauherr für eine neue, außergewöhnliche Brücke ca. 10 bis 14 m parallel zur alten Brücke entschieden. Dies war aufgrund der Eingleisigkeit der Strecke auch die wirtschaftlichste Lösung. Projekt Die neue dreifeldrige Brückenkonstruktion mit Stützweiten von 42 m 60,6 m 42 m wurde in Verbundbauweise mit Stahlhohlkasten und Ortbetonfahrbahnplatte neu konzipiert. Außergewöhnlich ist dabei das System mit biegesteifer Einbindung des Stahlhohlkastens in die Pfeilerkonstruktion, sodass auf erhaltungsaufwendige und inspektionsintensive Lager auf den Pfeilerköpfen verzichtet werden konnte. Ausgestattet wurde das neue Tragwerk mit einem durchgehenden Schotterbett. Dieser homogene Oberbau verbessert die Fahrqualität und vermindert zugleich die Lärmentwicklung. Die Variantenstudien hatten gezeigt, dass die Errichtung der neuen Brücke in abgerückter Achse gegenüber einem Tragwerkstausch in der Bestandsachse sowohl in wirtschaftlicher als auch in technischer Hinsicht die bessere Lösung war. Außerdem konnte durch die Abrückung der Gleisachse nach Norden hin der Anschlussbogen in Richtung Innsbruck ausgeweitet werden. Hierdurch wurde es nun möglich, die Geschwindigkeit der Züge in diesem Streckenabschnitt um 10 km/h anzuheben. Weiters berücksichtigt die neue, auf einer Länge von 700 m verschwenkte Trassenführung, dass bei einem eventuell späteren 2-gleisigen Ausbau des Streckenabschnittes auf der Südseite ein zweites, eingleisiges Brückentragwerk errichtet werden kann. Auftrag Im November 2010 erhielt die TEERAG-ASDAG AG, Niederlassung Tirol durch die ÖBB Infrastruktur Aktiengesellschaft, GB Strecken- und Bahnhofsmanagement Region West den Auftrag zur Errichtung der 145 m langen und 16 m hohen Stahlbrücke sowie den Abbruch der alten ehrwürdigen Eisenbahnbrücke über die Ötztaler Ache inkl. der dazugehörigen Entwässerungs- und Unterbauarbeiten. Nach intensiven Sondierungen des Baufeldes auf Grund von etwaigen zu bergenden Kriegsrelikten im Herbst 2010 konnte im Jänner 2011 mit dem anspruchsvollen und beeindruckenden Bauvorhaben begonnen werden. Die neue Brücke wurde für den Zugsverkehr mit 21. August 2011 termingerecht freigegeben. Die Abbrucharbeiten der alten Brücke sowie die Rückbauarbeiten der Baubehelfsbrücke und des freiwerdenden Bahndammes erfolgten im Herbst Das Bauvorhaben wurde mit den Rekultivierungs- Straßenbau- und Restarbeiten im Frühjahr 2012 abgeschlossen. Gründung Fundierung Unterbau Zu Beginn der Bauarbeiten musste eine Baubehelfsbrücke errichtet werden, sodass auch die Zugänglichkeit zum ostseitigen Widerlager Innsbruck über die Ötztaler Ache gegeben war. Nach Errichtung der Behelfsbrücke und des erforderlichen Baustraßennetzes wurde mit den Vorarbeiten für die Baustelleneinrichtungs- und Montageflächen beim Widerlager Innsbruck begonnen. Die Baufeldfreimachung beim Widerlager Bludenz konnte Seite 1

2 unabhängig von der Errichtung der Baubehelfsbrücke zeitgleich durchgeführt werden. Die Gründung bzw. Fundierung des Brückenbauwerkes erfolgte mittels bis zu 20 m langen geneigten und in zwei Reihen angeordneten 24 Großbohrpfählen (Durchmesser 120 cm), die in aufgesetzte massive, bis zu 2,5 m dicke Pfahlkopfplatten aus Stahlbeton eingebunden wurden. Das Widerlager Innsbruck wurde als begehbares Widerlager ausgebildet, sodass für die Inspektion des Innenbereiches des Hohlkastens im Zuge von Wartungsarbeiten der Zugang über eine Treppe im Inneren des Widerlagers erfolgt. Das Widerlager Bludenz wurde ebenso wie das Widerlager Innsbruck, auf vier geneigten Großbohrpfählen gegründet. Die beiden ca. 16 m hohen und im unmittelbaren Uferbereich situierten Pfeilerbauwerke wurden mit einem sechseckigen Querschnitt an der Pfahlkopfplatte und einem rechteckigen Querschnitt an der Tragwerksunterkante ausgebildet. Der Verlauf zwischen Pfeilerober- und -unterkante erfolgt konisch, mit dem kleinsten Querschnitt im Knickpunkt der Pfeilerkonstruktion, ca. 4,3 m unterhalb der Tragwerksunterkante. Die architektonische Gestaltung der massiven Pfeilerbauwerke war schalungs- und bewehrungstechnisch sehr anspruchsvoll und stellte neben den teilweise vorherrschenden eisigen Temperaturen eine große Herausforderung an die Arbeiter dar. Rüstungs- und Schalungsarbeiten Pfeiler Seite Bludenz (oberer Teil) Bohrpfahl- und Schalungsarbeiten Pfeilerbauwerke Rüstungs- und Schalungsarbeiten Pfeiler Seite Bludenz Konstruktion Stahlbrückenbau Verbundplatte Das 145,6 m lange Stahltragwerk wurde als 3-feldrige Verbundkonstruktion in Form eines torsionssteifen Seite 2

3 Hohlkastens konzipiert. Die Konstruktionshöhe beträgt an den Widerlagerbereichen 1,9 m, in den Pfeilerbereichen ca. 3,1 m sowie die Blechstärken der Steg- und Gurtbleche bis zu 100 mm. Die Anvoutungen und die geringe Breite des Stahltragwerkes (im Bereich des Untergurtes 2,6 m und im Bereich des Obergurtes 3,8 m) lassen die Brückenkonstruktion in eleganter und leichter Form erscheinen. Die biegesteife Verbindung des Stahltragwerkes an die Pfeilerköpfe erfolgte durch eine Aufsatzkonstruktion bestehend aus zwei seitlichen Vertikalblechen (Blechstärke 40 mm), die einerseits mit dem massiven 100 mm dicken Untergurtblech des Stahltragwerkes verschweißt sowie durch ca Kopfbolzendübel mit dem Pfeilerkopf konstruktiv verbunden wurden. Diese Stahleinlegeteile wurden im Zuge der Pfeilerherstellung einbetoniert. Die Herstellung des 510 t schweren Stahlhohlkastens erfolgte in neun Einzelsegmenten im Stahlbauwerk, die mit Schwerbzw. Sondertransporten auf die Baustelle teilweise im Baustellenbereich über unbefestigte Waldwege angeliefert wurden. An den Montageplätzen vor Ort wurden diese Einzelsegmente zu sechs Brückenabschnitten vormontiert und zusammengeschweißt. Im April 2011 erfolgte der Einhub dieser einzelnen, bis zu 34 m langen und 100 t schweren Stahltragwerke mit einem der größten Raupenkräne Österreichs auf die Pfeilerköpfe, Widerlager und Hilfsjoche. Dieser 140 m hohe Gittermastkran vom Typ Liebherr LR 1600 hat ein Eigengewicht von 960 t sowie eine maximale Tragkraft von 600 t und war eine in der Umgebung weithin sichtbar imposante Erscheinung. Die Stahlbauarbeiten wurden mit dem Zusammenschweißen der Baustellenstöße des Stahlhohlkastens abgeschlossen. Die gesamte Montage des Stahlbrückentragwerkes wurde in einer äußerst ambitionierten Bauzeit von rund drei Wochen realisiert. Gesamtübersicht Montage des Stahltragwerks Seite 3

4 Schalwagen Verbundplatte Betonierabschnitt Brückenmitte Einhub Lückenschluss-Mittelstück Zwischenzeitlich konnte bereits ostseitig mit den aufwändigen Lehrgerüst- und Schalungsarbeiten (Schalwagen) für die Herstellung der 6,5 m breiten Verbund-Ortbetonplatte begonnen werden. Die Bewehrungs- und Betonierarbeiten wurden in fünf Betonierabschnitten (26,5 31,2 m) im sogenannten Pilgerschrittverfahren abgewickelt. Rest- und Komplettierungsarbeiten Anschließend erfolgten die restlichen Brückenbauarbeiten, wie die Montage der Fahrbahnübergänge und der Brückenentwässerungsableitungen, das Aufbringen der Tragwerksabdichtung und der Asphaltschutzschichte, das Versetzen der Fertigteilrandbalken mit integrierten Kabeltrögen und des Brückengeländers sowie sonstige Komplettierungsarbeiten. In der schon seit längerer Zeit terminisierten Streckensperre zwischen dem 5. und 21. August 2011 wurden die Erd- und Oberbauarbeiten in den Anbindungsbereichen (in nur 48 Stunden) sowie die Herstellung des durchgehenden Schotterbettes und der Gleisbau- und Komplettierungsarbeiten (Fahrleitungen, etc.) fristgerecht fertig gestellt. Die Probebelastung der Brücke mit drei ÖBB E-Loks der 1044er-Baureihe mit einem Gesamtgewicht von ca. 260 t konnte am 21. August 2011 erfolgreich durchgeführt werden. Bereits unmittelbar nach der Verformungsmessung überquerte der erste ÖBB Railjet mit 80 km/h das neue Brückenbauwerk. Ötztaler Achbrücke Baufertigstellung August 2011 Vorarbeiten zur Herstellung des Verbundplattentragwerkes Seite 4

5 Brückentragwerk Gleistrasse Blickrichtung West Abbruch Bestandsbrücke Fertigstellungsarbeiten Der Abtrag des Stahltragwerkes erfolgte am 8. November 2011 in einfacher Methode durch kontrolliertes und langsames Querverschieben auf den Pfeilerköpfen und Widerlagerbereichen (auf einer Länge von 2,5 m) bis das 230 t schwere Stahltragwerk an den Bauwerkskanten kippte und auf die gesamte Länge in einem Stück von 120 m zu Boden fiel. Dort wurde das Tragwerk fachgerecht zerlegt und einer Alteisenverwertung zugeführt. Der Abbruch der Bestandspfeiler und -widerlager erfolgte einerseits mittels Einzelsprengungen sowie durch konventionelles Schrämen. Im Herbst 2011 wurden in weiterer Folge das beiderseitige Uferdeckwerk wiederhergestellt, die Baubehelfsbrücke rückgebaut sowie die freiwerdende Bahndämme der Bestandstrasse abgetragen. Das Bauvorhaben wurde mit den Rekultivierungs-, Straßenbau- und Restarbeiten im Frühjahr 2012 abgeschlossen. Schlussbetrachtung Die große Herausforderung an das ausführende Unternehmen TEERAG-ASDAG AG, Niederlassung Tirol, an den Subunternehmer des Stahlbrückenbaus, an das planende Ingenieurbüro sowie an die örtliche Bauaufsicht waren einerseits die technisch anspruchsvolle Konstruktion und Montage der Brücke, die kurze Bauzeit von nur acht Monaten, die Aufrechterhaltung des Bahnbetriebes sowie die örtlichen Randbedingungen (Zufahrtsverhältnisse) bzw. die sensible Lage der Baustelle (Naturschutzgebiet Bergsturz Tschirgant ). Die TEERAG-ASDAG AG als wesentlicher Teil der PORR-Gruppe hat bei diesem Infrastrukturprojekt wiederholt Ihre Kompetenz bei technisch und terminlich anspruchsvollen Bauvorhaben unter Beweis gestellt. Untersicht Hohlkasten-Stahltragwerk Mit der Inbetriebnahme der neuen Ötztaler Achbrücke gehört die frühere Langsamfahrstelle (40 km/h) endgültig der Vergangenheit an. Für die Bahnkunden bedeutet dies weniger Bahnlärm, pünktlichere Züge, zukünftige Fahrplanstabilität und damit aufgrund der verlässlichen Verkehrsinfrastruktur klare Vorteile für den Kunden. Durch die ästhetische und elegante Brückenkonstruktion wurde ein technisches Wahrzeichen des Eisenbahnbaues am Eingang des Ötztales in beeindruckender Umgebung und unter harmonischer Einbindung in das bestehende Naturschutzgebiet geschaffen. Seite 5

6 Projektdaten Auftraggeber Auftragnehmer Bauloslänge Brückenlänge Brückenbreite ÖBB Infrastruktur AG, Innsbruck TEERAG-ASDAG AG Niederlassung Tirol 800 m 145 m 7,06 m Brückenfläche 950 m² Stützweiten Pfeilerhöhe Stahlbrückenbau 42 m 60,6 m 42 m 16 m 510 t Betonkubatur m³ Bewehrungsstahl Bohrpfähle 390 t 450 m Dammschüttung m³ Baubeginn Jänner 2011 Inbetriebnahme 21. August 2011 Abbruch Bestandsbrücke November 2011 Endfertigstellungstermin Frühjahr 2012 Seite 6