Statistik für Ingenieure Vorlesung 4
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1 Statistik für Ingenieure Vorlesung 4 Prof. Dr. Hans-Jörg Starkloff TU Bergakademie Freiberg Institut für Stochastik 21. November 2017
2 3.3 Wichtige diskrete Wahrscheinlichkeitsverteilungen Diskrete Gleichverteilung Zufallsgröße X mit endlich vielen möglichen Werten x 1, x 2,..., x n (x i x j, i j). Wahrscheinlichkeitsfunktion: p i = P(X = x i ) = 1, i = 1, 2,..., n. n Im Spezialfall x 1 = 1, x 2 = 2,..., x n = n gelten EX = n Anwendung: Laplace-Experiment. und VarX = n Bezeichnung: X U({x 1, x 2,..., x n }).. Prof. Dr. Hans-Jörg Starkloff Statistik für Ingenieure Vorlesung 4 Geändert: 15. November
3 3.3.2 Bernoulli-Verteilung Parameter: p [0, 1]. Zufallsgröße X mit 2 möglichen Werten x 1 = 1, x 2 = 0. Wahrscheinlichkeitsfunktion: P(X = 1) = p, P(X = 0) = 1 p. Kenngrößen: EX = p und VarX = p(1 p). Bezeichnung: X B(p). Anwendung: Bernoulli-Experiment: Experiment mit zwei möglichen Versuchsausgängen, die durch die Ereignisse A bzw. A c beschrieben werden. Das Ereignis A tritt mit einer Wahrscheinlichkeit p = P(A) ein. Die Zufallsgröße { X wird dann wie folgt definiert 1, wenn ω A ; X (ω) = 0, wenn ω A. Prof. Dr. Hans-Jörg Starkloff Statistik für Ingenieure Vorlesung 4 Geändert: 15. November
4 3.3.3 Binomialverteilung Parameter: n N, 0 p 1. Zufallsgröße X mit möglichen Werten x 0 = 0, x 1 = 1,..., x n = n. Wahrscheinlichkeitsfunktion: ( ) n p i = P(X = i) = p i (1 p) n i, i = 0, 1,..., n. i Kenngrößen: EX = np und VarX = np(1 p). Bezeichnung: X Bin(n, p). Eigenschaften: Bin(1, p) = B(p) ; X1 Bin(n 1, p), X 2 Bin(n 2, p), unabhängig X 1 + X 2 Bin(n 1 + n 2, p) ; Insbesondere X 1 B(p),..., X n B(p), unabhängig X X n Bin(n, p). Prof. Dr. Hans-Jörg Starkloff Statistik für Ingenieure Vorlesung 4 Geändert: 15. November
5 Wahrscheinlichkeitsfunktionen von Binomialverteilungen Prof. Dr. Hans-Jörg Starkloff Statistik für Ingenieure Vorlesung 4 Geändert: 15. November
6 Typische Situation für Binomialverteilung Typische Situation: Der Zufallsversuch besteht aus n unabhängigen und gleichartigen Teilversuchen. Bei jedem Teilversuch kann ein bestimmtes Ereignis mit einer Wahrscheinlichkeit p eintreten oder (mit Wahrscheinlichkeit 1 p) nicht. Mit der Zufallsgröße X zählt man die Anzahl der Teilversuche, bei denen das interessierende Ereignis eingetreten ist. X ist also die zufällige Anzahl der eingetretenen Ereignisse unter obigen Bedingungen. Typische Anwendung: Stichprobenentnahme mit Zurücklegen in der Qualitätskontrolle (X = Anzahl von Ausschussteilen in einer Stichprobe). Prof. Dr. Hans-Jörg Starkloff Statistik für Ingenieure Vorlesung 4 Geändert: 15. November
7 Beispielaufgabe Binomialverteilung Ein idealer Würfel wird 20 mal geworfen. Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit dafür, dass mindestens zwei mal eine Sechs geworfen wird? Zufallsgröße X = Anzahl der geworfenen Sechsen bei 20 Würfen dieses Würfels. Die Zufallsgröße X ist binomialverteilt. Die Wahrscheinlichkeit für das Werfen einer Sechs bei einem Würfelwurf beträgt 1/6, dies ist der Parameter p. Der Parameter n beschreibt die Anzahl der Wiederholungen des Einzelversuchs, hier also n = 20. Gesucht ist P(X 2). Prof. Dr. Hans-Jörg Starkloff Statistik für Ingenieure Vorlesung 4 Geändert: 15. November
8 3.3.4 Hypergeometrische Verteilung Parameter: N, M, n N, M N, n N. Zufallsgröße X mit möglichen Werten x k = k N 0, mit max{0, n (N M)} k min{m, n}. Wahrscheinlichkeitsfunktion: ( M ) ( k N M ) n k p k = P(X = k) = ( N, n) Kenngrößen: max{0, n (N M)} k min{m, n}. EX = n M N ; VarX = n M N N M N N n N 1. Bezeichnung: X Hyp(N, M, n). Prof. Dr. Hans-Jörg Starkloff Statistik für Ingenieure Vorlesung 4 Geändert: 15. November
9 Wahrscheinlichkeitsfunktionen hypergeom. Verteilungen Prof. Dr. Hans-Jörg Starkloff Statistik für Ingenieure Vorlesung 4 Geändert: 15. November
10 Typische Situation für die hypergeometrische Verteilung Typische Situation: Unter N Dingen befinden sich M ausgezeichnete; von den N Dingen werden n zufällig ausgewählt (ohne Zurücklegen); die Zufallsgröße X repräsentiert die zufällige Anzahl der ausgezeichneten Dinge unter den n ausgewählten. Anwendungsbeispiele: Stichprobennahme ohne Zurücklegen, z.b. bei der Qualitätskontrolle; Anzahl der richtigen Zahlen bei einem Tipp im Lottospiel; Ist das Verhältnis n N sehr klein (< 0.05), so gilt Hyp(N, M, n) Bin ( n, M ). N Prof. Dr. Hans-Jörg Starkloff Statistik für Ingenieure Vorlesung 4 Geändert: 15. November
11 Beispielaufgabe hypergeometrische Verteilung Ein Kunde übernimmt alle 50 gelieferten Schaltkreise, wenn in einer Stichprobe von 10 Schaltkreisen höchstens ein nicht voll funktionsfähiger Schaltkreis enthalten ist. Ansonsten wird die gesamte Lieferung verworfen. Man berechne die Wahrscheinlichkeit dafür, dass die 50 Schaltkreise a) abgenommen werden, obwohl diese 12 nicht voll funktionsfähige Schaltkreise enthalten, b) zurückgewiesen werden, obwohl nur 3 nicht voll funktionsfähige Schaltkreise enthalten sind! Zufallsgröße X... Anzahl der nicht voll funktionsfähigen Schaltkreise in der Stichprobe. Die Zufallsgröße X ist hypergeometrisch verteilt. N = 50, n = 10, M = 12 bzw. M = 3. Ges. P(X 1) bzw. P(X > 1). Prof. Dr. Hans-Jörg Starkloff Statistik für Ingenieure Vorlesung 4 Geändert: 15. November
12 3.3.5 Geometrische Verteilung Parameter: 0 < p < 1. Zufallsgröße X mit möglichen Werten k = 1, 2, 3,.... Wahrscheinlichkeitsfunktion: p k = P(X = k) = p(1 p) k 1, k = 1, 2, 3,.... Kenngrößen: EX = 1 p und VarX = 1 p p 2. Bezeichnung: X Geo(p). Anwendung: Gleichartige unabhängige Teilversuche, bei denen jeweils Erfolg mit Wahrscheinlichkeit p oder Misserfolg mit Wahrscheinlichkeit 1 p eintreten können, werden so lange durchgeführt, bis zum ersten Mal Erfolg eingetreten ist. Der Wert von X ist gleich der Anzahl der durchgeführten Teilversuche. Prof. Dr. Hans-Jörg Starkloff Statistik für Ingenieure Vorlesung 4 Geändert: 15. November
13 Geometrische Verteilungen, Beispielaufgabe Beispielaufgabe: Ein Relais falle mit einer Wahrscheinlichkeit von bei einem Schaltvorgang zufällig aus, wobei diese Ausfälle unabhängig voneiander eintreten sollen. Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit dafür, dass der erste Ausfall nicht vor dem tausendsten Schaltvorgang passiert? Prof. Dr. Hans-Jörg Starkloff Statistik für Ingenieure Vorlesung 4 Geändert: 15. November
14 Verallgemeinerung: negative Binomialverteilung Werden in derselben Situation die Teilversuche solange wiederholt, bis der r te Erfolg eingetreten ist (r N), besitzt die zufällige Anzahl X der durchgeführten Teilversuche eine negative Binomialverteilung mit den Parametern r und p. Dann gelten ( ) k 1 P(X = k) = p r (1 p) k r, k = r, r + 1,..., r 1 EX = r r(1 p) und VarX = p p 2. Bei anderen Varianten der geometrischen und der negativen Binomialverteilung wird die Anzahl der Misserfolge (Fehlversuche) und nicht die Anzahl der Teilversuche als Zufallgröße betrachtet. Darauf sollte man bei Formeln aus der Literatur bzw. bei Nutzung von Statistikprogrammen achten. Prof. Dr. Hans-Jörg Starkloff Statistik für Ingenieure Vorlesung 4 Geändert: 15. November
15 3.3.6 Poissonverteilung Parameter: λ > 0 (die Intensität der Poissonverteilung). Zufallsgröße X mit möglichen Werten k = 0, 1, 2,.... Wahrscheinlichkeitsfunktion: p k = P(X = k) = λk k! e λ, k = 0, 1, 2,.... Kenngrößen: EX = λ und VarX = λ. Bezeichnung: X Poi(λ). Eigenschaft: X 1 + X 2 Poi(λ 1 + λ 2 ). X 1 Poi(λ 1 ), X 2 Poi(λ 2 ), unabhängig Prof. Dr. Hans-Jörg Starkloff Statistik für Ingenieure Vorlesung 4 Geändert: 15. November
16 Wahrscheinlichkeitsfunktionen von Poissonverteilungen Prof. Dr. Hans-Jörg Starkloff Statistik für Ingenieure Vorlesung 4 Geändert: 15. November
17 Anwendungen der Poissonverteilung Typische Anwendung: Poissonverteilte Zufallsgrößen beschreiben häufig die Anzahl von bestimmten Ereignissen ( Poissonereignisse, z.b. Schadensfälle) in festen Zeitintervallen, wenn die Ereignisse zu zufälligen Zeitpunkten eintreten (auch analog an zufälligen Orten oder ähnliches) und folgendes gilt: Die Wahrscheinlichkeit für das Eintreten einer bestimmten Anzahl dieser Poissonereignisse hängt nur von der Länge des betrachteten Zeitintervalls ab, nicht wann dieses beginnt oder endet (Stationarität). Die zufälligen Anzahlen der eintretenden Poissonereignisse sind für sich nicht überschneidende Zeitintervalle stochastisch unabhängig (Nachwirkungsfreiheit). Die betrachteten Poissonereignisse treten einzeln ein, nicht gleichzeitig, die zufälligen Anzahlen ändern sich somit von Moment zu Moment höchstens um den Wert 1 (Ordinarität). Beispiele: Anzahl von Telefonanrufen, Anzahl von emittierten Teilchen in Physik (radioaktiver Zerfall), Anzahl von Unfällen, Anzahl von Schadensfällen, Anzahl von Niveauüberschreitungen. Prof. Dr. Hans-Jörg Starkloff Statistik für Ingenieure Vorlesung 4 Geändert: 15. November
18 Poissonverteilung und Binomialverteilung Ist eine zufällige Zählgröße X binomialverteilt, der Parameter n aber groß und der Parameter p klein (Faustregel: n 30, p 0.05 und gleichzeitig np 10, sogenannte seltene Ereignisse ), dann kann man die Wahrscheinlichkeiten näherungsweise mit Hilfe einer Poissonverteilung mit Parameter λ = np berechnen, d.h. ( n P(X = k) = )p k (1 p) n k λk k k! e λ (dies folgt aus dem Grenzwertsatz von Poisson). Prof. Dr. Hans-Jörg Starkloff Statistik für Ingenieure Vorlesung 4 Geändert: 15. November
19 Übungsaufgaben Poissonverteilung An einer Tankstelle kommen werktags zwischen 16:00 und 18:00 Uhr durchschnittlich 4 Fahrzeuge pro Minute an. Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit dafür, dass während einer Minute im betrachteten Zeitbereich mindestens 3 Fahrzeuge ankommen, wenn man davon ausgeht, dass die zufällige Anzahl der ankommenden Fahrzeuge poissonverteilt ist? Es werden 50 Erzeugnisse aus einer Lieferung mit einer Ausschusswahrscheinlichkeit von 0.01 untersucht. Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit dafür, dass sich höchstens ein fehlerhaftes Erzeugnis unter den 50 Erzeugnissen befindet? Prof. Dr. Hans-Jörg Starkloff Statistik für Ingenieure Vorlesung 4 Geändert: 15. November
20 Zusatz zur Poissonverteilung Ergebnisse der berühmten Rutherfordschen und Geigerschen Versuche: Anzahlen der α Teilchen, die von radioaktiven Substanzen in n = 2608 Zeitabschnitten von 7.5 Sekunden emittiert wurden i n i n ˆp i Durchschnittliche Anzahl: ˆλ = n i i = 3.87 ; n ˆp i = ˆλ i e ˆλ. i! Quelle: Fisz, Wahrscheinlichkeitsrechnung und mathematische Statistik, Berlin 1973 Prof. Dr. Hans-Jörg Starkloff Statistik für Ingenieure Vorlesung 4 Geändert: 15. November
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