SchiedsamtsZeitung 52. Jahrgang 1981, Heft 12 Online-Archiv Seite Organ des BDS

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Transkript:

Aufsätze Grundbegriffe des BGB (Fortsetzung von SchsZtg. 1981 S. 166) Von Dr. L. H. Serwe, Präsident des Landgerichts Essen Der bekannteste Fall von Selbsthilfe ist die Notwehr. Man darf sich gegen einen rechtswidrigen, gegenwärtigen Angriff auf ein eigenes Rechtsgut sofort und notfalls mit Gewalt zur Wehr setzen. In den übrigen Büchern des BGB finden sich gleichfalls bei den verschiedenen Instituten noch Selbsthilferechte. In diesem Zusammenhang genügt es dazu auf das Selbsthilferecht des Besitzers hinzuweisen: Der Besitzer darf sich, wenn er durch verbotene Eigenmacht in seinem Besitz gestört wird, mit Gewalt wehren ( 859 BGB). Sonstige Rechtsfolgen Natürlich ist es nicht nötig, für das Vorverständnis der Rechtsordnung alle vom Gesetz benutzten Rechtsvorgabenordnungen vollständig, einzeln oder in Gruppen zu erfassen. Viele von ihnen sind so konkret auf den jeweiligen Konfliktsfall zugeschnitten, dass sie aus sich heraus ohne weiteres verständlich sind. Eine größere Zahl wird man aber erst dann verstehen, wenn unerlässliche weitere Vorkenntnisse der bürgerlichen Rechtsordnung als Grundlagen einer sinnvollen Deutung herangezogen werden können. Allgemeine Lehren 1. Rechtssubjekte und Rechtsobjekte Die bürgerliche Rechtsordnung regelt die Beziehungen der einzelnen Mitglieder der Gesellschaft zueinander. Sie werden unter dem Oberbegriff Rechtssubjekte zusammen erfasst. Diese Beziehungen unter den Rechtssubjekten kann man aber nur vollständig gestalten, wenn man berücksichtigt, dass den vielfachen und verschiedenartigen Gütern in der Gesellschaft, insbesondere auch unter wirtschaftlichen Aspekten betrachtet, eine wichtige Rolle zukommt. Diese Güter bezeichnet man mit dem Wort Rechtsobjekte. Zwischen ihnen und den Rechtssubjekten bestehen Zuordnungsverhältnisse, die mehr oder weniger stabil sind. In der Erfüllung des Verfassungsauftrages innerhalb einer freiheitlichen Gesellschaft, jedem Rechtssubjekt die größtmögliche Freiheit der Entfaltung zu bieten, kommt es darauf an, die Interessengebiete der einzelnen gegeneinander abzugrenzen. Die Selbstverwirklichung soll nämlich auf das gleiche Recht der übrigen Mitglieder Rücksicht nehmen. Notfalls muss auch die Möglichkeit bestehen, mit Hilfe der Nachdruck und Vervielfältigung Seite 1/8

Rechtsordnung dem ungehemmten Streben nach möglichst weitgehender Entfaltung und Selbstverwirklichung zwangsweise Grenzen zu setzen. Es ist nicht zulässig, sich Vorteile auf Kosten anderer zu verschaffen. Dies ist immer dann der Fall, wenn ein Bürger in den geschützten Interessenbereich eines anderen eingreift. Der Interessenbereich wird aber nicht allein durch die Grundbegriffe des BGB personalen Interessen bestimmt. Zu ihm gehört auch das Interesse des einzelnen an den ihm zugeordneten Gütern. Eine vollständige Regelung muss es daher mit erfassen. In einer im Wesentlichen materiell orientierten Gesellschaft muss auf dem Schutz vermögenswerter Interessen sogar das Hauptgewicht liegen. Sie liefern häufig erst die Voraussetzungen, den individuellen Freiheitsraum auch tatsächlich zu nutzen. Rechtssubjekte Natürliche Personen Die Gesellschaft, deren Ordnung das Ziel der Rechtsnormen im BGB ist, besteht aus verschiedenartigen Mitgliedern. In erster Linie sind es Menschen in ihrer individuellen Existenz. Sie werden als natürliche Personen bezeichnet. Rechtsfähigkeit Das BGB geht als selbstverständlich davon aus, dass natürliche Personen rechtsfähig sind. Sklaven und Unfreie sind dieser Rechtsordnung unbekannt. Es regelt aus diesem Grunde nur den Beginn der Rechtsfähigkeit (g 1 BGB); sie beginnt mit der Vollendung der Geburt. Sie ist die Fähigkeit, Träger von Rechten und Pflichten zu sein. Diese Fähigkeit endet bei den natürlichen Personen mit dem Tod. Allerdings besteht auch schon vor der Geburt und noch nach dem Tod eine auf Einzelfälle beschränkte Teilrechtsfähigkeit, auf die schon hingewiesen wurde. Genau genommen handelt es sich ins 1 BGB um die allgemeine Rechtsfähigkeit. Das bedeutet aber nicht zugleich, dass jedem Menschen das Recht in gleichem Maße zugänglich wäre. Bestimmte Rechtspositionen setzen ein gewisses Alter (z. B. das Wahlrecht), Geschlecht, Mitgliedschaften oder Tätigkeiten u. ä. voraus. Diese Rechte können daher nur Personen besitzen, die besondere Rechtsfähigkeit auf diesem Gebiet aufweisen. So kann z. B. eine Frau nicht die Vaterschaft anerkennen und ein Mann nicht den Ersatz von Entbindungskosten verlangen. Das Handelsrecht kann man in bestimmten Bereichen nur auf Kaufleute anwenden. Das Wechsel- und Scheckrecht gilt aber wieder für alle Bürger. Im Grunde ist mit der Zuerkennung der Rechtsfähigkeit in 5 1 BGB nicht viel mehr als Nachdruck und Vervielfältigung Seite 2/8

ein Programmsatz gewonnen. Der Streit über die Frage, ob solche Einschränkungen grundsätzliche Zugangsfragen zum jeweiligen Recht betreffen oder schon zu den Erwerbsvoraussetzungen einzelner Rechte gehören, mag zwar dogmatisch interessant sein, ist aber nicht geeignet, das Vorverständnis zu fördern. Handlungsfähigkeit Von der allgemeinen Rechtsfähigkeit ist die juristische Handlungsfähigkeit zu unterscheiden. Sie umfasst die Verantwortungsfähigkeit (55 827, 828 BGB) und die Geschäftsfähigkeit. Verantwortungsfähigkeit ist eine Voraussetzung der Haftung für rechtswidrige Handlungen. Verantwortungsfähigkeit Verantwortungsunfähig ist (5 828 Abs. 2 BGB) ein Kind, das noch nicht sieben Jahre alt ist. Nach der Vollendung des siebenten Lebensjahres spricht die gesetzliche Vermutung dafür, dass die Fähigkeit vorhanden ist, das Unrecht seiner Handlungen gegenüber den Mitbürgern und auch seine Verpflichtung zu erkennen, für die Folgen selbst einstehen zu müssen. Diese Vermutung ist aber widerlegbar. Der Minderjährige oder sein gesetzlicher Vertreter dürfen sowohl den Nachweis generell fehlender Reife und Einsichtsfähigkeit führen als auch besondere Einschränkungen für den Einzelfall geltend machen. Dabei ist es auch von Bedeutung, ob das Lebensalter des Handelnden näher an der oberen oder der unteren Grenze der Verantwortlichkeit liegt. Es entspricht der Lebenserfahrung, dass die Verstandesreife wächst, je älter ein Jugendlicher wird. Natürlich kann die Verantwortlichkeit auch bei Erwachsenen aus anderen Gründen ausgeschlossen sein. Geisteskranke, Bewusstlose oder Personen, die sich aus anderen Gründen in einem die freie Willensbestimmung ausschließenden Zustand krankhafter Störung der Geistestätigkeit ( 827 BGB) befinden, sind nicht verpflichtet, Schadensersatz zu leisten, wenn sie in diesem Zustand Schaden anrichten. Hat der Ersatzpflichtige allerdings diesen Zustand durch den Genuss von Alkohol oder anderen Mitteln selbst verschuldet, dann bleibt er verantwortlich. Geschäftsfähigkeit Sie ist die Fähigkeit, im Rechtsverkehr Geschäfte wirksam für sich selbst vornehmen zu können. Da unsere freiheitliche Rechtsordnung dem Bürger die Macht verleiht, über seine Rechtsbeziehungen und die Gestaltung oder Umgestaltung selbst zu bestimmen (Privatautonomie), kommt der Fähigkeit, dieses Selbstgestaltungsrecht ausüben zu können, große Bedeutung zu. Die Mittel, Privatautonomie zu verwirklichen, lassen sich im wesentlichen mit teilweise fließenden Übergängen in drei Gruppen Nachdruck und Vervielfältigung Seite 3/8

zusammenfassen: Die Rechtsgeschäfte, die geschäftsähnlichen Handlungen und die Tathandlungen (Realakte). Alle Formen können auch zusammentreffen. Rechtsgeschäfte Ein Rechtsgeschäft besteht aus einer oder aus mehreren Willenserklärungen. Die Rechtsfolgen treten ein, weil der Bürger erklärt, gerade diese und keine andere Rechtsfolge zu wollen. Die Rechtswirkungen hängen also unmittelbar von dem Willen des Erklärenden ab. Die Fähigkeit, Rechtsgeschäfte wirksam für sich selbst tätigen zu können, ist im Gesetz nirgendwo positiv beschrieben. Es leuchtet aber ein, dass dazu eine gewisse Reife erforderlich ist und das Recht der Selbstbestimmung, nicht zuletzt im Interesse eines vernünftigen Schutzes des einzelnen, nur Personen zugestanden werden darf, die über ein gereiftes und gesundes Urteilsvermögen verfügen. Jemand, der das siebente Lebensjahr noch nicht vollendet hat, ist geschäftsunfähig ( 104 BGB). Mit der Vollendung des achtzehnten Lebensjahres tritt die Volljährigkeit ein ( 2 BGB). Von diesem Augenblick an ist der Mensch in der bürgerlichen Rechtsordnung auch voll geschäftsfähig. Allerdings gibt es auch hier noch Ausnahmen, ähnliche wie bei der Verantwortlichkeit. Geschäftsunfähig sind auch Personen im Zustand krankhafter Störung der Geistestätigkeit, wenn er nicht vorübergehend ist, und wegen Geisteskrankheit Entmündigte ( 104 Ziff.2 u. 3 BGB). Die krankhafte Störung der Geistestätigkeit macht nur geschäftsunfähig, wenn sie die freie Willensbestimmung ausschließt. Ob dieser Ausschluss auf einer Geisteskrankheit, Schwachsinn oder einem anderen dauernden Umstand beruht, ist unerheblich. Die medizinischen Erscheinungsformen sind für Vergleiche mit der Gesetzessprache unbrauchbar. Das Gesetz sieht z.b. zwischen Geisteskrankheit und Geistesschwäche keinen Wesensunterschied, sondern lediglich eine graduelle Unterscheidungsmöglichkeit. Entscheidend bleibt, dass es dem Kranken" an der Fähigkeit fehlt, seine Entschließungen von vernünftigen Erwägungen abhängig zu machen. Bei einer bereits entmündigten Person muss man über ihren Zustand nicht nachdenken. Die vom Gericht ausgesprochene Entmündigung wegen Geisteskrankheit bewirkt, dass sie, solange die Entscheidung nicht aufgehoben worden ist, gleichgültig ob diese Person krank ist oder nicht, geschäftsunfähig bleibt. Wer entmündigt werden kann, ergibt sich aus 5 6 BGB. Von den hier aufgezählten Möglichkeiten führt aber nur die Entmündigung wegen Geisteskrankheit zur Geschäftsunfähigkeit. Alle anderen Entmündigungsgründe wie Geistesschwäche, Verschwendung oder Süchtigkeit führen mit der Entmündigung keine Geschäftsunfähigkeit, sondern nur eine Beschränkung der Geschäftsfähigkeit herbei (5 114 BGB). Sie besteht auch für alle Personen (Minderjährige), die zwar das Nachdruck und Vervielfältigung Seite 4/8

siebente, aber noch nicht das achtzehnte Lebensjahr vollendet haben (g 106 BGB). Die Willenserklärungen eines Geschäftsunfähigen sind nichtig (g 105 Abs. 1 BGB). Niemand, nicht einmal der Geschäftsunfähige selbst, kann aus diesen Erklärungen Rechte ableiten. Beschränkte Geschäftsfähigkeit führt je nach der Interessenlage zu unterschiedlichen Ergebnissen. Der Schutz der Interessen des beschränkt Geschäftsfähigen steht dabei ganz unverkennbar im Vordergrund. Er soll wegen seiner mangelnden Reife und Erfahrung oder wegen seines Hangs zur Verschwendung und der vielfältigen Abhängigkeit einer Suchterkrankung nicht Gefahr laufen, leichtfertig in für ihn nachteilige Rechtsbeziehungen zu geraten. Das Gesetz regelt die Einzelheiten am Fall des Minderjährigen. Geschäfte, die ihm nicht lediglich einen rechtlichen Vorteil bringen, darf er ohne Einwilligung (= vorherige Zustimmung) seines gesetzlichen Vertreters nicht vornehmen. Hier darf man nicht nach wirtschaftlichen Maßstäben messen. Auch an einem für den Minderjährigen wirtschaftlich sehr günstigen Geschäft muss der gesetzliche Vertreter mitwirken. Beispiel: Der Minderjährige A kauft von B ein Automobil, das einen Wert von 5000,- DM hat, für einen Preis für 500,- DM. Dieser Vertrag ist, wirtschaftlich gesehen, sehr günstig. Aber die Willenserklärung des Minderjährigen bringt ihm doch einen rechtlichen Nachteil. Er wird verpflichtet, den (wenn auch geringen) Kaufpreis zu zahlen. Mittelbare rechtliche Nachteile, etwa die Kraftfahrzeugsteuer oder die Haftpflichtversicherung, die dann fällig werden, können allerdings außer Betracht bleiben. Die gelegentlichen Vorschläge in Literatur und Rechtsprechung, doch zu einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise überzugehen, sind nicht unbedenklich. Die Rechtssicherheit würde erheblich darunter leiden, weil man sich natürlich in Grenzfällen über Vor- und Nachteile eines Geschäftes im wirtschaftlichen Sinne sehr häufig streiten würde. So bleiben also lediglich die Geschäfte ohne Mitwirkung des gesetzlichen Vertreters wirksam, die den Minderjährigen ausschließlich rechtliche Vorteile bringen. Beispiele: Er erhält 500,- DM, einen Hund, ein Haus oder ein Auto geschenkt; er eignet sich einen Reifen an, der niemandem mehr gehört. Beim Eigentumserwerb an einem Grundstück spielt es keine Rolle, dass das Grundstück belastet ist. Solange keine persönlichen Verpflichtungen für den Minderjährigen daraus entstehen, bringt das Rechtsgeschäft ihm den lediglich rechtlichen Vorteil des Eigentumserwerbs. Jede Art von Belastung, auch an beweglichen Gütern, würde allenfalls zu einem eingeschränkten, aber gleichwohl noch rechtlich ausschließlich vorteilhaften Erwerb führen. Sobald aber in irgendeiner Form mit dem Geschäft die Aufgabe von Rechten oder die Entstehung von Verpflichtungen für den Minderjährigen verbunden SCHS-ZTG 52. Jg. /981 H 12 Nachdruck und Vervielfältigung Seite 5/8

sind, ist das Geschäft unwirksam, wenn der gesetzliche Vertreter nicht (vorher) zugestimmt hat 3 108 Abs. 1 BGB). Bei Verträgen führt dies zur schwebenden Unwirksamkeit. Genehmigt der gesetzliche Vertreter später, so wird das Geschäft wirksam. Um ganz sicherzugehen, kann der Vertragspartner den gesetzlichen Vertreter auffordern, sich zu erklären 3 108 Abs.2 BGB). Nun kann der gesetzliche Vertreter aber nur noch gegenüber dem Vertragspartner Erklärungen abgeben. Sollte er das Geschäft schon vorher in einer Erklärung gegenüber dem Minderjährigen genehmigt oder seine Genehmigung verweigert haben, so sind diese Erklärungen jetzt unwirksam. Er muss sich binnen 2 Wochen nach dem Empfang der Aufforderung gegenüber dem Vertragspartner erklären. Geschieht dies nicht, so gilt die Genehmigung als verweigert 3 108 Abs.2 BGB)! Ist der Minderjährige inzwischen unbeschränkt geschäftsfähig geworden, so muss er selbst genehmigen, das Geschäft wird nicht automatisch wirksam. Während der Schwebezeit hat der Vertragspartner ein Widerrufsrecht, wenn er nicht wusste, dass er mit einem Minder-jährigen abgeschlossen hatte. Man kann den Widerruf dem beschränkt geschäftsfähigen oder seinem gesetzlichen Vertreter gegenüber erklären. wusste der Vertragspartner allerdings, dass er mit einem Minderjährigen abschloss, dann kann er nur dann widerrufen, wenn der Minderjährige der Wahrheit zuwider behauptet hat, sein gesetzlicher Vertreter habe eingewilligt. Aber auch in diesem Falle verliert er sein Widerrufsrecht dann, wenn er wusste, dass der Minderjährige die Einwilligung wahrheitswidrig behauptet hatte. In beiden Fällen verdient er keinen Schutz, und es steht ihm kein Rechtsbehelf zu. Wer sich bewusst mit einem Minderjährigen einlässt, oder wer weiß, dass diesem die Einwilligung des gesetzlichen Vertreters noch fehlt, übernimmt bei voller Kenntnis der Umstände das Risiko, in einen schwebend unwirksamen Vertragszustand hineinzugeraten, den er erst selbst durch Aufforderung des gesetzlichen Vertreters beendigen kann. Das Widerrufsrecht besteht nur bis zur Genehmigung des Vertrages durch den gesetzlichen Vertreter. Bei einseitigen Rechtsgeschäften gibt es Unterschiede. Einseitige nicht empfangsbedürftige Willenserklärungen sind solche Erklärungen, die nicht gegenüber einem bestimmten Erklärungsempfänger abgegeben werden müssen. Man kann z. B. das Eigentum an einem Brillantring ganz einfach dadurch aufgeben, dass man ihn wegwirft. Darin liegt die Erklärung, nicht mehr Eigentümer dieses Ringes sein zu wollen. Bei dieser Art einseitiger Erklärungen, muss, wenn der Minderjährige sie abgibt, entweder bereits die Einwilligung des gesetzlichen Vertreters vorliegen oder sie sind unheilbar nichtig. Die Gründe dafür liegen auf der Hand. Für einen Schwebezustand, der es gestattet, sich nachträglich noch zu entscheiden, bleibt in solchen Fällen im Allgemeinen im Interesse der Rechtssicherheit kein Raum. Nachdruck und Vervielfältigung Seite 6/8

Bei den einseitigen Rechtsgeschäften, die gegenüber einem anderen vorzunehmen sind wie z. B. der Kündigung einer Wohnung, ist der Vermieter der Erklärungsempfänger. Mit der Einwilligung des gesetzlichen Vertreters sind solche Erklärungen grundsätzlich wirksam. Wenn diese aber nicht schriftlich vorliegt und der Erklärungsempfänger aus diesem Grunde das Rechtsgeschäft unverzüglich zurückweist, so wird die Erklärung vollständig nichtig. Wenn die Einwilligung fehlt, ist das Geschäft gleichfalls zunächst unwirksam, und zwar vollständig. Man muss allerdings in diesem Zusammenhang immer prüfen, ob der Gegner, was auch stillschweigend möglich ist, nicht damit einverstanden gewesen ist, dass dieses Rechtsgeschäft durch einen Minderjährigen vorgenommen wird. Dann ist es mög- Grundbegriffe des BGB lich, dass der gesetzliche Vertreter nach vorübergehendem Schwebezustand das Geschäft noch wirksam macht, indem er genehmigt. Generelle Ermächtigungen Nun stehen beschränkt Geschäftsfähige, und zwar nicht nur Minderjährige, schon oft recht frühzeitig und in umfangreichem Maße im täglichen Leben, innerhalb des wirtschaftlichen und auch des Rechtsverkehrs. Aus diesem Grunde hat das Gesetz in g 110, 112, 113 BGB Sonderregelungen für das Taschengeld, den selbständigen Betrieb eines Erwerbsgeschäftes oder das Arbeitsleben in einem abhängigen Arbeits- oder Dienstverhältnis geschaffen. Wenn der gesetzliche Vertreter den Minderjährigen ermächtigt, in ein solches Arbeits- oder Dienstverhältnis einzutreten, dann musste ihm auch in einer gewissen Weise eine generelle Geschäftsfähigkeit eingeräumt werden. Alle Erklärungen zur Eingebung oder Aufhebung von Dienstund Arbeitsverhältnissen der ihm gestatteten Art oder die Erfüllung von Verpflichtungen, die sich daraus ergeben, kann er nunmehr allein, also ohne die Mitwirkung des gesetzlichen Vertreters vornehmen. Die Grenze liegt allerdings dort, wo auch der gesetzliche Vertreter der Genehmigung des Vormundschaftsgerichts bedürfte. Außerdem kann die Ermächtigung jederzeit vom gesetzlichen Vertreter zurückgenommen oder eingeschränkt werden. Schließlich stellt das Gesetz in diesem Zusammenhang noch eine Vermutung auf, dass die für einen einzelnen Fall erteilte Ermächtigung im Zweifel als eine allgemeine Ermächtigung zur Eingehung ähnlicher Verhältnisse gilt. Im Bereich eines selbständigen Erwerbsunternehmens verläuft die generelle Genehmigung an der Grenze solcher Rechtsgeschäfte, die der Geschäftsbetrieb eines derartigen Gewerbes für gewöhnlich mit sich bringt. Hier ist die Genehmigung des gesetzlichen Vertreters allerdings nicht frei widerruflich, sondern dazu benötigt er selbst die Zustimmung des Nachdruck und Vervielfältigung Seite 7/8

Vormundschaftsgerichts. 110 BGB ist unter dem Stichwort,,Taschengeldparagraph" bekannt. Auch hier geht es wie bei den übrigen generellen Genehmigungen nur um die Frage, ob an dem strengen Grundsatz, dass nicht lediglich rechtlich vorteilhafte Geschäfte wirksam sind, festgehalten werden soll, soweit der Minderjährige mit seinem Taschengeld die Leistungen selbst bewirken kann. Das Gesetz gestattet es ihm, wenn ihm diese Mittel zu diesem Zwecke oder zur freien Verfügung von dem gesetzlichen Vertreter oder von irgendeinem Dritten mit der Zustimmung des gesetzlichen Vertreters überlassen worden sind. Das muss nicht ausdrücklich geschehen, sondern auch eine stillschweigende Überlassung des Arbeitsverdienstes würde den Schluss rechtfertigen, dass hierüber der Minderjährige verfügen darf. Unbestritten ist es jedenfalls dann, wenn die Verwendung zu einem vernünftigen Zweck geschieht. Natürlich ist hier nicht nur Taschengeld im engeren Sinne gemeint. Hierzu gehört auch der Wechsel des Studenten oder der Arbeitsverdienst eines etwa auswärtig wohnenden Jugendlichen, der wegen seines vom Wohnort getrennten Arbeitsplatzes nicht bei den Eltern wohnen kann. Bewirken im Sinne des 110 BGB bedeutet aber, die vollständige Leistung zu erbringen. Deswegen fallen Kreditierungen oder Teilzahlungsverträge nicht unter die generelle Genehmigung des Taschengeldparagraphen. Nachdruck und Vervielfältigung Seite 8/8