Maß- und Integrationstheorie

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Prof. Dr. László Székelyhidi Maß- und Integrationstheorie Vorlesungsskript WS2013/14 4. Februar 2014

Inhaltsverzeichnis 1 Maße und σ-algebren.......................................... 1 1.1 Einführung: Das Problem der Volumendefinition................ 1 1.1.1 Elementarfiguren.................................... 2 1.1.2 Grenzen der Messbarkeit.............................. 4 1.2 Der abstrakte Rahmen....................................... 8 1.3 Konstruktion von Maßen.................................... 13 1.4 Das Lebesgue-Maß......................................... 17 1.4.1 Die Definition....................................... 17 1.4.2 Die Borel-Eigenschaft................................ 19 1.4.3 Eindeutigkeit........................................ 22 1.4.4 Transformationssatz.................................. 24 2 Messbare Funktionen........................................... 29 2.1 Definition................................................. 29 2.2 Eigenschaften.............................................. 32 2.3 Approximation............................................. 34 2.4 Die Sätze von Egorov und Lusin.............................. 35 2.5 Maßkonvergenz............................................ 39 3 Das Lebesgue-Integral.......................................... 41 3.1 Definition................................................. 42 3.2 Elementare Eigenschaften................................... 47 3.3 Konvergenzsätze........................................... 51 3.4 Vergleich zum Riemann-Integral.............................. 55 3.4.1 Riemann-integrierbare Funktionen...................... 55 3.4.2 Uneigentlich Riemann-integrierbare Funktionen.......... 58 4 Produktmaß und Mehrfachintegrale............................. 61 4.1 Das Cavalieri sches Prinzip.................................. 61 4.2 Die Sätze von Tonelli und Fubini............................. 66 4.3 Die Fläche unter dem Graphen.............................. 67 v

vi Inhaltsverzeichnis 5 Transformationssatz............................................ 69 5.1 Transformation von Mengen................................. 69 5.2 Transformation von Funktionen............................... 74 6 Flächeninterale und der Satz von Gauss.......................... 77 6.1 Die Zerlegung der Einheit................................... 77 6.2 Hyperflächen im R n........................................ 79 6.3 Das Flächenintegral......................................... 83 6.4 Der Satz von Gauss......................................... 86 6.5 Stückweise C 1 Rand........................................ 91 7 Die Räume L p, 1 p....................................... 97 7.1 Die Definition............................................. 97 7.2 Wichtige Ungleichungen.................................... 100 7.3 Vollständigkeit............................................. 101 7.4 Dichtheit von C c........................................... 103 7.5 Faltung................................................... 105

Kapitel 1 Maße und σ-algebren 1.1 Einführung: Das Problem der Volumendefinition Sei X eine beliebige nichtleere Menge, 2 X die Potenzmenge von X. Grundproblem der Maßtheorie ist es, eine geeignete nichtnegative Mengenfunktion µ auf Teilmengen A R n zu finden mit folgenden Eigenschaften: (a) Ist A B R n, so gilt µ(a) µ(b) (Monotonie); (b) Ist T : R n R n eine affine Isometrie und A R n, so gilt µ(ta) = µ(a) (Euklidische Invarianz); (c) µ([0,1] n ) = 1 (Normierung); (d) Sind A 1,A 2,A 3,... abzählbar viele paarweise disjunkte Teilmengen von R n, so gilt ( ) µ A j = µ(a j ) (σ-additivität). j=1 j=1 Wie wir bald sehen werden, existiert im Allgemeinen eine solche Abbildung nicht, sogar auch dann nicht, wenn die σ-additivität durch die schwächere Bedingung (e) Sind A,B R n beliebige disjunkte Teilmengen, so gilt µ(a B) = µ(a) + µ(b) (Additivität). ersetzt wird. Es wird also notwendig sein, die Familie der messbaren Mengen einzuschränken. Im Abschnitt 1.2 werden wir uns der allgemeinen Konstruktion von Maßen nach Carathéodory widmen. Zunächst wollen wir aber eine Klasse von Mengen einführen, die als Grundlage der Lebesgue schen Maßtheorie genommen wird, ähnlich etwa wie Treppenfunktionen als Grundlage der Riemann schen Integrationstheorie. 1

2 1 Maße und σ-algebren 1.1.1 Elementarfiguren Definition 1.1.1 (i) Für a = (a 1,...,a n ),b = (b 1,...,b n ) R n definieren wir das offene Intervall ]a,b[= n ]a k,b k [ falls a k < b k für alle k, sonst ]a,b[= /0. Analog definieren wir die Intervalle [a,b], ]a,b] und [a,b[. Im Falle offener oder halb-offener Intervalle sind die Werte a k = oder b k = + auch zugelassen. (ii) Der Inhalt eines Intervalls ist vol([a,b]) = vol(]a,b[) = vol(]a,b]) = vol([a,b[) = n (b k a k ) falls a k < b k für alle k, sonst = 0. Falls a k = oder b k = + für ein k, dann vol = +. (iii) Eine Elementarfigur ist die Vereinigung endlich vieler disjunkter Intervalle I 1,...,I m mit Inhalt vol ( m ) I j = j=1 m j=1 vol(i j ). Bemerkung 1.1.1 Offenbar ist das Komplement einer Elementarfigur und die Vereinigung endlich vieler Elementarfiguren wieder eine Elementarfigur. Ausserdem ist die Abbildung vol auf der Menge der Elementarfiguren monoton, normiert und additiv. Sei A R n eine beschränkte Menge. Analog zur Definition des Riemann schen Integrals können wir versuchen, das Volumen von A von innen und von außen durch Elementarfiguren anzunähern. Das heißt, sei J(A) = sup{vol(i), I A, I Elementarfigur} J(A) = inf{vol(i), I A, I Elementarfigur}. Die Mengenfunktionen J und J heißen innere bzw. äußere Jordan sche Maß. Eine (beschränkte) Menge heißt Jordan-messbar, falls J(A) = J(A) (vgl. Riemann sche Ober- und Unterintegrale aus Analysis 1). Beispiel 1.1.1 (Cantor-Menge) Entferne aus dem Intervall I (0) 1 = [0,1] ein zentriertes offenes Teilintervall U (1) 1 der Länge l 1, aus den entstehenden Teilintervallen

1.1 Einführung: Das Problem der Volumendefinition 3 I (1) 1, I(1) 2 jeweils ein zentriertes offenes Teilintervall U (2) j der Länge l 2, usw. wobei wir im k-ten Schritt aus den verbleibenden Teilintervallen I (k 1) j, 1 j 2 k 1 jeweils ein zentriertes Teilinervall U (k) j der Länge l k entfernen, mit l k 3 k, k N. Sei U = 2 k 1 j=1 U (k) j die Vereinigung aller entfernten Zentralintervalle, und C = [0,1] \U. Dann ist C abgeschlossen und C enthält keine offene Teilmengen (d.h. C = /0), und folglich J(C) = 0. Um das äussere Jordan-Maß von C abzuschätzen, sei V C eine Elementarfigur. OBdA dürfen wir annehmen, dass V offen ist, was wiederum bedeutet, dass es ein δ > 0 existiert, so dass x y δ für alle x C, y [0,1] \V. (weil C und [0,1] \ V beide kompakt sind). Sei k 0 N so dass 2 k 0 < δ. Dann 2 k 0 j=1 I (k 0) j V, und somit 2 k 0 vol(v ) vol( j=1 I (k 0) j ) = 1 k 0 2 k 1 l k 1 2 k 1 l k. Falls also die Längen l k so gewählt sind, dass 2k 1 l k < 1 (also l k < 3 k für ein k), dann J(C) 1 2 k 1 l k > 0. Folglich ist dann C (und auch U = [0, 1] \ C) nicht Jordan-messbar. Andererseits lässt sich jede offene Teilmenge von R n durch abzählbar viele paarweise disjunkte Intervalle ausschöpfen, wie der Satz unten zeigt. Diese Tatsache ist einer der Grundsteine, den wir zur Lebesgue schen Maßtheorie brauchen werden. Satz 1.1.1 Sei U R n offen. Dann existiert eine abzählbare Familie von paarweise disjunkten Intervallen {I j } j N, so dass U = j=1 I j. Die Beweismethode wird auch Whitney-Zerlegung genannt. Für k N definieren wir folgende Klasse von paarweise disjunkten Intervallen:

4 1 Maße und σ-algebren { n [ ai F k = i=1 2 k, a [ i + 1 2 k : a = (a 1,...,a n ) Z }. n Gegeben U R n offen, definieren wir induktiv I 0 = {I F 0 : I U}, I 1 = {I F 1 : I (U \U 0 )},. I k = {I F k : I (U \U k 1 )}, U 0 = J I 0 J U 1 = U 0 J I 1 J U k = U k 1 J I k J. Schliesslich setzen wir I = k=0 I k. Es ist offensichtlich, dass I eine Familie von abzählbar viele paarweise disjunkte halboffene Intervalle ist. Wir wollen nun zeigen, dass tatsächlich U = I. I I Da jedes I I eine Teilmenge von U ist, gilt U I I I. Umgekehrt, sei x U. Dann existiert ε > 0 so dass n i=1 ]x i ε,x i +ε[ U. Sei k N die kleinste natürliche Zahl, so dass 2 k < ε. Dann gilt: für alle i = 1,...,n existiert a i Z so dass und folglich x n i=1 x i ε < a i 2 k x i < a i + 1 2 k < x i + ε, [ ai 2 k, a [ i + 1 2 k n i=1 ]x i ε,x i + ε[ U. Also existiert I F k mit x I U. Sei nun k 0 die kleinste natürliche Zahl so dass ein I F k0 mit x I U existiert. Dann ist I I k0 I. Daher ist x I I I. 1.1.2 Grenzen der Messbarkeit Unter einer Verschiebung einer Menge A verstehen wir eine Menge der Form A + x = {a + x : a A}.

1.1 Einführung: Das Problem der Volumendefinition 5 Satz 1.1.2 (Vitali 1905) Es existiert eine Menge A R so dass (i) [0,1] enthält unendlich viele disjunkte Verschiebungen von A; (ii) R kann durch abzählbar viele disjunkte Verschiebungen von A überdeckt werden. Vor dem Beweis wollen wir kurz die Implikation dieser Existenz untersuchen. Sei µ : 2 R [0, ] eine σ-additive, invariante Mengenfunktion auf R mit µ([0,1]) = 1. Seien A 1,A 2, [0,1] paarweise disjunkte Verschiebungen von A (Eigenschaft (i)). Dann ( ) µ(a k ) = µ A k µ([0,1]) = 1. Andererseits folgt aus der Invarianz µ(a k ) = µ(a), k N. Daraus folgt µ(a) = 0, und somit µ(r) = 0 (Eigenschaft (ii)). Das ist ein Widerspruch zu µ([0, 1]) = 1. Also kann µ nicht existieren. 1. Für x,y R setze x y x y Q. Die Relation ist eine Äquivalenzrelation auf R. Sei X = {[x] = x + Q : x R} die Menge der Äquivalenzklassen. Jedes [x] stellt einen Orbit dar für die Operation von Q auf R. Mit dem Auswahlaxiom erhält man eine Menge A derartiger Repräsentanten, so dass jede Äquivalenzklasse [y] genau einen Repräsentanten x A besitzt mit [x] = [y]. Wir dürfen zudem A [0,1/2] annehmen. 2. Wir zeigen zunächst, dass (A + r) (A + s) = /0 für r,s Q, r s: Falls x (A + r) (A + s), dann x r,x s A sind beide Repräsentanten für [x], also folgt x r = x s und somit r = s. 3. Als nächstes zeigen wir Eigenschaft (i). Dies ist trivial, da offensichtlich [0,1] k=2 (A + 1 k ). 4. Zum Schluss zeigen wir, dass R = r Q(A + r). Sei y R und wähle x A mit [x] = [y]. Das heißt, r := y x Q. Daraus folgt y = x + r A k. Das Beispiel von Vitali lässt die Frage unbeantwortet, ob auf R n eine nichtnegative invariante und additive Mengenfunktion existiert. S. Banach hat diese Frage 1923 für Dimensionen n = 1 und n = 2 beantwortet: es existieren tatsächlich solche Mengenfunktionen. Allerdings hatte 1914 F. Hausdorff gezeigt, dass für n = 3

6 1 Maße und σ-algebren kein solches invariantes Maß existieren kann. Sein Beweis beruht, wie das von Vitali, auf die Existenz einer Menge mit paradoxen Eigenschaften. Satz 1.1.3 (Hausdorff 1914) Sei S R 3 die Einheitssphäre. Es existiert eine Teilmenge A S so dass (i) S enthält unendlich viele paarweise disjunkte kongruente Kopien von A; (ii) S kann durch 4 kongruente Kopien von A überdeckt werden. 1. Sei SO(3) die Menge der Rotationen φ : S S. Diese Menge ist eine Gruppe (d.h. wenn φ,ψ SO(3), dann ist die Verknüpfung φψ und die Inverse φ 1 auch eine Rotation). Seien φ,ψ SO(3) zwei Rotationen, und sei G die Untergruppe von SO(3) bestehend aus allen Rotationen der Form φ a 1 ψ a 2 φ a 3 ψ a 4...φ a 2m 1 ψ a 2m (1.1) für a 1,...,a 2m Z, m N, wobei m = 0 die Identität id SO(3) bedeutet. Um triviale Doppeldarstellungen zu vermeiden, verlangen wir auch: a 2,...,a 2m 1 0. Die Untergruppe G ist offensichtlich abzählbar. Nun ist es so, dass je nach Wahl der erzeugenden Rotationen φ und ψ unterschiedliche Darstellungen wie in (1.1) die gleiche Rotation darstellen können. Zum Beispiel, falls φψ = ψφ, folgt auch φ 1 ψ 1 = φ 0 ψ 1 φ 1 ψ 0. Man kann allerdings zeigen, dass, wenn φ eine Rotation um die x-achse und ψ eine Rotation um die z-achse, um jeweils Winkel θ bedeutet, wobei cos(θ) eine transzendente Zahl ist, dann jede Rotation in G eine eindeutige Darstellung der Form (1.1) besitzt. (In diesem Falle, den wir im Folgenden betrachten, heißt G eine freie Gruppe). 2. Wir definieren folgende Relation auf S: für x,y S gilt x y χ G mit y = χ(x). Es ist nicht schwer einzusehen, dass eine Äquivalenzrelation auf S ist. Für alle χ G, χ id existieren genau zwei Punkte x S mit χ(x) = x (nähmlich, die Punkte auf S, die auf der Rotationsachse von χ liegen). Daraus folgt, dass die Menge C := {x S : χ G, χ id, χ(x) = x} abzählbar ist. Bemerke, dass aus x C und x y folgt y C (Beweis?). Folglich ist sowohl C wie auch S \C eine Vereinigung von Äquivalenzklassen.

1.1 Einführung: Das Problem der Volumendefinition 7 3. Sei B eine Teilmenge von S \C, die aus jeder Äquivalenzklasse in S \C genau einen Elementen enthällt ( Auswahlaxiom!). Ausserdem sei H G die Menge aller Rotationen, in dessen Darstellung aus (1.1) a 1 0. Wir definieren nun die Menge: A := {χ(x) : χ H, x B}. 4. Wir zeigen, dass die Mengen ψ n (A), n N, paarweise disjunkt sind. Falls nicht, existieren n m und y ψ n (A) ψ m (A). Dann existieren Punkte x 1,x 2 B und Rotationen χ 1, χ 2 H so dass y = ψ n χ 1 (x 1 ) = ψ m χ 2 (x 2 ). Also x 1 = χ1 1 ψm n χ 2 (x 2 ), und somit gilt x 1 x 2. Da B aus jeder Äquivalenzklasse nur einen Repräsentanten enthällt, folgt x 1 = x 2, und deshalb gilt x 1 = χ(x 1 ), wobei χ = χ1 1 ψm n χ 2. Da die Darstellung wie in (1.1) von χ1 1 auf φ endet, die von χ 2 mit φ beginnt, und m n, folgt, dass χ id. Das ist aber ein Widerspruch, da B S \C. 5. Wir zeigen nun, dass S \C A φ(a). Sei x S \C und y B mit x y. Dann existiert χ G mit χ(y) = x. In der Darstellung von χ ist entweder a 1 = 0 oder a 1 0. Falls a 1 = 0, dann φ 1 χ H, und somit x = φφ 1 χ(y) φ(a). Falls a 1 0, dann χ H und somit x A. 6. Da C abzählbar ist, existiert eine Rotation ρ SO(3) mit ρ(c) C = /0. (Beweis?). Dann gilt ρ(c) S \C A φ(a), und deshalb C ρ 1 (A) ρ 1 φ(a). Zusammenfassend: S = C (S \C) A φ(a) ρ 1 (A) ρ 1 φ(a), also ist S enthalten in der Vereinigung von 4 kongruenten Kopien von A. Die Beispiele von Vitali und Hausdorff zeigen, dass es im Allgemeinen nicht möglich ist, auf R n ein invariantes Maß zu definieren. Unsere Strategie, um dieses Problem umzugehen, ist, die Klasse der Teilmengen, die wir messen wollen, einzuschränken.

8 1 Maße und σ-algebren 1.2 Der abstrakte Rahmen Sei X eine beliebige Menge und 2 X die Potenzmenge von X. Im ersten Abschnitt haben wir gesehen, dass es nicht möglich ist, i.a. eine additive oder σ-additive Mengenfunktion auf allen Teilmengen von R n zu definieren, die auch invariant und normiert ist. In diesem Abschnitt behandeln wir, zunächst abstrakt, die Konstruktion von Carathéodory, mit der es möglich ist, aus einer (σ-)subadditiven Mengenfunktion eine geeignete Definition von Maß herzuleiten, in dem man es auf die Klasse der messbaren Mengen einschränkt. Definition 1.2.1 Eine Abbildung µ : 2 X [0, ] heißt (äußeres) Maß auf X, falls (i) µ(/0) = 0, (ii) µ(a) µ(a k), sofern A A k. Bemerkung 1.2.1 Manche Autoren bezeichnen eine σ-subadditive Mengenfunktion als äußeres Maß, und die Einschränkung auf die Familie der messbaren Mengen als Maß. Beispiel 1.2.1 (i) Sei X /0, und sei für A X { 0 A = /0, µ(a) = 1 A /0. (ii) Das Zählmaß auf X ist µ(a) = #A, die Anzahl der Elemente von A. Bemerkung 1.2.2 Die Eigenschaft (ii) aus Definition (1.2.1) impliziert die σ- Subadditivität ( ) µ A k µ(a k ) (wobei (A k ) k N nicht unbedingt paarweise disjunkt sind). Ausserdem folgt die Monotonie µ(a) µ(b), falls A B. Zentraler Punkt in der Konstruktion von Maßen ist die Definition einer messbaren Menge.

1.2 Der abstrakte Rahmen 9 Definition 1.2.2 (Carathéodory) Sei µ ein Maß. Eine Menge A X heißt µ- messbar, falls für alle B X gilt µ(b) = µ(b A) + µ(b \ A). (1.2) Bemerkung 1.2.3 Wegen der Subadditivität ist (1.2) äquivalent zur Bedingung µ(b) µ(b A) + µ(b \ A). (1.3) Beispiel 1.2.2 (i) Im Beispiel 1.2.1 (i) ist eine Menge A X genau dann µ-messbar, wenn A = /0 oder A = X. (ii) Bezüglich dem Zählmaß ist jede Menge messbar. Definition 1.2.3 Eine Familie A 2 X heißt σ-algebra, falls (i) X A, (ii) A X X \ A = A c A, (iii) A k A,k N A k A. Falls (iii) nur für endliche Vereinigungen gilt, heißt A eine Algebra. Bemerkung 1.2.4 Ist A eine σ-algebra, so gilt auch (iv) A k A,k N A k A. Dies folgt aus der De Morgansche Gesetz ( ) A k = X \ (X \ A k ). Somit ist eine σ-algebra eine Familie von Teilmengen, die unter einer Verkettung abzählbar vieler Mengenoperationen abgeschlossen ist. Beispiel 1.2.3 (i) Sei X /0. Dann ist A = {/0,X} eine σ-algebra. (ii) Die Potenzmenge 2 X ist immer eine σ-algebra. Satz 1.2.1 Sei µ : 2 X [0, ] ein Maß. Dann ist

10 1 Maße und σ-algebren eine σ-algebra. Σ := {A X : A ist µ-messbar} 1. X Σ, da für alle B X gilt µ(b X) + µ(b \ X) = µ(b) + µ(/0) = µ(b). 2. Falls A Σ, dann auch A c Σ, da für alle B X gilt B A c = B \ A und B \ A c = B A, also µ(b A c ) + µ(b \ A c ) = µ(b \ A) + µ(b A) = µ(b). 3. Seien A 1,...,A m Σ. Wir zeigen mit Induktion nach m, dass m A k Σ. m = 1: ok. m 1 m: Sei A = m 1 A k. Nach Annahme ist A µ-messbar. Für B X gilt daher µ(b) = µ(b A) + µ(b \ A). Da auch A m messbar ist, gilt andererseits µ(b \ A) = µ ( (B \ A) A m ) + µ ( (B \ A) \ Am ). Mit B (A A m ) = (B A) ( (B \ A) A m ) folgt µ(b) = µ(b A) + µ(b \ A) = µ(b A) + µ ( (B \ A) A m ) + µ ( (B \ A) \ Am ) µ ( B (A A m ) ) + µ ( B \ (A A m ) ). Also ist m A k = A A m nach Bemerkung 1.2.3 messbar. 4. Seien A k Σ, k N. Wir zeigen, dass A = A k Σ. Wir können obda annehmen, dass A k A j = /0 (k j) (weil wir sonst die Mengen à 1 = A 1, à k = A k \ k 1 j=1 A j Σ betrachten können). Da jedes A k messbar ist, gilt für alle m N m µ(b A k ) = µ ( m ) ( m ) (B A k ) A m + µ (B A k ) \ A m m 1 = µ(b A m ) + µ(b A k ) = = m µ(b A k ). (1.4) Mit (iii) und der Monotonie von µ (siehe Bemerkung 1.2.3) folgt

1.2 Der abstrakte Rahmen 11 m m m µ(b) = µ(b A k ) + µ(b \ A k ) µ(b A k ) + µ(b \ A). Wegen der σ-subadditivität und mit m folgt µ(b) µ(b A k ) + µ(b \ A) µ(b A) + µ(b \ A), was nach Bemerkung 1.2.3 die Messbarkeit von A impliziert. Definition 1.2.4 Sei µ : 2 X [0, ] ein Maß auf X und Σ die σ-algebra der messbaren Mengen. Dann heisst (X,Σ, µ) heißt ein Maßraum. Satz 1.2.2 (Eigenschaften messbarer Mengen) Sei {A k } k N eine Folge von µ-messbaren Mengen. (i) Falls die A k paarweise disjunkt sind, dann gilt µ( A k ) = µ(a k ). (σ-additivität) (ii) Falls A 1 A k A k+1..., dann lim µ(a k) = µ( A k ). k (iii) Falls A 1 A k A k+1... und µ(a 1 ) <, dann lim µ(a k) = µ( A k ). k 1. Aus (1.4) mit B = X erhalten wir m µ( A k ) = m Es folgt aus der Monotonie und σ-subadditivität µ(a k ).

12 1 Maße und σ-algebren Daraus folgt (i). µ( A k ) lim µ( m m A k ) = 2. Um (ii) zu zeigen, benutzen wir (i) wie folgt: lim µ(a k) = µ(a 1 ) + k 3. Teil (iii) folgt ähnlich aus (ii): µ(a k ) µ( A k ). µ(a k+1 \ A k ) = µ( A k ). µ(a 1 ) lim k µ(a k ) = lim k µ(a 1 \ A k ) = µ ( (A 1 \ A k ) ) µ(a 1 ) µ( A k ). Beispiel 1.2.4 Die Bedingung µ(a 1 ) < in (iii) ist notwendig, das zeigt folgendes Beispiel: Sei X = N und µ das Zählmaß. Sei A k = {k,k + 1,k + 2,...}. Dann gilt A k A k+1, µ(a k ) =, aber A k = /0. Definition 1.2.5 N X heißt µ-nullmenge, falls µ(n) = 0. Satz 1.2.3 Sei N X eine µ-nullmenge. Dann ist N µ-messbar. Sei B X. Dann µ(b N) + µ(b \ N) µ(n) + µ(b) = µ(b). Aus Bemerkung 1.2.3 folgt, dass N messbar ist.

1.3 Konstruktion von Maßen 13 1.3 Konstruktion von Maßen Sei X /0 beliebig. Definition 1.3.1 Sei A 2 X eine Algebra. Eine Abbildung m : A [0, ] heißt ein Prämaß, falls (i) m(/0) = 0, (ii) m ist σ-additiv, d.h. falls A,A 1,A 2, A paarweise disjunkt mit A = A k, dann m(a) = m(a k ). Falls eine Überdeckung X = E k existiert mit E k A und m(e k ) < für alle k N, dann heißt m σ-endlich. Bemerkung 1.3.1 Sei A die Menge der Elementarfiguren aus Definition 1.1.1 auf R n. Laut Bemerkung 1.1.1 ist A eine Algebra. Die Abbildung vol : A [0, ] ist ein Prämaß. Wir zeigen, dass vol σ-additiv auf A ist. 1. Seien I eine Elementarfigur und I 1,I 2,... paarweise disjunkte Elementarfiguren mit I = j=1 I j. Wegen I N j=1 I j sowie der Monotonie und der Additivität von vol gilt für alle N N Mit N folgt. vol(i) vol ( N ) I j = j=1 N j=1 vol(i j ). 2. Umgekehrt seien obda I und I j, j N, Intervalle mit j=1 vol(i j) <. Sei I der Abschluss von I, I L = I [ L,L] n, L N. Dann gilt vol(i L ) vol(i) mit L. Sei ε > 0 und seien Ĩ j (1 + ε)i j offene Intervalle mit vol(ĩ j ) < (1 + ε) n vol(i j ) + ε 2 j, j N. Dann I L Ī (1 + ε)i = (1 + ε)i j Ĩ j, j=1 j=1

14 1 Maße und σ-algebren wobei I L kompakt und die Ĩ j offen sind. Behauptung: Es existieren endlich viele Intervalle Ĩ j, 1 j N = N(L), die die Menge I L überdecken. Beweis: Falls nicht, finden wir induktiv eine Folge von abgeschlossenen Intervallen I L J 1 J 2..., so dass keine der Intervalle J k eine endliche Überdeckung durch die Mengen (Ĩ j ) j N hat, aber diam J k 0 mit k. Aus der Vollständigkeit von R n folgt, dass J k = {x} für ein x I L. Somit existiert ein j 0, so dass x Ĩ k0. Da Ĩ k0 offen ist, existiert δ > 0, so dass B δ (x) Ĩ k0. Aber weil diam J k 0, existiert dann k 0 so dass J k0 B δ (x) Ĩ k0, ein Widerspruch. Dann folgt vol(i L ) vol ( N ) Ĩ j j=1 N j=1 vol(ĩ j ) (1 + ε) n vol(i j ) + ε. j=1 Die Behauptung folgt mit ε 0 und L. Hauptsatz der Maßtheorie ist folgender Satz über die (Carathéodory-)Erweiterung eines Prämaßes: Satz 1.3.1 (Erweiterungssatz von Carathéodory) Sei A 2 X eine Algebra und m : A [0, ] ein Prämaß. Dann ist } µ(a) := inf A j (1.5) { m(a j ) : A j A, A j=1 ein (äußeres) Maß auf X. Ausserdem gilt: (i) µ(a) = m(a) für alle A A ; (ii) Jedes A A ist µ-messbar. Falls m zusätzlich σ-endlich ist, ist die Carathéodory-Erweiterung µ in (1.5) eindeutig. Das heißt, falls µ : 2 X [0, ] ein (äußeres) Maß mit µ(a) = m(a) für alle A A ist, dann µ(a) = µ(a) für alle µ-messbaren Mengen A. j=1 1. Offenbar ist µ wohldefiniert, da X A und somit existiert zu jeder Menge A mindestens eine Überdeckung. Ausserdem µ 0 und µ(/0) = 0. Nun zeigen wir die σ-subadditivität von µ. Sei A A k. Sei ε > 0. Zu jedes k N wähle (A jk ) j N A mit A k j=1 A jk und j=1 m(a jk ) < µ(a k ) + 2 k ε.

1.3 Konstruktion von Maßen 15 Da A von den abzählbar vielen Mengen (A jk ) j,k N überdeckt wird, folgt µ(a) j=1 m(a jk ) µ(a k ) + ε. Mit ε 0 folgt die σ-subadditivität von µ. Damit haben wir gezeigt, dass µ ein Maß ist. 2. Sei A A. Offenbar gilt µ(a) m(a). Wir zeigen nun die umgekehrte Ungleichung. Sei A A k mit A k A, k N. Wir können obda annehmen, dass A k A j = /0 (k j) (weil wir sonst die Mengen à 1 = A 1, à k = A k \ k 1 j=1 A j A betrachten können). Setze à k := A k A A, k N. Die Familie (à k ) k N ist paarweise disjunkt und A = à k. Aus der σ-additivität von m (Definition von Prämaß) folgt m(a) = m(ã k ) m(a k ). Da (A k ) k N beliebig war, folgt nach Übergang zum Infimum: } m(a) inf m(a k ) : A A k, A k A = µ(a). { 3. Sei A A. Wir zeigen, dass A µ-messbar ist. Sei B X beliebig. Dann existiert zu jedes ε > 0 eine Folge B k A mit B B k, und Weil A A und B k A, gilt für alle k N: m(b k ) µ(b) + ε. m(b k ) = m(b k A) + m(b k \ A). Aus folgt dann B A (B k A) und B \ A (B k \ A) µ(b A) + µ(b \ A) = m(b k A) + m(b k ) µ(b) + ε. Mit ε 0 folgt die Behauptung aus Bemerkung 1.2.3. m(b k \ A)

16 1 Maße und σ-algebren 4. Sei µ eine beliebige Erweiterung von m. Sei A beliebig und A k A, k N, mit A A k. Da µ σ-subadditiv ist, folgt µ(a) µ(a k ) = m(a k ). Nach Übergang zum Infimum bezüglich (A k ) k N folgt µ(a) µ(a). 5. Falls A µ-messbar ist, zeigen wir auch die umgekehrte Ungleichung. Betrachte dazu zunächst A E, wobei E A mit m(e) <. Aus 4. erhalten wir µ(e \ A) µ(e \ A) µ(e) = m(e) <. (1.6) Da A µ-messbar ist, und laut 3. auch E A µ-messbar ist, folgt mit der σ- Subadditivät von µ µ(a) + µ(e \ A) µ(a) + µ(e \ A) = µ(e) = m(e) = µ(e) µ(a) + µ(e \ A). Also muss überall Gleichheit gelten. Dann folgt wiederum aus 4. und (1.6) die Behauptung µ(a) = µ(a). 6. Im Allgemeinen sei X E k, wobei E k A mit m(e k ) <, und obda sind (E k ) k N paarweise disjunkt. Aus 5. folgt für alle N N ( ) ( ) N N µ (E k A) = µ (E k A). Aus der Monotonie von µ (vgl. Bemerkung 1.2.2) und aus Satz 1.2.2 (ii) erhalten wir ( ) N µ(a) lim µ (E k A) N ( ) N = lim µ (E k A) = µ(a). N

1.4 Das Lebesgue-Maß 17 1.4 Das Lebesgue-Maß 1.4.1 Die Definition Wir haben in den vorigen Abschnitten gesehen, dass das Elementarinhalt vol auf der Algebra der Elementarfiguren (vgl. Definition 1.1.1 und Bemerkungen 1.1.1 und 1.3.1) ein Prämaß ist. Mit der Konstruktion von Carathéodory erhalten wir daraus das Lebesgue-Maß: Definition 1.4.1 (Lebesgue-Maß) Das Lebesgue-Maß auf R n ist definiert als die Carathéodory-Erweiterung des Elementarinhalts. Bemerkung 1.4.1 Laut Definition der Carathéodory-Erweiterung ist das Lebesgue- Maß einer Menge A R n definiert als } L n (A) := inf vol(e k ) : A E k, E k Elementarfiguren. { Einen praktikableren Ausdruck für L n (A) erhalten wir allerdings mit der Formel } L n (A) := inf vol(i k ) : A I k, I k Intervalle. (1.7) { Der Unterschied zum Jordan-Maß besteht also darin, dass abzählbare statt endliche Überdeckungen von Intervallen genommen werden. Um (1.7) einzusehen, sei A R n und sei L n (A) der Ausdruck in (1.7). Da jedes Intervall auch eine Elementarfigur ist, ist das Infimum in (1.7) über eine kleinere Menge, es folgt also L n (A) L n (A). Umgekehrt, sei (E k ) k N eine Folge von Elementarfiguren mit A k E k. Laut Definition 1.1.1 existieren zu jedes E k Intervalle I k, j, j = 1,...,N k, die paarweise disjunkt sind, E k = N k j=1 I k, j und vol(e k ) = N k j=1 vol(i k, j). Dann gilt N k A I k, j j=1 und N k j=1 vol(i k, j ) = vol(e k ). Folglich gilt und somit ist (1.7) bewiesen. L n (A) L n (A),

18 1 Maße und σ-algebren Bemerkung 1.4.2 Es folgt direkt aus der Definition, dass L n translationsinvariant ist, d.h. L n (E + x) = L n (E) für alle E R n. Bemerkung 1.4.3 Aus Satz 1.3.1 folgt, dass L n (I) = vol(i) für alle Intervalle, insbesondere L n ([0,1] n ) = 1. Ausserdem ist jedes Intervall Lebesgue-messbar. Bemerkung 1.4.4 Gemäß Definition 1.2.5 heißt eine Menge A R n (Lebesgue- )Nullmenge, falls ε > 0 (I k ) k N Intervalle, so dass A I k und vol(i k ) < ε. Beispiel 1.4.1 Q R ist eine Nullmenge. Folgerung 1.4.1 Jede offene Menge U R n ist Lebesgue-messbar. Satz 1.1.1 besagt, dass jede offene Menge als disjunkte Vereinigung abzählbar vieler Intervalle dargestellt werden kann. Da die Menge der Lebesgue-messbaren Mengen eine σ-algebra ist (Satz 1.2.1), folgt, dass jede offene Menge Lebesgue-messbar ist. In dem obigen Beweis wird benutzt, dass die Menge Σ der Lebesgue-messbaren Mengen abgeschlossen unter abzählbare Vereinigungen und Durchschnitten ist. Es stellt sich die natürliche Frage, ob es kleinere σ-algebren existieren, die auch alle Intervalle enthalten. Zunächst klären wir, was in diesem Zusammenhang kleinste heißt. Satz 1.4.1 Sei X eine nichtleere Menge und F 2 X. Es existiert eine kleinste σ-algebra Σ in X, so dass F Σ. Das heißt, falls A in X eine σ-algebra ist mit F A, dann Σ A. Die kleinste σ-algebra wird dann die durch F erzeugte σ-algebra genannt. Sei die Menge aller σ-algebren in X, die F enthalten. Da 2 X selbst eine σ- Algebra ist, ist nicht leer. Sei Σ := A A

1.4 Das Lebesgue-Maß 19 der Durchschnitt aller σ-algebren in. Dann F Σ. Wir behaupten, dass Σ auch eine σ-algebra ist. Um dies einzusehen, sei A k Σ, k N. Dann A k A für alle k N und alle A, und weil A eine σ-algebra ist, folgt, dass k A k A für alle A. Folglich k A k Σ. Ähnlich lässt sich verifizieren, dass X Σ, und dass A Σ X \A Σ. Somit ist also Σ eine σ-algebra. Es ist offensichtlich auch die kleinste. Definition 1.4.2 Die σ-algebra B der Borel-Mengen ist die σ-algebra auf R n erzeugt durch die offenen Mengen, d.h. es ist die kleinste σ-algebra, die alle offenen Mengen in R n enthält. Bemerkung 1.4.5 Offensichtlich enthält B alle abgeschlossenen Mengen, und somit auch abzählbare Vereinigungen von abgeschlossenen Mengen und auch abzählbare Durchschnitte offener Mengen. Letztere werden F σ -Mengen bzw. G δ -Mengen genannt (σ steht für Summe, und δ steht für Durchschnitt ). Ein halb-offenes Intervall ist zum Beispiel gleichzeitig F σ und G δ in R n. Die σ-algebra B ist die kleinste σ-algebra, die alle Intervalle enthält. Dies folgt unmittelbar aus Satz 1.1.1. Ausserdem folgt, genauso wie Folgerung 1.4.1: Folgerung 1.4.2 Jede Borel-Menge ist Lebesgue-messbar. 1.4.2 Die Borel-Eigenschaft Die Relation zwischen einem Maß, zunächst mengentheoretisch kontruiert, und die Topologie des ambienten Raumes, ist Inhalt folgender Definitionen: Definition 1.4.3 (i) Ein Maß µ auf R n heißt Borel-Maß, falls jede Borel-Menge µ-messbar ist; (ii) Ein Maß µ auf R n heißt Borel-regulär, falls µ ein Borel-Maß ist, und zu jeder Teilmenge A R n existiert eine Borel-Menge B A so dass µ(a) = µ(b). (iii) Ein Maß auf R n heißt Radon-Maß, falls µ Borel-regulär ist, und µ(k) < für alle kompakten Teilmengen K R n. Aus der Konstruktion vom Lebesgue-Maß in Definition 1.4.1 folgt:

20 1 Maße und σ-algebren Satz 1.4.2 Für alle A R n gilt L n (A) = inf L n (G). G A,G offen Insbesondere ist L n ein Radon-Maß auf R n. In dem obigen Satz muss A nicht unbedingt messbar sein. 1. Wenn A G, gilt wegen der Monotonie vom Lebesgue-Maß, dass L n (A) L n (G). Daraus folgt L n (A) inf L n (G). G A,G offen 2. Sei ε > 0. Es existieren Intervalle (I k ) k N so dass Wähle offene Intervalle Ĩ k I k so dass Dann G := Ĩ k ist offen, A G und L n (G) vol(i k ) L n (A) + ε. vol(ĩ k ) < vol(i k ) + ε2 k. vol(i k ) + ε L n (A) + 2ε. Da ε > 0 beliebig ist, folgt die umgekehrte Ungleichung L n (A) inf L n (G). G A,G offen 3. Wir zeigen jetzt, dass L n Borel-regulär ist. Sei A R n. OBdA L n (A) < (sonst wähle in Definition 1.4.3 (ii) B = R n ). Gemäß 1. und 2. existieren offene Mengen G k A, k N, mit L n (G k ) < L n (A) + 1/k. Insbesondere L n (G 1 ) <, und OBdA gilt zudem G k+1 G k für alle k. Setze B = G k. Dann ist B eine Borel-Menge, und aus Satz 1.2.2 (iii) folgt, dass L n (B) = lim k L n (G k ) = L n (A).

1.4 Das Lebesgue-Maß 21 4. Zum Schluss zeigen wir, dass L n ein Radon-Maß ist. Sei K R n kompakt. Dann ist K beschränkt, also existiert L > 0 so dass K [ L,L] n. Aus der Monotonie vom Lebesgue-Maß folgt L n (K) L n ([ L,L] n ) = 2 n L n <. Satz 1.4.3 A R n ist Lebesgue-messbar genau dann, wenn für alle ε > 0 ein G A offen existiert, so dass L n (G \ A) < ε. 1. Sei A R n Lebesgue-messbar und sei L n (A) <. Sei ε > 0 und wähle G A offen, wie im Satz 1.4.2, so dass Da A messbar ist, folgt L n (G) < L n (A) + ε. L n (G) = L n (G A) + L n (G \ A) = L n (A) + L n (G \ A). Also L n (G \ A) < ε. 2. Sei A R n Lebesgue-messbar mit L n (A) =, und sei A k = A [ k,k] n, k N. Dann ist L n (A k ) < für alle k, und A = A k. Wähle, gemäß 1. zu jedem k eine offene Menge G k A k so dass L n (G k \ A k ) < ε2 k, und sei G = G k. Dann ist G offen, G A, und L n (G \ A) L n (G k \ A k ) < ε. 3. Sei A R n, sei ε > 0 beliebig, und sei G A offen mit L n (G \ A) < ε. Wir zeigen, dass A messbar ist. Sei B R n beliebig. Da G nach Folgerung 1.4.1 messbar ist, gilt L n (B) = L n (B G) + L n (B \ G). Da A G, folgt L n (B G) L n (B A). Ausserdem B \ A (B \ G) (G \ A), also gilt auch L n (B \ G) L n (B \ A) L n (G \ A). Wir erhalten L n (B) L n (B A) + L n (B \ A) ε. Mit ε 0 folgt die Behauptung.

22 1 Maße und σ-algebren Folgerung 1.4.3 Für alle Lebesgue-messbare A R n gilt L n (A) = sup F A,F abg. L n (F). Sei A R n Lebesgue-messbar. Dann ist auch A c = R n \ A auch messbar. Sei ε > 0. Gemäß Satz 1.4.2 existiert G R n offen mit G A c und L n (G \ A c ) < ε. Sei F = G c. Offensichtlich ist F abgeschlossen, und F A. Ausserdem gilt Ausserdem, F ist messbar, also L n (A \ F) = L n (A G) = L n (G \ A c ) < ε. L n (A) = L n (A F) + L n (A \ F) L n (F) + ε. Da ε > 0 beliebig, folgt die Behauptung. Bemerkung 1.4.6 Lebesgue-messbare Mengen sind also genau diejenige, die sich von sowohl von innen durch abgeschlossene, wie auch von außen durch offene Mengen approximieren lassen: A R n ist genau dann Lebesgue-messbar, wenn ε > 0 F A G, F abg., G offen : L n (G \ F) < ε. 1.4.3 Eindeutigkeit Satz 1.4.4 Sei µ ein translations-invariantes Radon-Maß auf R n. Dann existiert eine Konstante c 0, so dass µ(a) = cl n (A) für alle Borel-Mengen A R n. Bemerkung 1.4.7 Die Bedingung, das µ(k) < für kompakte K ist notwendig: das Zählmaß µ auf R n ist ein translations-invariantes Borel-Maß, aber µ(u) = für alle offene U. Sei µ ein translations-invariantes Radon-Maß auf R n. Insbesondere sind dann alle Intervalle µ-messbar. Sei c := µ([0,1[ n ) <. [ [ 1. Wir zeigen, dass µ(i) = cl n (I) für alle Intervalle der Form I = ai, a i+1, 2 k 2 k wobei a = (a 1,...,a n ) Z n und k = 0,1,2,... Für k = 0 handelt es sich um Gitterwürfel der Seitenlänge 1, d.h. um Würfel der Form a + [0,1[ n. Aus der Translationsinvarianz folgt direkt µ(a + [0,1[ n ) = c = cl n (a + [0,1[ n ).

1.4 Das Lebesgue-Maß 23 Für k 1 folgt zunächst wieder aus der Translationsinvarianz, dass ([ ai µ 2 k, a [) i + 1 2 k = µ([0,2 k [ n ) für alle a Z n. Zerlege [0,1[ in 2 nk disjunkte 2 k -Würfel, die alle Verschiebungen von [0,2 k [ n sind. Dann gilt µ([0,1[ n ) = 2 nk µ([0,2 k [), so dass µ([0,2 k [) = 2 nk c = cl n ([0,2 k [ n ). Damit ist die Behauptung bewiesen. 2. Aus dem Beweis von Satz 1.1.1 folgt, dass jede offene Menge (laut Annahme µ-messbar) zerlegt werden kann in eine abzählbare Vereinigung von paarweise disjunkten Würfel der Form a + [0,2 k [ mit a Z n. Es folgt also, dass für alle offene Mengen U R n. µ(u) = cl n (U) 3. Sei A R n beliebig und U R n offen mit U A. Aus der Monotonie von µ un 2. folgt, dass µ(a) µ(u) = cl n (U). Infimum über solche U und Satz 1.4.2 liefert dann µ(a) cl n (A) für alle A R n. 4. Sei nun A R n eine beschränkte Borel-Menge. Dann existiert ein L > 0 so dass U :=] L,L[ n A. Folglich gilt µ(a) c2 n L n < und L n (A) 2 n L n <. Ausserdem sind sowohl U und auch A µ-messbar (und Lebesgue-messbar). Also µ(u) = µ(u A) + µ(u \ A) und L n (U) = L n (U A) + L n (U \ A), und µ(u) = c2 n L n = cl n (U). Mit 3. erhalten wir µ(u) µ(a) = µ(u \ A) cl n (U \ A) = cl n (U) cl n (A) = µ(u) cl n (A). Daraus folgt µ(a) cl n (A) 5. Sei A R n eine allgemeine Borel-Menge, und sei A k = A [ k,k] n. Dann A k A k+1 für alle k = 1,2,3,..., und laut 3. und 4. gilt µ(a k ) = cl n (A k ) für alle k. Aus Satz 1.2.2 (ii), angewendet auf µ und L n folgt µ(a) = lim k µ(a k ) = c lim k L n (A k ) = cl n (A). Aus der Eindeutigkeit folgt auch die Bewegungsinvarianz von dem Lebesgue- Maß. Folgerung 1.4.4 Sei T : R n R n eine lineare Transformation. Es existiert (T ) 0, so dass

24 1 Maße und σ-algebren L n (T (A)) = (T )L n (A) für alle A R n. Insbesondere gilt (T ) = 1, falls T eine Rotation ist. Sei T : R n R n eine lineare Transformation. 1. Falls kert {0}, dann existiert ein echter Unterraum E von R n (d.h. dime n 1) so dass T (A) E für alle A R n. Damit ist dann L n (T (A)) L n (E) = 0 (siehe Übung!), also gilt die Behauptung mit (T ) = 0. 2. Falls kert = {0}, dann ist T : R n R n invertierbar, ist also ein Homeomorphismus (T und T 1 beide stetig). Folglich ist das Bild offener Mengen offen, das Bild kompakter Mengen ist kompakt, und allgemeiner, Definiere die Mengenfunktion A Borel-Menge T (A) Borel-Menge. µ(a) = L n (T (A)) A R n. Es folgt unmittelbar aus der Definition, dass µ ein Radon-Maß auf R n ist. Aus Satz 1.4.4 folgt, dass es eine Zahl (T ) 0 existiert, so dass µ(a) = (T )L n (A) für alle Borel-Mengen. Aus der Borel-Regularität (Definition 1.4.3 (ii)) folgt, dass dies auch für alle Teilmengen A R n gilt. 3. Sei T eine Rotation, und sei B := {x R n : x 1}. Da B [ 1/2,1/2] n, ist L n (B) 0. Aus 2. folgt, dass L n (B) = L n (T (B)) = (T )L n (B) also (T ) = 1. 1.4.4 Transformationssatz Wir haben gezeigt, dass das Lebesgue-Maß L n Euklidisch invariant ist (Eigenschaft (b) aus 1.1). Ausserdem existiert zu jeder linearen Transformation T : R n R n eine Zahl (T ) 0, so dass L n (T (A)) = (T )L n (A) für alle A R n. Wir wollen nun diese Beziehung genauer untersuchen. Sei {e 1,...,e n } die Standardbasis für R n, und T : R n R n eine lineare Transformation. Dann existieren α i j R so dass Te j = n i=1 α i j e i.

1.4 Das Lebesgue-Maß 25 Also ist (α i j ) i, j=1..n die Matrix der Transformation T bezüglich der Basis {e 1,...,e n }. Wir definieren dett := det [ (α i j ) i, j=1..n ] als Determinante dieser n n Matrix. Es folgt aus elementaren Eigenschaften der Determinante, dass dett unabhängig von der Wahl der Basis ist. Satz 1.4.5 Sei T : R n R n eine lineare Transformation. Dann L n (T (A)) = dett L n (A) für alle A R n. Aus Folgerung 1.4.4 wissen wir, dass L n (T (A)) = (T )L n (A) für alle A R n. Wir müssen also zeigen, dass (T ) = dett. Insbesondere, mit A = [0,1[ n wissen wir, dass L n ([0,1[ n ) = 1, also reicht zu zeigen, dass L n (T ([0,1[ n )) = dett. (1.8) Der Fall dett = 0 entspricht dem in der Folgerung 1.4.4 behandelten Fall kert {0}. In diesem Fall gilt (T ) = 0. Im Folgenden betrachten wir also den Fall dett 0. 1. Seien T 1,T 2 : R n R n lineare Transformationen. Dann gilt L n ((T 1 T 2 )(A)) = (T 2 )L n (T 1 (A)) = (T 2 ) (T 1 )L n (A), so dass (T 1 T 2 ) = (T 1 ) (T 2 ). Gleichermaßen gilt det(t 1 T 2 ) = dett 1 dett 2. In anderen Worten, (T ) und dett sind beide multiplikativ. Aus der Linearen Algebra wissen wir, dass jede lineare Transformation darstellbar ist als Verknüpfung endlich vieler Transformationen der folgenden drei Typen: (I) {Te 1,...Te n } ist eine Permutation von {e 1,...,e n }; (II) Te 1 = αe 1, α R, und Te i = e i für i = 2,...,n; (III) Te 1 = e 1 + e 2, Te i = e i für i = 2,...,n. Um dies einzusehen, betrachte die Gauß-Jordan-Algorithmus zur Umformung eines linearen Gleichungssystems. Jeder Schritt des Algorithmus entspricht einer Transformation der Typen (I),(II),(III). Folglich reicht es, (1.8) für diese drei Typen von Transformationen zu zeigen. 2. Sei T wie in (I). Dann ist dett = ±1 und T ([0,1[ n ) = [0,1[ n. Damit ist (1.8) klar. 3. Sei T wie in (II). Dann

26 1 Maße und σ-algebren { T ([0,1] n [0,α[ [0,1[ n 1 falls α > 0, ) = ]α,0] [0,1[ n 1 falls α < 0. In beiden Fällen L n (T ([0,1[ n )) = α = dett. 4. Sei T wie in (III). Dann gilt T ([0,1[ n ) = {y = (y 1,...,y n ) : y 1 y 2 < y 1 + 1, 0 y i < 1 für i 2}. Sei B 1 := T ([0,1[ n ) [0,1[ n und B 2 := T ([0,1[ n ) \ B 1. Es ist leicht einzusehen, dass Es folgt also B 1 (B 2 e 2 ) = [0,1[ n, B 1 (B 2 e 2 ) = /0. L n (T ([0,1[ n )) = L n (B 1 B 2 ) = L n (B 1 ) L n (B 2 ) = L n (B 1 ) L n (B 2 e 2 ) = L n ([0,1[ n ) = 1. Ausserdem gilt offensichtlich dett = 1. Damit ist (1.8) gezeigt. Wir untersuchen jetzt noch das Verhalten vom Lebesgue-Maß unter allgemeineren Transformationen. Definition 1.4.4 Sei E R n mit E /0. Eine Funktion T : E R m heißt Lipschitz-stetig, wenn ein M > 0 existiert, so dass T (x) T (y) M x y für alle x,y E. Die kleinste Konstante M, die der Ungleichung oben genügt, heißt Lipschitz- Konstante von T, und wird mit Lip(T ) bezeichnet. Satz 1.4.6 Sei T : R n R n Lipschitz-stetig. Dann gilt L n (T (A)) (2 nlip(t )) n L n (A) für alle A R n. (1.9) Ausserdem bildet T Lebesgue-messbare Mengen auf Lebesgue-messbare Mengen ab. 1. Wir zeigen als erstes, dass (1.9) für halb-offene Würfel der Form W = a + [0,r[ n, a R n und r > 0 gilt. Sei x I. Dann T (x) T (a) Lip(T ) x a Lip(T ) nr,

1.4 Das Lebesgue-Maß 27 also Daraus folgt (1.9) für W. T (W) T (a) + [ Lip(T ) nr,lip(t ) nr ]. 2. Sei U R n eine offene Menge. Dann existieren gemäß Satz 1.1.1 paarweise disjunkte halb-offene Würfel W k = a k + [0,r k [, k N, so dass U = W k, und L n (U) = L n (W k ). Dann und deshalb gilt T (U) = T (W k ), L n (T (U)) L n (T (W k )) (2 nlip(t )) n L n (W k ) = (2 nlip(t )) n L n (U). Wir sehen also, dass (1.9) für offene Mengen gilt. 3. Sei A R n beliebig und sei ε > 0. Gemäß Satz 1.4.2 existiert eine offene Menge G A so dass L n (G) < L n (A) + ε. Mit 2. erhalten wir L n (T (A)) L n (T (G)) (2 nlip(t )) n L n (G) (2 nlip(t )) n (L n (A) + ε). Da ε > 0 beliebig, folgt (1.9). Bemerke auch, dass (1.9) impliziert: N Nullmenge T (N) Nullmenge. 4. Sei E eine Lebesgue-messbare Menge. In der Übung wurde gezeigt, dass es eine F σ Menge F = F k, F k abgeschlossen, und eine Nullmenge N existieren, so dass E = F N. Sei F k, j = F k [ j, j] n, j N. Dann ist F k, j kompakt, also T (F k, j ) kompakt und somit Lebesgue-messbar. Ausserdem ist T (N) eine Nullmenge, also wegen 3. Lebesgue-messbar. Es folgt, dass ( ) T (E) = T (F k, j ) T (N) k, j=1 eine abzählbare Vereinigung von messbaren Mengen ist, also auch Lebesgue-messbar.

Kapitel 2 Messbare Funktionen 2.1 Definition Wir beginnen mit der Definition der messbaren Funktionen. Die Klasse von messbaren Funktionen spielt die gleiche Rolle für Funktionen wie die Klasse von messbaren Mengen für Teilemengen von R n. Wir werden uns im Folgenden auf das Lebesgue-Maß beschränken, folglich von messbaren statt Lebesgue-messbaren Mengen und Funktionen sprechen. In diesem Kapitel verwenden wir die Notation R = R {,+ }. Sei E R n, f : E R und A R. Wie üblich, bezeichnet f 1 (A) die Urbildmenge von A, d.h. f 1 (A) := {x E : f (x) A}. Definition 2.1.1 Sei E R n eine messbare Menge. Ein Funktion f : E R heißt messbar, falls für alle a R messbar ist. f 1 (]a, ]) = {x E : f (x) > a} Wir versehen R mit folgender Topologie: Wir sagen, dass A R offen ist, falls 1. x A R existiert ε > 0 so dass ]x ε,x + ε[ A; 2. falls + A, dann existiert a R so dass ]a,+ ] A; 3. falls A, dann existiert a R so dass [,a[ A, und A R ist abgeschlossen, falls R \ A offen ist. 29

30 2 Messbare Funktionen Bemerkung 2.1.1 Diese Topologie auf R wird erzeugt von den offenen Teilmengen von R und den Umgebungen ]a,+ ], [,a[, a R, von ±. Konkreter, sei A R offen. Dann existieren Intervalle I i R der Form so dass A = i=1 I i. Sei A R offen und definiere und ]a i,b i [, ]a i,+ ], [,b i [ (2.1) J 0 := {(a,b) Q Q :]a,b[ A}, J 1 := {a Q :]a,+ ] A}, J 2 := {b Q : [,b[ A}. Laut Definition existiert zu jedem x A entweder a,b J 0 mit x ]a,b[ A, oder a J 1 mit x ]a,+ ] A, oder b J 3 mit x [,b[ A. Folglich A = (a,b)j 0 ]a,b[ ]a,+ ] [,b[. a J 1 b J 3 Da J 0, J 1 und J 3 abzählbar sind, folgt die Behauptung. Mithilfe der soeben definierten Topologie auf R lässt sich die Definition von Messbarkeit in mehrere äquivalente Formen bringen. Satz 2.1.1 Sei E R n messbar. Eine Funktion f : E R ist dann und genau dann messbar, wenn eine der folgenden Aussagen gilt: (i) { f a} messbar für alle a R; (ii) { f < a} messbar für alle a R; (iii) { f a} messbar für alle a R; (iv) f 1 (A) messbar für alle A R offen; (v) f 1 (A) messbar für alle A R abgeschlossen. messbar (i). Da { f a} = { f > a 1 } k ist eine abzählbarer Durchschnitt von messbaren Mengen, ist es auch messbar. (i) (ii). { f < a} = R n \ { f a}.

2.1 Definition 31 (ii) (iii). { f a} = { f < a + 1 } k (iii) messbar. { f > a} = R n \ { f a}. (iv) messbar. Unmittelbar aus der Definition, da ]a, ] R offen ist. messbar (iv). Aus der Messbarkeit von f und aus (ii) folgt, dass Mengen der Form f 1 ([,b[) = { f < b} und f 1 (]a,b[) = { f > a} { f < b} messbar sind für alle a,b R. Sei nun A R offen. Laut Bemerkung 2.1.1 lässt sich A schreiben als A = I i i=1 wobei I i Intervalle von der Form (2.1) sind. Dann gilt f 1 (A) = f 1 (I i ), i=1 und jedes f 1 (I i ) ist messbar. Also ist f 1 (A) messbar. (iv) (v). Eine Menge A R ist abgeschlossen genau dann wenn R \ A offen ist. Ausserdem f 1 (R \ A) = R n \ f 1 (A). Definition 2.1.2 Sei P(x) eine Aussage für x R n. Wir sagen, es gilt P(x) für fast alle x oder P(x) gilt fast überall, falls {x : P(x) falsch} eine Nullmenge ist. Beispiel 2.1.1 Fast alle reellen Zahlen sind irrational Beispiel 2.1.2 Seien f,g : E R. Wir sagen f = g fast überall, falls {x E : f (x) g(x)} eine Nullmenge ist. Beispiel 2.1.3 Seien f k, f : E R. Wir sagen f k f fast überall, falls es eine Nullmenge N E existiert, so dass lim f k(x) = f (x) für alle x E \ N. k

32 2 Messbare Funktionen Satz 2.1.2 Sei E R n messbar und f,g : E R. Falls f messbar und f = g fast überall, dann g messbar. Sei N := {x E : f (x) g(x)}, und sei a R. Setze A := { f > a} \ {g > a}, B := {g > a} \ { f > a}. Dann A N und B \ N, also sind A,B Nullmengen, und somit messbar. Ausserdem {g > a} = B ({g > a} { f > a}) = B ({ f > a} \ A). Also ist {g > a} messbar. 2.2 Eigenschaften Satz 2.2.1 Sei E R n eine messbare Menge. (i) Sei f : E R messbar, A R mit f (E) A und Φ : A R stetig. Dann ist Φ f : E R messbar. (ii) Sei f : E R messbar, Ẽ E eine messbare Teilmenge. Dann ist die Einschränkung f Ẽ : Ẽ R messbar. (iii) Seien f,g : E R messbar. Dann sind f + g : E R und f g : E R messbar. (iv) Sei f : E R messbar und Ẽ := {x E : f (x) 0}. Dann ist 1 f : Ẽ R messbar. (v) Seien f,g : E R messbar. Dann sind max{ f,g},min{ f,g} : E R messbar. (vi) Seien f k : E R messbar für k N. Dann sind sup k f k, inf k f k, limsup k f k und liminf k f k messbar. Bemerkung 2.2.1 Aus (iii) folgt, dass die Menge der messbaren Funktionen f : E R ein Vektorraum ist. (iii) gilt auch für messbare Funktionen f,g : E R, falls f +g und f g definiert ist.

2.2 Eigenschaften 33 (i). Sei a R und A =]a, [. Dann A offen, also auch Φ 1 (A) offen. Aus der Messbarkeit von f folgt, dass ( f Φ) 1 (A) = f 1 (Φ 1 (A)) messbar ist. (ii). Sei a R. Dann f 1 Ẽ (]a, ]) = f 1 (]a, ]) Ẽ. (iii). Sei a R, und definiere J := {(b,c) Q Q : b + c > a}. Dann ( f + g) 1 (]a, [) = (b,c) J { f > b} {g > c}. Folglich ist f + g messbar. Da die Funktionen s s 2, s s und s s/2 stetig sind R R, folgt nun aus (i), dass auch f g = 1 ( ( f + g) 2 f 2 g 2) 2 messbar ist. (iv). Dass 1/ f messbar ist, folgt aus der Darstellung f 1 (]0, ]) f 1 (] 1 f 1 a,0[) a < 0, (]a, ] = f 1 (]0, [) a = 0, f 1 (]0, a 1 [) a > 0. (v). Die Funktionen s s + := max{s,0} und s s := max{ s,0} sind stetig. Es folgt aus (i) und (iii), dass max{ f,g} = f + (g f ) +, min{ f,g} = f (g f ) messbar sind. (vi). Die jeweilige Messbarkeit folgt aus folgenden Darstellungen: (inf k (sup k f k ) 1 (]a, ]) = f k ) 1 (]a, ]) = { f k > a} { f k > a} sowie lim inf k f k = sup(inf f k), l N k l limsup k f k = inf (sup f k ). l N k l

34 2 Messbare Funktionen 2.3 Approximation Definition 2.3.1 Sei E R n eine Menge. Die charakteristische Funktion der Menge E, 1 : R n {0,1} ist definiert als { 1 x E 1 E (x) = 0 x / E. Bemerkung 2.3.1 Es gilt E messbar 1 E messbar. Satz 2.3.1 Sei f : E [0, ] messbar. Dann existieren messbare Mengen A k E, k N, so dass 1 f = k 1 A k. Setze A 1 := {x E : f (x) 1}, und definiere induktiv für k = 2,3,... { A k := x E : f (x) 1 k 1 k + Offenbar gilt für jedes x E die Abschätzung f (x) j=1 1 k 1 A k (x). } 1 j 1 A j (x). Umgekehrt, sei x E. Falls f (x) = +, dann x A k für alle k N, also 1 k 1 A k (x) = Falls f (x) = 0, dann x / A k für alle k N, also 1 = + = f (x). k 1 k 1 A k (x) = 0 = f (x).

2.4 Die Sätze von Egorov und Lusin 35 Falls 0 < f (x) <, dann gilt x / A k für unendlich viele k N (sonst könnten wir wie im Fall f (x) = argumentieren). Also existiert eine Folge k i mit i, so dass x / A ki für alle i, d.h. f (x) < 1 k i + k i 1 1 j=1 j 1 A j (x). Mit i folgt die Behauptung. Bemerkung 2.3.2 Die Konvergenz f N = N 1 k 1 A k f ist monoton wachsend (d.h. f N+1 f N ). Falls f beschränkt ist, ist die Konvergenz sogar gleichmäßig (siehe Übung). Durch die Zerlegung f = f + f und Approximation der Funktionen f +, f : E [0, ] gemäß Satz 2.3.1 kann man jede messbare Funktion f : E R durch Treppenfunktionen approximieren. 2.4 Die Sätze von Egorov und Lusin Satz 2.4.1 (Satz von Egorov) Sei E R n messbar und L n (E) <. Sei f k : E R eine Folge von messbaren Funktionen, die fast überall gegen eine Funktion f : E R konvergiert. Dann existiert für alle ε > 0 eine abgeschlossene Teilmenge K E, so dass (i) L n (E \ K) < ε, (ii) f k K f K gleichmäßig, d.h. lim sup k x K f k (x) f (x) = 0. Gemäß Voraussetzung ist N := {x E : f k (x) f (x)}

36 2 Messbare Funktionen eine Nullmenge. Wir definieren für k, j N die Mengen E k, j := {x E f i (x) f (x) < 1j } für alle i > k. Dann gilt E k+1, j E k, j. Falls x / E k, j, dann existiert zu jedes k N ein i k N mit i k > k, so dass f ik (x) f (x) 1 j. Folglich f k (x) f (x) und somit x N. Wir erhalten also: E \ N = E k, j für alle j N. Weil die Mengen E k, j messbar sind und N eine Nullmenge, folgt aus Satz 1.2.2 (ii), dass lim k L n (E k, j ) = L n (E) für alle j N. Sei ε > 0. Dann existiert zu jedem j N ein m = m( j) N, so dass L n (E \ E m( j), j ) < ε 2 j+1. Gemäß Bemerkung 1.4.6 existiert zu jedem j N eine abgeschlossene Menge F j E m( j), j so dass L n (E \ F j ) < ε 2 j+1. Sei nun K = F j. Dann ist K abgeschlossen, und ) ( ) L n (E \ K) = L (E n \ F j = L n E \ F j j=1 j=1 j=1 j=1 L n (E \ F j ) ε. Wir zeigen nun, dass f k auf K gleichmäßig gegen f konvergiert. Sei δ > 0 und wähle j N so dass 1 j < δ. Da K F j E m( j), j, gilt für alle x K f i (x) f (x) < 1 < δ für alle i m( j). j Das ist genau die gleichmäßige Konvergenz.

2.4 Die Sätze von Egorov und Lusin 37 Satz 2.4.2 (Satz von Lusin) Sei E R n eine messbare Menge, f : E R eine messbare Funktion. Dann existiert für alle ε > 0 eine abgeschlossene Teilmenge K E, so dass (i) L n (E \ K) < ε, (ii) f K ist stetig. Bemerkung 2.4.1 Ein klassischer Satz aus der Topologie (von Tietze) sagt, dass jede stetige Funktion f : K R auf einer kompakten Menge K R n eine stetige Erweiterung auf R n besitzt, d.h. es existiert f : R n R stetig so dass f (x) = f (x) für alle x K. Daraus resultiert folgende Formulierung von dem Satz von Lusin: Sei E R n messbar, f : E R messbar. Für alle ε > 0 existiert eine stetige Funktion f : R n R so dass L n {x E : f (x) f (x)} < ε. Beweis vom Satz 2.4.2. Sei ε > 0. 1. Sei zunächst E beschränkt und f : E R eine einfache Funktion, d.h. es existieren messbare Mengen A i E, i = 1,...,N und λ i R, so dass E = N i=1 A i und N f = λ i 1 Ai. i=1 Wir können obda annehmen, dass die Mengen A i paarweise disjunkt sind (sonst verfeinern wir die Zerlegung E = N i=1 A i ). Wähle nun gemäß Bemerkung 1.4.6 abgeschlossene Teilmengen K i E i, so dass L n (A i \ K i ) < ε N. Bemerke, dass die Mengen K i kompakt sind (abgeschlossen und beschränkt) und paarweise disjunkt. Aus dem Satz, dass stetige Funktionen auf kompakten Mengen einen Minimum besitzen, folgt, dass für i j dist(k i,k j ) := inf { x y : x K i, y K j } > 0. Sei Dann ist K abgeschlossen, K = K 1 K N. L n (E \ K) N i=1 L n (A i \ K i ) < ε,

38 2 Messbare Funktionen und f : K R ist stetig. Um letzteres einzusehen, sei x 0 K, obda x 0 K 1. Sei x j K eine Folge mit x j x 0. Da dist(k 1,K j ) > 0 für alle j 1, existiert j 0 N so dass x j K 1 für alle j j 0. Dann lim j f (x j ) = f (x 0 ). 2. Sei nun E beschränkt und f : E R eine allgemeine messbare Funktion. Gemäß Satz 2.3.1 existiert eine Folge f k : E R von einfachen Funktionen, so dass f k (x) f (x) für alle x E. Aus 1. erhalten wir, für jedes k N, eine abgeschlossene Menge F k E mit und so dass f k : F k R stetig ist. Sei Dann L n (E \ F) L n (E \ F k ) < F = F k. ε 2 k+1, L n (E \ F k ) < ε 2. Wir wenden jetzt Satz 2.4.1 auf die Folge f k : F R an: es existiert eine abgeschlossene Teilmenge K F so dass L n (F \K) < ε/2 und f k f gleichmäßig auf K. Da f k eine stetige Funktion auf F ist für alle k, folgt, dass f : K R stetig ist. Bemerke noch, dass L n (E \ K) L n (E \ F) + L n (F \ K) < ε. 3. Betrachte nun den allgemeinen Fall, also E R n messbar, f : E R messbar. Sei E k = E {x R n : k 1 x < k}. Dann E = E k und die Mengen E k sind messbar, beschränkt und paarweise disjunkt. Teil 2., angewendet auf f : E k R liefert für alle k N eine abgeschlossene Menge K k E k so dass L n (E k \ K k ) < ε/2 k und so dass f : K k R stetig ist. Sei K = K k. Dann L n (E \ K) < ε und f : K R stetig. Um zu sehen, dass K abgeschlossen ist, sei x j K eine Folge mit x k x. Dann ist die Folge {x j } beschränkt, also existiert k 0 N so dass {x j : j N} K 1 K k0. Da die Mengen K i abgeschlossen sind (sogar kompakt), folgt dass x K.