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Transkript:

5.3 Diskrete zufällige Variablen X(ω) { x 1,x 2,x 3,... } X : x 1 x 2 x 3 x n p 1 p 2 p 3 p n p i = P(X = x i ) > 0, i = 1, 2, 3,... Die Funktion f(x i ) = p i heißt Wahrscheinlichkeitsfunktion. i=1 p i = 1 Bem: f(x i ) nennt man manchmal auch Zähldichte. 190 W.Kössler, Humboldt-Universität zu Berlin

Beispiele a) Zweimaliges Werfen einer Münze Ω = { ZZ,ZB,BZ,BB } X := Anzahl von Blatt X : 0 1 2 1 4 b) Erfolge bei n Versuchen X: Anzahl der Erfolge bei n Versuchen, wobei jeder der n Versuche eine Erfolgswahrscheinlichkeit p hat. P(X = k) = ( n k 1 2 1 4 ) p k (1 p) n k Binomialwkt. 191 W.Kössler, Humboldt-Universität zu Berlin

F X (k) = P(X < k) = Verteilungsfunktion von X. k 1 i=0 ( ) n p i (1 p) n i i 192 W.Kössler, Humboldt-Universität zu Berlin

Beispiele: Es seien p = 1 2 F(2.5) = i: i<2,5 p i und n = 5. Für x = 2.5 gilt: = p 0 + p 1 + p 2 ( )( ) 5 ( ) ( 5 1 5 1 = + 0 2 1 2 = 1 32 + 5 32 + 10 32 = 0.5 ) 5 + ( )( 5 1 2 2 ) 5 2. Würfeln 20 mal. Wie groß ist die Wkt. für mindestens 4 Sechsen? 193 W.Kössler, Humboldt-Universität zu Berlin

X: Anzahl der Sechsen. 0.43. P(X 4) = 1 P(X < 4) = 1 F X (4) 3 = 1 P(X = i) = 1 ( 5 6 i=0 ) 20 (1)(5) 19 20 19 20 6 6 2 20 19 18(1) 3 (5 6 6 6 ) 17 (1 6 ) 2 (5) 18 6 194 W.Kössler, Humboldt-Universität zu Berlin

c) Telefonzentrale X: Anzahl der Anrufe, die pro Zeiteinheit von einer Telefonzentrale vermittelt werden. X : 0 1 2 3 p 0 p 1 p 2 p 3 P(X = i) = p i = λi i! e λ, λ > 0 Poisson- Wahrscheinlichkeiten. Bez.: X Poi(λ). p i = i=0 λ i i! i=0 }{{} e λ = 1. 195 W.Kössler, Humboldt-Universität zu Berlin

Satz 9 Seien X n Bi(n,p), Y Poi(λ) Für n p = λ gilt: P(X n = k) n P(Y = k). 196 W.Kössler, Humboldt-Universität zu Berlin

Beweis: Es gilt: ( ) n P(X n = k) = p k (1 p) n k k n(n 1) (n k + 1) = ( λ k! n )k (1 λ n )n k n(n 1) (n k + 1) (n λ) k λ k (n λ) n k = k!(n λ) k n k n n k = 1 n(n 1) (n k + 1) λ k (1 λ k! (n λ) }{{ k n )n }}{{} 1 λ k fest fest e λ = λk k! e λ = P(Y = k) 197 W.Kössler, Humboldt-Universität zu Berlin

d) Münzwurf solange bis B(Blatt) kommt Ω = {B, ZB, ZZB,...} X := Anzahl der Würfe bis zum ersten Blatt. X = 1 2 3 4 n 1 2 ( 1 2 )2 ( 1 2 )3 ( 1 2 )4 ( 1 2 )n p i = (1/2) i = 1 1 1 1 = 1 2 i=1 i=1 geometrische Reihe geometrische Verteilung mit p=1/2, p i = (1/2) i. 198 W.Kössler, Humboldt-Universität zu Berlin

Def. 17 : Eine Zufallsvariable X mit P(X = i) = p(1 p) i 1, i = 1, 2,... heißt geometrisch verteilt. Bez.: X Geo(p). Anzahl der Schritte bis zum ersten Erfolg. 199 W.Kössler, Humboldt-Universität zu Berlin

e) Qualitätskontrolle Gegeben sei eine Grundgesamtheit (z.b. eine Warenlieferung) mit N Stücken, von denen genau n schlecht seien. Wie groß ist die Wkt., daß in einer Stichprobe vom Umfang m höchstens k Stück schlecht sind? X: zufällige Anzahl der schlechten Stücke in der Stichprobe. P(X = x) = ( n ( x) N n ) m x ( N m) 200 W.Kössler, Humboldt-Universität zu Berlin

( N ) m : # möglichen Stichproben. ( n x ) : # Möglichkeiten, aus n schlechten Stücken in der Grundgesamtheit x schlechte Stücke zu ziehen. ( N n m x) : # Möglichkeiten, aus N n guten Stücken in der Grundgesamtheit m x gute Stücke zu ziehen. 201 W.Kössler, Humboldt-Universität zu Berlin

Offenbar: 0 x min(n,m) m x N n. Def. 18 Eine Zufallsvariable mit der Wkt.funktion f(x H N,n,m ) = P(X = x) heißt hypergeometrisch verteilt. Bez.: X H N,n,m. Verteilungsfunktion: F(k H N,n,m ) = k 1 x=0 ( n ( x) N n ) m x ( N m) 202 W.Kössler, Humboldt-Universität zu Berlin

Bemerkung: Für N, n, n p gilt: N ( ) m f(x H N,n,m ) p x (1 p) m x = f(x Bi(m,p)) x ÜA. Wkt. für höchstens k schlechte Stücke: F(k + 1 H N,n,m ). 203 W.Kössler, Humboldt-Universität zu Berlin

Weitere Eigenschaften und Anwendungen diskreter Zufallsvariablen 5.3.1 Binomialverteilung Bsp. 37 (Kommunikationskanal) Schicken Binärzahlen durch einen Kommunikationskanal. p: Wkt. einer fehlerhaften Übertragung n: Anzahl der übertragenen Zeichen Wkt. für genau i Fehler: ( ) N P(i) = p i (1 p) n i =: b(i;n,p) i 204 W.Kössler, Humboldt-Universität zu Berlin

Bsp. 38 (Qualitätskontrolle) Stichprobe von 10 Computerchips aus einer sehr großen Lieferung (Los). Wenn keine defekt, so wird die Lieferung angenommen, sonst nicht. p: Wkt., ein zufällig ausgewählter Chip ist defekt. Wkt. für genau i defekte Stücke = b(i; 10,p). P(Los angenommen) = (1 p) 10 205 W.Kössler, Humboldt-Universität zu Berlin

Bsp. 39 (k aus n Systeme) Jede Komponente habe die Intaktwkt. p. Wkt., daß genau i Komponenten ausfallen: ( ) n P(X = i) = p n i (1 p) i i Wkt., daß höchstens k Komponenten ausfallen: P(X k) = = k ( n i n i=0 i=n k ) p n i (1 p) i ( n i ) p i (1 p) n i 206 W.Kössler, Humboldt-Universität zu Berlin

5.3.2 Geometrische Verteilung Bem. 2 Sei Y Geo(p), d.h. P(Y > s) = 1 P(Y > t) = 1 s (1 p) i 1 p = (1 p) s i=1 t (1 p) i 1 p = (1 p) t i=1 P(Y > s) P(Y > t) = (1 p) s+t = 1 s+t i=1 (1 p) i 1 p = P(Y > s + t). 207 W.Kössler, Humboldt-Universität zu Berlin

also: P(Y > s + t,y > t) P(Y > s + t Y > t) = P(Y > t) P(Y > s + t) = P(Y > t) = P(Y > s) Bez. 5 Wir sagen, Verteilungen mit P(Y > s + t Y > t) = P(Y > s) besitzen die sogenannte Markov-Eigenschaft oder sie sind gedächtnislos. 208 W.Kössler, Humboldt-Universität zu Berlin

Satz 10 Sei X diskrete Zufallsvariable mit Werten in {1, 2, 3,...} und X habe die Markov-Eigenschaft. Dann ist X Geo(p) für ein p,p (0, 1) Beweis: : Sei X : 1 2 3... p 1 p 2 p 3... Aus der Markov-Eigenschaft folgt: P(X > s) P(X > t) = P(X > s + t) s t s+t (1 p i )(1 p i ) = 1 i=1 i=1 Setzen p := p 1. Einsetzen von i=1 p i s,t 209 W.Kössler, Humboldt-Universität zu Berlin

s = 1,t = 1 liefert (1 p) 2 = (1 p p 2 ); p 2 = p(1 p). s = 1,t = 2 liefert (1 p)(1 p p 2 ) = (1 p p 2 p 3 ); (1 p p 2 )(1 p 1) = p 3 ; also p 3 = p(1 p) 2 usw. 210 W.Kössler, Humboldt-Universität zu Berlin

Bsp. 40 (Qualitätskontrolle) Wkt., daß das i-te Item das erste defekte ist. Bsp. 41 (Time-sharing computer system) mit festen Zeitscheiben. Programm wird in der Zeitscheibe vollständig abgearbeitet mit Wkt. p Wenn nicht, neuer Versuch in der neuen Zeitscheibe X: # benötigten Zeitscheiben X Geo(p). 211 W.Kössler, Humboldt-Universität zu Berlin

Bsp. 42 (Repeat-Schleife) A: aussagenlogischer Ausdruck, A = true mit Wkt. p. repeat S until A. # der Durchläufe von S: Geo(p). 212 W.Kössler, Humboldt-Universität zu Berlin