Einführung in das Medienrecht. Zivilrechtliche Grundlagen

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Transkript:

Einführung in das Medienrecht Zivilrechtliche Grundlagen Teil 2 Einführung in die Störerhaftung 2.2. Die Störerhaftung der Host Provider Dr. Mischa Dippelhofer Rechtsanwalt, Saarbrücken

Fall 6 Ihr Mandant, Herr Carsten Chatter, kommt in Ihre Kanzlei und übergibt eine Abmahnung, die er heute in seinem Briefkasten gefunden hat. Sein Online-Forum Politikforum Saar betreibe er allein aus politischem Interesse, er verdiene damit kein Geld. Nach Erhalt der Abmahnung habe er das Forum überprüft und tatsächlich den beanstandeten Artikel gefunden. Dieser sei ihm zuvor allerdings nicht aufgefallen. Herr Chatter versteht nicht, wieso er für die Beiträge seiner Benutzer verantwortlich gemacht wird. Herr Chatter hält es auch für unzumutbar, sein Forum täglich zu überprüfen. Es handele sich nicht um ein moderiertes Forum, was jeder in den Forumsregeln nachlesen könne. Wenn die Gegenseite Recht habe, müsse er sein Forum moderieren, wozu er aber keine Zeit habe. Wenn er einen Moderator anstellen würde, könnte er das Forum aber nicht mehr kostenlos betreiben. Schließlich findet er es eine Frechheit, dass er auch noch die Anwaltskosten der Gegenseite bezahlen soll. Was unternehmen Sie? Seite 2

2.2.1. Technische Grundlagen Upload Host Provider Download Benutzer 2 Benutzer 1 lädt hoch Server Benutzer 3 laden herunter Seite 3

2.2.1. Technische Grundlagen Technische Definition des Host Providers Ein Host Provider ist ein Anbieter von Speicherplatzdiensten im Internet Es kommt damit nicht darauf an, welche Daten auf dem Server gespeichert werden. Die Speicherung erfolgt jedoch nicht durch den Host Provider selbst Beispiele für Host Provider Online-Foren, Kommentarmöglichkeiten zu Presseartikeln, z. B. Spiegel Online Forum Soziale Netzwerke wie Facebook, Xing, LinkedIn Bilder- und Videoportale für von Benutzern hochgeladene Inhalte (z. B. youtube) Online-Marktplätze wie Amazon Market Place oder ebay Bewertungsportale für Produkte und Dienstleistungen Online-Sammlungen für Kochrezepte von Benutzern Sharehoster, die Speicherplatz für jedermann anbieten Webserver-Hosting (z. B. Strato, inexio) Nicht: Domainregistrierung, wohl aber Domainhosting (= Webserverhosting) Seite 4

2.2.2. Rechtsverletzungen des Benutzers Verletzung von Persönlichkeitsrechten grenzdebiler Politclown? Die Bezeichnung des Gegners als grenzdebiler Politclown könnte dessen Persönlichkeitsrechte verletzen 823 BGB - Schadensersatzpflicht (1) Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt, ist dem anderen zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht ist ein sonstiges Recht im Sinne des 823 Abs. 1 BGB Seite 5

2.2.2. Rechtsverletzungen des Benutzers Verletzung von Persönlichkeitsrechten strafbar? - Es könnte sich ferner um eine Beleidigung im Sinne von 185 StGB handeln 185 StGB - Beleidigung Die Beleidigung wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe und, wenn die Beleidigung mittels einer Tätlichkeit begangen wird, mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. - 185 StGB ist ein Schutzgesetz im Sinne des 823 Abs. 2 BGB - Bei der Persönlichkeitsrechtsverletzung durch Äußerungen ist jedoch stets zwischen der Meinungsfreiheit und dem Persönlichkeitsrecht abzuwägen. - Bei der öffentlichen Auseinandersetzung muss auch überspitzte und polemische Kritik hingenommen werden, allerdings nicht formal beleidigende und herabsetzende Schmähkritik, die jeder sachlichen Grundlage entbehrt. - Die Schmähkritik ist eng auszulegen und kommt bei Auseinandersetzungen, die die Öffentlichkeit berühren, nur ausnahmsweise vor. - Die Grenze des Zulässigen wird dabei überschritten, wenn bei der Äußerung nicht mehr die Auseinandersetzung mit der Sache, sondern die Diffamierung der Person im Vordergrund steht Seite 6

2.2.2. Rechtsverletzungen des Benutzers Verletzung von Persönlichkeitsrechten in Fall 6 (grenzdebiler Politclown)? Es handelt sich um Schmähkritik, bei der eindeutig die Diffamierung der Person im Vordergrund steht Die Tatbestandsvoraussetzungen der Beleidigung sind erfüllt Gegen den Autor des Artikels besteht ein Unterlassungsanspruch nach 823 Abs. 1, 2, 1004 BGB, 185 StGB Gegen ihn besteht ferner ein Schadenersatzanspruch nach 823 Abs. 1, 2 BGB, 185 StGB Seite 7

2.2.2. Rechtsverletzungen des Benutzers Verletzung von Persönlichkeitsrechten am Nasenring durch die Arena? Die Aussage, der Gegner habe die ganze Jamaika-Regierung am Nasenring durch die Arena geführt, könnte ebenfalls seine Persönlichkeitsrechte verletzen Unterlassungs- und Schadenersatzanspruch nach 823 Abs. 1, 2, 1004 BGB, 185 StGB? 185 Beleidigung Die Beleidigung wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe und, wenn die Beleidigung mittels einer Tätlichkeit begangen wird, mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. An die Bewertung einer Äußerung als Schmähkritik sind strenge Maßstäbe anzulegen, weil anderenfalls eine umstrittene Äußerung ohne Abwägung dem Schutz der Meinungsfreiheit entzogen und diese damit in unzulässiger Weise verkürzt würde. Steht daher die Auseinandersetzung mit einer Sachfrage und nicht die Diffamierung des Gegners im Vordergrund, liegt eine unzulässige Schmähkritik nicht vor Auch ein überspitzer polemisierender Vergleich ist von der Meinungsfreiheit gedeckt, soweit er einen sachlichen Bezug aufweist (OLG Frankfurt zum Vergleich wie eine Hure ). Seite 8

2.2.2. Rechtsverletzungen des Benutzers Verletzung von Persönlichkeitsrechten in Fall 6 (am Nasenring durch die Arena)? Der Mandant vergleicht den Gegner mit einem Torero, der einen Stier am Nasenring durch die Arena führt. Selbst wenn man den Vergleich mit einem Torero als Beleidigung auffassen wollte, würde dennoch ein Sachbezug vorliegen, da der Mandant auf die seiner Meinung nach starke Einflussnahme des Gegners auf die Regierung abstellt. Eine Verletzung des Persönlichkeitsrechts scheidet aus Seite 9

2.2.2. Rechtsverletzungen des Benutzers Verletzung von Persönlichkeitsrechten Beziehungen spielen lassen? Auch die Behauptung, der Gegner habe seine Beziehungen spielen lassen, um die Einstellung von Steuerstrafverfahren gegen sich zu erreichen, könnte seine Persönlichkeitsrechte verletzen Unterlassungs- und Schadenersatzanspruch nach 823 Abs. 1, 2, 1004 BGB, 185 StGB? An die Bewertung einer Äußerung als Schmähkritik sind strenge Maßstäbe anzulegen, weil anderenfalls eine umstrittene Äußerung ohne Abwägung dem Schutz der Meinungsfreiheit entzogen und diese damit in unzulässiger Weise verkürzt würde. Steht daher die Auseinandersetzung mit einer Sachfrage und nicht die Diffamierung des Gegners im Vordergrund, liegt eine unzulässige Schmähkritik nicht vor Fall 6: Es handelt sich um eine Auseinandersetzung mit einer Sachfrage, nämlich der behaupteten Einstellung von Steuerstrafverfahren gegen den Gegner aufgrund guter politischer Beziehungen Fall 6: Eine Beleidigung scheidet aus Seite 10

2.2.2. Rechtsverletzungen des Benutzers Unterlassungs- und Schadenersatzanspruch nach 823 Abs. 2, 1004 BGB, 186 StGB? 186 Üble Nachrede Wer in Beziehung auf einen anderen eine Tatsache behauptet oder verbreitet, welche denselben verächtlich zu machen oder in der öffentlichen Meinung herabzuwürdigen geeignet ist, wird, wenn nicht diese Tatsache erweislich wahr ist, mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe und, wenn die Tat öffentlich oder durch Verbreiten von Schriften ( 11 Abs. 3) begangen ist, mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. Eine Tatsachenbehauptung liegt vor, wenn die Aussage einer Überprüfung auf ihre Richtigkeit mit den Mitteln des Beweises zugänglich ist Sie ist durch eine objektive Beziehung zwischen Äußerung und Wirklichkeit charakterisiert Davon abzugrenzen sind subjektive Meinungsäußerungen, die durch Wertungen geprägt sind Fall 6: Die Behauptung, der Gegner habe seine Beziehungen spielen lassen, ist eine Tatsachenbehauptung. Seite 11

2.2.2. Rechtsverletzungen des Benutzers Unterlassungs- und Schadenersatzanspruch nach 823 Abs. 2, 1004 BGB, 186 StGB? 186 Üble Nachrede Wer in Beziehung auf einen anderen eine Tatsache behauptet oder verbreitet, welche denselben verächtlich zu machen oder in der öffentlichen Meinung herabzuwürdigen geeignet ist, wird, wenn nicht diese Tatsache erweislich wahr ist, mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe und, wenn die Tat öffentlich oder durch Verbreiten von Schriften ( 11 Abs. 3) begangen ist, mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. Für den Wahrheitsgehalt von Tatsachenbehauptungen ist der Äußernde beweispflichtig. Gelingt der Nachweis dem Äußernden nicht, ist die Behauptung als unwahr zu behandeln Im Bereich der Pressefreiheit schränkt der BGH die Beweislast des Berichtenden dahingehend ein, dass auch eine Verdachtsberichterstattung zulässig ist, wenn sorgfältig recherchiert wurde Rechtsprechung und Literatur übertragen diese Kriterien auch auf Äußerungen von Privatpersonen in öffentlich zugänglichen Online-Medien Fall 6: Der Mandant hat keine Beweise. Er kann sich auch nicht auf sorgfältige Recherchen berufen. Fall 6: Unterlassungsanspruch nach 823 Abs. 2, 1004 BGB, 186 StGB gegen den Autor des Artikels Seite 12

2.2.3. Haftung des Host Providers als Täter Fall 6: Ansprüche des Gegners unmittelbar gegen den Mandanten? Die Rechtswidrigen Äußerungen stammen nicht vom Mandanten, sondern von einem Benutzer. Der Mandant könnte aber haften, weil er dem Benutzer die Plattform im Internet für seine Äußerungen geboten hat. Benutzer 2 Benutzer 1 lädt hoch Server Äußerungen Benutzer 3 laden herunter Seite 13

2.2.3. Haftung des Host Providers als Täter Täterhaftung des Host Providers? Im Urheberrecht ist die Frage der täterschaftlichen Haftung der Host Provider umstritten: Haftung als Täter, da die Enforcement-Richtlinie anordnet, dass jeder, der Hilfe leisten kann, dazu verpflichtet werden kann (Cychowski/Nordemann, Schapiro) Haftung als Täter zur bei zu Eigen machen der vom Benutzer gespeicherten Inhalte, denn nur in diesem Fall ist eine eigene Werknutzung des Hostproviders zu bejahen (BGH marions-kochbuch.de, Reber) Im Wettbewerbsrecht ist diese Frage ebenso umstritten BGH: Host Provider haftet als Täter aufgrund einer Verletzung einer Verkehrspflicht, da er eine Gefahrenquelle eröffnet hat. Die Haftung konkretisiert sich als Prüfungspflicht und ist ähnlich der Störerhaftung begrenzt (jugendgefährdende Medien bei ebay). Sie setzt erst ein, wenn der fremde Inhalt trotz Beanstandung nicht entfernt wird. Vor Kenntnis haftet der Host Provider nur dann als Täter, wenn er sich den fremden Inhalt zu Eigen gemacht hat (Hotelbewertungsportal). Seite 14 Bewertungsportale stellen eine Gefahrenquelle für rechtsverletzende Äußerungen dar, daher Verkehrspflicht bereits ab Eröffnung des Portals (Szalai, Milstein)

2.2.3. Haftung des Host Providers als Täter Täterhaftung des Host Providers? Im Äußerungsrecht ist die Frage der Haftung der Host Provider als Täter auch umstritten: Haftung als Täter, wenn zumutbare Verkehrspflichten verletzt werden, da mittelbare Täterschaft für eine Haftung nach 823 Abs. 1 BGB genüge (Schapiro) Haftung als Täter zur bei zu Eigen machen der vom Benutzer gespeicherten Inhalte, da der Host Provider die Beiträge des Benutzers nicht selbst verfasst hat (BGH rss-feeds, blogspot) Seite 15

2.2.3. Haftung des Host Providers als Täter Stellungnahme Die Ansicht von Czychowski/Nordemann und Hofmann ist abzulehnen, da sie dem EU-Recht widerspricht. Artikel 8 Richtline 2001/29/EG (Infosoc-Richtlinie) Sanktionen und Rechtsbehelfe (3) Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass die Rechtsinhaber gerichtliche Anordnungen gegen Vermittler beantragen können, deren Dienste von einem Dritten zur Verletzung eines Urheberrechts oder verwandter Schutzrechte genutzt werden. Artikel 11 Richtlinie 2004/48/EG (Enforcement-Richtlinie) Gerichtliche Anordnungen [ ] Unbeschadet des Artikels 8 Absatz 3 der Richtlinie 2001/29/EG stellen die Mitgliedstaaten ferner sicher, dass die Rechtsinhaber eine Anordnung gegen Mittelspersonen beantragen können, deren Dienste von einem Dritten zwecks Verletzung eines Rechts des geistigen Eigentums in Anspruch genommen werden. In Erwägungsgrund 23 der Enforcement-Richtlinie heißt es: (23) Unbeschadet anderer verfügbarer Maßnahmen, Verfahren und Rechtsbehelfe sollten Rechtsinhaber die Möglichkeit haben, eine gerichtliche Anordnung gegen eine Mittelsperson zu beantragen, deren Dienste von einem Dritten dazu genutzt werden, das gewerbliche Schutzrecht des Rechtsinhabers zu verletzen. Die Voraussetzungen und Verfahren für derartige Anordnungen sollten Gegenstand der einzelstaatlichen Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten bleiben. Seite 16

2.2.3. Haftung des Host Providers als Täter Stellungnahme Die Ansicht von Czychowski/Nordemann und Hofmann ist abzulehnen Nach der Enforcement-Richtlinie ist es Sache den nationalen Rechts, Anspruchsgrundlagen zu schaffen Wenn es keine Anspruchsgrundlagen gibt, gibt es auch keinen Anspruch Damit haftet der Host Provider auch im Urheberrecht nur, wenn er sich den fremden Beitrag zu Eigen gemacht hat. Die Ansicht von Schapiro ist abzulehnen. Wie sollen zumutbare Verkehrspflichten bei Forenbetreibern aussehen? Letztlich würde dies auf eine Pflicht zur Moderation eines jeden Forums hinauslaufen, was sich viele Forenbetreiber schlicht nicht leisten können. In der Praxis würde dies die Meinungsforen auf kommerzielle Anbieter wie Medienkonzerne beschränken, also letztlich eine Einschränkung der Berufsausübungsfreiheit ohne gesetzliche Grundlage darstellen. Damit haftet der Forenbetreiber nur als Täter, wenn er sich den fremden Inhalt zu eigen macht. Seite 17

2.2.3. Haftung des Host Providers als Täter Meinungsstreit zum zu Eigen machen fremder Inhalte durch Host Provider Zulassung anonymer Beiträge, Es genügt die wirtschaftliche Die geschäftliche Nutzung der Einblendung von Werbung und Verwertung der Benutzerbeiträge genügt nicht, thematische Ordnung der Benutzerbeiträge, wenn sie über die Beiträge müssen objektiv Beiträge genügt Werbeeinblendungen hinausgeht als eigene erscheinen (v. Petersdorf-Campen) (Schilling) (KG, Köhler) Es genügt, wenn sich der Forenbetreiber an der Diskussion beteiligt und den rechtsverletzenden Beitrag zitiert (OLG Köln) Seite 18 Ein zu Eigen machen liegt vor, wenn der Anbieter erkennbar die inhaltliche Verantwortung für die Beiträge übernimmt. Dafür spricht die Einbindung der Beiträge in das eigene redaktionelle Angebot oder die Integration in den eigenen Gedankengang (BGH, OLG Hamburg, OLG Düsseldorf, Krüger/Apel, Ungern-Sternberg, Engels, Wiebe, Lehment)

2.2.3. Haftung des Host Providers als Täter Stellungnahme Die Ansicht von von Petersdorf-Campen ist abzulehnen Nach 13 Abs. 6 TMG muss ein Anbieter im Internet ausdrücklich Anonymität zulassen 13 TMG (6) Der Diensteanbieter hat die Nutzung von Telemedien und ihre Bezahlung anonym oder unter Pseudonym zu ermöglichen, soweit dies technisch möglich und zumutbar ist. Der Nutzer ist über diese Möglichkeit zu informieren. Die Befolgung dieser gesetzlichen Pflicht kann nicht Anknüpfungspunkt für zu Eigen machen sein Die Ansicht des OLG Köln ist in dem entschiedenen Fall sachgerecht In einem nicht moderierten Forum kann ein zu eigen machen vorliegen, wenn der Forenbetreiber sich wie im Fall des OLG Köln selbst an der Diskussion beteiligt und dem rechtsverletzenden Beitrag ausdrücklich zustimmt. Prinzipiell ist der Ansicht des BGH und der überwiegenden Rechtsprechung und Literatur zu folgen. Die Abgrenzungskriterien dieser Ansicht erscheinen sachgerechter und verdienen den Vorzug. Dabei sollte aber die Annahme des zu eigen Machens auf Einzelfälle begrenzt bleiben, in denen mehrere der genannten Kriterien objektiv dafür sprechen. Seite 19

2.2.3. Haftung des Host Providers als Täter Anwendung auf Fall 6 In Fall 6 fehlt es an Anhaltspunkten, die für ein zu eigen machen der Benutzerbeiträge sprechen. Die Ansicht von Cychowski/Nordemann ist nicht anwendbar, da es um Persönlichkeitsrechte geht. Eine Haftung als Täter scheidet damit aus. Dies wäre unter Umständen anders zu beurteilen, wenn es sich um ein moderiertes Forum handeln würde, in dem fremde Beiträge erst ab Prüfung veröffentlicht werden. Die Moderation allein würde dafür allerdings nicht genügen, es müssten noch weitere Gründe für ein zu eigen machen sprechen. Seite 20

2.2.4. Haftung des Host Providers als Störer Die Störerhaftung BGH (st. Rsp.): Wer ohne Täter oder Teilnehmer zu sein in irgendeiner Weise willentlich und adäquat kausal zur Verletzung des geschützten Guts beiträgt, kann jedenfalls bei der Verletzung absoluter Rechte als Störer auf Unterlassung in Anspruch genommen werden. Rechtsgrundlage der Störerhaftung im Urheberrecht? 97 Abs. 1 UrhG unmittelbar 1004 BGB analog (KG Berlin) (OLG Hamburg, LG Köln, LG Düsseldorf, v. Wolff) Letztere Ansicht überzeugt, da 97 UrhG die Verwirklichung eines Verwertungstatbestandes voraussetzt, woran es beim Störer regelmäßig fehlt. Rechtsgrundlage der Störerhaftung im Äußerungsrecht 1004 BGB - Beseitigungs- und Unterlassungsanspruch (1) Wird das Eigentum in anderer Weise als durch Entziehung oder Vorenthaltung des Besitzes beeinträchtigt, so kann der Eigentümer von dem Störer die Beseitigung der Beeinträchtigung verlangen. Sind weitere Beeinträchtigungen zu besorgen, so kann der Eigentümer auf Unterlassung klagen. Seite 21

2.2.4. Haftung des Host Providers als Störer Anwendung auf Fall 6 Der Mandant ist als Betreiber des Forums in der Lage, die Beeinträchtigung zu beseitigen Eine Haftung des Mandanten als Störer kommt grundsätzlich in Betracht Begrenzung der Haftung als Störer Prüfungspflichten gesetzliche Haftungsbegrenzung nach 7 ff TMG Seite 22

2.2.5. Gesetzliche Begrenzung der Störerhaftung Haftungsbegrenzung durch 7 ff TMG? 7 Allgemeine Grundsätze (1) Diensteanbieter sind für eigene Informationen, die sie zur Nutzung bereithalten, nach den allgemeinen Gesetzen verantwortlich. 10 Speicherung von Informationen (1) Diensteanbieter sind für fremde Informationen, die sie für einen Nutzer speichern, nicht verantwortlich, sofern 1. sie keine Kenntnis von der rechtswidrigen Handlung oder der Information haben und ihnen im Falle von Schadensersatzansprüchen auch keine Tatsachen oder Umstände bekannt sind, aus denen die rechtswidrige Handlung oder die Information offensichtlich wird, oder 2. sie unverzüglich tätig geworden sind, um die Information zu entfernen oder den Zugang zu ihr zu sperren, sobald sie diese Kenntnis erlangt haben. Satz 1 findet keine Anwendung, wenn der Nutzer dem Diensteanbieter untersteht oder von ihm beaufsichtigt wird. Es handelt sich aus Sicht des Forenbetreibers um fremde Informationen, da er sie sich nicht zu eigen gemacht hat Seite 23

2.2.5. Gesetzliche Begrenzung der Störerhaftung 7 Allgemeine Grundsätze (2) Diensteanbieter im Sinne der 8 bis 10 sind nicht verpflichtet, die von ihnen übermittelten oder gespeicherten Informationen zu überwachen oder nach Umständen zu forschen, die auf eine rechtswidrige Tätigkeit hinweisen. Verpflichtungen zur Entfernung oder Sperrung der Nutzung von Informationen nach den allgemeinen Gesetzen bleiben auch im Falle der Nichtverantwortlichkeit des Diensteanbieters nach den 8 bis 10 unberührt. 10 TMG auf Unterlassungsansprüche anwendbar? 10 TMG ist wegen 7 Abs. 2 TMG 10 TMG ist unmittelbar nicht auf Unterlassungsansprüche auf Unterlassungsansprüche anwendbar anwendbar, wenn der (BGH 6. Zivilsenat, OLG Dresden, Host Provider eine rein technische KG Berlin 12. Zivilsenat, OLG Stuttgart, neutrale Dienstleistung erbringt LG Nürnberg-Fürth, Vonhoff, Feldmann, (BGH 1. Zivilsenat, KG Berlin 5. ZS, Ernstthaler, Heinemann) v. Wolff, Reber, Ungern-Sternberg, Spindler, Köhler) 10 TMG ist auf Unterlassungsansprüche nicht 8 TMG ist auf Unterlassungsansprüche uneingeschränkt unmittelbar anwendbar, reduziert aber die anwendbar (Hoeren, Ott) Prüfungspflichten (Kalay-Aydemir, Krieg) Seite 24

2.2.5. Gesetzliche Begrenzung der Störerhaftung Die europarechtlichen Wurzeln von 10 TMG 10 TMG basiert auf Art. 14 der Richtline 2000/31/EG ( E-Commerce-Richtlinie ) Artikel 14 Hosting (1) Die Mitgliedstaaten stellen sicher, daß im Fall eines Dienstes der Informationsgesellschaft, der in der Speicherung von durch einen Nutzer eingegebenen Informationen besteht, der Diensteanbieter nicht für die im Auftrag eines Nutzers gespeicherten Informationen verantwortlich ist, sofern folgende Voraussetzungen erfuellt sind: a) Der Anbieter hat keine tatsächliche Kenntnis von der rechtswidrigen Tätigkeit oder Information, und, in bezug auf Schadenersatzansprüche, ist er sich auch keiner Tatsachen oder Umstände bewußt, aus denen die rechtswidrige Tätigkeit oder Information offensichtlich wird, oder b) der Anbieter wird, sobald er diese Kenntnis oder dieses Bewußtsein erlangt, unverzüglich tätig, um die Information zu entfernen oder den Zugang zu ihr zu sperren. (2) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Nutzer dem Diensteanbieter untersteht oder von ihm beaufsichtigt wird. (3) Dieser Artikel läßt die Möglichkeit unberührt, daß ein Gericht oder eine Verwaltungsbehörde nach den Rechtssystemen der Mitgliedstaaten vom Diensteanbieter verlangt, die Rechtsverletzung abzustellen oder zu verhindern, oder daß die Mitgliedstaaten Verfahren für die Entfernung einer Information oder die Sperrung des Zugangs zu ihr festlegen. Seite 25

2.2.5. Gesetzliche Begrenzung der Störerhaftung Art. 14 E-Commerce-Richtlinie und der EuGH Nach dem Urteil Google France des EuGH darf bei Diensteanbietern, die die Kriterien der Art. 12-15 der Richtlinie erfüllen, keine Verantwortlichkeit für eine Rechtsverletzung Dritter festgestellt werden. Der EuGH hat diese Ansicht in dem Urteil l Oreal./. ebay ausdrücklich bekräftigt In seinem Urteil Google France hat der EuGH die Anwendbarkeit von Art. 14 der Richtlinie jedoch auf Fälle beschränkt, in denen das Verhalten des Host Providers auf das eines Vermittels beschränkt bleibt, dessen Tätigkeit rein technischer, automatisierter und neutraler Art ist. Er begründet dies mit Erwägungsgrund 42 der Richtlinie: (42) Die in dieser Richtlinie hinsichtlich der Verantwortlichkeit festgelegten Ausnahmen decken nur Fälle ab, in denen die Tätigkeit des Anbieters von Diensten der Informationsgesellschaft auf den technischen Vorgang beschränkt ist, ein Kommunikationsnetz zu betreiben und den Zugang zu diesem zu vermitteln, über das von Dritten zur Verfügung gestellte Informationen übermittelt oder zum alleinigen Zweck vorübergehend gespeichert werden, die Übermittlung effizienter zu gestalten. Diese Tätigkeit ist rein technischer, automatischer und passiver Art, was bedeutet, daß der Anbieter eines Dienstes der Informationsgesellschaft weder Kenntnis noch Kontrolle über die die Möglichkeit der Beteiligten, sich nach freiem Ermessen weitergeleitete oder gespeicherte Information besitzt. In seinem Urteil l Oreal./.ebay hat der EuGH diesen Grundsatz ausdrücklich bestätigt. Er hat weiter ausgeführt, die reine Vermittlerrolle werde verlassen, wenn der Provider die Präsentation von Verkaufsangeboten seiner Nutzer optimiere oder bewerbe. BGH: Die Ansicht des EuGH läuft auf eine Vollharmonisierung hinaus, die es dem nationalen Gesetzgeber und den nationalen Gerichten verbietet, die Haftungsprivilegien der Art. 12-15 ECRL abzuschwächen Seite 26

2.2.5. Gesetzliche Begrenzung der Störerhaftung Stellungnahme zur Anwendung von 10 TMG auf Unterlassungsansprüche Im Bereich der Vollharmonisierung müsste die Auslegung der Richtlinie dem EuGH vorbehalten bleiben. Dass der 6. Zivilsenat des BGH dagegen in eigener Machtvollkommenheit die Haftungsprivilegierung gegen den Wortlaut der Richtlinie einschränkt, ohne die Sache dem EuGH vorzulegen, verletzt die Rechte der Provider. Bei richtiger Auslegung der beiden EuGH-Entscheidungen erübrigt sich sogar eine Vorlage, da der EuGH die Frage bereits entschieden hat. Der EuGH lässt in beiden Entscheidungen keinen Zweifel daran, dass alle Ansprüche gegen Hostprovider von Artikel 14 der Richtlinie erfasst werden. Damit ist 10 TMG von den deutschen Gerichten europarechtskonform dahingehend auszulegen, dass auch Unterlassungsansprüche unter die Haftungsprivilegierung fallen. Der inzwischen deutlich überwiegenden Literaturansicht ist zu folgen. Die Vollharmonisierung verbietet es auch dem nationalen Gesetzgeber, die Haftungsprivilegien der Art. 12-15 ECRL abzuschwächen. Dies war jedoch auch nicht die Absicht des deutschen Gesetzgebers bei der Umsetzung der Richtlinie, wie sich aus Gesetzesbegründung und Äußerungen beteiligter Politiker ergibt. Ziel des Gesetzgebers war es, Rechtssicherheit für die Internetanbieter zu schaffen. Muss der Host-Provider Unterlassungsansprüche auch für Verstöße fürchten, die ihm nicht bekannt sind, so muss er letztlich doch sein Angebot auf illegale Nutzerbeiträge überwachen, schon um die Kosten von Abmahnungen zu vermeiden. Dies widerspricht aber dem klaren Wortlauf von 7 Abs. 2 TMG Damit ist 10 TMG auf Unterlassungsansprüche anwendbar. Seite 27

2.2.5. Gesetzliche Begrenzung der Störerhaftung Stellungnahme zur Begrenzung der Anwendung auf neutrale Anbieter Erwägungsgrund 42 der Richtlinie 2000/31/EG: (42) Die in dieser Richtlinie hinsichtlich der Verantwortlichkeit festgelegten Ausnahmen decken nur Fälle ab, in denen die Tätigkeit des Anbieters von Diensten der Informationsgesellschaft auf den technischen Vorgang beschränkt ist, ein Kommunikationsnetz zu betreiben und den Zugang zu diesem zu vermitteln, über das von Dritten zur Verfügung gestellte Informationen übermittelt oder zum alleinigen Zweck vorübergehend gespeichert werden, die Übermittlung effizienter zu gestalten. Diese Tätigkeit ist rein technischer, automatischer und passiver Art, was bedeutet, daß der Anbieter eines Dienstes der Informationsgesellschaft weder Kenntnis noch Kontrolle über die die Möglichkeit der Beteiligten, sich nach freiem Ermessen weitergeleitete oder gespeicherte Information besitzt. Auch Art. 14 der E-Commerce-Richtlinie kennt ausdrückliche Ausnahmen von der Privilegierung, etwa bei einer Kontrolle des Nutzers. Hierzu passt auch Erwägungsgrund 42, der ebenfalls voraussetzt, dass der Provider weder Kenntnis noch Kontrolle besitzen darf. Bei Online-Foren wird man eine solche Kenntnis und Kontrolle nur bei moderierten Foren annehmen können. Die übrigen Kriterien des EuGH (Optimierung von Verkaufsangeboten) passen auf Online-Foren nicht. In Fall 6 war das Forum nicht moderiert, so dass die Einschränkung der Privilegierung nicht greift. In Fall 6 sind nach der Rechtsprechung des EuGH auch Unterlassungsansprüche ausgeschlossen, bis der Forenbetreiber Kenntnis von der Rechtsverletzung erlangt und die Verletzung daraufhin nicht beseitigt hat. Seite 28

2.2.5. Gesetzliche Begrenzung der Störerhaftung Folgerungen für Fall 6 In Fall 6 wurde der Mandant abgemahnt. Durch die Abmahnung hat er von der Rechtsverletzung des Benutzers Kenntnis erlangt. Die Konsequenzen hieraus hängen von der vertretenen Ansicht zur Anwendung des 10 TMG auf Unterlassungsansprüche ab: Folgt man der Ansicht des 1. Zivilsenats des BGH, so ist der Host-Provider, wenn er sich neutral verhält, verantwortlich, sobald er von der Rechtsverletzung Kenntnis erlangt. Die Kenntnis wird auch durch eine Abmahnung vermittelt. Ab der Kenntnis haftet der Provider als Störer und unterliegt Prüfungspflichten. Er hat also den bezeichneten Inhalt zu prüfen und ggf. unverzüglich zu entfernen. Er ist allerdings auf die Abmahnung nicht verpflichtet, eine Unterlassungsverpflichtungserklärung abzugeben, da ihm aufgrund der Rechtsverletzung des Nutzers, die zur Abmahnung geführt hat, noch kein Verstoß zur Last fällt und es daher an einer Wiederholungsgefahr fehlt. Folgt man der Ansicht des 6. Zivilsenats, so ist 10 TMG auf Unterlassungsansprüche nicht anwendbar. Der Forenbetreiber haftet somit bereits vor der Abmahnung als Störer und unterliegt grundsätzlich Prüfungspflichten. Die Pflicht zur Abgabe einer Unterlassungsverpflichtungserklärung besteht, wenn er diese Prüfungspflichten verletzt hat. Der 6. Zivilsenat ist für Persönlichkeitsrechtsverletzungen und damit letztinstanzlich auch für die Entscheidung von Fall 6 zuständig. Es ist daher zu prüfen, ob nach der Ansicht des 6. Zivilsenats, also ohne Anwendung des 10 TMG, die Störerhaftung unbegrenzt eingreift oder ob sie Einschränkungen unterliegt. Seite 29

2.2.6. Begrenzung der Störerhaftung durch Prüfungspflichten Das abgestufte Prüfungspflichtmodell des 6. Zivilsenats Der 6. Zivilsenat des BGH hat für die Haftung eines Blogbetreibers die folgenden abgestuften Prüfungspflichten angenommen (Blogspot): Der Hostprovider ist nicht verpflichtet, die von den Nutzern ins Netz gestellten Beiträge vor der Veröffentlichung zu überprüfen. Prüfungspflichten setzen erst ein, sobald der Betreiber Kenntnis von einer Rechtsverletzung erlangt. Er muss danach nur tätig werden, wenn der Hinweis so konkret gefasst ist, dass der Rechtsverstoß ohne eingehende rechtliche und tatsächliche Prüfung bejaht werden kann (RN 26). Nach hinreichender Kenntnis ist wie folgt vorzugehen: 1. Zunächst ist die Beanstandung dem User zur Stellungnahme zuzuleiten. 2. Erfolgt innerhalb angemessener Frist keine Reaktion, ist der Beitrag zu löschen. 3. Wird die Rechtsverletzung substantiiert bestritten und ergeben sich daraus Zweifel, ist dies dem Betroffenen mitzuteilen und ggf. sind Nachweise für die Rechtsverletzung zu verlangen. 4. Antwortet der Betroffene nicht binnen angemessener Frist oder legt er keine Nachweise vor, endet damit die Prüfungspflicht. 5. Ergibt sich aus der Reaktion des Betroffenen oder den Nachweisen eine Verletzung des Persönlichkeitsrechts, ist der Beitrag zu löschen. Seite 30

2.2.6. Begrenzung der Störerhaftung durch Prüfungspflichten Rezeption des Prüfungspflichtmodells des 6. Zivilsenats In der Literatur wird kritisiert, dass dem Provider eine rechtliche Prüfung auferlegt wird, denn dies sei angesichts der schwierigen Rechtsfragen im Äußerungsrecht unzumutbar (Nolte/Wimmers, Schuster) Die instanzgerichtliche Rechtsprechung sieht nach diesem Modell auch eine Pflicht, vom Autor des Beitrags Nachweise für die Richtigkeit seiner Behauptungen zu fordern. Werden diese nicht erbracht, ist zu löschen Hoeren vertritt die Ansicht, der BGH beziehe seine Präzisierung der Prüfungspflichten nur auf das Presserecht Diese Ansicht ist aber unzutreffend. Die Grundsätze des BGH beziehen sich nach dem Wortlaut der Entscheidung auf alle Verletzungen des Persönlichkeitsrechts auf Angeboten von Hostprovidern. Die Grundsätze der Entscheidung sind damit auch auf Äußerungen in privaten Online-Foren oder Foren von sonstigen Betreibern, die nicht der Presse angehören, übertragbar Seite 31

2.2.6. Begrenzung der Störerhaftung durch Prüfungspflichten Stellungnahme zum Prüfungspflichtmodell des 6. Zivilsenats Im Ergebnis führt auch dieses Modell zu einem notice and take down wie in 10 TMG. Die Haftung setzt erst ein, nachdem der Provider durch die Abmahnung über den Verstoß in Kenntnis gesetzt worden ist. Auch die Konsequenzen für die Pflicht zur Abgabe einer Unterlassungsverpflichtungserklärung und die Zahlung der Abmahnungskosten entfallen wie bei Anwendung von 10 TMG, wenn der Provider den Weg der unverzüglichen Nutzerbefragung geht. Das Modell des 6. Zivilsenats ist damit ohne weiteres vereinbar mit der Anwendung von 10 TMG auf Unterlassungsansprüche. Durch dieses Modell könnten auch die Pflichten des Providers, die gemäß 10 TMG nach Kenntnis von der Rechtsverletzung bestehen, durchaus sinnvoll ausgestaltet werden. Entgegen der Ansicht von Nolte/Wimmers und Schuster wird auch die Pflicht zu einer juristischen Prüfung dem Provider nicht ausschließlich durch das Modell des 6. Zivilsenats auferlegt. Auch bei reiner Anwendung von 10 TMG muss der Provider letztlich prüfen, ob die Äußerung wie in der Abmahnung behauptet Rechte Dritter verletzt oder nicht. Um die Beauftragung eines Rechtsanwalts wird er also in keinem Fall herumkommen. Vor diesem Hintergrund bleibt es unverständlich, dass der 6. Zivilsenat weiterhin an seiner Auffassung festhält, 10 TMG sei auf Unterlassungsansprüche nicht anwendbar. Seite 32

2.2.7. Pflichten zur Verhinderung weitere Verstöße Die Folgen einer Abmahnung für künftige Verhaltenspflichten Das notice and take down Verfahren sei es durch Anwendung von 10 TMG oder der Grundsätze des 6. Zivilsenats, entfaltet nur vor einer Abmahnung Wirkung. Nach der Abmahnung stellt sich die Frage, ob der Host Provider für künftige gleichartige Verstöße einer unbeschränkten Haftung unterliegt, und welche Pflichten sich hieraus ergeben. Im Markenrecht hat der BGH festgehalten, wenn der Provider auf eine klare Rechtsverletzung hingewiesen werde, sei er verpflichtet, gegen weitere derartige Markenrechtsverletzungen Vorsorge zu treffen (Stiftparfüm) Im Urheberrecht hat der BGH entschieden, nach einem Hinweis auf eine klare Rechtsverletzung müsse der Provider vorsorgen, dass es nicht zu weiteren derartigen Urheberrechtsverletzungen kommt (Kinderhochstühle II) Es ist zu verhindern, dass das konkrete Werk nochmals (gleich durch welchen Benutzer) öffentlich zugänglich gemacht wird. Dazu können Wortfilter notwendig sein (Alone in the Dark). Im Äußerungsrecht vertritt der BGH die Ansicht, wenn ein Betroffener auf eine Verletzung eines Persönlichkeitsrechts durch den Nutzer eines Blogs hinweise, könne der Hostprovider als Störer verpflichtet sein, zukünftig derartige Verletzungen zu verhindern. Diese Haftung stehe im Einklang mit den Maßstäben der EuGH-Entscheidung l Oreal./.ebay (Blogspot). Seite 33

2.2.7. Pflichten zur Verhinderung weitere Verstöße Pflichten zur Verhinderung künftiger Verstöße und das EU-Recht In seiner Entscheidung SABAM./. Netlog hat der EuGH festgehalten, dass auch die Enforcement- Richtlinie den Betreiber eines Sozialen Netzwerks nicht verpflichtet, einen Filter zu installieren, der alle Beiträge aller Benutzer erfasst, da dies nicht nur gegen Art. 15 Abs. 1 der E-Commerce-Richtlinie, sondern auch gegen die Grundrechte der Benutzer zum Schutz der personenbezogenen Daten (Art. 8 EU- Grundrechtecharta) und auf freien Empfang von Sendungen (Art. 11) verstoßen würde. Artikel 15 Richtlinie 2000/31/EG (E-Commerce-Richtlinie) - Keine allgemeine Überwachungspflicht (1) Die Mitgliedstaaten erlegen Anbietern von Diensten im Sinne der Artikel 12, 13 und 14 keine allgemeine Verpflichtung auf, die von ihnen übermittelten oder gespeicherten Informationen zu überwachen oder aktiv nach Umständen zu forschen, die auf eine rechtswidrige Tätigkeit hinweisen. Artikel 8 EU-Grundrechtecharta - Schutz personenbezogener Daten (1) Jede Person hat das Recht auf Schutz der sie betreffenden personenbezogenen Daten. Artikel 11 EU-Grundrechtecharta - Freiheit der Meinungsäußerung und Informationsfreiheit (1) Jede Person hat das Recht auf freie Meinungsäußerung. Dieses Recht schließt die Meinungsfreiheit und die Freiheit ein, Informationen und Ideen ohne behördliche Eingriffe und ohne Rücksicht auf Staatsgrenzen zu empfangen und weiterzugeben. Seite 34

2.2.7. Pflichten zur Verhinderung weitere Verstöße Stellungnahme Die Entscheidung zeigt, auf welch dünnem Eis sich bewegt, wer Host-Provider verpflichten will, umfassende Überwachungs- oder Filtermaßnahmen zum Schutz vor Rechtsverletzungen durchzuführen. Der EuGH hat sich klar gegen Filterung positioniert, er bezieht dabei auch die anlassbezogene Filterung nach einer Abmahnung mit ein. Die Filterung bedeutet nicht nur einen Eingriff in das Geschäftsmodell des Providers, der nach Art. 15 Abs. I ECRL / 7 Abs. 2 TMG der Intention des Gesetzgebers widerspricht, es bedeutet auch immer einen Eingriff in die Rechte der Nutzer. In Diskussionsforen ist über den Fall SABAM./.Netlog hinaus auch die Freiheit der Meinungsäußerung (Art. 11 Abs. 1 der EU-Grundrechtecharta) betroffen. Jede Filterung von Diskussionsforen bedeutet letztlich die Zensur von Meinungsäußerungen. Es stellt sich ferner die Frage, wie dies in der Praxis umgesetzt werden soll. Der BGH fordert bei urheberrechtsverletzenden Dateien ausdrücklich den Einsatz von Wortfiltern (Alone in the Dark). Jeder Wortfilter führt jedoch zu falschen Treffern, in Foren wäre eine automatische Sperrung von Artikeln durch Wortfilter daher ohne massive Grundrechtsverletzungen nicht möglich. Letztlich wäre die einzige Lösung eine Pflicht zur Moderation eines jeden Meinungsforums, bei dem es einen einzigen Rechtsverstoß gegeben hat. Das würde das Geschäftsmodell vieler kostenloser Foren allerdings massiv bedrohen. Da es bei Persönlichkeitsrechtsverletzungen an einer Richtlinie fehlt, die eine Durchsetzung von Unterlassungsansprüche auch gegenüber den Beschränkungen der ECRL garantiert, genießen die Beschränkungen der Providerhaftung hier Vorrang. Sie schützen das Geschäftsmodell der Provider. Seite 35

2.2.7. Pflichten zur Verhinderung weitere Verstöße Folgen für Fall 6 Der Mandant ist nicht verpflichtet, eine Unterlassungsverpflichtungserklärung abzugeben, da es nach der Ansicht beider BGH-Senate an einer Wiederholungsgefahr fehlt. Der Folgenbeseitigungsanspruch gemäß 823 Abs. 1, 2 1004 BGB i. V. m. 185 StGB ist von der fehlenden Wiederholungsgefahr nicht betroffen, da er nach 10 TMG ausdrücklich vorgesehen ist und da durch die Abmahnung eine Prüfungspflicht entsteht. Der Mandant hat daher die Vorgaben der BGH- Entscheidung Blogspot einzuhalten: Die Abmahnung enthält einen hinreichend konkreten Hinweis auf die Rechtsverletzung, weitere Tatsachenermittlungen sind nicht erforderlich Folglich ist die Beanstandung dem Benutzer zuzuleiten und dieser ist zur Stellungnahme aufzufordern. Dabei ist der Benutzer nach der Entscheidung des LG Nürnberg-Fürth auch aufzufordern, Beweise für seine Behauptung vorzulegen, der Gegner habe seine Beziehungen spielen lassen, um die Einstellung des Steuerstrafverfahrens zu erreichen. Abhängig von der Reaktion des Benutzers und ggf. des Verletzen ist der Beitrag ggf. zu löschen. Dieses Verfahren ist durch einen Laien ohne anwaltliche Hilfe nicht durchführbar, da die nötigen Beurteilungen einer rechtlichen Prüfung bedürfen. Letztlich begeht der rechtsunkundige Provider somit eine Pflichtverletzung, wenn er nach Erhalt der Abmahnung keinen Anwalt einschaltet. Der Mandant ist nach der hier vertretenen Ansicht nicht verpflichtet, mit der Installation eines Wortfilters oder einer Moderation des Forums dafür zu sorgen, dass gleichartige oder ähnliche Rechtsverletzungen in Zukunft nicht mehr vorkommen Seite 36

2.2.8. Pflicht zur Zahlung der Anwaltskosten Schadenersatz? Anspruch auf Zahlung der Anwaltskosten als Schadenersatz nach 823 Abs. 1, 2 BGB, 185 StGB 10 Speicherung von Informationen Diensteanbieter sind für fremde Informationen, die sie für einen Nutzer speichern, nicht verantwortlich, sofern 1. sie keine Kenntnis von der rechtswidrigen Handlung oder der Information haben und ihnen im Falle von Schadensersatzansprüchen auch keine Tatsachen oder Umstände bekannt sind, aus denen die rechtswidrige Handlung oder die Information offensichtlich wird, oder 2. sie unverzüglich tätig geworden sind, um die Information zu entfernen oder den Zugang zu ihr zu sperren, sobald sie diese Kenntnis erlangt haben. Satz 1 findet keine Anwendung, wenn der Nutzer dem Diensteanbieter untersteht oder von ihm beaufsichtigt wird. 10 TMG findet auf Schadenersatzansprüche Anwendung (BGH - Meinungsforum) Allerdings möchte Klatt 10 TMG dahingehend einschränken, dass Schadenersatzansprüche bei Verstößen, die gegenüber früheren Abmahnungen kerngleich sind, nicht eingeschränkt werden In Fall 6 führt diese Ansicht jedoch nicht zu unterschiedlichen Ergebnissen, da der Verstoß erstmals abgemahnt wird Ein Schadenersatzanspruch auf Zahlung der Anwaltskosten scheidet aus Seite 37

2.2.8. Pflicht zur Zahlung der Anwaltskosten Geschäftsführung ohne Auftrag? Anspruch auf Erstattung der Anwaltskosten aus Geschäftsführung ohne Auftrag, 683, 670 BGB? Einige Gerichte haben bei der Verletzung von Urheberrechten einen Anspruch aus GoA bejaht, wenn die Abmahnung berechtigt sei. Dies setze voraus, dass ein Unterlassungsanspruch bestehe, der Forenbetreiber also Prüfungspflichten verletzt habe Es erscheint jedoch fraglich, ob der im gewerblichen Rechtschutz anerkannte Erstattungsanspruch aus GoA auch bei der Verletzung der Ehre eingreift Die Abmahnung dient der Verschaffung der Kenntnis und ist damit ein eigenes Geschäft des Verletzten Ein Anspruch aus Geschäftsführung ohne Auftrag scheidet aus. Seite 38

2.2.9. Folgen für Fall 6 Taktisches Vorgehen Empfehlungen an den Mandanten: Die Abmahnung dem Benutzer zuleiten und ihn unter Fristsetzung (14 Tage) zur Stellungnahme auffordern (das Schreiben an den Benutzer sollte ein Anwalt formulieren) Reagiert der Benutzer nicht, den Artikel nach Fristablauf löschen Reagiert der Benutzer und kann beweisen, dass die Aussagen bezüglich des Steuerstrafverfahrens der Wahrheit entsprechen (dies sollte der Anwalt beurteilen), ist diese Stellungnahme dem Verletzen zuzuleiten und dieser zum Gegenbeweis aufzufordern (durch anwaltliches Schreiben an den Anwalt des Verletzten). Reagiert der Verletzte nicht, kann die Aussage über das Steuerstrafverfahren im Forum stehenbleiben, die Schmähkritik ist in jedem Fall zu löschen. Reagiert der Verletzte und kann den Gegenbeweis führen (das sollte der Anwalt beurteilen), ist der Artikel vollständig zu löschen. Abwägung der Interessen des Mandanten: Eine Moderation des Forums ist dem Mandanten wirtschaftlich nicht zumutbar Eine Verweigerung der Moderation birgt ein gewisses Prozessrisiko, da der BGH die Ansicht vertritt, auch der Forenbetreiber müsse weitere gleichartige Verstöße verhindern. Gegen diese falsche Ansicht des BGH lässt sich allerdings gerade in Fall 6 gut argumentieren. Schreiben an die gegnerischen Anwälte Angaben zum Artikel wie oben Zurückweisung des Unterlassungsanspruchs und der Forderungen auf Moderation des Forums und Übernahme der gegnerischen Anwaltsgebühren Seite 39

2.2.10 Haftungsbegrenzung für Host Provider de lege ferenda Gesetzentwurf der Bundesregierung 2. Gesetz zur Änderung des TMG Artikel 1 Das Telemediengesetz vom 26. Februar 2007 (BGBl. I S. 179), das zuletzt durch Artikel 2 Absatz 16 des Gesetzes vom 1. April 2015 (BGBl. I S. 434) geändert worden ist, wird wie folgt geändert: 4. 10 wird wie folgt geändert: a) Die Sätze 1 und 2 werden zu Absatz 1. b) Folgender Absatz 2 wird angefügt: (2) Die Kenntnis von Tatsachen oder Umständen nach Absatz 1, aus denen die rechtswidrige Handlung oder die Information offensichtlich wird, wird vermutet, wenn es sich bei dem angebotenen Dienst um einen besonders gefahrgeneigten Dienst handelt. Ein besonders gefahrgeneigter Dienst liegt in der Regel dann vor, wenn 1. die Speicherung oder Verwendung der weit überwiegenden Zahl der gespeicherten Informationen rechtswidrig erfolgt, 2. der Diensteanbieter durch eigene Maßnahmen vorsätzlich die Gefahr einer rechtsverletzenden Nutzung fördert, 3. in vom Diensteanbieter veranlassten Werbeauftritten mit der Nichtverfolgbarkeit bei Rechtsverstößen geworben wird oder 4. keine Möglichkeit besteht, rechtswidrige Inhalte durch den Berechtigten entfernen zu lassen. Seite 40

2.2.10 Haftungsbegrenzung für Host Provider de lege ferenda Kritik an dem Gesetzentwurf in der Literatur (Frey/Rudolph/Oster) Der Gesetzentwurf verwischt Elemente der Störerhaftung und damit der Anspruchsgrundlage mit 10 TMG und damit der Haftungsbegrenzung Der Gesetzentwurf missachtet die Vollharmonisierung durch Art. 14 E-Commerce-Richtlinie, indem er die Haftung gegenüber der Richtlinie verschärft Nach der Begründung soll eine Sonderregelung für gefahrgeneigte Dienste im Urheberrecht geschaffen werden, geändert wird aber eine plattformübergreifende Regelung Die Einordnung der Rolle von bestimmten Diensteanbietern als neutral oder aktiv und damit die Grenzen der Anwendbarkeit der Haftungsprivilegierung werden durch den EuGH bestimmt und sind nicht der Disposition nationaler Gesetzgeber unterworfen. Daher verstößt der Entwurf gegen europäisches Recht. Kritik der EU-Kommission im Notifizierungsverfahren Auch die EU-Kommission kritisiert, die Einschränkungen des Entwurfs gingen über die Einschränkungen der Privilegierung von Art 14 der E-Commerce-Richtlinie in der Interpretation des EuGH hinaus. Seite 41

2.2.10 Haftungsbegrenzung für Host Provider de lege ferenda Stellungnahme des Bundesrates 2. Gesetz zur Änderung des TMG 4. Zu Artikel 1 Nummer 4 ( 10 Absatz 1 und 2 TMG) Artikel 1 Nummer 4 ist zu streichen. Begründung des Bundesrates: Die Vermutungsregelungen sind überflüssig Sie schaffen mehr Rechtsunsicherheit als Klarheit Der gefahrgeneigte Dienst als unbestimmter Rechtsbegriff bleibt auslegungsbedürftig Der Entwurf stellt eine für die Meinungsvielfalt schädliche Haftungsverschärfung dar Gegenäußerung der Bundesregierung: Die Bundesregierung wird das Anliegen eingehend prüfen. Die Bundesregierung hat ihren Entwurf dennoch unverändert dem Bundestag vorgelegt Seite 42

2.2.10 Haftungsbegrenzung für Host Provider de lege ferenda Stellungnahme Der Entwurf für 10 Abs. 2 TMG sollte nicht Gesetz werden. Er schränkt die Anwendung der Haftungsprivilegierung über die Rechtsprechung des EuGh hinaus ein. Das widerspricht europäischem Recht. Für eine weitere Einschränkung der Haftungsprivilegierung besteht auch kein Bedarf. Eine solche Einschränkung würde durch unbestimmte Rechtsbegriffe neue Rechtsunsicherheit schaffen und damit der Intention von 10 TMG widersprechen Anstelle dieses Gesetzentwurfs wäre es sinnvoll, in 10 TMG klarzustellen, dass die Vorschrift auch für Unterlassungsansprüche gilt. Dies würde im Gegensatz zum vorliegenden Entwurf europäischem Recht entsprechen und den 6. Zivilsenat des BGH zwingen, das geltende EU-Recht zu beachten Seite 43

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit! E N D E Seite 44