Seminar Populations- und Epidemiemodelle. Die Lorenz-Gleichungen.

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Seminar Populations- und Epidemiemodelle. Die Lorenz-Gleichungen. Christian Rose 30. Juni 2013 1

1 Motivation In den sechziger Jahren des 20. Jahrhunderts fragte sich ein Meteorologe namens Lorenz, wie sich wohl Luftmassen in der Atmosphäre verhalten. Dazu betrachtete er folgende Idealisierung von Erdoberfläche und Himmel. Zwei Platten werden horizontal und parallel zueinander betrachtet, die untere ist warm, die obere kalt. Nun versucht die Atmosphäre ein Gleichgewicht in der Wärmeverteilung zu erzeugen. Befinden sich die Platten nahe genug beieinander, so reicht die normale Wärmeleitfähigkeit des Mediums zwischen diesen aus, um den Transport der Wärme zu gewährleisten. Vergrößert man nun den Abstand, tritt das Phänomen der Konvektionsrollenbildung auf. Die Wärme bewegt sich in einem Strom aufwärts, während die Kälte andernorts absinkt. Nun geht, wie auch bei dem vorher Beschriebenen, aus Beobachtungen hervor dass, sobald man den Abstand der Platten noch mehr vergrößert, der Transport nicht mehr geregelt, sondern extrem chaotisch stattfindet. Lorenz entwickelte anhand seiner Vermutungen aus den Navier-Stokes-Gleichungen sowie Massenerhaltungs- und Energieerhaltungssatz und einigen Substitutionen ein idealisiertes System, dass die Vorgänge schön beschreibt und dessen chaotisches Verhalten sich sehr schön untersuchen lässt, siehe dazu [3]. Im Folgenden wollen wir diese Untersuchungen aufgreifen und diskutieren, wobei wir nicht weiter auf die Herleitung eingehen wollen. Uns interessieren hier Stabilität und kurzzeitig auch Asymptotik. 2 Die Lorenz- Gleichungen Die Lorenz-Gleichungen sind ein nichtlineares System gewöhnlicher Differentialgleichungen und sind definiert durch ẋ = σ(y x), ẏ = rx y xz, : x = F x ż = xy bz. Dabei stehen σ für die Prandtl-Zahl, die ein Maß für die Trägheit eines hydrodynamischen Systems darstellt, b ein Maß für die Zellengeometrie einer Konvektionsrolle und r die relative Rayleigh-Zahl ist, die, grob gesagt, auftreibende und abtreibende Kräfte in ein Verhältnis setzt. Insbesondere sind alle Parameter Größer als Null. Letzteren kann man ansehen als Maß für den Abstand der Platten in obiger Motivation. Deshalb lohnt es sich, die Stabilität in Abhängigkeit von diesem Parameter zu untersuchen. Lorenz benutzte damals für seine Untersuchungen die Werte σ = 10 und b = 8 3. Da wir vermeiden wollen, noch andere Abhängigkeiten und Spezialfälle untersuchen zu müssen, raten wir dem Leser, sich diese Fälle immer im Gedächtnis zu behalten. Für die anderen zulässigen Fälle kann man dann auch analoge Betrachtungen durchführen. 3 Stabilität 3.1 Gleichgewichte Um das System auf Stabilität zu untersuchen, haben wir zuerst das System auf Gleichgewichtspunkte zu untersuchen, also setzen wir x = 0. 2

Daraus geht nun hervor x = y, 0 = x 2 bz und damit 0 = rx x x3 b. Damit haben wir einen Gleichgewichtszustand x 1 = (0, 0, 0) T, für die anderen muss gelten x 2 = b(r 1). Diese Gleichung ist nur lösbar, wenn r 1. Damit existiert für r 1 nur ein Gleichgewicht, nämlich x 1, und für r > 1 haben wir noch die zwei anderen stationären Punkte x 2,3 = (± b(r 1), ± b(r 1), r 1) T. Um nun herauszufinden, was für Zustände diese Punkte sind, müssen wir die Eigenwerte des linearisierten Systems untersuchen. Dazu benötigen wir die Jacobi-Matrix von F, σ σ 0 DF ( x) = r z 1 x. y x b Betrachten wir einmal das charakteristische Polynom von DF ( x 1 ), det(λ DF ( x 1 )) = (λ + b)[λ 2 + (σ + 1)λ + (1 r)σ]. Eine Nullstelle ist λ 1 = b, die anderen müssen erfüllen λ 2 + λ 3 = (σ + 1) < 0, λ 2 λ 3 = σ(1 r). Für 0 < r < 1 sind λ 2 und λ 3 kleiner Null, womit der in diesem Fall einzige existierende Gleichgewichtspunkt asymptotisch stabil ist. Ist r > 1, so ist eine Nullstelle positiv und die anderen beiden negativ, also gibt es hier einen instabilen Sattelpunkt. Sei nun r > 1, damit die anderen beiden beiden Gleichgewichte auch existieren. An dieser Stelle sollte sich der Leser klar machen, dass das System eine Symmetrie im folgenden Sinne besitzt. Substituieren wir x := x und ỹ := y und lassen z unverändert, so gilt Folgendes: zeigen wir eine Eigenschaft für den Punkt (x, y, z), so gilt diese auch für ( x, ỹ, z). Deshalb führen wir hier alle Betrachtungen nur für x 2 durch, da dasselbe auch für x 3 gilt. Das charakteristische Polynom von DF ( x 2 ) hat die Form p(λ) := det(λ DF ( x 2 )) = λ 3 + (σ + b + 1)λ 2 + b(σ + r)λ + 2σb(r 1). Im Fall r = 1 gibt es nun einen Eigenwert λ 1 = 0, die anderen beiden sind negativ. Wir erhalten für diesen Grenzfall also stabile Knoten. Was uns nun interessiert ist das Verhalten der Nullstellen von p für wachsendes r. Dafür betrachten wir einmal die Nullstellen der ersten Ableitung von p, λ 5,6 = 1 3 (σ + b + 1) ± 1 3 (σ + b + 1) 2 3b(σ + r). Solange nun r < r 1 := (b+σ+1)2 3b σ existieren zwei Extrema. Dabei kann man feststellen, dass für r > 1, r 1 drei negative Nullstellen existieren, dann sobald wir r vergrößern nur noch zwei negative und letztendlich eine reelle und zwei konjugiert komplexe Eigenwerte mit negativem Realteil. Für r = r 1 erhalten wir einen Sattelpunkt und deshalb auch nur noch eine reelle 3

Nullstelle und für noch größeres r erhalten wir zwei komplexe Nullstellen der ersten Ableitung, womit auch nur noch eine reelle Nullstelle existiert. Man fragt sich nun, ob es ein r p gibt, sodass p Nullstellen mit verschwindendem Realteil hat, wodurch die Gleichgewichtspunkte auf einmal instabil werden. Dazu definieren wir λ k := iµ für ein µ R \ {0} und betrachten p(λ k ) = 0, wodurch dann folgt was nur erfüllt ist, falls iµ 3 (σ + b + 1)µ 2 + b(σ + r)µi + 2σb(r 1) = 0, 0 = iµ(µ 2 b(σ + r))und 0 = 2σb(r 1) (σ + b + 1)µ 2. Lösen wir nun die zweite Gleichung nach µ 2 auf und setzen dies in die erste Gleichung ein, so erhalten wir σ(3 + b + σ) r p := σ b 1. Unsere Behauptung ist nun, dass für r r p die Gleichgewichte x 2 und x 3 instabil werden. Dazu muss man zeigen, dass die Abbildung, die den Koeffizienten eines Polynoms seine Nullstellen zuordnet, stetig ist und wir ein r 2 > r p finden, sodass der Realteil der zugehörigen Nullstellen positiv ist. Wir behandeln hier nur ersteres. 3.1 Satz: Die Abbildung, die den Koeffizienten eines Polynoms seine Nullstellen zuordnet, ist stetig. Beweis: Wir geben hier nur eine Beweisidee. Sei p ein Polynom vom Grad n und ɛ > 0. Ohne Einschränkung sei U ɛ (x k ) Uɛ(x j ) = für Nullstellen x j x k von p. Wir erhalten so t n Kugeln. Wir nehmen uns davon eine her. Nach dem Residuensatz gilt p (z) 2πi {Nullstellen von p in U ɛ } = U ɛ p(z) dz. Es gilt nun f(z) g(z)dz f g λ( U ɛ). U ɛ Ist nun g ein Polynom vom Grad n mit p p g g < δ für ein δ > 0, so hat g die selbe Anzahl an Nullstellen in der ɛ-umgebung wie p. Insbesondere liegen die Nullstellen von g also alle in einer Umgebung der Nullstelle von p. Es bleibt noch über alle enstandenen δ der einzelnen Kugeln zu minimieren. 3.2 Stabile und instabile Mannigfaltigkeiten 3.2.1 Erinnerung: Sei x 0 R 3 ein Gleichgewichtspunkt und φ der Fluss eines Systems. Dann heißen W s (x 0 ) := {x R 3 ϕ x (t) x 0, t } W u (x 0 ) := {x R 3 ϕ x (t) x 0, t } 4

die stabile bzw. instabile Mannigfaltigkeit von x 0. Wir wissen, dass W s (x 0 ) und W u (x 0 ) tatsächlich Untermannigfaltigkeiten sind und auch gemeinsame Punkte besitzen. Außerdem gilt für die Tangentialräume der Mannigfaltigkeiten T x0 W s (x 0 ) = E s, T x0 W u (x 0 ) = E u, wobei E s und E u die stabilen bzw. instabilen Unterräume bezeichnen. Ist nun r p > r > 1, so haben wir für x 1 die Eigenwerte der Jacobi-Matrix λ 1, λ 2 < 0, λ 3 > 0. Damit gilt 2 = dim E s = dim T 0 W s (0) = dim W s (0), also kann man sich die stabile Mannigfaltigkeit in einer genügend kleinen Umgebung als eine Fläche vorstellen, die den R 3 grob gesagt in zwei Hälften teilt, wobei die z-achse auch zu dieser gehört. Ist nun r < r p, so bleiben die Trajektorien auf der Seite der Fläche, auf der sie gestartet sind. Ist r = r p, so fallen die stabile und instabile Mannigfaltigkeit zusammen und es entstehen homokline Orbits. Für noch größeres r können die Trajektorien in Richtung des einen stationären Punktes starten und in ihn hinlaufen oder auch zu dem anderen konvergieren. Dies ist das interessante chaotische Verhalten dieses Lorenz-Systems, das nun insbesondere Fragen nach attraktiven Mengen aufwirft. 3.3 Attraktive Mengen und Lorenz-Attraktor Man kann sich nun ersteinmal Fragen, ob es Mengen gibt, die die Trajektorien ab einem bestimmten Zeitpunkt nicht mehr verlassen. Dazu die folgende 3.3.1 Behauptung: Es gibt ein beschränktes Ellipsoid E R 3 in das alle Trajektorien hineinlaufen und nach dem Eintritt auch nicht mehr verlassen. Beweis: Wir definieren V : R 3 R, x rx 2 + σy 2 + σ(z 2r) 2. V ist stetig differenzierbar und es gilt für die Trajektorien ϕ(t) unseres Flusses F V (ϕ(t)) = d dt V (ϕ(t)) ẋ = DV ( x) ẏ ż = ( 2rx 2σy 2σ(z 2r) ) σx + σy rx y xz bz + xy = 2σ(rx 2 + y 2 + bz 2 2brz). Wir definieren nun die Menge D R 3 durch D := {x R 3 V (x) 0}. Da V stetig ist, ist D abgeschlossen. Wenn wir uns immer weiter vom Ursprung entfernen, sehen wir außerdem, dass V irgendwann kleiner als Null wird. D ist also ebenfalls beschränkt und damit auch kompakt. Also nimmt V darauf auch ein Maximum an. Außerdem sehen wir, dass V const Ellipsoide sind. Betrachten wir nun ein beschränktes Ellipsoid in dessen Inneren D liegt mit V (x) c + ɛ für ein ɛ > 0 und alle x D. Sei y / E int(e), so ist y auch nicht in D, also V (y) < δ für ein δ > 0. Schauen wir uns nun eine Trajektorie ϕ y an, die durch y läuft. Dann nimmt V entlang dieser Trajektorie ab solang bis V c + ɛ und insbesondere bis irgendwann 5

V 0 gilt. V nimmt aber sobald es aus D herauskommt wieder ab, bleibt also innerhalb von E. Wir haben also eine Menge gefunden, in die alle Trajektorien hinlaufen. Damit kann man sich fragen: Existiert denn ein Attraktor? Insbesondere im Fall des chaotischen Verhaltens des Systems? Und wenn ja, wie sieht er aus? Die Antwort ist, dass tatsächlich trotz des unbestimmten Verhaltens der Trajektorien ein Attraktor existiert, allerdings von der seltsamen Sorte. 3.3.2 Definition: Sei (X, f) ein diskretes dynamisches System und A ein Attraktor von (X, f). A heißt seltsam, wenn ein ɛ > 0 existiert, sodass x A U(x) A: y U(x) n N 0 : d(f n (x), f n (y)) > ɛ. Grob gesagt bedeutet dies, dass ein seltsamer Attraktor sehr sensibel auf kleine Störungen reagiert, denn weiche ich ein bisschen von meinem Startwert innerhalb des Attraktors ab, wird sich die Trajektorie stark von der ursprünglichen unterscheiden, was wieder auf das Chaos in einem solchen System schließen lässt. Wir wollen hier auch nicht weiter darauf eingehen, da das den Rahmen der Veranstaltung sprengen würde, bis auf eine Sache. Wir erhalten hier ein geometrisches Modell für schöne (X, f), d. h. dass ein solches System eine gewisse fraktale Struktur besitzt. Tucker zeigte 1998, dass das Lorenz- System Voraussetzungen erfüllt, die für den Beweis eines seltsamen Attraktors im diskreten Setting nötig sind, siehe dazu [5]. Insbesondere besitzt also das Lorenz-System eine solche seltsame Struktur. Man beachte hier, dass wir das Lorenz-System im kontinuierlichen betrachtet haben. Literatur [1] http://www.math.uni-hamburg.de/home/lauterbach/scripts/seminar03/prill.pdf [2] http://www.tuhh.de/rzt/rzt/it/lorenz/lorenz.html [3] E. N. Lorenz Deterministic nonperiodic flow, Journal of Atmospheric Sciences, 20:130-141, 1963 [4]. Pesin, V. Climenhaga Lectures on Fractal Geometry and Dynamical Systems, Student Mathematical Library, 2009 [5] Warwick Tucker The Lorenz attractor exists, Department of Mathematics, Uppsala University 1998 6