Fall 1: Lösung: 1. Gesellschaftsformen Personengesellschaften Körperschaften 2. Rechtsformwahl, Gesellschaftsvertrag Innenverhältnis Außenverhältnis



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Transkript:

1 Fall 1: A und B möchten nach erfolglosem BWL-Studium gemeinsam einen Pizza-Service gründen. Sie fragen ihren Freund C, der soeben sein Jura-Studium abgebrochen hat, welche Formen für ihre Zusammenarbeit in Betracht kommen und welche Aspekte sie dabei zu beachten haben. Lösung: A und B planen, sich zur Durchführung des Pizza-Services zusammenzuschließen. Es geht daher um die Gründung einer Gesellschaft. 1. Gesellschaftsformen Das deutsche Gesellschaftsrecht kennt zahlreiche verschiedene Gesellschaftsformen, etwa die Gesellschaft bürgerlichen Rechts, die Offene Handelsgesellschaft, die Kommanditgesellschaft, den Verein, die Aktiengesellschaft sowie die Gesellschaft mit beschränkter Haftung. Seit im Anschluss an die Überseering-Entscheidung des EuGH auch ausländische Rechtsformen mit Sitz und Tätigkeitsschwerpunkt in Deutschland anerkannt werden, kämen auch solche Rechtsformen, etwa eine Limited nach englischem Recht, in Betracht. Der Struktur nach können die verschiedenen Gesellschaftsformen in zwei Gruppen eingeteilt werden. Bei den Personengesellschaften steht die persönliche Zusammenarbeit der Gesellschafter im Vordergrund. Diese Gesellschaften sind deshalb durch die persönliche Tätigkeit der Gesellschafter und deren Haftung für Verbindlichkeiten der Gesellschaft gekennzeichnet. Demgegenüber treten bei den Körperschaften (auch Kapitalgesellschaften genannt) die Gesellschafter gegenüber der Gesellschaft als rechtsfähiger juristischer Person in den Hintergrund. Es haftet grundsätzlich nur die Gesellschaft mit dem Gesellschaftsvermögen. Organe können auch Nicht-Gesellschafter sein. 2. Rechtsformwahl, Gesellschaftsvertrag Bei der Rechtsformwahl und der Gestaltung des Gesellschaftsvertrages sind neben allgemeinen Anforderungen (Name und Sitz der Gesellschaft, Gesellschaftszweck, Bezeichnung der Gesellschafter, Bestimmung deren Einlageverpflichtung, Regeln über das Ausscheiden von Gesellschaftern bzw. die Beendigung der Gesellschaft) vor allem zwei Aspekte von Interesse: Zum einen, wer für die Gesellschaft tätig wird, zum anderen, wen die finanziellen Vor- und Nachteile aus der Gesellschaftstätigkeit treffen. Hinsichtlich beider Aspekte ist dabei zwischen Innenverhältnis und Außenverhältnis zu unterscheiden. Das Innenverhältnis regelt das Verhältnis der Gesellschafter untereinander bzw. zur Gesellschaft. Dort stellt sich bezüglich der beiden genannten Aspekte die Frage nach

2 der Geschäftsführung (wer darf/muss für die Gesellschaft tätig werden, wer trifft die maßgeblichen Entscheidungen?) und der Verteilung von Gewinn und Verlust (wer trägt intern das wirtschaftliche Ergebnis der Gesellschaftstätigkeit?). Im Außenverhältnis geht es um die Rechtsbeziehungen der Gesellschaft bzw. der Gesellschafter gegenüber Dritten. Hier sind dieselben beiden Aspekte unter der Fragestellung Vertretung (wer kann im Außenverhältnis zu Dritten wirksam Rechte und Pflichten der Gesellschaft/der Gesellschafter begründen?) und Haftung (wer haftet gegenüber Gläubigern der Gesellschaft, wen kann ein Gläubiger der Gesellschaft in Anspruch nehmen?) zu beurteilen. Da sowohl diese beiden Aspekte als auch die weiteren Rahmenbedingungen des Zusammenschlusses je nach Rechtsform im Gesetz unterschiedlich ausgestaltet sind, hängt hiervon maßgeblich die Rechtsformwahl ab. Dabei ist innerhalb bestimmter Grenzen eine vertragliche Gestaltung möglich, so dass etwa eine Personengesellschaft durch den Gesellschaftsvertrag kapitalistischer und eine Körperschaft durch die Satzung personalistischer als im gesetzlichen Leitbild ausgestaltet werden kann. Neben den rechtlichen Rahmenbedingungen spielt für die Rechtsformwahl naturgemäß auch eine unterschiedliche steuerliche Behandlung der Gesellschaftsformen eine wichtige Rolle. Generell findet die Ertragsbesteuerung bei Personengesellschaften auf Ebene der Gesellschafter statt, während bei den Körperschaften die Gesellschaft selbst steuerpflichtig ist. So wird bei Personengesellschaften zwar eine einheitliche und gesonderte Feststellung des Gesamtgewinns (oder verlustes) vorgenommen. Die sich daraus ergebenden Gewinnanteile der Gesellschafter werden aber ausschließlich nach der persönlichen Ertragssteuerpflicht des jeweiligen Gesellschafters bei diesem besteuert. Bei den Körperschaften besteht dagegen die Ertragssteuerpflicht der Gesellschaft. Lediglich Gewinnausschüttungen an die Gesellschafter werden nach Maßgabe des sogenannten Halbeinkünfteverfahrens und nach den persönlichen Verhältnissen des Gesellschafters durch diesen versteuert. Schließlich ist für die Rechtsformwahl der Zeit- und Kostenaufwand für die Gründung und Durchführung der Gesellschaft von maßgeblicher Bedeutung. Dieser ist bei den Körperschaften deutlich höher (z.b. notarielle Beurkundung der Satzung und künftiger Satzungsänderungen; zwingende Aufbringung eines Stammkapitals; bei der AG: regelmäßige Durchführung förmlicher Hauptversammlungen).

3 Fall 2: U betreibt als Einzelkaufmann einen Rohstoffhandel. Zur Finanzierung seiner gewerblichen Tätigkeit hat er bei den Kreditinstituten B und C Darlehen aufgenommen. Diese sind mit einem fest vereinbarten Satz verzinslich und in monatlichen Raten zurückzuzahlen. Angesichts schwieriger Marktverhältnisse benötigt U weitere Finanzmittel. Er vereinbart deshalb mit Kreditinstitut D die Gewährung eines weiteren Darlehens. In diesem Vertrag ist vorgesehen, dass U die Bank regelmäßig umfassend über den Geschäftsgang informieren muss. Außerdem ist über den vereinbarten Zinssatz hinaus eine vom Erlös des Unternehmens abhängige Sondervergütung für D vorgesehen. Als sich die geschäftliche Situation des U weiter verschlechtert, kommt es zu einer gemeinsamen Besprechung der drei Kreditinstitute. Diese vereinbaren, die Verwaltung ihrer Darlehen und die Durchsetzung ihrer Rückforderungen künftig gemeinsam gegenüber U vorzunehmen, wobei nach der im Einzelnen ausgestalteten Vereinbarung die Bank C als Hauptkreditgeber alle Verhandlungen mit U führen soll. Bestehen zwischen den Beteiligten Gesellschaftsverträge? Lösung: Der Gesellschaftsvertrag zeichnet sich in seiner Grundform gemäß 705 BGB dadurch aus, dass sich zwei oder mehr Personen zur wechselseitigen Förderung eines gemeinsamen Zwecks zusammenschließen. Während bei einem gegenseitigem Vertrag der Austausch wechselseitiger Leistungen, also sich gegenüberstehende Leistungs- und Gegenleistungspflichten, Vertragsinhalt sind, zeichnet sich die Gesellschaft durch eine gleichgerichtete (auf einem gemeinsamen Zweck zielende, wechselseitige) Förderungspflicht aus. Die Darlehensverträge zwischen U und B bzw. C stellen mithin einen gegenseitigen Vertrag (Kreditvaluta gegen Zinszahlung), und keinen Gesellschaftsvertrag dar. Dies könnte bei Kreditinstitut D anders sein, weil nach der dortigen vertraglichen Vereinbarung gewisse Auskunfts- und Kontrollrechte über die Geschäftsführung des Handelsgewerbes des U bestehen und D vor allem am Erlös der Geschäftstätigkeit des U beteiligt ist. Indes handelt es sich auch hier lediglich um einen gegenseitigen Vertrag in der Form eines partiarischen Darlehens, da die für den Gesellschaftsvertrag konstitutive gemeinsame Förderungspflicht hinsichtlich des Kreditinstitutes D fehlt. Demgegenüber haben B, C und D unabhängig von der Bezeichnung ihrer Vereinbarung einen Gesellschaftsvertrag geschlossen. Die gemeinsame Verwaltung und Durchsetzung der dem U gewährten Darlehen ist ein gemeinsamer Zweck, den zu fördern sich die Banken

4 verpflichtet haben. Es handelt sich um einen sogenannten Bankenpool, der als Gesellschaft bürgerlichen Rechts betrachtet wird. Fall 3: A und B suchen nach Abschluss ihres BWL-Studiums nach einer gemeinsamen Tätigkeit, die mit möglichst geringem Aufwand eine höchstmögliche Rendite verspricht. Sie beschließen, künftig ausgewählte Immobilien zu erwerben und insbesondere durch Vermietung an Dritte zu verwalten. Ihre geplante Zusammenarbeit dokumentieren sie schriftlich und legen dabei fest, dass beide mindestens 20 Stunden ihrer wöchentlichen Arbeitskraft für das gemeinsame Projekt zur Verfügung stellen. Außerdem sollen 40.000,00 (A) bzw. 60.000,00 (B) als Startkapital eingebracht werden. Mit diesen Quoten sollen beide auch am Ergebnis der gemeinsamen Tätigkeit teilhaben. Wie vereinbart, werden gemeinsam zunächst einige Eigentumswohnungen erworben und nach Sanierung an Dritte vermietet. Sodann erfährt A von einem interessanten größeren Immobilienprojekt, zu dessen Entwicklung aber weitere finanzielle Mittel in einer Größenordnung von 50.000,00 benötigt werden. Kann er von B eine anteilige Aufbringung dieses Betrages verlangen? Welche Rechtsfolge hätte es, wenn sich nach zweijähriger Tätigkeit herausstellte, dass A dem B auf entsprechende Fragen vor Beginn der Zusammenarbeit wahrheitswidrig verschwiegen hatte, wegen verschiedenster Vermögensdelikte im Zusammenhang mit einer früheren Tätigkeit im Immobiliensektor mehrfach vorbestraft zu sein? Lösung: Für die Beurteilung der Rechte und Pflichten der Parteien ist zunächst zu prüfen, ob diese einen wirksamen Vertrag geschlossen haben und um welche Vertragsart es sich handelt. 1. Gesellschaft Gegenstand der Vereinbarungen von A und B könnte eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) sein. Diese Grundform der Personengesellschaften hat nach 705 BGB den Zusammenschluss von zwei oder mehr Personen zur Erreichung eines gemeinsamen Zwecks mit wechselseitiger Förderungspflicht zum Inhalt. Dies ist hier der Fall, da A und B gemeinsam beim Erwerb und der Verwaltung von Immobilien zusammenarbeiten wollen und sich diesbezüglich zur Mitarbeit und einer Vermögenseinlage verpflichtet haben. In Abgrenzung zu den anderen Personengesellschaften (Offene Handelsgesellschaft und

5 Kommanditgesellschaft, 105, 161 HGB) liegt eine GbR nur dann vor, wenn die Gesellschaft nicht auf den Betrieb eines Handelsgewerbes gerichtet ist. Dies ist bei der hier geplanten Verwaltung von Immobilienvermögen auch nicht der Fall (vgl. auch 105 Abs. 2 HGB). Deshalb geht es um die Rechtsform der GbR. 2. Gesellschaftsvertrag Mit der Vereinbarung der entsprechenden Zusammenarbeit ist ein Gesellschaftsvertrag zwischen A und B zustande gekommen. Der Abschluss eines solchen Vertrages ist grundsätzlich formfrei möglich. Dies ist gemäß 311b BGB indes anders, wenn eine Verpflichtung zum Erwerb von Grundstücken enthalten ist. Dies ist etwa der Fall, wenn sich ein Gesellschafter zur Einbringung eines Grundstücks in das Gesellschaftsvermögen verpflichtet. Vorliegend ist dagegen allein der allgemeine Gesellschaftszweck auf den (noch unbestimmten) Erwerb von Grundstücken gerichtet. Ein solcher Gesellschaftsvertrag ist nicht formbedürftig. Daher liegt eine wirksame Gesellschaft bürgerlichen Rechts vor. 3. Zahlungspflicht des B Gemäß 706 BGB sind die Gesellschafter zur Leistung vereinbarter Beiträge verpflichtet. B hat deshalb die für ihn im Gesellschaftsvertrag vorgesehenen 60.000,00 als Einlage zu zahlen. Vorliegend geht es indes um zusätzliche finanzielle Mittel für die Finanzierung des größeren Immobilienprojektes. Die ursprünglich vereinbarten Beträge sollen daher erhöht werden. Gemäß 707 BGB kommt eine solche Nachschussverpflichtung aber nur in Betracht, wenn sie im Gesellschaftsvertrag vereinbart ist. Dies war vorliegend nicht der Fall. Ohne Zustimmung aller Gesellschafter scheidet eine Verpflichtung zur Einzahlung weiterer Mittel daher aus. Abwandlung In der Abwandlung geht es um eine mögliche Nichtigkeit des Gesellschaftsvertrages. 1. Nichtigkeit gemäß 142, 123 BGB Die Nichtigkeit könnte sich hier aus 142 BGB ergeben, wenn B wegen der falschen Angaben des A bei Gründung der Gesellschaft den Gesellschaftsvertrag anficht. Als Anfechtungsgrund kommt eine arglistige Täuschung gemäß 123 BGB in Betracht. Trotz ausdrücklicher Fragen hat A seine Vorstrafen verschwiegen. Da es sich um für den gemeinsamen Gesellschaftszweck maßgebliche Umstände handelt, hätte B bei Kenntnis der wahren Sachlage den Gesellschaftsvertrag so nicht abgeschlossen. Mithin liegt ein Anfechtungsgrund vor.

6 2. Folgen der Anfechtung Gemäß 142 BGB hat die wirksame Anfechtung eines Vertrags grundsätzlich dessen Nichtigkeit von Anfang an (ex tunc) zur Folge. Soweit ein Rechtsgeschäft bereits vollzogen wurde, erfolgt gemäß 812 BGB eine Rückabwicklung. Diese Konsequenz ist bei Gesellschaftsverträgen indes unerwünscht. Wenn diese in Vollzug gesetzt wurden und insbesondere im Außenverhältnis zu Dritten bereits Rechtsbeziehungen begründet wurden, ist eine Rückabwicklung in der Regel unmöglich, zumindest aber unpraktikabel. Nach der Lehre von der fehlerhaften Gesellschaft scheidet eine solche Rückabwicklung daher aus. Vielmehr begründet die Nichtigkeit des Gesellschaftsvertrages lediglich das Recht der Gesellschafter, den Gesellschaftsvertrag außerordentlich fristlos zu kündigen, was zu einer Beendigung für die Zukunft (ex nunc) führt. Hiervon ist lediglich dann eine Ausnahme zu machen, wenn der Gesellschaftsvertrag entweder noch nicht in Vollzug gesetzt wurde oder aber übergeordnete Interessen der Rechtsordnung eine Rückabwicklung gebieten (z.b. der Minderjährigenschutz bei Nichtigkeit gemäß 105, 108 BGB). 3. Ergebnis Vorliegend hätte B mithin das Recht, den Gesellschaftsvertrag aus wichtigem Grund fristlos gemäß 723 BGB zu kündigen. Da im Gesellschaftsvertrag keine Klausel über die Fortsetzung der Gesellschaft nach Kündigung vorgesehen ist, hätte dies gemäß 736 Abs. 1 BGB die Auflösung der GbR zur Folge. Fall 4: Im Grundfall 3 setzen A und B ihre Zusammenarbeit fort. Im Jahr 2006 erzielt die Gesellschaft einen Gewinn von 100.000,00. Wie ist dieser zu verteilen? Anfang 2007 erfährt A von einem interessanten Immobilienprojekt. Dürfte er ohne Abstimmung mit B die Immobilie für die Gesellschaft erwerben oder die erforderliche Finanzierung bei einem Kreditinstitut abschließen? Wäre er berechtigt, das Objekt allein außerhalb der Zusammenarbeit mit B zu erwerben? Wie könnte A die Durchsetzung rückständiger Beiträge bei B realisieren? Lösung: Es geht um das Innenverhältnis der Gesellschaft, d.h. um die Rechte und Pflichten der Gesellschafter untereinander bzw. im Verhältnis zur Gesellschaft. Dieses richtet sich vorrangig nach dem Gesellschaftsvertrag, subsidiär gelten die 705 ff. BGB.

7 1. Gewinn und Verlust Der Gewinn und Verlust der GbR wird grundsätzlich nach Köpfen verteilt, 722 BGB. Diese Vorschrift ist aber durch den Gesellschaftsvertrag abdingbar. Hier haben A und B Gesellschaftsanteile und eine daran orientierte Verteilung des Gesellschaftsergebnisses vereinbart. Daher partizipiert A mit 40% und B mit 60 % am Gewinn. 2. Entscheidungsfindung in der GbR Der Erwerb einer Immobilie für die Gesellschaft bzw. der Abschluss einer entsprechenden Finanzierung ist eine Maßnahme der Geschäftsführung. Gemäß 709 Abs. 1 BGB werden die Geschäfte der GbR mangels abweichender Vereinbarung im Gesellschaftsvertrag von allen Gesellschaftern gemeinschaftlich geführt (Gesamtgeschäftsführung). Eine Ausnahme soll nach herrschender Meinung hiervon nur in Notfällen bei Gefahr im Verzug analog 744 Abs. 2 BGB gelten. Wenn ein solcher Fall nicht vorliegt, darf A im Innenverhältnis zu B die Maßnahmen nur gemeinsam mit diesem treffen. Eine Entscheidung hierüber könnte durch einen Gesellschafterbeschluss herbeigeführt werden. Sofern im Gesellschaftsvertrag nichts Abweichendes vorgesehen ist, werden Beschlüsse der GbR aber einstimmig getroffen. Wenn B mithin nicht zustimmt, kommt ein Erwerb der Immobilie nicht in Betracht. 3. Wettbewerbsverbot Die Gesellschafter einer GbR sind verpflichtet, den Gesellschaftszweck zu fördern (vgl. 705 BGB). Anders als bei der OHG (vgl. 112 HGB) besteht für sie aber grundsätzlich kein Wettbewerbsverbot. Sie sind mithin mangels abweichender Vereinbarung im Gesellschaftsvertrag berechtigt, zum Gesellschaftszweck der GbR gehörende Geschäfte auch für sich selbst zu tätigen. Die Grenze liegt erst dort, wo die Treue- und Förderungspflicht die Wahrnahme einer Geschäftschance für die Gesellschaft zwingend gebietet. Da B dem Erwerb der Immobilie nicht zugestimmt hat, scheidet dies vorliegend aber aus. 4. Geltendmachung von Forderungen gegen Gesellschafter B ist gemäß 706 BGB verpflichtet, die im Gesellschaftsvertrag vereinbarte Einlage zu erbringen. Die Durchsetzung dieser Einlagenforderung ist eine Maßnahme der Geschäftsführung. Da bei der GbR Gesamtgeschäftsführung besteht, könnte B diese torpedieren. Es ist deshalb in der Rechtsprechung anerkannt, dass Ansprüche der Gesellschaft gegen einen Gesellschafter auch durch einen anderen Gesellschafter für die Gesellschaft durchgesetzt werden können (sogenannte actio pro socio). Der andere Gesellschafter klagt in diesen Fällen auf Leistung an die Gesellschaft.

8 Neben dieser Leistungsklage hat die Nichterfüllung einer Verpflichtung durch einen Gesellschafter außerdem Schadensersatzansprüche nach 280 BGB sowie unter Umständen ein fristloses Kündigungsrecht der übrigen Gesellschafter gemäß 723 Abs. 1 Satz 2 BGB zur Folge. Ein Zurückbehaltungsrecht der anderen Gesellschafter wegen eigener Leistungspflichten gemäß 320 BGB hängt davon ab, ob der Gesellschaftsvertrag als gegenseitiger Vertrag angesehen wird. Diese Frage wird in Rechtsprechung und Literatur unterschiedlich beurteilt. Bei der hier zweigliedrigen Gesellschaft sprechen die überwiegenden Gründe für ein Zurückbehaltungsrecht. Fall 5: A, B, C und D haben sich zu einer Anwaltssozietät zusammengeschlossen. Im Gesellschaftsvertrag ist vorgesehen, dass die Geschäfte der Gesellschaft durch den Gesellschafter A geführt werden sollen. Dieser ist mit einer Einlage und einem Stimmrecht von 70 % beteiligt, während auf die übrigen Gesellschafter je 10 % entfallen. Nach dem Gesellschaftsvertrag werden Beschlüsse der Gesellschafter mit der Mehrheit der abgegebenen Stimmen gefasst. A nimmt für die Gesellschaft einen Kredit auf. Mangels Einholung verschiedener Angebote wird dabei ein Zinssatz vereinbart, der 1,5 Prozentpunkte über dem marktüblichen Zins liegt. Ist A zum Ausgleich der Zinsdifferenz verpflichtet? A beabsichtigt für die Sozietät eine Zweigniederlassung in einer anderen Stadt zu gründen. Können die übrigen Gesellschafter den Abschluss eines entsprechenden Mietvertrages für ein Büro verhindern? A ist mit den beruflichen Leistungen des Kollegen D unzufrieden. Er entzieht diesem daher seinen gesellschaftsvertraglichen Gewinnanteil. Als die übrigen Gesellschafter widersprechen, beruft er am Vormittag des 02.04.2007 eine Gesellschafterversammlung für den Nachmittag desselben Tages ein. Dem D, der in Begleitung einer Anwältin erscheint, verweigert er den Zutritt. B und C stimmen gegen die Maßnahme, A dafür. Anschließend stellt A als Versammlungsleiter die positive Beschlussfassung über die Entziehung des Gewinnanteils zulasten des D fest. Ist der Beschluss wirksam? Lösung: Es geht um die Willensbildung innerhalb der GbR. 1. Schadensersatzpflicht des A A könnte gemäß 280 Abs. 1 BGB zum Schadensersatz verpflichtet sein, wenn er eine Verpflichtung aus dem Gesellschaftsvertrag schuldhaft verletzt hätte. In Betracht kommt

9 insofern eine Verpflichtung bzgl. der Geschäftsführung. A ist gemäß 710 BGB zur Einzelgeschäftsführung der Gesellschaft berufen. Gemäß 713 BGB begründet dies eine Verpflichtung, die Geschäfte der Gesellschaft ordnungsgemäß zu führen. Hiergegen hat A bei der Aufnahme eines Darlehens mit zu hohem Zinssatz verstoßen. Der Geschäftsführer haftet für die Durchführung der Geschäftsführung wie ein entsprechend Beauftragter. Bei der vorliegenden Schlechterfüllung ist er daher gemäß 280 BGB grundsätzlich zum Schadensersatz verpflichtet. Dies gilt lediglich dann nicht, wenn er die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat. Gemäß 708 BGB hat ein Gesellschafter dabei lediglich für seine eigenübliche Sorgfalt einzustehen. Wenn A in eigenen Angelegenheiten sorgsamer zu handeln pflegt, ist er mithin schadensersatzpflichtig. 2. Gründung einer Zweigniederlassung Der Abschluss des Mietvertrages für die Büroflächen der Zweigniederlassung ist eine Maßnahme der Geschäftsführung. Nach dem Gesellschaftsvertrag ist A zur Geschäftsführung allein berechtigt. Mithin darf er den Mietvertrag allein abschließen. Eine Einschränkung für diese Einzelgeschäftsführungsbefugnis besteht lediglich dann, wenn auch ein anderer Gesellschafter zur Geschäftsführung berufen ist. Anderen geschäftsführenden Gesellschaftern steht nämlich gemäß 711 BGB ein Widerspruchsrecht zu. In diesem Fall ist ein geschäftsführender Gesellschafter bei wesentlichen Maßnahmen, wozu die Gründung einer Zweigniederlassung gehören würde, außerdem zur vorherigen Information der anderen geschäftsführenden Gesellschaft über die geplante Maßnahme verpflichtet. Da hier aber ausschließlich A zur Geschäftsführung berufen ist, scheidet ein Widerspruchsrecht gemäß 711 BGB aus. Im Ergebnis kann A den Mietvertrag daher abschließen. 3. Entzug des Gewinnanteils des D Bei dieser Maßnahme handelt es sich nicht um eine solche der laufenden Geschäftsführung, sondern um eine wesentliche, das Gesellschaftsverhältnis betreffende Angelegenheit. Über derartige Grundlagengeschäfte entscheiden die Gesellschafter generell durch Gesellschafterbeschluss. Solche Beschlüsse kommen durch (formlose) Stimmabgabe der Gesellschafter zustande. Während sich grundsätzlich das Stimmrecht der Gesellschafter nach Köpfen bestimmt ( 709 Abs. 2 BGB), hat der Gesellschaftsvertrag vorliegend eine abweichende Regelung getroffen. Danach stehen A 70 % der Stimmrechte zu. Außerdem weicht der Gesellschaftsvertrag hinsichtlich der für einen Gesellschafterbeschluss erforderlichen Mehrheit vom gesetzlichen Leitbild ab. Während gesetzlich insofern das Einstimmigkeitsprinzip gilt, werden nach dem hier vorliegenden Gesellschaftsvertrag

10 Beschlüsse der Gesellschafter durch Mehrheitsbeschluss gefasst. Deshalb scheint mit der Stimme des A ein wirksamer Gesellschafterbeschluss zustande gekommen zu sein. Der hier vorliegende Beschluss ist aber aus mehreren Gründen nicht wirksam zustande gekommen. Wegen der personalistischen Struktur der GbR ist bei Vertragsklauseln über Mehrheitsbeschlüsse in Personengesellschaften der von der Rechtsprechung entwickelte Bestimmtheitsgrundsatz zu beachten. Wenn die Vertragsklausel nicht ausdrücklich und eindeutig die einem Mehrheitsbeschluss zugänglichen Punkte benennt, sondern nur allgemein einen Mehrheitsbeschluss für zulässig erklärt, sind von einer solchen Vertragsklausel ausschließlich solche Maßnahmen erfasst, welche die gewöhnliche operative Tätigkeit der Gesellschaft betreffen. Darüber hinausgehende, außerordentliche Beschlussgegenstände sind dagegen nicht erfasst. Diesem Bestimmtheitsgrundsatz genügt der Gesellschaftsvertrag nicht. Da es vorliegend nicht um eine gewöhnliche Maßnahme geht, bleibt es bei dem gesetzlichen Leitbild der Einstimmigkeit. Demgegenüber haben nur 70 % der Stimmrechte zugestimmt. Mangels einstimmigem Gesellschafterbeschluss ist der ausgesprochene Entzug des Gewinnanteils unwirksam. Selbst wenn der Gesellschaftsvertrag dem Bestimmtheitsgrundsatz entsprechend einen Mehrheitsbeschluss vorgesehen hätte, ist der Eingriff in den Kernbereich der Gesellschafterrechte nur mit Zustimmung des betroffenen Gesellschafters zulässig. Außerdem ist für eine wirksame Beschlussfassung die Einhaltung eines ordnungsgemäßen Verfahrens erforderlich. Hierzu gehört die ordnungsgemäße Ladung aller Gesellschafter mit angemessener Frist. Dies ist versäumt worden. Außerdem sind alle Gesellschafter zur Beschlussfassung zuzulassen. Der Ausschluss des D genügt dem - unabgängig von einem etwaigen Stimmverbot des D als betroffenen Gesellschafter nicht. Sollte A dennoch eine wirksame Beschlussfassung festgestellt haben, ist die Nichtigkeit des Beschlusses durch gerichtliche Anfechtungsklage eines anderen Gesellschafters festzustellen. Fall 6: Zurück zur Immobiliengesellschaft zwischen A und B aus Fall 3. Diese hat verschiedene Immobilien erworben und zu deren Finanzierung jeweils Darlehen bei Kreditinstituten aufgenommen. Ein Großteil der Wohnungen ist an Dritte vermietet. Alle diese Verträge sind

11 gemeinsam von A und B geschlossen worden. Wer ist Eigentümer der Immobilien und Partei der abgeschlossenen Mietverträge? Wer haftet für die Verbindlichkeiten aus den Darlehensverträgen? Würde sich daran etwas ändern, wenn die Korrespondenz mit den Kreditinstituten unter dem Briefkopf A und B Immobiliengesellschaft mbh geführt worden wäre? Wie wäre die Rechtslage, wenn A ohne Abstimmung mit B eine leer stehende Wohnung an seinen Bekannten D vermietet? Lösung: Im Fall geht es um die Vermögensordnung innerhalb der Gesellschaft bürgerlichen Rechts sowie die Haftung für deren Verbindlichkeiten. 1. Eigentum an den Immobilien Bei der GbR ist (wie bei allen Personengesellschaften) zwischen zwei Vermögensmassen zu trennen. Der Bundesgerichtshof erkennt in ständiger Rechtssprechung seit 2001 die Rechtsfähigkeit der GbR an. Diese ist daher Inhaber der zum Gesellschaftsvermögen gehörenden Rechte und Pflichten (vgl. 718 BGB). Dieses Gesellschaftsvermögen steht den Gesellschaftern in gesamthänderischer Verbundenheit zu. Gemäß 719 BGB kann kein Gesellschafter über einen Gegenstand des Gesellschaftsvermögens oder seinen Anteil daran verfügen. Soweit mithin namens der GbR Rechte erworben werden, sind diese Teil des Gesellschaftsvermögens, an dem die Gesellschafter gesamthänderisch (insgesamt) mit ihrem Gesellschaftsanteil beteiligt sind. Davon zu trennen ist das Privatvermögen des einzelnen Gesellschafters. Die GbR ist mithin Eigentümerin der erworbenen Immobilien und Partei der abgeschlossenen Mietverträge geworden. 2. Haftung für Verbindlichkeiten Die GbR haftet mit diesem Gesellschaftsvermögen für Verbindlichkeiten, die gemäß 164 ff. BGB wirksam in ihrem Namen begründet wurden. Dafür muss die entsprechende verpflichtende Willenserklärung im Namen der Gesellschaft mit Vertretungsmacht abgegeben worden sein. Die Vertretungsmacht von Gesellschaftern ergibt sich dabei aus 714 BGB. Sie richtet sich nach der vereinbarten Geschäftsführungsbefugnis. Gemäß 709 Abs. 1, 714 BGB besteht bei der GbR mangels abweichender Vereinbarung Gesamtvertretung. Für eine wirksame Vertretung der Gesellschaft ist mithin das Handeln aller Gesellschafter erforderlich. Soweit die Darlehensverträge mit den Banken von beiden Gesellschaftern im Namen der GbR abgeschlossen wurden, steht den Kreditinstituten gegen die GbR ein Rückzahlungsanspruch gemäß 488 BGB zu. Die GbR haftet hierfür mit dem Gesellschaftsvermögen.

12 Darüber hinausgehend bestehen die Ansprüche der Kreditinstitute auch gegen die Gesellschafter A und B. Während die herrschende Rechtssprechung früher von einer rechtsgeschäftlichen Doppelverpflichtung der Gesellschaft und der Gesellschafter durch den handelnden Gesellschafter ausging, ergibt sich die persönliche Haftung der Gesellschafter nunmehr aus einer Analogie zu 128 HGB. Danach haften die Gesellschafter prinzipiell gesamtschuldnerisch und akzessorisch für alle Verbindlichkeiten der GbR. Diese Haftung richtet sich gegen das Privatvermögen der Gesellschafter. Die Kreditinstitute haben mithin Rückzahlungsansprüche gemäß 488 BGB auch gegen A und B. 3. Haftungsbeschränkung Diese persönliche Haftung der Gesellschafter tritt nur dann nicht ein, wenn diese individuell mit dem jeweiligen Gläubiger einen Ausschluss der Haftung vereinbaren. Eine generelle Haftungsbeschränkung, etwa durch Verwendung der Gesellschaftsbezeichnung GbR mbh, reicht hierfür nicht aus. Deshalb haften A und B auch in der Fallabwandlung für die Rückzahlung der Darlehen. 4. Wirksamer Mietvertrag mit D? In der zweiten Fallabwandlung hat A zwar einen Mietvertrag mit D im Namen der GbR geschlossen. Da er indes ohne seinen Mitgesellschafter B handelte, fehlt ihm gemäß 714 BGB insofern die Vertretungsmacht. Gemäß 177 Abs. 1 BGB ist der Vertrag deshalb schwebend unwirksam und hängt von der Genehmigung durch die GbR (durch die Gesellschafter A und B) ab. Bleibt diese Genehmigung aus, ist kein wirksamer Mietvertrag geschlossen. A haftete in diesem Fall als Vertreter ohne Vertretungsmacht gemäß 179 BGB auf Erfüllung bzw. Schadensersatz. Beachte: Eine wirksame Vertretung durch lediglich einen Gesellschafter findet daher nur statt, wenn diesem entweder Vollmacht erteilt wurde (bzw. eine Rechtsscheinsvollmacht besteht) oder dieser gemäß 710 BGB Einzelgeschäftsführungsbefugnis besitzt. Diese führt gemäß 714 BGB zur Einzelvertretungsmacht. In einem solchen Fall ändert auch der Widerspruch des anderen Gesellschafters gemäß 711 BGB nichts an der Vertretungsmacht im Außenverhältnis. Fall 7: Nachdem sich die Geschäftstätigkeit der Gesellschaft derart erfolgreich entwickelt hat, beschließen A und B, ihre ehemaligen Kommilitonen C, D und E in die Gesellschaft aufzunehmen. Dies geschieht durch eine am 01.01.2007 zwischen allen Beteiligten geschlossene Vereinbarung. Zwischen den alten und den neuen Gesellschaftern kommt es

13 schnell zum Streit. C überträgt daher mit Zustimmung der übrigen Beteiligten seinen Gesellschaftsanteil an den befreundeten F. D kündigt den Gesellschaftsvertrag mit der im Gesellschaftsvertrag vorgesehenen Kündigungsfrist; als Folge ist dort das Ausscheiden des kündigenden Gesellschafters unter Fortführung der Gesellschaft mit den übrigen Gesellschaftern vorgesehen. Als Kreditinstitut K, bei dem die Gesellschaft im Jahre 2005 ein Darlehen aufgenommen hatte, wegen Nichtzahlung der einzelnen Darlehensraten den Kredit zur Rückzahlung fällig stellt, fragt die dortige Justiziarin, wen sie insofern in Anspruch nehmen kann. Lösung: Die Rechtsfolgen eines Wechsels im Bestand der Gesellschafter, insbesondere die Folgen für die Haftung der Gesellschafter gegenüber Dritten, hängen von der Art des Gesellschafterwechsels ab. 1. Haftung der Gesellschaft und der Gesellschafter A und B Für die Haftung der GbR sowie der Gesellschafter A und B gelten die Ausführungen zu Fall 6 entsprechend. Die GbR ist bei Abschluss des Darlehensvertrages wirksam von A und B vertreten worden. Sie ist deshalb aus dem Darlehensvertrag verpflichtet. Die Gesellschafter A und B haften für diese Verpflichtung akzessorisch analog 128 HGB. 2. Haftung des Gesellschafters E Fraglich ist, ob auch E der Bank K gegenüber haftet. E war zur Zeit der Begründung des Darlehensvertrages überhaupt nicht Gesellschafter der GbR. Er kann mithin von A und B seinerzeit nicht rechtsgeschäftlich vertreten worden sein. Indes handelt es sich bei der Haftung der Gesellschafter einer GbR nach neuer Rechtsprechung nicht um eine Folge rechtsgeschäftlicher Verpflichtung, sondern um eine gesetzliche akzessorische Haftung für die Gesellschaftsverbindlichkeiten. Gemäß 130 HGB haften in eine OHG eintretende Gesellschafter auch für die zur Zeit ihres Eintritts bereits bestehenden Verbindlichkeiten. Auch diese Vorschrift wird vom Bundesgerichtshof auf die GbR analog angewendet. Deshalb könnte ein Rückzahlungsanspruch der K auch gegen E bestehen. Erste Voraussetzung hierfür ist eine Verbindlichkeit der Gesellschaft gegenüber K. Diese liegt vor (siehe oben). Zweite Voraussetzung für eine Haftung analog 130 HGB ist ein wirksamer Beitritt des E zur Gesellschaft. Dies setzt eine Vereinbarung aller bisherigen Gesellschafter mit dem Beitretenden voraus, sofern nach dem Gesellschaftsvertrag nicht hierfür ausdrücklich ein Mehrheitsbeschluss vorgesehen ist. Folge des Beitritts ist die automatische Anwachsung des Anteils am gesamthänderischen Gesellschaftsvermögen zugunsten des Beitretenden, ohne

14 dass es einer Einzelübertragung von Gegenständen bedarf. Da hier eine Beitrittsvereinbarung aller Beteiligten vorliegt, kann K auch den E analog 130 HGB in Anspruch nehmen. Beim Beitritt zu einer GbR besteht daher eine Haftung für Altverbindlichkeiten. 3. Haftung des Gesellschafters D Durch den wirksamen Beitritt des D zur GbR ist zunächst dessen Haftung für die Altverbindlichkeiten analog 130 HGB begründet worden (siehe oben zu E). Fraglich ist aber, wie sich seine Kündigung des Gesellschaftsvertrages auswirkt. Wegen der personalistischen Struktur der GbR hat die Kündigung durch einen Gesellschafter grundsätzlich die Auflösung der Gesellschaft zur Folge. Dies gilt indes nicht, wenn im Gesellschaftsvertrag Abweichendes vorgesehen ist. Gemäß 736 Abs. 1 BGB wird die Gesellschaft vielmehr unter Ausscheiden des kündigenden Gesellschafters zwischen den übrigen Gesellschaftern fortgeführt, wenn entsprechendes wie hier im Gesellschaftsvertrag vorgesehen ist. Mithin ist D nach seinem Beitritt wieder aus der Gesellschaft ausgeschieden. Fraglich ist indes, wie sich dies auf die einmal begründete Haftung für Verbindlichkeiten der GbR auswirkt. Im Außenverhältnis zu Dritten bleibt die Haftung hiervon grundsätzlich unberührt, da der Dritte bei Begründung der Verbindlichkeit im Vertrauen hierauf gehandelt hat. Allerdings ist gemäß 736 Abs. 2 BGB die handelsrechtliche Regelung über die zeitliche Beschränkung der Haftung ausscheidender Gesellschafter ( 160 HGB) entsprechend anzuwenden. Der ausscheidende Gesellschafter haftet daher nur für solche Verbindlichkeiten der GbR, die bis zu seinem Ausscheiden begründet und bis spätestens fünf Jahre nach dem Ausscheiden fällig geworden sind. Mithin hat K einen Rückzahlungsanspruch auch gegen D. Scheidet ein Gesellschafter aus einer GbR aus, trifft ihn mithin im Außenverhältnis eine zeitlich begrenzte Nachhaftung für die zur Zeit seines Ausscheidens begründeten Verbindlichkeiten der Gesellschaft. Beachte: Das Ausscheiden eines Gesellschafters aus der GbR setzt entweder eine Vereinbarung aller Gesellschafter oder die Kündigung durch einen Gesellschafter bzw. den Ausschluss eines Gesellschafters voraus, wenn der Gesellschaftsvertrag als Folge hiervon das Ausscheiden vorsieht. Folge ist die automatische Verlust des Anteils am Gesellschaftsvermögen bei gleichzeitiger Anwachsung dieses Anteils bei den übrigen Gesellschaftern ( 738 Abs. 1 Satz 1 BGB). Der Ausscheidende hat gegen die verbleibenden Gesellschafter einen Anspruch auf Auszahlung des Auseinandersetzungsguthabens gemäß 738 Abs. 1 Satz 2 BGB. Dieses entspricht mangels abweichender Vereinbarung im Gesellschaftsvertrag seinem Anteil am Verkehrswert des Gesellschaftsvermögens. Sofern sich

15 hier ein negativer Wert ergibt, ist der ausscheidende Gesellschafter zum Verlustausgleich verpflichtet ( 739 BGB). Im Innenverhältnis besteht ferner ein Anspruch des Ausscheidenden gegen die übrigen Gesellschafter, ihn von allen Verbindlichkeiten frei zu stellen ( 738 Abs. 1 Satz 2 BGB). Dies ändert an der Nachhaftung im Außenverhältnis zu Dritten (siehe oben) indes nichts. 4. Haftung der Gesellschafter C und F Die Übertragung eines Gesellschaftsanteils setzt einen Vertrag zwischen Alt- und Neugesellschaftern mit Zustimmung aller Gesellschafter voraus, falls nicht der Gesellschaftsvertrag ausdrücklich einen Mehrheitsbeschluss für ausreichend erklärt. Folge ist der automatische Übergang der Rechtsstellung des Alt- auf den Neugesellschafter. Im Übrigen werden die Folgen von Beitritt und Ausscheiden kombiniert. Der Neugesellschafter F haftet gemäß 130 HGB auch für die Altverbindlichkeiten. Der ausgeschiedene Gesellschafter C ist der zeitlich beschränkten Nachhaftung analog 160 HGB ausgesetzt. Mithin kann K auch von F und C Rückzahlung des Darlehens verlangen. Beachte: Das Rechtsverhältnis zwischen dem ausscheidenden Gesellschafter C und Neugesellschafter F ist in dem zwischen ihnen geschlossenen Vertrag zu regeln. Dem Altgesellschafter C steht aus dem Übertragungsvertrag gegen den Neugesellschafter F ein Anspruch auf Freistellung zu. Im Übertragungsvertrag ist auch das Entgelt für die Übertragung des Geschäftsanteils zu regeln. 738 BGB ist insofern nicht anwendbar. Fall 8: A verhärmt durch dauernden Kleinkrieg mit den zahlreichen Mietern der Immobilien und aufgerieben von den dauernden Gesellschafterwechseln stirbt. Welche Folgen hat dies für die Gesellschaft? Welche Alternativregelungen hätten die Gesellschafter treffen können? Lösung: Durch den Tod eines Gesellschafters wird mangels abweichender Vereinbarung im Gesellschaftsvertrag die Gesellschaft aufgelöst, 727 Abs. 1 BGB. Dies ist Ausdruck der personalistischen Struktur der GbR. 1. Folgen der Auflösung Durch die Auflösung wird die Beendigung der Gesellschaft erst eingeleitet. Die Auflösung selbst bewirkt zunächst nur eine Zweckänderung der Gesellschaft. Diese wandelt sich von einer werbenden (operativ tätigen) Gesellschaft in eine Abwicklungsgesellschaft um, 730 Abs. 1 BGB. Es schließt sich die Abwicklung des Gesellschaftsvermögens im Rahmen der

16 Liquidation gemäß 731 ff. BGB an. Dabei wird das gesamte Gesellschaftsvermögen durch Verwertung der Aktiva und Ausgleich der Verbindlichkeiten abgewickelt. Der entstehende Über- oder Unterschuss ist unter den Gesellschaftern zu verteilen. Erst nach vollständiger Abwicklung und Verteilung des Gesellschaftsvermögens endet die rechtliche Existenz der Gesellschaft (Vollbeendigung). 2. Abweichende Vertragsgestaltung Die Parteien des Gesellschaftsvertrages können eine von 727 BGB abweichende Regelung treffen, um dem Bestand der Gesellschaft von der Lebensdauer der Gesellschafter unabhängig zu machen. In Betracht kommen folgende Gestaltungen: Fortsetzungsklausel: Ausscheiden des verstorbenen Gesellschafters (bzw. seiner Erben) und Fortsetzung der Gesellschaft unter den übrigen Gesellschaftern. Der Abfindungsanspruch der Erben gemäß 738 BGB ist dabei grundsätzlich ausschließbar. Nachfolgeklausel: Fortsetzung der Gesellschaft mit den Erben als Sondernachfolger in den Gesellschaftsanteil des verstorbenen Gesellschafters. Bei der qualifizierten Nachfolgeklausel wird die Fortsetzung mit einem oder einzelnen der Erben als Sondernachfolger vereinbart. Eintrittsklausel: Im Gesellschaftsvertrag ist das Recht eines Dritten (z.b. eines Mitgesellschafters) vereinbart, anstelle des Verstorbenen in die Gesellschaft einzutreten. Fall 9: Die Studenten A und B beabsichtigen, ihr Studium durch eine Nebentätigkeit im Rahmen eines Pizza-Lieferservices zu finanzieren. Dabei sollen die Gerichte von A, der bereits erfolglos am Casting für Das perfekte Dinner teilgenommen hat, in dessen in Uninähe gelegener Wohnung zubereitet werden. B, Ehrenmitglied der hiesigen Pfadfinder, übernimmt die Auslieferung. Zu diesem Zwecke schließen A und B einen Vertrag zur Gründung der Lecka Pizza OHG und melden selbige, um eine bestmögliche Außenwirkung zu erzielen, zur Eintragung in das Handelsregister an. Da sie die ca. sechswöchige Bearbeitungszeit beim Registergericht nicht abwarten wollen, legen sie mit der Geschäftstätigkeit sofort los. Student C wird in einer Pause zwischen zwei Vorlesungen vom sogenannten kleinen Hunger überrascht und will deshalb bei Lecka-Pizza ein Teiggericht bestellen. Mit Blick auf die ihm bekannten Betreiber A und B schließt er indes gesundheitliche Folgen nicht aus, so dass die Haftungsfrage in den Vordergrund rückt. Mit was für einem rechtlichen Gebilde hätte es C bei einer Bestellung zu tun?

17 Exkurs: Die Gesellschaft ist weiterhin nicht im Handelsregister eingetragen, als A die Absicht äußert, das Sortiment Frutti di Mare auszuweiten und entsprechende Warenbestellungen vorzunehmen. B, der als Kind einmal versehentlich einen Flummi verschluckt hat, lehnt Zutaten wie Tintenfisch dagegen als zäh wie Gummi ab und widerspricht der Maßnahme. Wäre B zur Zahlung des Kaufpreises verpflichtet, wenn A dennoch bei Großhändler V eine Partie Meeresfrüchte bestellt? Lösung: Als Gesellschaftsform für den von A und B betriebenen Lieferservice kommt eine Offene Handelsgesellschaft (OHG) in Betracht. Bei der Entstehung dieser Rechtsform ist wie folgt zu unterscheiden. 1. Innenverhältnis Im Innenverhältnis zwischen den Gesellschaftern entsteht die OHG durch den bloßen Abschluss eines entsprechenden Gesellschaftsvertrages. Für das Zustandekommen des Vertrages gelten die 145 ff. BGB. Hier haben A und B entsprechende Willenserklärungen abgegeben. Es ist auch kein Nichtigkeitsgrund erkennbar (im Übrigen gilt auch bei der OHG die Lehre von der fehlerhaften Gesellschaft, vgl. Folie 4). Inhaltlich muss der Vertrag wie bei der GbR auf den Zusammenschluss von mindestens zwei Personen zur Erreichung eines gemeinsamen Zwecks mit wechselseitiger Förderungspflicht gerichtet sein. Dies ist bei dem zwischen A und B geschlossenen Vertrag der Fall. Das Besondere an der OHG liegt darin, dass der gemeinsame Zweck auf den Betrieb eines Handelsgewerbes unter gemeinsamer Firma ohne Haftungsbeschränkung für einen beteiligten Gesellschafter gerichtet ist. Insofern unterscheidet sich die OHG sowohl von der GbR (kein Handelsgewerbe), als auch von der Kommanditgesellschaft (Haftungsbeschränkung für mindestens einen Gesellschafter). Vorliegend ist allein fraglich, ob der Betrieb des Pizza-Lieferservices ein Handelsgewerbe darstellt. Gemäß 1 Abs. 2 HGB fällt darunter grundsätzlich nur ein solches Gewerbe, dass einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Gewerbebetrieb benötigt. Angesichts des geringen Umfangs der Tätigkeit (geringer Umsatz, keine Angestellten etc.) liegen diese Voraussetzungen hier nicht vor. Deshalb kommt allein ein Handelsgewerbe gemäß 2 HGB in Betracht. Darunter fallen auch kleine Gewerbebetriebe, wenn diese in das Handelsregister eingetragen werden. Zwar ist die Eintragung noch nicht erfolgt, nach dem Gesellschaftsvertrag aber beabsichtigt. Dies reicht im Innenverhältnis (vgl. 105 Abs. 1

18 HGB: gerichtet ist ) für die Gründung der OHG aus. Im Verhältnis zwischen A und B gelten deshalb die Regeln der 105 122 HGB. 2. Außenverhältnis Soweit C mit dieser Gesellschaft einen Vertrag schließen will, kommt es dagegen auf das Außenverhältnis an. Hier normiert 123 HGB zusätzliche, über den Abschluss des Gesellschaftsvertrages hinausgehende Voraussetzungen für die Entstehung der OHG. Nach 123 Abs. 1 HGB ist grundsätzlich die Eintragung in das Handelsregister (vgl. 106 HGB) erforderlich. Daran fehlt es noch. Nach Abs. 2 der Vorschrift reicht allerdings grundsätzlich auch der im Einvernehmen aller Gesellschafter erfolgte Geschäftsbeginn aus, zu dem es hier vor Eintragung in das Handelsregister bereits gekommen ist. Dies gilt aber nur, soweit sich aus den 2, 105 Abs. 2 HGB nichts anderes ergibt. Da es sich hier lediglich um ein kann-kaufmännisches Gewerbe handelt, ist die Eintragung daher für die Entstehung der OHG im Außenverhältnis konstitutiv. Im Rechtsverhältnis zu C besteht daher keine OHG. Vielmehr handelt es sich (mangels schon bestehendem Handelsgewerbe) um eine GbR. Beachte: Sobald die Gesellschaft eingetragen wird, findet ein automatischer Rechtsformwechsel von der GbR in die OHG auch im Außenverhältnis statt, ohne dass sich an der rechtlichen Identität der Gesellschaft (des Gesellschaftsvermögens) etwas ändert. Exkurs Fraglich ist, ob V von B Zahlung des Kaufpreises gemäß 433 Abs. 2, 128 HGB analog verlangen kann. B ist nach den obigen Feststellungen Gesellschafter einer GbR. Fraglich ist daher allein, ob die GbR gegenüber V eine Verbindlichkeit hat. Eine solche entsteht, wenn zwischen der GbR und V unter wirksamer Stellvertretung durch A gemäß 164 BGB ein Kaufvertrag geschlossen worden ist. Fraglich ist hier allein, ob A hinreichende Vertretungsmacht gemäß 714 BGB hatte. Diese richtet sich bei der GbR nach dem Umfang der Geschäftsführungsbefugnis. Zwar besteht gemäß 709 BGB bei der GbR grundsätzlich Gesamtgeschäftsführung und daher im Außenverhältnis Gesamtvertretung. Nach den vorstehenden Ausführungen ist im Innenverhältnis, das für die Geschäftsführung maßgeblich ist, zwischen A und B aber bereits eine OHG zustande gekommen. Bei dieser besteht nach 114 HGB Einzelgeschäftsführungsbefugnis. Dies schlägt sich, obwohl im Außenverhältnis erst eine GbR vorliegt, gemäß 714 BGB auch dort nieder. Deshalb hatte A grundsätzlich Einzelvertretungsmacht. Zwar hatte B das Recht, gemäß 115 HGB dieser Geschäftsführungsmaßnahme zu widersprechen. Dieser Widersprich beschränkt aber lediglich die Geschäftsführungsbefugnis im Innenverhältnis und ist für die Vertretungsmacht im

19 Außenverhältnis nach allgemeiner Ansicht irrelevant. Daher hatte A im Außenverhältnis hinreichende Vertretungsmacht. Der Kaufvertrag ist daher wirksam zustande gekommen. Für die daraus resultierende Verbindlichkeit der Gesellschaft haftet B im Außenverhältnis gegenüber V. V kann daher von B Zahlung des Kaufpreises verlangen. Beachte: Hiervon unberührt ist ein etwaiger Regressanspruch des B im Innenverhältnis gegen den A, der wegen des Widerspruches des B seine Geschäftsführungsbefugnis überschritten hat. Fall 10: A, B und C betreiben eine große Werbeagentur mit 60 Angestellten, die als Media Consult OHG in das Handelsregister eingetragen ist. A und B haben als Kapitalanteil je 200.000,00, C 100.000,00 eingezahlt. Alle drei Gesellschafter sind laut Gesellschaftsvertrag verpflichtet, ihre volle Arbeitskraft der Gesellschaft zur Verfügung zu stellen. Im Jahre 2006 macht die Gesellschaft einen Jahresgewinn von 80.000,00. Wie wird dieser verteilt? C, der seinen Gewinnanteil nicht für ausreichend hält, nimmt einen lukrativen Werbeauftrag auf eigene Rechnung an. Welche Rechte stünden deswegen seinen Mitgesellschaftern A und B zu? Lösung: Es geht um die Rechte der Gesellschafter untereinander, mithin um das Innenverhältnis der Gesellschaft. 1. Gewinnverteilung Bei der OHG ist insofern vorrangig der Gesellschaftsvertrag maßgeblich. Sodann gelten die 105 122 HGB, subsidiär die 705 ff. BGB (vgl. 105 Abs. 3 HGB). Mangels Bestimmung im Gesellschaftsvertrag richtet sich die Verteilung von Gewinn und Verlust nach 121 HGB. Danach wird zunächst der Kapitalanteil in Höhe von 4 % p.a. verzinst. Danach erhalten A und B zunächst je 8.000,00, C 4.000,00. Der verbleibende Restgewinn von 60.000,00 ist gemäß 121 Abs. 3 HGB nach Köpfen zu verteilen. Daher ergibt sich folgende Gewinnverteilung: A 28.000,00, B 28.000,00, C 24.000,00. 2. Wettbewerbsverbot Anders als bei der GbR existiert für die hier vorliegende OHG nicht nur eine allgemeine Förderungspflicht gemäß 705 BGB. Vielmehr ist es den Gesellschaftern der OHG gemäß 112 Abs. 1 HGB untersagt, ohne Einwilligung der anderen Gesellschafter im Handelszweig

20 der Gesellschaft Geschäfte zu machen. Mit der Annahme des Marketingauftrages auf eigene Rechnung hat C mithin gegen den Gesellschaftsvertrag verstoßen. Den anderen Gesellschaftern steht daher ein Erfüllungsanspruch in Form der Verpflichtung des C, die weitere Durchführung des Auftrags zu unterlassen, zu. Außerdem können sie gemäß 113 Abs. 1 HGB bzw. 280 Abs. 1 BGB Schadensersatz von C fordern. Da der Nachweis eines Schadens im Einzelfall problematisch sei kann, ergibt sich aus 113 Abs. 1 HGB ferner ein Eintrittsrecht der Gesellschaft. Danach muss sich C im Innenverhältnis zu A und B so behandeln lassen, als ob der Marketingauftrag der OHG erteilt wurde. Alle Erlöse sind daher an diese herauszugeben. Schließlich könnte die Pflichtverletzung des C zur Grundlage für eine gerichtlich Auflösung der OHG oder der Ausschließung des C als Gesellschafter gemäß 133 Abs. 1, 140 HGB gemacht werden.