monetären Familienleistungsausgleich



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Transkript:

Wissenschaftlicher Beirat für Familienfragen Mehr Transparenz im monetären Familienleistungsausgleich Familienfreundliche Reform der sozialen Sicherungssysteme. Juli 2006 Transparenz Sicherungssystem Reform

Vorbemerkung Die Bundesregierung beabsichtigt, die Ausgaben der Krankenkassen für Kinder in Zukunft nicht mehr aus Beiträgen, sondern aus Steuermitteln zu finanzieren. Diese Umstellung der Finanzierung soll vom Jahr 2008 beginnend in mehreren Stufen umgesetzt werden. Zusammen mit der bereits beschlossenen steuerlichen Freistellung der Kinderbetreuungskosten und der Einführung eines Elterngeldes wird der monetäre Familienleistungsausgleich damit auf eine neue Grundlage gestellt. Der Wissenschaftliche Beirat für Familienfragen nimmt die anstehende Reform des Familienleistungsausgleichs in der gesetzlichen Krankenversicherung zum Anlass, eine grundlegende Reform des sozialversicherungsinternen Familienleistungsausgleichs anzumahnen. Diese Reform muss einen Beitrag dazu leisten, dass das System des monetären Familienleistungsausgleichs künftig effizienter, zielgenauer und damit auch sozial gerechter ausgestaltet wird. Das gegenwärtige System des sozialversicherungsrechtlichen Familienleistungsausgleichs Das System sozialer Sicherung kennt zahlreiche Maßnahmen, die darauf abzielen, die systemspezifischen Leistungen der Familie zu honorieren. Die in quantitativer Hinsicht bedeutendsten Instrumente sind die beitragsfreie Mitversicherung von Kindern in der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung und die Anrechnung von Zeiten der Kindererziehung in der gesetzlichen Rentenversicherung. Die Forderung nach einer Steuerfinanzierung der beitragsfreien Mitversicherung von Kindern wird vielfach mit dem Argument begründet, dass es sich dabei um ein Element des sozialen Ausgleichs und insofern um eine versicherungsfremde Leistung handele. Diese Auffassung übersieht, dass jedes umlagefinanzierte Sicherungssystem, das ein altersspezifisches Risiko abdeckt, zur Sicherung seiner finanziellen Grundlagen auf eine nachwachsende Generation in entsprechender Größe angewiesen ist. Dies gilt für die gesetzliche Rentenversicherung ebenso wie für die umlagefinanzierte Kranken- und Pflegeversicherung. Insofern leisten Familien durch die Geburt und Erziehung von Kindern einen systemspezifischen Beitrag zum Bestand dieser Versicherungssysteme, wie das Bundesverfassungsgericht bereits in seinem Urteil zur Pflegeversicherung vom 03.04.2001 festgestellt hat. Die Berücksichtigung von Kindererziehungsleistungen ist also gerade kein Element des Solidarausgleichs. Dennoch ist eine grundlegende Reform der Finanzierung dieser Leistungen geboten. Denn zum einen ist die ausschließliche Finanzierung dieser Leistungen über Arbeitseinkommen, /2

Stellungnahme des Wissenschaftlichen Beirats für Familienfragen / Juli 2006 / Seite 2 die die Beitragsbemessungsgrenze nicht übersteigen, verteilungspolitisch ineffizient. Des Weiteren ist zu berücksichtigen, dass nicht nur gesetzlich Versicherte, sondern alle Eltern unabhängig von ihrem Versicherungsstatus den generativen Beitrag für das umlagefinanzierte soziale Sicherungssystem erbringen. Denn in unserem gegliederten System von gesetzlicher und privater Krankenversicherung, berufständischen Versorgungswerken und staatlicher Beihilfe sind intergenerationelle Wanderungsbewegungen zwischen den jeweiligen Systembereichen die Regel. Das bedeutet, dass Kinder sozialversicherungspflichtig Beschäftigter sich später privat absichern oder als Beamte beihilfeberechtigt sind, während andererseits Beamte oder privat Versicherte durch ihre Erziehungsleistungen zur Stabilisierung des umlagefinanzierten Systems beitragen, sofern deren Kinder zukünftig sozialversicherungspflichtig beschäftigt sein werden. Bei einer adäquaten Honorierung der generativen Leistungen müssen also auch jene Eltern berücksichtigt werden, die nicht Mitglied der gesetzlichen Sozialversicherung sind. Geschieht dies nicht, handelt es sich um einen spezifischen Solidarbeitrag dieser Eltern für die Sozialversicherung, der jedoch nach außen nicht sichtbar wird. Des Weiteren ist die konkrete Ausgestaltung des sozialversicherungsinternen Familienleistungsausgleichs ausgesprochen unübersichtlich und intransparent. Im Laufe der Zeit wurden die Elemente dieses Systems immer wieder abgeändert, ohne dass der aktuelle Maßnahmenkatalog den allokations- und verteilungspolitischen Zielen gerecht würde. Gesetzliche Kranken- und Pflegeversicherung In der gesetzlichen Krankenversicherung sind nicht erwerbstätige Familienmitglieder von Versicherten beitragsfrei mitversichert. Die Leistungsausgaben für die beitragsfrei mitversicherten Kinder werden auf ca. 15 Mrd. Euro geschätzt. Hinzu kommen familienspezifische Leistungen bei Schwangerschaft und Mutterschaft. Sofern diese Maßnahmen nicht mehr aus Beitragsmitteln, sondern über ein erhöhtes Steueraufkommen finanziert werden, könnte der Beitragssatz zur gesetzlichen Krankenversicherung um rund 1,5 Prozentpunkte gesenkt werden. Auch in der gesetzlichen Pflegeversicherung sind die Kinder von Versicherten beitragsfrei mitversichert. Hier belaufen sich die Leistungsausgaben auf etwa 3,1 Mrd. Euro. Des Weiteren haben Versicherte ohne Kinder einen um 0,25 Prozentpunkte höheren /3

Stellungnahme des Wissenschaftlichen Beirats für Familienfragen / Juli 2006 / Seite 5 Arbeitnehmerbeitrag an die gesetzliche Pflegeversicherung abzuführen als versicherte Eltern. Der Nachweis der Elternschaft obliegt den Versicherten. Gesetzliche Rentenversicherung Noch komplexer als in der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung liegen die Dinge in der gesetzlichen Rentenversicherung. Auf der Leistungsseite kennt das Rentenrecht drei familienpolitisch relevante Elemente: (1) Es werden für Geburten ab 1992 grundsätzlich drei Entgeltpunkte angerechnet. Diese Anrechnung gilt bis zum Höchstbeitragswert unabhängig davon, ob weitere Entgeltpunkte bspw. aus einer Erwerbstätigkeit vorliegen. (2) Des Weiteren werden Beitragszahlungen von Erziehungspersonen, die zwischen dem dritten und dem zehnten Lebensjahr des Kindes erwerbstätig sind, um 50 Prozent bis maximal zum Durchschnittseinkommen aufgewertet. Sofern zwei oder mehrere Kinder unter zehn Jahren erzogen werden, erfolgt anstelle der Höherbewertung eine Gutschrift in Höhe von 0,33 Entgeltpunkten. (3) Schließlich erhalten Hinterbliebene, die Kinder erzogen haben, einen Zuschlag von zwei Entgeltpunkten für das erste und je einen Entgeltpunkt für jedes weitere Kind. Auf der Beitragsseite leistet der Bund fiktive Beitragszahlungen zur Abdeckung der Kindererziehungszeiten. Diese Beitragszahlungen werden über einen besonderen Bundeszuschuss in Höhe von derzeit rund 12 Mrd. Euro erbracht. Die rentenrechtliche Berücksichtigung von Zeiten der Kindererziehung verdeutlicht die Problematik des sozialversicherungsinternen monetären Familienleistungsausgleichs. So ist in diesem System kein durchgängiges familienpolitisches Leitbild erkennbar. Die einzige Maßnahme, die dem Prinzip des Leistungsausgleichs vollständig entspricht, ist die Anrechnung von drei Jahren Kindererziehungszeiten. Denn die drei Entgeltpunkte aus Kindererziehungszeiten werden für jede Geburt unabhängig von sonstigen Faktoren wie der Frage der Erwerbstätigkeit der Erziehungsperson rentenbegründend und rentensteigernd angerechnet. Eine Höherbewertung durch Kinderberücksichtigungszeiten findet hingegen nur statt, wenn die Erziehungsperson sozialversicherungspflichtig erwerbstätig ist und ein unterdurchschnittliches Einkommen erzielt oder wenn sie mehrere Kinder unter zehn Jahren betreut. Art und Umfang der Leistung hängen also nicht nur von der familialen Leistung für das System sozialer Sicherung ab, sondern insbesondere von Art und Umfang der Erwerbstätigkeit und ggf. von der zeitlichen Abfolge der Geburten. Anspruch auf kindbedingte Leistungen aus der Hinterbliebenenrente haben ebenfalls nicht alle Erziehungspersonen, sondern nur jene, die abgeleitete Rentenansprüche geltend machen können. Sofern das Rentensplitting in Anspruch genommen wird, entfällt dieser Anspruch. Darüber hinaus ist die willkürliche Differenzierung der Anspruchshöhe zwischen dem ersten Kind und Kindern höherer Ordnungszahl zu kritisieren. Als besonders problematisch erweisen sich die echten Beitragszahlungen des Bundes für Kindererziehungszeiten. Denn diese Zahlungen bemessen sich nicht an den Ausga-

Stellungnahme des Wissenschaftlichen Beirats für Familienfragen / Juli 2006 / Seite 4 ben der Rentenversicherung für Kindererziehungszeiten, sondern verstehen sich als Beitragsleistungen für die unter Dreijährigen. Da im Umlageverfahren aber alle Einnahmen unmittelbar zur Finanzierung der laufenden Renten verwendet werden, kommen diese Zahlungen des Bundes nicht den kindererziehenden Eltern, sondern den heutigen Rentnern zugute. Die Beitragsleistungen des Bundes für Kindererziehungszeiten betragen aktuell 12 Mrd. Euro, während an Ausgaben jährlich in etwa 6,8 Mrd. Euro anfallen. Die Differenz immerhin gut 5,2 Mrd. Euro stellt letztlich eine familienpolitisch verbrämte Steuerfinanzierung der laufenden Rentenausgaben dar. Mehr Transparenz im monetären Familienleistungsausgleich: Einführung einer Familienkasse Das bestehende System könnte wesentlich transparenter, zielgenauer und damit letztlich auch sozial gerechter sein, wenn man den sozialversicherungsinternen monetären Familienleistungsausgleich nach ordnungspolitischen Gesichtspunkten ausgestalten und die Finanzierung dieser Maßnahmen auf eine einheitliche Basis stellen würde. Wie der Wissenschaftliche Beirat für Familienfragen in seinem Gutachten Gerechtigkeit für Familien 1 ausführlich dargelegt hat, sind diese Leistungen aus ordnungspolitischer Sicht an den Externalitäten auszurichten, die die Geburt und Erziehung von Kindern für alle Zweige des umlagefinanzierten sozialen Sicherungssystems erbringen. Zwar ist es nicht möglich, diese Effekte genau zu quantifizieren. Eine ordnungspolitisch korrekte Kompensation dieser Leistungen müsste jedoch so ausgestaltet sein, dass diese Leistungen allen Erziehungspersonen unabhängig von Art und Umfang ihrer Erwerbstätigkeit oder ihres Versichertenstatus zukommen. In der Rentenversicherung bietet sich hier die additive Anrechnung von Kindererziehungszeiten an, in der Kranken- und Pflegeversicherung die Übernahme der pauschalierten Gesundheitsausgaben von Kindern und Jugendlichen durch die Allgemeinheit. Dies lässt sich organisatorisch in einem prämienorientierten System leichter umsetzen als in einem System, das auf dem Prinzip der Lohnund Beitragsbezogenheit beruht. Grundsätzlich ist eine Verlagerung der Finanzierung aber auch im bestehenden System möglich. Aus ökonomischer Sicht wäre es wünschenswert, wenn die Finanzierung dieser Leistungen durch die Nutzer, in diesem Fall also durch die Kinderlosen, erfolgen würde. Dies ist in einem gegliederten System sozialer Sicherung institutionell jedoch kaum möglich. Deshalb ist es sinnvoll, diese Leistungen über das allgemeine Steueraufkommen zu finanzieren. Sofern das Aufkommen der Einkommensteuer zur Abdeckung dieser Leistungen verwendet wird, werden alle Haushalte entsprechend ihrer subjektiven 1 Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (Hrsg.), Gerechtigkeit für Familien. Zur Begründung und Weiterentwicklung des Familienlasten- und Familienleistungsausgleichs. Gutachten des Wissenschaftlichen Beirats für Familienfragen beim BMFSFJ, Stuttgart 2001 /5

Stellungnahme des Wissenschaftlichen Beirats für Familienfragen / Juli 2006 / Seite 5 Leistungsfähigkeit zur Finanzierung herangezogen. Damit werden die familialen Unterhaltsverpflichtungen auch auf der Finanzierungsseite adäquat berücksichtigt. Um die Finanzierung dieser Leistungen auf eine langfristig tragfähige Grundlage zu stellen, ist es zunächst unabdingbar, den entsprechenden Finanzbedarf explizit (z.b. in einem eigenen Haushaltstitel) auszuweisen und strikt an die Höhe der familiären Leistungen zu binden. Dies wäre ein erster Schritt in Richtung einer Familienkasse, bei der alle monetären Leistungen des Bundes für Familien gebündelt und nach einheitlichen Kriterien sowie zweckgebunden für familienpolitische Maßnahmen verausgabt werden würden. Nur durch eine in sich stimmige, ordnungspolitisch fundierte Reform des sozialversicherungsinternen Familienleistungsausgleichs kann sichergestellt werden, dass die geplante Steuerfinanzierung der beitragsfreien Mitversicherung von Kindern Teil einer familienpolitisch orientierten Reform der Finanzierungsgrundlagen des Systems sozialer Sicherung ist. Die Reform der gesetzlichen Krankenversicherung kann dazu jedoch nur ein erster Schritt sein, dem weitere Schritte folgen müssen.

Mitglieder des Wissenschaftlichen Beirats für Familienfragen beim Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend Stand: 01. 03. 2006 Filipp, Prof. Dr., Sigrun-Heide, Vorsitzende Universität Trier, Fachbereich I Psychologie Althammer, Prof. Dr., Jörg, stellvertretender Vorsitzender, Ruhr-Universität Bochum, Fakultät für Sozialwissenschaft, Lehrstuhl für Sozialpolitik und Sozialökonomik Honig, Prof. Dr., Michael-Sebastian, Universität Trier, Fachbereich I Pädagogik Huinink, Prof. Dr., Johannes, stellvertretender Vorsitzender, Universität Bremen, EMPAS - Institut für angewandte und empirische Soziologie Büchner, Prof. Dr., Peter, Institut für Erziehungswissenschaft der Philipps-Universität Marburg Fegert, Prof. Dr., Jörg, Universitätsklinikum Ulm, Kinder- und Jugendpsychiatrie / Psychotherapie Gerlach, Prof. Dr., Irene, Westfälische Wilhelms-Universität Münster, Institut für Politikwissenschaft Grüske, Prof. Dr., Karl-Dieter, Universität Erlangen-Nürnberg, Lehrstuhl für Volkswirtschaftslehre, insbes. Finanzwissenschaft Keil, Prof. Dr. Dr., Siegfried, emeritiert, Philipps-Universität Marburg, Fachbereich Evangelische Theologie, Fachgebiet Sozialethik Kleinhenz, Prof. Dr., Gerhard, Universität Passau, Lehrstuhl für Volkswirtschaftslehre mit Schwerpunkt Wirtschafts- und Sozialpolitik Krappmann, Prof. Dr., Lothar, Max-Planck-Institut für Bildungsforschung, Berlin Krüsselberg, Prof. Dr., Hans-Günter, emeritiert, Philipps-Universität Marburg, Fachbereich Wirtschaftswissenschaften, Wirtschaftspolitik II, Abt. für Allg. Volkswirtschaftslehre Liegle, Prof. Dr., Ludwig, Universität Tübingen, Institut für Erziehungswissenschaft Lüdeke, Prof. Dr., Reinar, Universität Passau, Lehrstuhl für Volkswirtschaftslehre mit Schwerpunkt Finanzwissenschaft Lüscher, Prof. Dr., Kurt, emeritiert, Universität Konstanz, Fachbereich Geschichte und Soziologie Ott, Prof. Dr., Notburga, Ruhr-Universität Bochum, Lehrstuhl für Sozialpolitik und öffentliche Wirtschaft, Fakultät für Sozialwissenschaft Richter, Prof. Dr., Ingo, emeritiert, Prof. für Öffentliches Recht Scheiwe, Prof. Dr. Kirsten, Universität Hildesheim, Institut für Sozial- und Organisationspädagogik Walper, Prof. Dr., Sabine, Universität München, Institut für Pädagogik, Lehrstuhl für Allgemeine Pädagogik und Bildungsforschung

STÄNDIGE GÄSTE: Dorbritz, Dr. Jürgen, Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung, Wiesbaden Rauschenbach, Prof. Dr., Thomas, Deutsches Jugendinstitut, München ASSISTENT DES WISSENSCHAFTLICHEN BEIRATS: Aymanns, Dr., Peter, Universität Trier, Fachbereich I Psychologie