Universität Karlsruhe



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Transkript:

Karlsruhe Universität Karlsruhe Lehren aus der Finanzkrise Verbriefungen im Lichte der Finanzkrise Robustheit der Risikobewertung, Modellrisiko und Implikationen Betreuender Hochschullehrer: Prof. Dr. Marliese Uhrig-Homburg Studentische Teammitglieder: Jasmin Berdel Daniel Müller Florian Stegmüller

Wettbewerbsbeitrag Postbank Finance Award 2009 Verbriefungen im Lichte der Finanzkrise Robustheit der Risikobewertung, Modellrisiko und Implikationen

Inhaltsverzeichnis Abbildungsverzeichnis... ii Tabellenverzeichnis... ii 1. Einleitung... 1 2. Eine kurze Historie der Kreditkrise... 3 3. Ursachenforschung anhand der Wertschöpfungskette... 5 3.1. Die Wertschöpfungskette einer Bank bei der Kreditvergabe... 5 3.2. Makroökonomisches Umfeld der Krise... 6 3.3. Rolle der einzelnen Segmente der Wertschöpfungskette in der Finanzkrise... 9 3.3.1. Vertrieb... 9 3.3.2. Portfolio- und Risikomanagement... 11 3.3.3. Aufsichtsbehörden und Rechnungslegung... 13 3.3.4. Rating-Agenturen... 15 4. Risikomodellierung von Verbriefungsstrukturen... 18 4.1. Ein einfaches Kreditportefeuillemodell... 18 4.1.1. Allgemeine Modellbeschreibung... 19 4.1.2. Praktische Umsetzung des Kreditportefeuillemodells... 20 4.1.3. Zusammensetzung des Portefeuilles und Bestimmung der Tranchengrenzen... 21 4.2. Robustheit und Modellrisiko... 24 4.2.1. Unschärfe bei der Einteilung der Kreditnehmer in Bonitätsklassen... 24 4.2.2. Korrelationsrisiko und systematisches Risiko von ABS-Produkten... 26 4.2.3. Einfluss von stochastischen Recovery Rates auf das Kreditportefeuille... 33 4.2.4. Gesamteffekt der verschiedenen Modellerweiterungen... 36 5. Handlungsempfehlungen... 38 5.1. Vertrieb... 39 5.2. Portfolio- und Risikomanagement... 40 5.3. Aufsichtsbehörden und Rechnungslegung... 42 5.4. Rating-Agenturen... 42 6. Fazit und Ausblick... 44 Literatur... 47 -i-

Abbildungsverzeichnis Abbildung 1: Darstellung der Kreditwertschöpfungskette... 6 Abbildung 2: Entwicklung des Zinsniveaus und der Immobilienpreise seit 1991.... 7 Abbildung 3: Anteil der notleidenden Kredite im US-Markt für Subprime-Immobilienkredite... 8 Abbildung 4: Anteil der US-Subprime-Kredite mit Zahlungsverzug von mehr als 60 Tagen nach Jahreskohorte... 10 Abbildung 5: Grundstruktur einer Verbriefung... 12 Abbildung 6: Verlustverteilung im Basisportefeuille... 22 Abbildung 7: Abhängigkeit der Verlustquote einer Tranche von den Ausprägungen des Makrofaktors.... 27 Abbildung 8: Implizite Korrelation im itraxx Europe mit fünfjähriger Laufzeit... 29 Abbildung 9: Verlustverteilung im LPV-Modell.... 32 Tabellenverzeichnis Tabelle 1: Kennziffern der Tranchen des Beispielportefeuilles.... 23 Tabelle 2: Kennziffern der Tranchen bei fehlerhafter Bonitätseinschätzung... 25 Tabelle 3: Kennziffern der Tranchen bei Korrelation 70%... 30 Tabelle 4: Kennziffern der CDO-Tranchen im LPV-Modell.... 33 Tabelle 5: Verteilung der Recovery Rate im Falle eines Zahlungsausfalls... 35 Tabelle 6: Kennziffern der Tranchen bei stochastischen Recovery Rates.... 35 Tabelle 7: Kennziffern der Tranchen bei kombiniertem Sensitivitätstest.... 37 Tabelle 8: Kennziffern der Tranchen als Summe der Einzeleffekte... 37 -ii-

1. Einleitung Die aktuelle Finanzmarktkrise, die nun schon seit Mitte 2007 anhält, hat mittlerweile zu weltweiten Verlusten in Höhe von 50 Billionen USD geführt. 1 Laut Angaben der Bank for International Settlements (BIS) betragen die Verluste und Abschreibungen bei Banken bisher ca. 800 Milliarden USD, staatliche Hilfen und Kapitalerhöhungen für Banken summieren sich auf 925 Milliarden USD. 2 Die Dimension dieser Zahlen unterstreicht die Notwendigkeit einer intensiven Ursachenforschung. Um einen ähnlichen Zusammenbruch des globalen Finanzsystems in Zukunft zu verhindern, müssen verschiedene kurz- und langfristige Maßnahmen entwickelt werden, welche die Stabilität des Systems wiederherstellen und langfristig erhalten. Kurzfristige Maßnahmen werden aktuell durch die Niedrigzinspolitik der Zentralbanken sowie die staatlichen Rettungspakete für Banken umgesetzt. Die vorliegende Arbeit konzentriert sich daher auf langfristig orientierte Handlungsempfehlungen für Banken, Aufsicht und Ratingagenturen. Am Anfang der Krise stand der Kollaps des amerikanischen Subprime-Hypothekenmarkts. 3 Franke und Krahnen (2008) bezeichnen diesen gar als Epizentrum der Finanzmarktkrise. 4 Subprime-Kredite wurden im Vorfeld der Finanzmarktkrise in Portefeuilles zusammengefasst und anschließend über verbriefte Wertpapiere veräußert, wodurch sich die Ausfallrisiken weltweit verteilten. Diese Instrumente waren für Investoren besonders attraktiv, da sie trotz guten Ratings eine hohe Rendite versprachen. 5 Der starke Anstieg der Kreditausfälle seit Anfang 2007 führte zu nicht antizipierten Verlusten und zog weltweit massive Abschreibungen nach sich. Die Analysen verschiedener Autoren sehen in diesen Verbriefungstransaktionen und deren Risikofehleinschätzung die Hauptursache der Krise. 6 Auch wenn Verbriefungsprodukte momentan stark in der Kritik stehen, muss festgehalten werden, dass der Transfer von Kreditrisiken durch Kreditderivate bei einer effektiven Nutzung positive Effekte auf eine Ökonomie haben kann. 7 Zum einen ist der Handel mit Kreditrisiken ein wichtiges Instrument zum Risikomanagement einer Bank. Zum anderen wird durch die Abgabe von Ausfallrisiken Eigenkapital freigesetzt, so dass zusätzliche Kredite vergeben werden können. Die Bereitstellung von genügend Geldkapital durch Banken ist wiederum eine Voraussetzung für das Wachstum einer Volkswirtschaft. Die aktuellen Ereignisse zeigen jedoch, dass weder bankinterne Prozesse noch aufsichtsrechtliche Organe in der Lage waren, einen nachhaltigen Einsatz von Kredittransferinstrumenten sicherzu- 1 Vgl. Loser (2009), S. 7. 2 Vgl. BIS (2009), S. 6. 3 Unter Subprime-Krediten versteht man Darlehen an Personen mit einem erhöhten Ausfallrisiko. Vgl. Hull (2008), S. 3. 4 Vgl. Franke und Krahnen (2008), S. 3. 5 Vgl. Hellwig (2008), S. 32. 6 Vgl. u.a. Crouhy, Jarrow und Turnbull (2007), Hull (2008) und Hellwig (2008). 7 Vgl. etwa Allen und Carletti (2006) oder BIS (2008a). -1-

stellen. Die uneingeschränkte Möglichkeit zum Transfer von Kreditrisiken führte dazu, dass Banken die Bonitätsprüfung vernachlässigten, während gleichzeitig der Handel mit Kreditrisiken im Vorfeld der Krise spekulative Züge annahm. Der Fokus der vorliegenden Arbeit liegt daher auf der kritischen Analyse der Verbriefung von Kreditportefeuilles. Eine detaillierte Ursachenforschung und Problemanalyse bildet dabei die Grundlage zur Erstellung eines Maßnahmenkatalogs, um den Transfer von Kreditrisiken auch in Zukunft zu ermöglichen. Durch eine eigenständige quantitative Analyse werden Modellrisiko und Sensitivitäten des Marktstandards bei der Risikobewertung in der Verbriefung aufgezeigt. Im Vordergrund steht dabei, wie die Risiken solcher Transaktionen transparent und belastbar dargestellt werden können. In Kapitel 2 wird zunächst ein kurzer Überblick über die wichtigsten Ereignisse während der aktuellen Finanzmarktkrise gegeben. Im Anschluss daran wird in Kapitel 3 untersucht, welche Ursachen zur Entstehung der Krise geführt haben. Diese identifizierten Problemfelder werden den Segmenten der Kreditwertschöpfungskette einer Bank zugeordnet, wobei gezeigt wird, dass die hohen Verluste durch Verbriefungen nur durch ein Zusammenwirken verschiedener Effekte und Fehler entstehen konnten. Um die Ergebnisse der qualitativen Problemanalyse zu untermauern, wird in Kapitel 4 die Verlustmodellierung für Subprime-Portefeuilles betrachtet, die den Ausgangspunkt für die Risikobewertung von Verbriefungsprodukten darstellt. Modellfehlspezifikationen und die Wahl falscher Modellparameter führen zur Fehleinschätzung von Risiken, wodurch diese nicht adäquat durch Marktpreise abgebildet werden und sich durch den weltweiten Handel im Finanzsystem verbreiten. Folglich ist eine solche Analyse von zentraler Bedeutung. Da sich das sogenannte Ein-Faktor-Gauß-Copula-Modell (OFGC- Modell) als Standard bei der Modellierung von Kreditportefeuilles etabliert hat 8 und die Grundlage für die aufsichtsrechtlichen Richtlinien von Basel II bildet 9, wird das OFGC-Modell als Basis für die vorliegende Untersuchung herangezogen. Dabei wird es sowohl Stresstests unterzogen als auch auf Sensitivitäten gegenüber verschiedenen Modellerweiterungen hinsichtlich der Risikocharakteristika der Verbriefung untersucht. Unter anderem werden eine Unschärfe bei der Schätzung der individuellen Kreditwürdigkeit, verschiedene Korrelationsregimes und stochastische Recovery Rates berücksichtigt. Die Grundfrage dabei ist, ob das OFGC-Modell das tatsächliche Risiko in einem Kreditportefeuille realistisch darstellt. Mit dieser quantitativen Untersuchung wird die in Kapitel 3 getroffene Aussage untermauert, dass Modellrisiko und -sensitivität maßgeblich zum Entstehen der Finanzkrise beigetragen haben. In Kapitel 5 werden auf Basis der vorangegangenen Analysen Handlungsempfehlungen diskutiert, die darauf ausgerichtet sind, die Gefahr einer zukünftigen Finanzkrise zu verringern. Im Vordergrund steht dabei der Versuch, durch Anreizsysteme die Qualität der Risikoeinschätzung zu verbessern und dadurch systematische Fehlbewertungen zu verhindern. Die Arbeit schließt in Kapitel 8 Vgl. Amato und Gyntelberg (2005), S. 90. 9 Vgl. etwa Gordy (2003). -2-

6 mit einem Fazit in Form einer abschließenden Beurteilung der Ursachen der Krise und der möglichen Handlungsempfehlungen. 2. Eine kurze Historie der Kreditkrise In der Literatur zur aktuellen Finanzmarktkrise existiert eine Vielzahl von Arbeiten, die einen hervorragenden Überblick über die Geschehnisse während der Kreditkrise bieten. Darunter zählen u.a. Franke und Krahnen (2008), Crouhy, Jarrow und Turnbull (2007) und auch die Quartalsberichte der BIS. Die aktuelle Kreditkrise begann im Juni 2007 auf dem nordamerikanischen Markt für Subprime- Immobilienkredite. Zu diesem Zeitpunkt wurden systematische Downgrades der Rating-Agenturen bei der Bonitätseinschätzung von sogenannten Asset-Backed-Securities (ABS) 10, mit denen diese Darlehen an andere Marktteilnehmer verbrieft wurden, vorgenommen. Laut Crouhy, Jarrow und Turnbull (2007) wurden von Anfang 2005 bis zum dritten Quartal 2007 66% der ABS-Produkte in ihrem Rating nach unten korrigiert, wobei allein 44% der Instrumente von Investment-Grade auf Junk herabgestuft wurden. Diese Downgrades zwangen eine Vielzahl von Banken in den USA und in Europa zu Korrekturen ihrer Bewertungen, was massive Abschreibungen zur Folge hatte. Zudem kam der Markt für die Verbriefung von Subprime-Krediten zum Erliegen. Das Emissionsvolumen für diese Produkte sank von 449 Milliarden USD Anfang 2006 auf 2 Milliarden USD Anfang 2008. 11 Zu den ersten notleidenden Institutionen in dieser Phase der Krise zählte die US-Investmentbank Bear Stearns, die zwei ihrer Hedge Fonds unter nahezu vollständigem Kapitalverlust schließen musste. 12 Die Folge war eine erste Serie von Abwertungen und Rating-Korrekturen. Auch in Deutschland zeigten sich die Auswirkungen der Krise durch die Notlage bei der Deutschen Industriebank (IKB) und der Sächsischen Landesbank, welche nur durch die Hilfe des Staates und anderer Banken überlebensfähig blieben. 13 Hohe Abschreibungen und damit verbundene Quartalsverluste 14 führten zu mangelnder Verfügbarkeit von Zahlungsmitteln bei vielen Banken. Dies hatte zur Konsequenz, dass der Interbankenhandel fast zum Erliegen kam, d.h. die Finanzinstutionen stellten sich gegenseitig kein Geld zur Verfügung bzw. 10 Vgl. Crouhy, Jarrow und Turnbull (2007), S. 85. 11 Vgl. BIS (2008b), S. 98. 12 Vgl. Franke und Krahnen (2008), S. 7. Im März 2008 wurde diese Bank von JP Morgan im Rahmen eines Notverkaufs unter Vermittlung der amerikanischen Federal Reserve System (FED) übernommen. 13 Vgl. Franke und Krahnen (2008), S. 7. 14 Vgl. Crouhy, Jarrow und Turnbull (2007), S. 81. Im Oktober 2008 erwartete der Internationale Währungsfonds (IWF) aus der Finanzkrise resultierende Verluste in Höhe von 1,4 Billionen USD. Vgl. Hellwig (2008), S. 3. Ein Ende dieser Verluste ist noch nicht abzusehen. So verbuchte der größte amerikanische Baufinanzierer im Jahr 2008 einen Nettoverlust in Höhe von unvorstellbaren 58,7 Milliarden USD. Vgl. Fannie Mae (2008), S. 8. -3-

nur zu deutlich erhöhten Zinsen. 15 Die große Unsicherheit zwischen Banken äußerte sich auch durch eine erhöhte Nachfrage nach Zentralbankguthaben, welches zum Leitzins vergütet wurde. 16 Nach einer kurzen Zeit des Abwartens reagierten die Zentralbanken mit Senkungen des Leitzinses und einer erhöhten Bereitstellung von Liquidität. 17 Die amerikanische Federal Reserve (FED) reagierte z.b. mit einer drastischen Senkung des Leitzinses von 5,25% im September 2007 auf 2% im April 2008. Zur nächsten Phase zählt laut Franke und Krahnen (2008) die staatliche Übernahme der amerikanischen Baufinanzierer Freddie Mac und Fannie Mae im Sommer 2008. Nach vorangegangen Milliardenverlusten war ein Aufkauf durch den Staat unabdingbar, da ein Bankrott dieser Institutionen einen Kollaps des amerikanischen Immobilienmarkts nach sich gezogen hätte. Kurz darauf, im September 2008, erreichte die Krise mit der Insolvenz der viertgrößten US-Investmentbank Lehman Brothers einen neuen Höhepunkt. 18 Im Oktober musste mit dem Hypothekenfinanzierer Hypo Real Estate (HRE) auch die erste deutsche Finanzinstitution Staatshilfen in Höhe von zunächst 15 Milliarden Euro in Anspruch nehmen. 19 Mittlerweile summieren sich die Zahlungen an die HRE auf über 100 Milliarden Euro und eine Verstaatlichung der HRE wird in Betracht gezogen. 20 Eine Ausweitung der Kreditkrise auf die Realwirtschaft konnte trotz staatlicher Interventionen nicht verhindert werden. Seit Mitte 2007 haben sich die Bedingungen bei der Kreditvergabe für Unternehmen und Konsumenten deutlich verschärft. 21 Dies führte dazu, dass z.b. der Internationale Währungsfonds (IWF) im Januar 2009 die Prognose für das Wachstum der Weltwirtschaft auf 0,5% kürzen musste. Dies entspricht dem geringsten Zuwachs seit dem Zweiten Weltkrieg. Aufgrund der angespannten Lage auf den Finanzmärkten erwartet der IWF erst im Jahr 2010 eine leichte Erholung der Weltwirtschaft. 22 15 Vgl. Crouhy, Jarrow und Turnbull (2007), S. 81. 16 Vgl. BIS (2008b), S. 68. 17 Einen sehr guten komparativen Überblick über die Maßnahmen der verschiedenen Zentralbanken bietet BIS (2008b). 18 Vgl Handelsblatt (2008a). 19 Vgl. Handelsblatt (2008b). 20 Vgl. Handelsblatt (2009a). 21 Vgl. Crouhy, Jarrow und Turnbull (2007), S. 81. 22 Vgl. IWF (2009), S. 1. -4-

3. Ursachenforschung anhand der Wertschöpfungskette Nach dem Überblick über die wichtigsten Ereignisse der Finanzmarktkrise werden im folgenden Abschnitt die verschiedenen Ursachen anhand der einzelnen Teilbereiche der Kreditwertschöpfungskette einer repräsentativen Geschäftsbank analysiert. 3.1. Die Wertschöpfungskette einer Bank bei der Kreditvergabe Die Wertschöpfungskette eines Unternehmens stellt laut Porter (1996) ein analytisches Instrument dar, welches die Aktivitäten der unternehmerischen Leistung in einzelne Tätigkeiten untergliedert. 23 Diese Kette eignet sich dazu, eine Organisation in strategische Teilbereiche oder Funktionseinheiten zu unterteilen, um diese detailliert zu analysieren. 24 Anschließend können auf Basis der Untersuchung strategische Handlungsempfehlungen entwickelt werden. Da die aktuelle Finanzkrise ihren Ursprung in der Subprime-Kreditkrise hatte, wird in der vorliegenden Arbeit die Krise anhand der Kreditwertschöpfungskette einer Bank analysiert. 25 Diese Strukturierung ermöglicht eine Darstellung der Ursachen und Probleme in den Teilbereichen eines Kreditinstituts sowie eine zielgerechte Entwicklung von strategischen Maßnahmen zur Vermeidung zukünftiger Krisen. Ziel dieses Abschnitts ist es daher, diese Wertschöpfungskette kurz vorzustellen, wohingegen die folgenden Abschnitte die einzelnen Teilprozesse näher beleuchten. Während man sich in der Literatur bei der Beschreibung der Wertschöpfung häufig auf die primären Aktivitäten wie z.b. den Vertrieb oder das Portfoliomanagement eines Kreditinstituts fokussiert 26, werden in dieser Arbeit auch unterstützende Teilbereiche 27 wie z.b. die Verbriefung von Krediten und die Rolle der Rating- Agenturen näher betrachtet. Abbildung 1 zeigt die Kernprozesse des Kreditgeschäfts im Überblick. Der erste Teilbereich der Wertschöpfungskette einer Bank ist der Vertrieb. 28 Dort werden die Kontakte zu den Kunden hergestellt und Finanzdienstleistungen abgesetzt. In diesen Bereich fällt bei der Kreditvergabe neben der Beratung häufig auch eine Überprüfung der Bonität sowie die Angebotserstellung und die Bewertung einer Finanzdienstleistung, d.h. ob und zu welchen Konditionen ein Kredit vergeben wird. 29 Leistungen, die in Zusammenhang mit der Administration des Kreditportefeuilles einer Bank stehen, wie z.b. die Kreditverwaltung und die Vollstreckung von ausgefallenen Krediten, fasst das Portfoliomanagement oder die Bestandsverwaltung zusammen. In dieser Arbeit wird angenommen, dass in diesem Bereich auch 23 Vgl. Porter (1996), S. 63ff. 24 Vgl. etwa den Ansatz von Hartung und Helten (2001). 25 Vgl. Crouhy, Jarrow und Turnbull (2007), S. 81. 26 Vgl. Börner (2000) oder Hartung und Helten (2001). 27 Vgl. Porter (1996), S. 67. 28 Nach Hartung und Helten (2001) beginnt die Wertschöpfung mit der Produktentwicklung von Finanzdienstleistungen. 29 Die folgenden Erläuterungen folgen Holtmann und Kleinheyer (2002), S. 479f. -5-

die Verbriefung von Krediten stattfindet. Die Überwachung und die Analyse des Risikoprofils des Portefeuilles einer Bank stehen beim Risikomanagement im Vordergrund. In diesem Teilbereich werden auch die Bewertungsmodelle der Produkte kontrolliert und weiterentwickelt. Dabei ist das Ziel, die zugrunde liegenden Risiken adäquat zu berücksichtigen. Wie die aktuelle Finanzkrise gezeigt hat, spielen Rating-Agenturen bei der Bewertung von verbrieften Kreditportefeuilles eine Schlüsselrolle. Viele Investoren bewerten diese Produkte basierend auf den Bonitätseinschätzungen der Agenturen. 30 Die Überwachung der Tätigkeit von Banken durch den Staat fällt der Bankenaufsicht zu. Mit Hilfe von regulatorischen Eingriffen kann die Aufsicht zum Schutz der Gläubiger, Kunden und der Volkswirtschaft in die Geschäftstätigkeit einer Kreditinstitution eingreifen. 31 Quelle: Eigene Darstellung. Abbildung 1: Darstellung der Kreditwertschöpfungskette. 3.2. Makroökonomisches Umfeld der Krise Die Entstehung der aktuellen Finanzkrise wurde maßgeblich durch die Entwicklung zweier makroökonomischer Faktoren beeinflusst: dem Zinsniveau und den Preisen für Wohnimmobilien. Die Wechselwirkungen zwischen diesen beiden Größen bildeten die Voraussetzung für das Wachstum und den letztendlichen Zerfall der Subprime-Blase. 32 Der zeitliche Verlauf der Zinsen und Immobilienprei- 30 Vgl. Crouhy, Jarrow und Turnbull (2007), S. 85. 31 Vgl. Waschbusch (2000), S. 10f. 32 Vgl. Hull (2008), S. 2. -6-

se ist in Abbildung 2 anhand des FED-Leitzinssatzes 33 bzw. des S&P/Case-Shiller-Home-Price Index 34 dargestellt. Aus Abbildung 2 wird ersichtlich, dass zwischen den Jahren 2002 und 2004 ein niedriges Zinsniveau mit einem starken Wachstum der Wohnimmobilienpreise zusammenfiel. Zwischen Juni 2003 und Juni 2004 lag der Leitzinssatz auf einem Tiefstwert von lediglich 1%. Dieses niedrige Zinsniveau zog zwei Effekte nach sich. Zum einen konnten Immobilienkäufe günstig finanziert werden, was eine steigende Nachfrage zur Folge hatte und den Anstieg der Immobilienpreise beschleunigte. 35 Zum anderen begannen Anleger und Investoren nach Finanzprodukten zu suchen, die trotz der niedrigen Leitzinsen eine hohe Rendite versprachen. 36 Hellwig (2008) bezeichnet die Situation sogar als yield panic, also als eine verzweifelte Suche nach einer erhöhten Rendite. Subprime-Immobilienkredite wurden zu einer attraktiven Alternative. Trotz der hohen erwarteten Rendite 37 schien das Risiko relativ gering, da die besicherten Immobilien ständig an Wert gewannen. Dementsprechend stieg, trotz der seit 2005 wachsenden Leitzinsen, der Anteil von Subprime-Krediten am gesamten Hypothekenmarkt der USA von ca. 10% im Jahr 2006 auf ca. 20% im Jahr 2007. 38 S&P/Case-Shiller Index 200 180 160 140 120 100 80 60 40 20 S&P/Case-Schiller Index FED Leitzinssatz 9 8 7 6 5 4 3 2 1 FED Leitzinssatz in % 0 0 Jan. 91 Jan. 93 Jan. 95 Jan. 97 Jan. 99 Jan. 01 Jan. 03 Jan. 05 Jan. 07 Jan. 09 Eigene Darstellung, Datenquellen: Federal Reserve System, Standard & Poor s. Abbildung 2: Entwicklung des Zinsniveaus und der Immobilienpreise seit 1991. 33 Die Daten wurden am 01.02.2009 von URL http://www.federalreserve.gov/fomc/fundsrate.htm entnommen. 34 Der S&P/Case-Shiller-Home-Price Index ist ein Indikator für die Wertentwicklung eines Ein-Familien-Hauses in den USA. Die Daten wurden am 01.02.2009 von URL http://www.standardandpoors.com entnommen. 35 Vgl. Hull (2008), S. 2. 36 Vgl. Hellwig (2008), S 32. 37 Vgl. Crouhy, Jarrow und Turnbull (2007), S. 82. 38 Vgl. Crouhy, Jarrow und Turnbull (2007), S. 82. -7-

Jedoch nahm, wie in den folgenden beiden Abschnitten beschrieben wird, mit anhaltendem Wachstum des Subprime-Marktes die Qualität der vergebenen Kredite ab. Dazu kam, dass aufgrund der oftmals variablen Darlehensverzinsung der steigende Leitzins zu einem erhöhten Kapitaldienst für die Schuldner führte. 39 Dies hatte, wie in Abbildung 3 erkennbar, ein starkes Wachstum an Kreditausfällen ab Mitte des Jahres 2006 zur Konsequenz. 18% 17% 16% 15% 14% 13% 12% 11% 10% 9% Q1 Q2 Q3 Q4 Q1 Q2 Q3 Q4 Q1 Q2 Q3 Q4 Q1 Q2 Q3 Q4 Q1 Q2 Q3 Q4 Q1 Q2 Q3 Q4 2002 2003 2004 2005 2006 2007 Eigene Darstellung, Datenquelle: Mortgage Bankers Association (2008), S. 10. Abbildung 3: Anteil der notleidenden Kredite im US-Markt für Subprime-Immobilienkredite. Die steigende Zahl der Kreditausfälle hatte wiederum Konsequenzen für den Immobilienmarkt. Durch Zwangsvollstreckungen entstand ein zusätzliches Angebot an Wohnimmobilien, was zu sinkenden Preisen führte. 40 Am S&P/Case-Shiller-Home-Price Index in Abbildung 2 kann man erkennen, dass das Preisniveau zwischen Mitte 2006 und Mitte 2008 um mehr als 20% sank. Somit verloren die Sicherheiten der Kredite immer mehr an Wert und die tatsächlichen und erwarteten Verluste der Geldgeber stiegen. 41. 39 Vgl. Crouhy, Jarrow und Turnbull (2007), S. 83. 40 Vgl. Hull (2008), S. 4. 41 Vgl. Krinsman (2007), S. 14. -8-

3.3. Rolle der einzelnen Segmente der Wertschöpfungskette in der Finanzkrise In den folgenden Abschnitten werden nun die Problemfelder in den einzelnen Segmenten der Wertschöpfungskette im Detail untersucht. Dabei werden die vier Instanzen Vertrieb, Portfolio- und Risikomanagement, Bankenaufsicht und Rating-Agenturen betrachtet und ihre Rolle vor und während der Krise diskutiert. 3.3.1. Vertrieb Wie bereits in der Analyse der makroökonomischen Rahmenbedingungen beschrieben wurde, führten niedrige Zinsen auf dem Finanzmarkt zu einem Boom bei der Finanzierung von Immobilien. Um dieses Wachstum beizubehalten, setzte man in den Jahren 2005 und 2006 im Vertrieb und der Produktentwicklung auf eine Reihe von neuen Finanzdienstleistungen. Dazu zählten die 2/28 und 3/27 Hybrid Subprime Adjustable Rate Mortgages (ARMs), bei denen die Kunden mit niedrigen Einstiegszinsen gelockt wurden. Nach den ersten zwei bis drei Jahren wurden die Darlehenszinsen jedoch angepasst. 42 Die steigenden Zinsen auf dem Finanzmarkt führten zu einer erheblichen Erhöhung der daran gekoppelten Darlehenszinsen. Da viele Kreditnehmer dieser finanziellen Belastung nicht gewachsen waren, kam es nach den ersten Anpassungsrunden seit dem Jahr 2007 zu einer erhöhten Anzahl an Privatinsolvenzen. 43 Eine kritische Rolle spielen dabei die Bonitätsprüfungen bei der Kreditvergabe. Während die Kreditgeber eigentlich die Angaben bei Kreditanträgen gewissenhaft prüfen sollten, zeigte sich während der Kreditkrise, dass die Überprüfung der Bonität eines Kreditnehmers zunehmend schlechter und ungenauer wurde. Zimmerman (2007) bezeichnet die ARMs z.b. als Liar s loans, da keine genaue Überprüfung der Einkommensangaben stattgefunden hat. Somit konnten potentielle Kreditnehmer bei ihren Anträgen unwahre Angaben über ihre Einkommensverhältnisse machen, ohne Kontrollen riskieren zu müssen. 44 Dazu beigetragen hat laut Krinsman (2007) auch, dass bei manchen Produktarten eine Auskunft überhaupt nicht zwingend notwendig war. Ein Beispiel für derartige Kredite sind die sogenannten Stated Income Loans, bei denen keine Auskunftspflicht besteht. Im Gegenzug musste der Kreditnehmer einen unwesentlich höheren Darlehenszins bezahlen. Laut Krinsman (2007) wurden 50% aller Subprime-Kredite auf Basis von unzureichenden Auskünften über Einkommen vergeben. Daher kann man sich nur der Aussage von Zimmerman (2007) anschließen, wonach in einer normalen Welt derartige Produkte niemals entwickelt worden wären, da Kreditausfälle wissentlich in Kauf genommen wurden. Das Resultat dieser Vertriebspolitik wurde am 13. März 2007 durch die Mortgage Bankers Association veröffentlicht: 13% aller Subprime-Kredite waren 60 Tage oder mehr mit ihren Tilgungs- 42 Vgl. Zimmerman (2007), S.12. Die Darlehenszinsen der Immobilienkredite mit einer Laufzeit von 30 Jahren werden nach 2 (für 2/28 ARMs) bzw. nach 3 (für 3/28 ARMs) Jahren angepasst und bleiben in der Folge auch variabel. 43 Vgl. Abbildung 3. 44 Vgl. Zimmerman (2007), S. 12. -9-

und Zinszahlungen in Verzug. 45 Abbildung 4 zeigt, in welchem Umfang die Subprime-Darlehen von 2003 bis 2007 an Kreditqualität verloren hatten. 46 Von den im Jahr 2007 vergebenen Krediten waren nach 10 Monaten 13,0% mit mehr als 60 Tagen in Verzug. Für Kredite aus dem Jahr 2003 betrug diese Zahl lediglich 2,8%. 30% 25% 20% 15% Jahreskohorte 2000 2003 2004 2005 2006 2007 10% 5% 0% 1 3 5 7 9 11 13 15 17 19 21 23 25 27 29 Zeit seit Abschluss des Kredits (Monate) Eigene Darstellung, Datenquelle: Bank for International Settlements. Abbildung 4: Anteil der US-Subprime-Kredite mit Zahlungsverzug von mehr als 60 Tagen nach Jahreskohorte. Auch wenn diese Ereignisse in der Vergangenheit liegen und solche Produkte derzeit nicht mehr angeboten werden, muss die Frage gestellt werden, wie es zu einer solchen Entwicklung kommen konnte. Derartige Probleme können nicht nur bei der Vergabe von Immobilienkrediten entstehen, sondern beispielsweise auch bei der Vergabe von Studentenkrediten oder Kreditkarten. Aktuelle Untersuchungen identifizieren zwei Hauptgründe für diese Entwicklung. Zum einen wurde der Vertrieb in der Regel mit Bonus- und Provisionszahlungen vergütet, welche auf der Anzahl oder dem Volumen der abgeschlossenen Kreditverträge basierten. 47 Wie lange die Darlehen danach existierten oder ob sie schon nach einer kurzen Laufzeit (z.b. nach der ersten Anpassung 45 Vgl. Krinsman (2007), S. 14. 46 Die Daten wurden am 01.03.2009 von URL http://www.bis.org/publ/arpdf/ar2008_de.htm entnommen. 47 Vgl. Krinsman (2007), S. 14. -10-

der Darlehenszinsen) wieder ausfielen, spielte für die Vergütung keine Rolle. 48 Dies hatte als Konsequenz, dass oftmals keine solide Bonitätsprüfung erfolgte. 49 Auf der anderen Seite entwickelte sich in den vergangenen Jahren ein florierender Markt für Asset Backed Securities (ABS) mit zugrunde liegenden Subprime-Kreditportefeuilles. 50 Der Originator konnte also das Kreditrisiko, welches durch diese Immobilienkredite entstanden ist, gegen eine Prämienzahlung an Investoren weitergeben. Die massive Nachfrage nach derartigen Verbriefungsprodukten verschaffte den Kreditgebern zusätzliche Liquidität, so dass jederzeit Kapital zur Verfügung stand, um neue Kredite zu vergeben. 51 Des Weiteren konnten die Kreditgeber durch eine geschickte Strukturierung der Verbriefungen einen positiven Cash-Flow generieren. Somit waren sie vom Ausfallrisiko ihrer Forderungen nicht mehr betroffen, da diese Risiken über die Verbriefungstransaktionen weitergegeben wurden. 52 Man kann also zusammenfassen, dass ständig Liquidität für neue Kredite existierte, aber auf der anderen Seite die Darlehensnehmer aufgrund der Weitergabe der Kreditrisiken nicht mehr überprüft worden sind. Die Ergebnisse von Keys et al. (2008) bestätigen diese Vermutung. In ihrer Untersuchung wurde für den amerikanischen Markt festgestellt, dass die Möglichkeit einer Verbriefung die Qualität der Bonitätsprüfungen negativ beeinflusst. Wurde demnach ein Kreditportefeuille verbrieft, so stieg dessen Ausfallwahrscheinlichkeit um bis zu 25%. 3.3.2. Portfolio- und Risikomanagement Nach der isolierten Betrachtung der Kredite durch den Vertrieb erfolgt im Portfoliomanagement die einheitliche Verwaltung 53 und Analyse des Kreditportefeuilles. Zur Analyse und Bewertung des Kreditportefeuilles werden hier Annahmen über das Gesamtportefeuille getroffen. Dazu gehört vor allem die Modellierung der Abhängigkeitsstrukturen der Risikopositionen. Während im Risikomanagement vorwiegend die allgemeine Geschäfts- und Risikostrategie ausgearbeitet wird, erfolgt im Portfoliomanagement die Entscheidung, ob und wie Risiken abgegeben werden sollen. 54 Dies sollte im Rahmen der Vorgaben des Risikomanagements geschehen. Durch den Transfer von Kreditrisiken sinken die Eigenkapitalanforderungen 55 und liquide Mittel werden freigesetzt. Somit steht Kapital zur Verfügung, um neue Darlehen zu vergeben und damit Wachstum zu generieren. An den Vertrieb wird dann weitergegeben, welches Budget für das Neugeschäft zur Verfügung steht und in welchem Maß sich dieses auf die verschiedenen Bonitätsklassen verteilen soll. 48 Vgl. Crouhy, Jarrow und Turnbull (2007), S. 86. 49 Vgl. Krinsman (2007), S. 14. 50 Die Gründe für den Anstieg der Nachfrage von ABS-Produkten werden im Abschnitt 3.3.2 näher erläutert. 51 Vgl. Krinsman (2007), S. 14. 52 Vgl. Crouhy, Jarrow und Turnbull (2007), S. 83. 53 Zur Verwaltung von Krediten wird hier auch die Verbriefung oder die Weitergabe an andere Marktteilnehmer gezählt. 54 Vgl. etwa Spremann (2006), S. 37ff. 55 Vgl. Abschnitt 3.3.3. -11-

Eine Verbriefung bietet ein spezielles Mittel zum Risikotransfer, indem das Kreditportefeuille in verschiedene Wertpapiertranchen mit spezifischen Risikomerkmalen neu strukturiert wird. 56 Für die Ü- bernahme des Ausfallrisikos erhält der Käufer einer Tranche eine Prämie. Die Ausschreibung der Wertpapiere und die Überwachung der Cash-Flows erfolgt in der Regel über eine Zweckgesellschaft (sog. Special Purpose Vehicle). Die Zahlungsströme der Tranchen folgen dabei der Struktur eines Wasserfalls: Die nachrangigste Tranche, die als Equity-Tranche bezeichnet wird, absorbiert die Verluste des Portefeuilles bis zu einer festgelegten Obergrenze. Erst danach werden die Verluste von den anderen Tranchen je nach Seniorität getragen. 57 Eine solche Transaktion ermöglicht Investoren mit unterschiedlichen Risikoprofilen an der Performance der Portefeuilles zu partizipieren. 58 Abbildung 5 stellt Ablauf und Struktur einer solchen Verbriefung graphisch dar. Portefeuille aus Krediten Risikoaktiva Kaufpreis (für den Übertrag der Risikoaktiva) Special Purpose Vehicle (kauft Bonds und Kredite und gibt Tranchen aus mit Referenz-Portefeuille als Sicherheit) Prämienzahlungen Zinsen und Tilgungen Super-Senior-Tranche Senior-Tranche Sen.-Mezzanine-Tranche Jun.-Mezzanine-Tranche Equity-Tranche Verluste (Aufteilung nach Seniorität der Tranche) Quelle: Bluhm, Overbeck und Wagner (2003), S. 241. Abbildung 5: Grundstruktur einer Verbriefung. In der Regel behält der Originator die Equity-Tranche ein. 59 Da diese Tranche typischerweise den erwarteten Verlust des Kreditportefeuilles übersteigt, trägt der Originator somit den Großteil des Ausfallrisikos selbst. 60 Dadurch garantiert er für die Qualität der zugrunde liegenden Verlustverteilung. 61 Im Vorfeld der Finanzkrise nutzen jedoch viele Originatoren die große Nachfrage nach Verbriefungsprodukten von Subprime-Krediten zur vollständigen Veräußerung ihrer Portefeuilles, ohne dass dies 56 Vgl. BIS (2008b), S. 155. 57 Vgl. Crouhy, Jarrow und Turnbull (2007), S. 84 und Franke und Krahnen (2007), S. 12. 58 Vgl. Krinsmann (2007), S. 14. 59 Vgl. BIS (2005), S. 10. 60 Vgl. Franke und Krahnen (2007), S. 13. 61 Vgl. Tavakoli (2003), S. 249. -12-

vom Markt als negatives Signal aufgefasst wurde. 62 Da bei einer kompletten Verbriefung jegliche Haftung des Originators für die Ausfälle entfällt, fehlten die Anreize des Portfoliomanagements zur Minimierung der Verluste. 63 Die Konsequenz war ein signifikanter und kontinuierlicher Anstieg der Ausfallquote bei Subprime-Krediten 64. Dies bestätigt die Vermutung, dass seitens des Portfoliomanagements zu wenig unternommen wurde, um die Qualitätsverschlechterung zu verhindern. In Abschnitt 3.3 wurde bereits darüber spekuliert, inwieweit eine detaillierte Qualitäts- bzw. Bonitätsprüfung überhaupt angestrebt wurde. Diese Beobachtung legt den Schluss nahe, dass es bei der Verbriefung von ganzen Kreditportefeuilles zu Moral Hazard 65 gekommen ist. 3.3.3. Aufsichtsbehörden und Rechnungslegung Die Aufsichtsbehörden und die Vorgaben für eine einheitliche Rechnungslegung legen die Rahmenbedingungen für den Bankensektor fest. Durch die Aufsichtsbehörden werden den Banken Bedingungen für ihre Geschäftspolitik auferlegt. Dabei werden unter anderem Eigenkapital- und Liquiditätsanforderungen gestellt und Limite für riskante Investitionen festgelegt. 66 Die Rechnungslegung dient dazu, die Aktivitäten der Bank in aggregierter Form offen zu legen. Eine einheitliche Buchführung liefert somit Kenngrößen für die Berechnung der Anforderungen seitens der Aufsichtsbehörden und erleichtert anderen Marktteilnehmern die Informationsgewinnung. Bei der Analyse der Rolle der Aufsichtsbehörden und der Rechnungslegung im Zusammenhang mit der aktuellen Finanzkrise müssen mehrere Aspekte miteinbezogen werden. Zunächst waren Hedge- Fonds und Investmentbanken nicht reguliert, d.h. sie konnten im Gegensatz zu normalen Banken und Versicherern in die sehr riskanten Equity-Tranchen investieren, was sie, gelockt durch die hohen Renditen, bereits seit dem Jahr 2000 verstärkt nutzen. 67 Ohne diese Nachfrage hätten die Originatoren diese Tranchen wohl nicht veräußern können und somit selbst größere Anteile an den Equity-Tranchen einbehalten müssen. Dadurch wäre zum einen die Eigenkapitalfreisetzung der Originatoren wesentlich geringer ausgefallen, was ein schwächeres Wachstum der Kreditvergaben nach sich gezogen hätte. Zum anderen wäre bei Einbehalt eines Teils des Risikos der in Abschnitt 3.3.2 beschriebene Moral Hazard eventuell nicht in dem Ausmaß beobachtbar gewesen. Hinzu kommt, dass die zugrunde liegenden Risikogewichte zur Berechnung der Eigenkapitalhinterlegungen auf den Ratings der Verbriefungen basieren müssen, sofern das Finanzinstitut für den Internal- Rating-Based-Ansatz 68 (IRB-Ansatz) zugelassen ist. 69 Die in Abschnitt 3.3.4 beschriebenen Fehlein- 62 Vgl. Hellwig (2007), S. 16. 63 Vgl. Zimmermann (2007), S. 18. 64 Vgl. Abschnitt 3.3. 65 Für die Definition siehe Holmstrom (1979). 66 Diese Anforderungen werden in den Grundsätzen von Basel II formuliert. 67 Vgl. Hellwig (2008), S. 33. 68 Der IRB-Ansatz stellt bei Banken das marktübliche Verfahren dar. -13-

schätzungen seitens der Rating-Agenturen führten damit zu relativ geringen Eigenkapitalhinterlegungen. Neben dem positiven Signal eines guten Ratings wurden die Subprime-Wertpapiere dadurch noch lukrativer. Des Weiteren hat das in der Rechnungslegung angewandte Fair-Value-Prinzip zu einer Verschärfung der Finanzkrise geführt. Dieses System, welches auch Mark-to-Market genannt wird, zwingt die Finanzinstitute dazu, ihre Aktiva grundsätzlich auf Basis von Marktpreisen zu bewerten. 70 Das bedeutet, dass die Aktiva zu den Preisen bilanziert werden, die bei einem sofortigen Verkauf erzielt werden würden. Dies ist auch der Fall, wenn die Absicht besteht, die Assets bis zu ihrem Laufzeitende zu halten. 71 Die Idee des Fair-Value liegt darin, die Transparenz bei der Bilanzierung innovativer Finanzinstrumente zu erhöhen, da die vorher bestehenden Rechnungslegungsstandards nicht in der Lage waren, die Werte dieser Produkte adäquat in der Bilanz abzubilden. 72 Die durch die Finanzkrise verursachte Illiquidität des Marktes führte insbesondere für ABS-Instrumente jeglicher Art zu Bewertungsschwierigkeiten. 73 Die resultierenden Abschreibungen veranlassten die Kreditinstitute zu einer aktiven Sanierung ihrer Bilanzen. 74 Viele Kreditinstitute erhöhten ihr Eigenkapital mit Hilfe von öffentlichen und privaten Mitteln. Laut BIS (2008b) sammelten Banken bis Mai 2008 etwa 200 Milliarden USD an neuem Eigenkapital. Jedoch war die Aufstockung des Eigenkapitals aufgrund der Verunsicherung der Anleger kostspielig. 75 Außerdem war die Beschaffung liquider Mittel in Anbetracht des brach liegenden Interbankenmarktes schwierig. 76 Viele Banken waren also gezwungen, risikobehaftete Aktiva zu veräußern. Da der Verkauf von Subprime-Wertpapieren aufgrund der Preissituation nur mit unvertretbaren Verlusten möglich gewesen wäre, mussten viele Banken Assets höherer Qualität abgeben. Folglich erhöhte sich der Preisdruck auf den gesamten Kapitalmarkt. Insgesamt führten die Eigenkapitalanforderungen und das Fair-Value-Prinzip also zu einer Verstärkung der Abwärtsspirale der Preise und verhinderten langfristig orientierte Entscheidungen. 77 Ein weiterer kritischer Punkt war laut Hellwig (2008) die fehlende Eigenkapitalunterlegung für außerbilanzielle Gesellschaften wie z.b. die eigens für Verbriefungen gegründeten Special Purpose Vehicles (SPVs). 78 Nach den aktuellen Rechnungslegungsvorschriften müssen Verpflichtungen der Bank gegenüber SPVs nicht in den Bilanzen der Bank ausgewiesen werden, solange davon ausgegangen wird, dass diese nicht eintreten werden. Andernfalls hätten die Banken bei Verbriefungstransaktionen höhe- 69 Vgl. Steiner, Miehle und Mader (2005), S. 8. 70 Vgl. Starbatty (2005) S. 39. 71 Vgl. Hellwig (2008), S. 42. 72 Vgl. Nelson (1996), S. 163. 73 Vgl. Crouhy, Jarrow und Turnbull (2007), S. 91f und Hellwig (2008), S. 44. 74 Vgl. BIS (2008b), S. 129. 75 Vgl. BIS (2008b), S. 129. 76 Vgl. Crouhy, Jarrow und Turnbull (2007), S. 81. 77 Vgl. Hellwig (2008), S. 43. 78 Vgl. BIS (2008b), S. 138. -14-

re Eigenkapitalanforderungen tragen müssen. Der Kredittransfermarkt hätte sich dann vermutlich weniger stark entwickelt. Neben der fehlenden Berücksichtigung der Risiken, denen die Bank über die SPVs ausgesetzt war, gibt es in den Regularien der Aufsicht keine Vorschrift zur Bemessung von Kontrahentenrisiko. Damit bezeichnet man das Risiko, welches bei einem Geschäft mit einem Dritten verbleibt, für den Fall dass diese dritte Partei ihren Verpflichtungen nicht nachkommen kann. Somit fehlt besonders bei Verbriefungstransaktionen, bei denen viele Parteien beteiligt sind, die adäquate Berücksichtigung der systematischen Ausfallrisiken bei Berechnung der Eigenkapitalanforderungen. 79 3.3.4. Rating-Agenturen Das Rating eines Finanztitels spiegelt dessen langfristige Bonität wider. Diese Einschätzung wird in der Regel von spezialisierten Rating-Agenturen vorgenommen. 80 Wie im Folgenden beschrieben wird, ist die zugeordnete Rating-Klasse einer ABS-Tranche für ihren Verkauf von zentraler Bedeutung. Folglich wirkten sich im Subprime-Markt die offensichtlichen Fehleinschätzungen der Rating- Agenturen stark auf die Ausbreitung der Krise aus. Nach und nach mussten Ratings nach unten korrigiert werden, was massive Abschreibungen bei den Investoren zur Folge hatte. 81 Bereits 2005 warnten Rating-Agenturen vor den Entwicklungen im amerikanischen Wohnimmobilienmarkt. Im Sommer 2006 folgten Warnungen für den Subprime-Markt. Im November 2006 war Moody s die erste Rating- Agentur, die begann, ihre Bonitätseinschätzungen nach unten zu korrigieren. In den nächsten Monaten folgten alle anderen Agenturen und es kam zu systematischen Abwertungen von Subprime- Wertpapieren. Etliche Wertpapiere wurden von AAA, d.h. der Klasse mit dem geringsten Ausfallrisiko, auf Non-Investment Grade herabgestuft. 82 Somit konnten verschiedene Marktteilnehmer wie Versicherungen und Rentenfonds aufgrund ihrer Investitionsrichtlinien nicht mehr in diese Titel investieren. 83 Rating-Agenturen spielen aus drei Gründen eine zentrale Rolle beim Handel mit Subprime- Wertpapieren. Erstens basieren die Basel-II-Vorschriften zur Eigenkapitalhinterlegung für ABS- Tranchen auf dem Rating des Wertpapiers. 84 Die Risikogewichtung hängt im ratingbasierten Ansatz allein von der Einschätzung einer Rating-Agentur ab und muss bei Vorliegen eines Ratings zwingend verwendet werden. 85 Zweitens sind einige Investoren wie z.b. Geldmarktfonds oder Pensionsfonds dazu verpflichtet, ausschließlich in Wertpapiere mit AAA-Rating zu investieren. 86 Dabei waren ABS- Tranchen im Vorfeld der Krise besonders attraktiv, da sie im Vergleich zu Unternehmens- oder Staats- 79 Vgl. Hellwig (2008), S. 59. 80 Vgl. Wieben (2004), S. 6. 81 Vgl. Crouhy, Jarrow und Turnbull (2007), S. 82. 82 Vgl. Crouhy, Jarrow und Turnbull (2007), S. 85. 83 Vgl. Basel Committee on Banking Supervision (2008), S. 10. 84 Vgl. Bannier und Tyrell (2006), S. 2. 85 Vgl. Steiner, Miehle und Mader (2005), S. 8. 86 Vgl. Basel Committee on Banking Supervision (2008), S. 10. -15-

anleihen der gleichen Bonitätsklasse höhere Renditen versprachen. 87 Drittens haben Investoren in der Regel nur wenige Informationen über das einer ABS-Tranche zugrunde liegende Kreditportefeuille. Da deshalb eine eigene Risikoeinschätzung nur schwer möglich ist, verließen sich in den letzten Jahren viele Investoren in ihren Bewertungen allein auf das Urteil der Rating-Agenturen. 88 Dies veranlasste die Investoren, auf eine Risikoprämie für die Informationsintransparenz dieser Instrumente zu verzichten, die beispielsweise für Unternehmensanleihen eingefordert wird. 89 Vernachlässigt eine Finanzinstitution ihre eigene Risikoprüfung, kann dies allerdings selbst bei korrektem Rating zu Problemen führen. Brennan, Hein & Poon (2008) zeigen, dass Originatoren eines CDOs Arbitragegewinne einstreichen können, wenn der Verkaufspreis der Tranchen einzig auf der jeweiligen Rating-Klasse beruht. Der Mechanismus basiert auf der Reduktion der gesamten Portefeuilleinformationen auf eine einzelne Kenngröße. Diese Ratingaussage kann jedoch nicht auf die gleiche Weise wie bei Unternehmensanleihen interpretiert werden. Letztere tragen ein höheres unsystematisches Risiko, während Tranchen von Kreditportefeuilles bereits diversifiziert sind und somit ein erhöhtes systematisches Risiko beinhalten, welches durch eine höhere Risikoprämie vergütet werden müsste. Diese Bewertungsdifferenzen lassen sich durch eine entsprechende Strategie als Arbitragegewinne realisieren. Im Jahr 2006 wurden ca. 85% der am Markt platzierten CDOs im Gesamtwert von 550 Mrd. USD von der Securities Industries and Financial Markets Association als derartige Arbitrage-CDOs eingestuft. 90 Aufgrund der starken Abhängigkeit des Subprime-Marktes von den Rating-Agenturen hatten deren Fehler bei der Risikoeinschätzung schwerwiegende Folgen. Mögliche Ursachen solcher Fehleinschätzungen sind Interessenskonflikte der Rating-Agenturen, mangelnde Erfahrung mit strukturierten Produkten und die Qualität der im Rating-Prozess verwendeten Daten. Ein Kritikpunkt an der Rolle der Rating-Agenturen im Vorfeld der Subprime Krise zielt auf die Interessenskonflikte der Agenturen bei der Bewertung von CDOs. 91 Sie werden zum einen vom Originator des CDOs für ihre Rating-Vergabe bezahlt und bieten darüber hinaus Beratungsleistungen zur Ratingoptimierung bei strukturierten Produkten an. 92 Des Weiteren hat eine Fehleinschätzung für die Rating-Agenturen keine unmittelbaren Konsequenzen. Im Kernpunkt dieser Argumentation steht also die Aussage, dass für die Rating-Agenturen kein Anreiz besteht, die Qualität ihrer zugrunde liegenden Modelle und Bewertungsansätze zu verbessern. Ein weiteres grundsätzliches Problem liegt laut Crouhy, Jarrow und Turnbull (2007) im begrenzten Erfahrungsschatz der Rating-Agenturen im Umgang mit strukturierten Produkten. Traditionell liegt 87 Vgl. Hellwig (2008), S. 32. 88 Vgl. Bannier und Tyrell (2006), S. 2, Hull (2008), S. 9., oder Crouhy, Jarrow und Turnbull (2007), S. 85. 89 Vgl. Yu (2005). 90 Vgl. Brennan, Hein & Poon (2008), S. 1. 91 Vgl. Crouhy, Jarrow und Turnbull (2007), S. 85. 92 Vgl. Crouhy, Jarrow und Turnbull (2007), S. 85. -16-