Primäre Prävention Was ist das und was soll das? Prof. Dr. Rolf Rosenbrock Sozialmedizinisches Colloquium Lübeck 4. September 2013 1
Gesundheit der Bevölkerung Drei Megatrends: Steigende Lebenserwartung Dominanz chronischer Erkrankungen Sozial bedingte Ungleichheit von Gesundheitschancen 2
Compression of morbidity Wenn das Lebensalter beim Beginn chronischer Erkrankungen im Bevölkerungsdurchschnitt schneller steigt als die Lebenserwartung zunimmt, verringert sich der Anteil kranker Jahre an der Lebenszeit. 3
Entwicklung und Anzahl der Pflegebedürftigen: 3 Szenarien Quelle: WidO 2007 4
Versorgungsanforderungen Entwicklung der Pflegebedürftigen im Vergleich 4500000 4000000 3500000 3000000 2500000 2000000 Status Quo Kompressionsthese 1500000 1000000 500000 0 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018 2019 2020 2021 2022 2023 2024 2025 2026 2027 2028 2029 2030 2031 2032 2033 2034 2035 2036 2037 2038 2039 2040 2041 2042 2043 2044 2045 2046 2047 2048 2049 2050 Quelle: GBE (2009), Statistisches Bundesamt (2006a), eigene Darstellung, eigene Berechnung 5
Unterschiede in Morbidität und Mortalität Männer Lebenserwartung (ab Geburt) Gesunde Lebenserwartung (ab Geburt) 0 60 % 70,1 (- 10,8) 56,8 (- 14,3) > 150 % 80,9 71,1 Frauen 0 60 % 76,9 (- 8,4) 60,8 (- 9,2) > 150 % 85,3 71,0 Quelle: Lampert et al. 2007 6
Einkommensungleichverteilung Quelle: Wilkinson/Pickett 2010, S. 102 7
Gesundheitschancen ^= Gesundheitsbelastungen physische psychische soziale Gesundheitsressourcen physische psychische soziale 8
Gesundheitsressourcen werden benötigt, um die psychischen und physischen Bewältigungsmöglichkeiten von Gesundheitsbelastungen zu erhöhen, die Handlungsspielräume zur Überwindung gesundheitlich belastenden Verhaltens zu vergrößern, die Handlungskompetenzen für die Veränderung solcher Strukturen zu entwickeln und frei zu setzen, die a) entweder direkt Gesundheit belasten oder b) gesundheitsbelastendes Verhalten begünstigen 9
Gesundheitsressourcen (objektiv) Bildung Einkommen Handlungsspielräume soziales Kapital 10
Gesundheitsressourcen (subjektiv) Selbstwertgefühl Selbstwirksamkeitsgefühl Reziproke Einbindung Sinn 11
(Verwirklichungs-Chancen >) Lebenslagen > Lebenswelten/Settings > Lebensweisen > Verhalten Interventionsort: Lebenswelten/Settings 12
Interventionen nach dem,state of the art der Primärprävention zielen sowohl auf Belastungssenkung als auch auf Ressourcenförderung ab, nehmen sowohl krankheitsspezifische als auch unspezifische Belastungen und Ressourcen in den Blick, berücksichtigen gesundheitsrelevante Kontexte und versuchen sie zu verändern, beziehen in größtmöglichem Ausmaß die Zielgruppen der jeweiligen Intervention auf allen Stufen der Problembearbeitung ein, sind projektangemessen qualitätsgesichert. 13
Typen und Arten der Primärprävention Information, Aufklärung, Beratung Beeinflussung des Kontexts Individuum z. B. Ärztliche Gesundheitsberatung z. B. präventiver Hausbesuch Setting Bevölkerung z. B. Anti-Tabak-Aufklärung in Schulen z. B. Esst mehr Obst Sport tut gut Rauchen gefährdet die Gesundheit z. B. Betriebliche Gesundheitsförderung als Organisationsentwicklung z. B. HIV/Aids-Kampagne 14
Ein Setting ist ein durch formale Organisation und/oder regionale Situation und/oder gleiche Lebenslage und/oder gemeinsame Werte/Präferenzen definierter Sozialzusammenhang. 15
Prävention im Setting systemische und partizipative Intervention Identifikation von Zielen und Aktionen durch stakeholder Veränderung von Wahrnehmung, Verhalten und Strukturen Ziel: lernende Organisation 16
Die Wirkung einer Intervention von außen ist nicht vorhersagbar; sie hängt von den komplexen internen Kommunikationsmustern ab, die sich in einem permanenten Veränderungsprozeß befinden. Grossmann/Scala 1994 17
Prävention im Setting desto einfacher je mehr vorgegebene Strukturen und Interaktionen je klarer definiert die stakeholder je mehr Verbindlichkeit je geringer die Fluktuation 18
Public Health Action Circle Policy Formulation Assessment Assurance Evaluation Quelle: Institute of Medicine, The Future of Public Health, Washington, D.C., 1988 19
Prävention im Setting Professionals Ermutigung Förderung Interaktion Ermöglichung Unterstützung advocacy Information materiell-technisch Zielgruppen Selbstwertgefühl Selbstwirksamkeit Reziprozität soziale Verankerung Zuversicht reale Verbesserungen Empowerment 20
Gesundheitsförderung durch Prozess und Ergebnis 21
Setting-Interventionen von Knowledge Attitude Practice (KAP) zu Practice Attitude Knowledge (PAK) 22
Gesundheitsförderung im Setting gesundheitsförderliches Setting 23
Setting-/Lebenswelt-Ansatz übertragen auf Stadtteil Dorf Soziale Brennpunkte KiTa, Schule Altenheime 24
Präventionsgesetz: Regelungsbedarf Legitimation Öffentlich geförderte Prävention Chancengleichheit Gesundheitsziele Interventionstypen Qualitätssicherung Ressourcenfluss 25
Seid realistisch: fordert das Unmögliche! Graffiti Paris / Berlin, 1968 Es ist besser, eine Kerze anzuzünden, als die Dunkelheit zu beklagen. Chinesisches Sprichwort 26