Lineare Gleichungssysteme



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Transkript:

Lineare Gleichungssysteme Eines der am häufigsten auftretenden Standardprobleme der angewandten Mathematik ist das Lösen linearer Gleichungssysteme, etwa zur Netzwerkberechnung in der Elektrotechnik oder zur Berechnung von Fachwerken in der Statik, zur Lösung (Optimierung) von Transportproblemen, zur qualitativen und quantitativen Diskussion mechanischer dynamischer Systeme (Differentialgleichungssysteme) Die Aufgabenstellung ist einfach: Gesucht sind n Unbekannte x,, x n, die m Bedingungen genügen sollen: a x + a 2 x 2 + + a n x n = b a 2 x + a 22 x 2 + + a 2n x n = b 2 a m x + a m2 x 2 + + a mn x n = b m () Die Koeffizienten a ij sind aus R oder C und gegeben, ebenso die rechten Seiten b i Zur vereinfachten Schreibweise faßt man die Koeffizienten a ij in () zu einer Matrix A = (a ij ) m n oder nur A = (a ij ) (wenn der Typ feststeht) zusammen Damit läßt sich () in der bekannten Form a a n x b = (2) a m a mn x n b m oder kürzer schreiben Ax = b (3) In (3) heißt A die Koeffizientenmatrix und b das Absolutglied (bzw rechte Seite) des Gleichungssystems Ist b =, dann heißt (3) lineares homogenes Gleichungssystem, anderenfalls inhomogen Ein homogenes System Ax = besitzt stets die triviale Lösung x = x 2 = = x n = Somit ist man an nichttrivialen Lösungen von Ax = interessiert

Bei einem inhomogenen Gleichungssystem können folgende 3 Fälle auftreten: (A) Das Gleichungssystem besitzt genau eine Lösung x + 2x 2 = 5 2x 3x 2 = 4 (x =, x 2 = 2) (B) Das Gleichungssystem besitzt keine Lösung x + 2x 2 = 5 x + 2x 2 = 3 (C) Das Gleichungssystem besitzt unendlich viele Lösungen x + 2x 2 = 5 Für jede Zahl t (, ) ist x = 5 2t, x 2 = t eine Lösung Man nennt 2 Gleichungssysteme Ax = b und Bx = c, x = (x,, x n ), äquivalent, wenn sie die gleiche Lösungsmenge besitzen Die Gleichungssysteme müssen dabei nicht die gleiche Anzahl von Gleichungen besitzen Die Lösungsmenge eines Gleichungssystems ändert sich nicht, wenn man folgende Operationen mit den Gleichungen durchführt: (i) Zwei Gleichungen werden vertauscht (ii) Eine Gleichung wird mit einer Zahl µ multipliziert (iii) Zu einer Gleichung wird ein Vielfaches einer anderen Gleichung addiert (bzw subtrahiert) Ein wichtiges Prinzip für lineare Gleichungen (gilt z B auch für lineare Differential- oder Integralgleichungen) lautet: Kennt man eine partikuläre Lösung x p des inhomogenen Systems (3), dann erhält man alle Lösungen x allg von (3) durch x allg = x h + x p, wobei x h die allgemeine Lösung von Ax = und x p eine beliebige Lösung des inhomogenen Systems Ax = b darstellt 2

Merkregel: Allgemeine Lösung x allg des inhomogenen Systems Ax = b = allgemeine Lösung x h des homogenen Systems Ax = + spezielle Lösung x p des inhomogenen Systems Ax = b Allgemeine Auflösung von Ax = b: Mit x r+ = t,, x n = t d, d := n r, t i R, i =,, d, r := rg A, L ker (A) := {x R n Ax = }, dim L = d und L = span {x (),, x (d) } ergibt sich: x x 2 x r x r+ x n α α 2 β β 2 α 2 α 22 α d α 2d α α r2 = β r + t r α + t 2 + + t rd d } {{ } } {{ } x = x p + x h x p : partikuläre (spezielle) Lösung von Ax = b x h : allgemeine Lösung von Ax = (x h = t x () + + t d x (d), t i R, i =,, d) L = span {x (),, x (d) } dim L = d = n rg A Die {x (),, x (d) } heißen auch Fundamentalsystem der linearen homogenen Gleichung Ax = 3

Der Gaußsche Algorithmus Der Gaußsche Algorithmus stellt eine universelle Methode dar, um die allgemeine Lösung von (3) zu bestimmen oder die Unlösbarkeit von (3) nachzuweisen Die Idee des Gaußschen Algorithmus verwendet die äquivalenten Operationen (i) - (iii), um das Ausgangssystem (3) in das folgende äquivalente System mit Trapezgestalt zu überführen α y + α 2 y 2 + + α r y r + + α n y n = β α 22 y 2 + + α 2r y r + + α 2n y n = β 2 α rr y r + + α rn y n = β r (4) = β r+ = β m Dabei gilt y k = x k für alle k, k =,, n oder y,, y n ergeben sich aus x,, x n durch Umnummerierung (Permutation der Indizes) Weiter gilt α, α 22,, α rr Das System (4) ergibt sich in folgender Weise: (a) Es ist mindestens ein a ij Durch Umnummerierung der Zeilen und Spalten können wir annehmen, daß a ist (b) Die Zeile von () wird mit a k a multipliziert und zur k-ten Zeile, k = 2,, m, addiert Dies liefert ein System, dessen und 2 Zeile die Gestalt von (4) hat (c) Es wird die gleiche Prozedur auf die zweite bis m-te Zeile angewendet Aufgrund der Äquivalenz der Systeme () und (4) läßt sich die Lösung aus (4) leicht berechnen Es treten verschiedene Fälle auf Fall: r < m und nicht alle β r+, β r+2,, β m sind gleich Null Dann besitzt das System (4) und damit () keine Lösung 2 Fall: r = m Wegen α rr kann man die r-te Gleichung nach y r auflösen, wobei die y r+,, y n als Parameter aufgefaßt werden Danach errechnet sich aus der (r )-ten Gleichung die Variable y r usw Die 4

allgemeine Lösung von (4) hängt somit von n r reellen Parametern ab 3 Fall: r < m und β r+ = = β m = Wie im Fall 2 erhalten wir die allgemeine Lösung der Gleichung (), die von n r reellen Parametern abhängt Die Zahl r ist gleich dem Rang der Matrix A (r = rg A) Für den Rang einer Matrix A = (a ij ) m n gilt stets: rg A min{n, m} Somit tritt der Fall rg A > m nicht auf Der Gaußsche Algorithmus liefert gleichzeitig ein Verfahren zur Rangbestimmung von A und (A, b) Mit Hilfe des Ranges der Matrix A läßt sich ein Lösbarkeitskriterium für Gleichungssysteme der Form () angeben Rangsatz: Ein lineares Gleichungssystem der Form (3) besitzt genau dann eine Lösung, wenn der Rang der Koeffizientenmatrix A gleich dem Rang der um die Spalte b erweiterten Matrix, also (A, b) ist : rg A = rg (A, b) Der Beweis dieses Sachverhaltes wird durch den Gaußschen Algorithmus geliefert Ist rg A = rg (A, b) = r, dann hängt die allgemeine Lösung von n r reellen Parametern ab, wobei n die Anzahl der Unbekannten bezeichnet Als weitere Folgerung ergibt sich hieraus der Satz: (a) Für jede (m, n) Matrix A gilt die Dimensionsformel n = dim (kera) + rg A ( Unter kera versteht man den Kern bzw den Nullraum von A, d h kera N(A) := {x R n Ax = } ) (b) Ein unterbestimmtes homogenes Gleichungssystem Ax =, A R m n, m < n, hat stets nichttriviale Lösungen (c) Ax = b mit quadratischer Koeffizientenmatrix A R n n (bzw C n n ) ist genau dann eindeutig lösbar, falls rg A = n gilt 5