Alkoholkonsum aus arbeitsrechtlicher Sicht Step Smart Sounding Board Marktzugang neuer Arzneimittel Am besonderen Beispiel der Alkoholentwöhnung mit Nalmefene Hamburg, den 3. April 2012 Peter Buschmann, Rechtsanwalt 1
Alkoholkonsum im Betrieb ist ein Spiegelbild des gesellschaftlichen Trinkverhaltens - 5 bis 7 % aller Arbeitnehmer gelten als alkoholkrank - Weitere 10 15 % als alkoholgefährdet Der Anteil kann nach Art und Struktur des Betriebes sowie dem Altersdurchschnitt der Belegschaft variieren. Schwerpunktmäßig trinken die 30 39 jährigen Mitarbeiter am meisten. Lohnnebenkosten : - Die durch eine Alkoholkrankheit verursachten Kosten werden auf 25 % der betrieblichen Gesamtkosten des alkoholabhängigen Arbeitsnehmers geschätzt. - Alkoholkranke fehlen 16 x häufiger am Arbeitsplatz, sind 3,5 mal häufiger in Betriebsunfälle verwickelt ( 10 % der tödlichen Betriebsunfälle sind alkoholbedingt), sind 2,5 mal so häufig krank wie Nichtalkoholiker. Die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall ist 4 Mal höher als bei anderen Arbeitnehmern, dazu gehören aber häufig auch die Mäßigkonsumenten. 2
Blutalkohol und arbeitsrechtliche Pflichtverletzung in der Berufswelt Es ist nachgewiesen, dass selbst geringe Mengen von Alkohol ab einem Blutalkoholgehalt von 0,2 Promille Piloten oder ab 0,3 Promille die Arbeitsleistung negativ beeinflussen können. Bei einem Bauarbeiter wird eine arbeitsrechtliche Pflichtverletzung bei einem solchen Blutalkoholgehalt nicht anzunehmen sein, solange keine Unfallgefahren drohen. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes (BAG NZA 1995,517) lassen sich mathematische Toleranzgrenzen nicht aufstellen. Die arbeitsrechtliche Pflichtverletzung hängt im Einzelfall von der jeweils auszuübenden Tätigkeit und etwaigen regionalen und branchenspezifischen Gesichtspunkten ab. Die Grenzwerte nach dem Straßenverkehrsgesetz ( 24 a) - 0,5 Promille oder absolute Fahruntüchtigkeit von 1,1 Promille lassen sich nicht auf die differenzierten Bedingungen in der Arbeitswelt übertragen. 3
Unfallverhütungsvorschriften Pflichten des Arbeitnehmers Arbeitsschutzgesetz 15 (1) Die Beschäftigten sind verpflichtet, nach ihren Möglichkeiten sowie gemäß der Unterweisung und Weisung des Arbeitsgebers für ihre Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit Sorge zu tragen. Entsprechend Satz 1 haben die Beschäftigten auch für die Sicherheit und Gesundheit der Personen Sorge zu tragen, die von ihren Handlungen oder Unterlassungen bei der Arbeit betroffen sind. 4
Berufsgenossenschaftliche Vorschrift für die Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit (BGV A 1) 15 Allgemeine Unterstützungspflichten und Verhalten (1) Die Versicherten sind verpflichtet nach ihren Möglichkeiten sowie gemäß der Unterweisung des Unternehmers für ihre Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit sowie für Sicherheit und Gesundheitsschutz derjenigen zu sorgen, die von ihren Handlungen und Unterlassungen betroffen sind. Die Versicherten haben die Maßnahmen zur Verhütung von Arbeitsunfällen, Berufskrankheiten und arbeitsbedingten Gesundheitsgefahren sowie für eine wirksame Erste Hilfe zu unterstützen. Versicherte haben die entsprechenden Anweisungen des Unternehmers zu befolgen. Die Versicherten dürfen erkennbar gegen Sicherheit und Gesundheit gerichtete Weisungen nicht befolgen. (2) Versicherte dürfen sich durch den Genuss von Alkohol, Drogen oder anderen berauschenden Mitteln nicht in einen Zustand versetzen, durch den sie sich selbst oder andere gefährden können. (3) Absatz 2 gilt auch die die Einnahme von Medikamenten. 5
Nach den festen Grundsätzen der Rechtsprechung hat der Arbeitnehmer - dem Arbeitgeber seine Arbeitskraft so zur Verfügung zu stellen, dass er seine betrieblichen Aufgaben uneingeschränkt durchführen kann, - seinen Alkoholkonsum in seiner Freizeit so rechtzeitig zu beenden, dass er seine Arbeitsleistung ohne Beeinträchtigungen antreten und durchführen kann. Aus diesen arbeitsvertraglichen Nebenpflichten der Arbeitnehmer kann der Arbeitgeber ein - absolutes oder - relatives Alkoholverbot für die Mitarbeiter/innen seines Betriebes während der Arbeitszeit ableiten. 6
Pflichten des Arbeitgebers Der Arbeitgeber hat aufgrund seiner vertraglichen Fürsorgepflicht in den Grenzen seiner betrieblichen Möglichkeiten alles Erforderliche zum Schutz der Mitarbeiter vor den Gefahren und Schäden durch Alkohol zu unternehmen. Der Arbeitgeber hat die Arbeit nach und 4,5 Arbeitsschutzgesetz präventiv 2 BGV A 1 so zu gestalten, das die vom Alkoholmissbrauch verursachte Gefährdung für Leben und Gesundheit der der Belegschaftsangehörigen möglichst vermieden und die verbleibende Gefährdung minimiert wird. An alkoholsensiblen gefahrträchtigen sicherheitsempfindlichen Arbeitsplätzen hat er den Alkoholkonsum soweit irgend möglich zu unterbinden. 7
Nach 7 Arbeitsschutzgesetz hat der Arbeitgeber bei der Zuweisung je nach Art der Tätigkeiten zu berücksichtigen, ob die Beschäftigten befähigt sind, die für die Sicherheit und den Gesundheitsschutz bei der Aufgabenerfüllung zu beachtenden Bestimmungen und Maßnahmen einzuhalten. Im Rahmen dieser gesetzlichen Regelungen hat der Arbeitgeber im Rahmen seiner arbeitsrechtlichen Fürsorgepflicht bei einem alkoholauffälligen Mitarbeiter vielfältige Möglichkeiten diesen Anforderungen gegenüber dem Mitarbeiter nachzukommen. Macht der Arbeitgeber dies nicht vor Aussprache von einer Kündigung, kann dies zur Unwirksamkeit einer Kündigung führen. Solche Maßnahmen des Arbeitgebers vor Aussprache einer Kündigung können sein: - Gespräche mit Vorgesetzten über den Alkoholkonsum und arbeitsrechtliche Hilfsangebote (z.b. Freistellung für psychologische Beratung für allgemeine Beratung von Fachärzten etc ), - Versetzung / Umsetzung, - im Rahmen von bestehenden betrieblichen Vereinbarungen Durchführung von internen oder externen Suchtberatungsangeboten 8
Lehnt der Mitarbeiter die angebotenen Hilfen ab, treten die normalen arbeitsrechtlichen Folgen ein - Abmahnung, Kündigung durch den Arbeitgeber. 9
Arbeitsrechtliche Konsequenzen Grundsätzlich gilt für jede arbeitsrechtliche Maßnahme, Abmahnung, Versetzung, Kündigung, Beurlaubung dass der Arbeitgeber darlegungs und beweispflichtig ist. Es gilt aber hier für den Arbeitgeber der Beweis des ersten Anscheins (Bundesarbeitsgericht NZA 1995,517): Dieser ist vom Arbeitgeber dann geführt, wenn ihm Nachweis gelingt, dass bei dem schädigenden Ereignis, dass die arbeitsrechtliche Maßnahme ausgelöst hat, Alkohol im Spiel gewesen ist. Der Mitarbeiter muss dann darlegen und beweisen, dass das schädigende Ereignis auch ohne Alkohol eingetreten wäre. 10
Problemfeld Entgeltfortzahlung I. Der Mitarbeiter verliert seinen Anspruch auf Entgeltzahlung vom Arbeitgeber, wenn er wegen Alkoholkonsums seine Tätigkeit nicht durchführen konnte. II. Der Mitarbeiter verliert seinen Anspruch auf Entgeltfortzahlung, wenn ihn an einer Arbeitsunfähigkeit ein Verschulden (3 Abs. 1 Entgeltfortzahlungsgesetz). Betriebliche oder außerbetriebliche schädigende Ereignisse auf Grund eines vorangegangenen Alkoholmissbrauchs sind nach fester Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes als verschuldet anzusehen. Dies gilt auch für den alkoholabhängigen Mitarbeiter (Bundesarbeitsgericht NZA 1988,537). 11
Problemfeld Alkoholabhängigkeit : Ein Blick in die Literatur zeigt, dass die Definition der Alkoholabhängigkeit oder Alkoholkrankheit schon nach dem Diagnosesystem ICD 10 vielfältige Erscheinungsformen hat ICD 10 gibt hierfür insgesamt 10 Erscheinungsformen an. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes ist Alkoholabhängigkeit eine Krankheit und wird auch rechtlich so behandelt. Angesichts der vielfältigen Erscheinungsformen der Alkoholabhängigkeit hilft sich die Rechtsprechung in solchen Fällen mit Definitionen, die durch das Bundesarbeitsgericht entwickelt worden sind. 12
Alkoholabhängigkeit liegt nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes (NZA 1995,517) vor, wenn die Abhängigkeit derart zwanghaft ist, dass der Betroffene mit eigener Willensanstrengung nicht mehr vom Alkohol loskommt; entscheidend ist die psychische Abhängigkeit mit der Folge des Verlustes der Selbstkontrolle und der Unfähigkeit zur Abstinenz. Alkoholabhängigkeit ist nach dieser Rechtsprechung eine Krankheit organische Schäden oder geistige Erkrankungen müssen nicht eingetreten sein. Es reicht allein der Nachweis der Abhängigkeit. Ein Erfahrungssatz, dass Alkoholabhängigkeit nach der Lebenserfahrung regelmäßig selbst verschuldet ist, wird von der Rechtsprechung nicht anerkannt (Bundesarbeitsgericht, BB 1991, 2224). 13
Der alkoholabhängige Mitarbeiter hat dem Arbeitgeber gegenüber eine Mitwirkungspflicht, die Umstände seiner Erkrankung offen zu legen, tut er dies nicht, entfällt der Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Falle der Arbeitsunfähigkeit. Bei einer festgestellten Alkoholabhängigkeit hat der Arbeitnehmer Anspruch auf eine Entziehungskur mit den üblichen Lohnfortzahlungsregelungen ( Arbeitgeber, Krankenkasse). Lehnt der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber angebotene Maßnahmen zum Entzug ab, treffen ihn die üblichen arbeitsrechtlichen Folgen (Abmahnung, Kündigung). Wiederholte Arbeitsunfähigkeitszeiten infolge Alkoholabhängigkeit (Vollrausch, Leberschaden, alkoholbedingter Verkehrsunfall, Treppensturz und Einweisung in die Entziehungskur etc.) werden als Fortsetzungserkrankungen angesehen und begrenzen den Entgeltfortzahlungsanspruch gegenüber dem Arbeitgeber auf maximal (6 Wochen p.a.). 14
Arbeitsrechtliche Situation nach Entziehungskur und Rückfall Beim Rückfall wird für arbeitsrechtliche Maßnahmen unterschieden zwischen personenbedingten Gründen (Fortdauer psychische Situation, neue psychische Belastungen etc.) Mitarbeiter genießt arbeitsrechtlichen Schutz Alkoholabhängigkeit als Krankheit und verhaltensbedingten Gründen ( Beeinträchtigung der arbeitsvertraglichen Pflichten durch Handeln des Mitarbeiters) Mitarbeiter erfährt normale arbeitsrechtliche Behandlung (Abmahnung, Kündigung) 15
Arbeitsrechtliche, betriebsinterne Lösungswege zum Umgang bei Alkoholkonsum/ Alkoholmissbrauch/ Alkoholabhängigkeit durch - Betriebsvereinbarungen mit Betriebsräten z. B. HHLA Hamburger Hafen und Lagerhaus AG oder - Tarifvertragliche Vereinbarungen mit Gewerkschaften z. B. Volkswagen AG 16
Mögliche Vorgehensweisen im Unternehmen nur nach Abstimmung mit Betriebsrat, soweit im Betrieb vorhanden: - Absolutes/Relatives Alkoholverbot - Vorgehen bei Auffälligkeiten von Arbeitnehmern - Gespräche mit dem Vorgesetzten - Hilfsangebote des Arbeitgebers (Versetzung, Suchtberatung, psychologische Beratung, betriebsinterne Suchtberatungsstelle etc.) - Entziehungskuren (Rückkehr an alten oder neuen Arbeitsplatz) - Vorgehen des Arbeitgebers bei Rückfall des Arbeitnehmers nach Entziehungskur (nur analog Rechtsprechung personen verhaltensbedingt, haftungs und versicherungsrechtliche Probleme) 17
Conclusio: Die rechtlichen und tatsächlichen Handlungsmöglichkeiten für Arbeitgeber und alkoholauffällige und alkoholkranke Mitarbeiter sind so breit angelegt, dass der Verlust eines Arbeitsplatzes nur die ultima ratio ist, wenn der Mitarbeiter sich allen Möglichkeiten verweigert. Dann hilft auch die Rechtsprechung nicht mehr. Innerhalb der geschilderten rechtlichen Bandbreite gibt es vielfältige Handlungsalternativen - für den Arbeitgeber im Rahmen seiner Fürsorgepflicht und - für den Mitarbeiter im Rahmen seiner arbeitsrechtlichen Treue und Schutzpflichten auch gegenüber anderen Mitarbeitern - durch betriebsinterne Vereinbarungen mit Betriebsräten oder tarifliche Regelungen mit Gewerkschaften einen Alkoholkonsum oder eine krankhafte Alkoholabhängigkeit nicht zu einem arbeitsrechtlichen Problem werden zu lassen. Kranken und Rentenversicherung bieten zudem ein breites Spektrum zur Heilung von der Krankheit Alkoholabhängigkeit und zur Vermeidung eines Rückfalles. 18
Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit Peter Buschmann Rechtsanwalt Ehestorfer Heuweg 45 21149 Hamburg Fon : 040 796 51 56 Fax : 040 796 46 85 Mobile : 01721 430 53 96 E Mail : peter.o.buschmann13@t-online.de Website : www.peter-buschmann.de 19