Steuerliche Gewinnermittlung (Steuern II) Teil I. Steuerbilanz



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Transkript:

Beilage zur Vorlesung Steuerliche Gewinnermittlung (Steuern II) Teil I Steuerbilanz Prof. Dr. Volker Breithecker Lehrstuhl für Betriebswirtschaftliche Steuerlehre 1

Inhalt 1. Rechtsgrundlagen der Steuerbilanz... 5 1.1. Managementzusammenfassung... 5 1.2. Rechtliche Grundlagen... 5 1.3. Definitionen... 5 1.4. Definition und Aufgabe der Steuerbilanz... 6 1.5. Gewinnbegriff des Einkommensteuerrechts und Verfahren der Gewinnermittlung... 6 1.6. Zuordnung der Gewinnermittlungsformen zu den einzelnen Gewinneinkunftsarten... 8 1.7. Adressat der derivativen Steuerbilanzierungspflicht... 10 2. Gewinnkonzeption der Steuerbilanz... 15 2.1. Managementzusammenfassung... 15 2.2. Rechtliche Grundlagen... 15 2.3. Definitionen... 15 2.4. Maßgeblichkeitsprinzip... 15 2.5. Darstellung der handelsrechtlichen GoB... 20 3. Ansatzvorschriften... 23 3.1. Managementzusammenfassung... 23 3.2. Rechtliche Grundlagen... 23 3.3. Definitionen... 23 3.4. Steuerliche Besonderheiten beim Ansatz von Aktiva... 24 3.5. Steuerliche Besonderheiten beim Ansatz von Passiva... 32 4. Bewertungsvorschriften... 37 4.1. Managementzusammenfassung... 37 4.2. Rechtliche Grundlagen... 37 4.3. Definitionen... 37 4.4. Zugangsbewertung von Aktiva... 38 4.5. Folgebewertung von Aktiva... 42 4.6. Bewertung von Passiva... 46 5. Besonderheiten der steuerlichen Bilanzierung bei Mitunternehmerschaften... 49 5.1. Managementzusammenfassung... 49 5.2. Rechtliche Grundlagen... 49 5.3. Definitionen... 49 5.4. Grundlagen... 49 5.5. Sonderbilanzen... 50 5.6. Ergänzungsbilanzen... 52 5.7. Besonderheiten bei mehrstöckigen Personengesellschaften... 57 3

ANHANG: ÜBERSICHTEN... 59 ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS... 64 QUELLENVERZEICHNIS... 67 1. Literaturverzeichnis... 67 2. Verzeichnis sonstiger Quellen... 69 3. Entscheidungsregister... 70 STICHWORTVERZEICHNIS... 72 4

Rechtsgrundlagen der Steuerbilanz 1. Rechtsgrundlagen der Steuerbilanz 1.1. Managementzusammenfassung Die Steuerbilanz ist eine den steuerlichen Vorschriften entsprechende Bilanz. Sie dient der steuerlichen Gewinnermittlung als Ausgangsgröße zur Ermittlung der ertragsteuerlichen Bemessungsgrundlagen. Unter einer Steuerbilanz ist die Gewinnermittlung nach 4 Abs. 1 EStG und nach 5 Abs. 1 EStG zu verstehen. Die Gewinnermittlung nach 5 Abs. 1 EStG setzt die Erzielung gewerblicher Einkünfte und eine Buchführungspflicht bzw. eine freiwillige Buchführung voraus. 1.2. Rechtliche Grundlagen 140, 141 AO; 60 EStDV; 2, 4 Abs. 1, 4 Abs. 3, 4 Abs. 4, 5 Abs. 1, 7, 8 Abs. 1, 11, 13, 15, 18 EStG; 1, 2, 3, 6, 238 ff. HGB. 1.3. Definitionen Die Steuerbilanz ist eine den steuerlichen Vorschriften entsprechende Bilanz ( 60 Abs. 2 Satz 2 EStDV). Gewinn ist der Unterschiedsbetrag zwischen dem Betriebsvermögen am Schluss des Wirtschaftsjahres und dem Betriebsvermögen am Schluss des vorangegangenen Wirtschaftsjahres, vermehrt um den Wert der Entnahmen und vermindert um den Wert der Einlagen ( 4 Abs. 1 Satz 1 EStG). Nach 4 Abs. 3 EStG wird der Gewinn als Überschuss der Betriebseinnahmen über die Betriebsausgaben ermittelt (Einnahmen-Überschussrechnung). Nach 4 Abs. 1 Satz 1 EStG ergibt sich der Gewinn als Unterschiedsbetrag zwischen dem Betriebsvermögen am Ende des Wirtschaftsjahres und dem Betriebsvermögen am Ende des vorangegangenen Wirtschaftsjahres (originäre Steuerbilanz). Der Gewinnbegriff nach 5 Abs. 1 EStG entspricht im Grundsatz dem Gewinnbegriff nach 4 Abs. 1 EStG. Der Unterschied zwischen den beiden Ge- 5

winnermittlungsformen liegt darin begründet, dass die Steuerbilanz im Fall einer Gewinnermittlung nach 5 Abs. 1 EStG aus der Handelsbilanz abgeleitet wird (derivative Steuerbilanz) Gewerbliche Einkünfte können (bei Einzelunternehmern nur) durch gewerbliche Tätigkeit ( 15 Abs. 2 EStG), bei Personengesellschaften auch über eine gewerbliche Infizierung ( 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG) oder durch gewerbliche Prägung erzielt werden ( 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG). Einkünfte aus Gewerbebetrieb sind die Gewinnanteile der Gesellschafter einer Offenen Handelsgesellschaft, einer Kommanditgesellschaft und einer anderen Gesellschaft, bei der der Gesellschafter als Unternehmer (Mitunternehmer) des Betriebes anzusehen ist, und die Vergütungen, die der Gesellschafter von der Gesellschaft für seine Tätigkeit im Dienst der Gesellschaft oder für die Hingabe von Darlehen oder für die Überlassung von Wirtschaftsgütern bezogen hat (Mitunternehmerschaft, 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG). 1.4. Definition und Aufgabe der Steuerbilanz Gemäß 60 Abs. 2 Satz 2 EStDV ist die Steuerbilanz eine den steuerlichen Vorschriften entsprechende Bilanz. Damit ist die Steuerbilanz deutlich von der Handelsbilanz abzugrenzen, die gemäß 238 HGB von jedem Kaufmann auf der Grundlage der zu führenden Finanzbuchhaltung aufzustellen ist. Aufgabe der Handelsbilanz ist die vollständige Erfassung von Vermögensgegenständen und Schulden, um den Gewinnanspruch der Anteilseigner/Gesellschafter zu bestimmen. Gleichwohl baut die Steuerbilanz formal auf der Handelsbilanz und damit auf der Finanzbuchhaltung auf. Aufgabe der Steuerbilanz, die nicht aus einer steuerlichen Finanzbuchhaltung resultiert, sondern über wie auch immer geartete Nebenrechnungen auf der Grundlage der Handelsbilanz erstellt wird, ist die steuerliche Gewinnermittlung als Ausgangsgröße zur Ermittlung ertragsteuerlicher Bemessungsgrundlagen. Damit kommt die Steuerbilanz nicht für Überschusseinkunftsarten zur Anwendung, da deren Einkünfte als der Überschuss der Einnahmen über die Werbungskosten definiert sind ( 2 Abs. 2 Nr. 2 EStG). Der Anwendungsbereich der Steuerbilanz beschränkt sich damit per Definition auf die Gewinneinkunftsarten, da nur deren Einkünfte als Gewinn definiert sind ( 2 Abs. 2 Nr. 1 EStG). 1.5. Gewinnbegriff des Einkommensteuerrechts und Verfahren der Gewinnermittlung Der Begriff des Gewinns ist in 4 EStG definiert: 6

Rechtsgrundlagen der Steuerbilanz Gewinn ist der Unterschiedsbetrag zwischen dem Betriebsvermögen am Schluss des Wirtschaftsjahres und dem Betriebsvermögen am Schluss des vorangegangenen Wirtschaftsjahres, vermehrt um den Wert der Entnahmen und vermindert um den Wert der Einlagen ( 4 Abs. 1 Satz 1 EStG). Bestimmte Steuerpflichtige können als Gewinn den Überschuss der Betriebseinnahmen über die Betriebsausgaben ansetzen ( 4 Abs. 3 Satz 1 EStG). Das Einkommensteuerrecht kennt verschiedene Verfahren der Gewinnermittlung: Gewinnermittlung durch Überschussrechnung nach 4 Abs. 3 EStG. Gewinnermittlung durch Betriebsvermögensvergleich nach 4 Abs. 1 EStG. Gewinnermittlung durch Betriebsvermögensvergleich nach 5 Abs. 1 EStG. 1 Gewinnermittlung durch Überschussrechnung nach 4 Abs. 3 EStG Nach 4 Abs. 3 EStG wird der Gewinn als Überschuss der Betriebseinnahmen, definiert in 8 Abs. 1 EStG, über die Betriebsausgaben, definiert in 4 Abs. 4 EStG, ermittelt. Nach 11 Abs. 1 Satz 1 EStG und 11 Abs. 2 Satz 1 EStG ist hier für die zeitliche Erfassung von Betriebseinnahmen und Betriebsausgaben der Zubzw. Abflusszeitpunkt maßgeblich: Betriebseinnahmen bzw. Betriebsausgaben werden in dem Kalenderjahr bezogen bzw. sind in dem Kalenderjahr abzusetzen, in dem sie zugeflossen sind bzw. geleistet worden sind. Betriebseinnahmen und Betriebsausgaben stellen daher grundsätzlich Zahlungsgrößen dar, wobei das Zahlungsprinzip an einigen Stellen durchbrochen wird: Die Anschaffungs- oder Herstellungskosten für abnutzbare Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens werden nicht sofort im Auszahlungszeitpunkt, sondern zeitversetzt über Abschreibungen nach 7 EStG zu Betriebsausgaben erfasst; die Anschaffungs- oder Herstellungskosten für nicht abnutzbare Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens, für Anteile an Kapitalgesellschaften, für Wertpapiere und vergleichbare nicht verbriefte Forderungen und Rechte, für Grund und Boden sowie Gebäude des Umlaufvermögens sind erst im Zeitpunkt des Zuflusses des Veräußerungserlöses oder bei Entnahme im Zeitpunkt der Entnahme als Betriebsausgaben zu berücksichtigen ( 4 Abs. 3 Satz 4 EStG). Das Zahlungsprinzip gilt auch bei der Umsatzsteuer, der bei einem möglichen Vorsteuerabzug grundsätzlich die Eigenschaft als durchlaufender Posten nachgesagt wird, was bei einem bilanzierenden Unternehmer auch zutrifft. Bei einem Einnahmen-Überschussrechner wird die Umsatzsteuer allerdings im Zeitpunkt der Umsatzvereinnahmung erfolgswirksam. Die mit dem Rechnungsendbetrag verein- 1 Andere Gewinnermittlungsformen, wie die Tonnagebesteuerung nach 5a EStG, die Gewinnermittlung nach Durchschnittssätzen nach 13a EStG und die Gewinnermittlung durch Richtsatzschätzung nach 162 AO, bleiben hier außer Betracht. 7

nahmte Umsatzsteuer ist ebenso Betriebseinnahme wie Erstattungen aus der Umsatzsteuer-Voranmeldung bzw. der -Jahreserklärung. Gezahlte Vorsteuern sind, ebenso wie Zahlungen auf der Grundlage der Umsatzsteuer-Voranmeldung bzw. der -Jahreserklärung, Betriebsausgaben im Zeitpunkt der Auszahlung. Gewinnermittlung durch Betriebsvermögensvergleich nach 4 Abs. 1 EStG Nach 4 Abs. 1 Satz 1 EStG ergibt sich der Gewinn als Unterschiedsbetrag zwischen dem Betriebsvermögen am Ende des Wirtschaftsjahres und dem Betriebsvermögen am Ende des vorangegangenen Wirtschaftsjahres. Der Gewinn wird also als Rein(Betriebs-)vermögensmehrung erfasst. Entnahmen und Einlagen dürfen das Reinvermögen nicht verändern. Sie sind demgemäß dem Vermögen wieder hinzuzurechnen (Entnahmen) bzw. abzuziehen (Einlagen). 2 Das Rechenwerk zur Ermittlung des Betriebsvermögens am Schluss der Wirtschaftsjahre wird auch originäre Steuerbilanz genannt. 3 Gewinnermittlung durch Betriebsvermögensvergleich nach 5 Abs. 1 EStG Der Gewinnbegriff nach 5 Abs. 1 EStG entspricht im Grundsatz dem Gewinnbegriff nach 4 Abs. 1 EStG. Der Unterschied zwischen den beiden Gewinnermittlungsformen liegt darin begründet, dass die Steuerbilanz im Fall einer Gewinnermittlung nach 5 Abs. 1 EStG aus der Handelsbilanz abgeleitet wird (derivative Steuerbilanz). 4 Somit sind auf diese derivative Steuerbilanz im Grundsatz die handelsrechtlichen GoB anzuwenden, wenn und soweit diesen keine zwingenden steuerlichen Regelungen gegenüberstehen (Maßgeblichkeitsgrundsatz). 1.6. Zuordnung der Gewinnermittlungsformen zu den einzelnen Gewinneinkunftsarten Erzielt ein Steuerpflichtiger Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft i.s.d. 13 EStG, so hat er den Gewinn grundsätzlich nach 4 Abs. 1 EStG zu ermitteln ( 13a Abs. 1 Nr. 1 EStG). Dies gilt auch dann, wenn er freiwillig Bücher führt und die 2 3 4 Im Gegensatz zur später behandelten derivativen Steuerbilanz nach 5 EStG unterscheidet sich der Betriebsvermögensvergleich nach 4 Abs. 1 EStG um die Nichtanwendung der GoB. Dieser Unterschied ist allerdings mehr theoretischer denn praktischer Natur, denn die im EStG kodifizierten Gewinnermittlungsvorschriften reichen nicht aus, um eine vom HGB losgelöste Steuerbilanz zu erstellen. Somit wird der Bilanzierende auch beim Betriebsvermögensvergleich nach 4 Abs. 1 EStG auf die Regelungen des HGB zurückgreifen müssen. Vgl. Wehrheim/Renz, Die Handels- und Steuerbilanz, 3. Aufl., 2011, S. 120. Vgl. Wehrheim/Renz, Die Handels- und Steuerbilanz, 3. Aufl., 2011, S. 122. 8

Rechtsgrundlagen der Steuerbilanz Größenkriterien nach 13a Abs. 1 Nr. 2 bis 4 EStG überschreitet. Unterschreitet er bei freiwilliger Buchführung die eben genannten Größenkriterien, kann er wahlweise auch eine Gewinnermittlung nach Durchschnittssätzen i.s.d. 13a Abs. 3 bis 6 EStG durchführen ( 13a Abs. 2 EStG). Führt der Steuerpflichtige hingegen keine Bücher und ist er auch nicht dazu verpflichtet, hat er den Gewinn bei Überschreitung der Größenkriterien nach 4 Abs. 3 EStG zu ermitteln ( 13a Abs. 1 EStG i.v.m. 4 Abs. 3 EStG). Liegt hingegen eine Unterschreitung der Größenkriterien vor, kann er alternativ eine Gewinnermittlung nach Durchschnittssätzen vornehmen ( 13a Abs. 2 EStG). Liegen bei einem Steuerpflichtigen gewerbliche Einkünfte i.s.d. 15 EStG vor und ist dieser zur Buchführung verpflichtet oder führt er freiwillig Bücher, hat er den Gewinn anhand einer derivativen Steuerbilanz i.s.d. 5 Abs. 1 EStG zu ermitteln ( 5 Abs. 1 Satz 1 EStG). Ist er nicht verpflichtet Bücher zu führen und führt er auch nicht freiwillig Bücher, ist der Gewinn nach 4 Abs. 3 EStG zu ermitteln. Erzielt ein Steuerpflichtiger Einkünfte aus Selbständiger Arbeit i.s.d. 18 EStG und führt freiwillig Bücher, kommt eine Gewinnermittlung nach 4 Abs. 1 EStG in Betracht. Für den Fall, dass der Steuerpflichtige auch nicht freiwillig Bücher führt, hat er den Gewinn nach 4 Abs. 3 EStG zu ermitteln. Folgendes Schaubild soll die eben dargestellten Zusammenhänge verdeutlichen: 9

Einkünfte Buchführungspflicht Buchführungspflicht keine Buchführungspflicht, aber freiwillige Buchführung weder Buchführungspflicht noch freiwillige Buchführung Land- & Forstwirtschaft 4 Abs. 1 EStG 4 Abs. 1 EStG u.u. 13a EStG 4 Abs. 3 EStG u.u. 13a EStG Gewerbebetrieb 5 Abs. 1 EStG 5 Abs. 1 EStG 4 Abs. 3 EStG Selbständige Arbeit 4 Abs. 1 EStG 4 Abs. 1 EStG 4 Abs. 3 EStG Abb. 1: Gewinnermittlungsformen und Gewinneinkunftsarten. Quelle: Breithecker/Schmiel, Steuerbilanz und Vermögensaufstellung in der Betriebswirtschaftlichen Steuerlehre, 2003, S. 51. 1.7. Adressat der derivativen Steuerbilanzierungspflicht Die derivative Steuerbilanzierungspflicht nach 5 Abs. 1 Satz 1 EStG hängt von zwei Voraussetzungen ab: Der Steuerpflichtige muss gewerbliche Einkünfte erzielen. Er muss buchführungspflichtig sein oder freiwillig Bücher führen. 5 Ob und inwieweit natürliche Personen, Personengesellschaften oder Kapitalgesellschaften diese Voraussetzungen erfüllen und damit steuerbilanzierungspflichtig sind, soll im Folgenden untersucht werden. Gewerbliche Einkünfte 5 Zum gleichen Ergebnis kommen Breithecker/Schmiel, Steuerbilanz und Vermögensaufstellung in der Betriebswirtschaftlichen Steuerlehre, 2003, S. 54. 10

Rechtsgrundlagen der Steuerbilanz Natürliche Personen können grundsätzlich alle Einkunftsarten i.s.d. 2 Abs. 1 Satz 1 EStG nebeneinander erzielen. Sie erzielen gewerbliche Einkünfte, wenn sie eine gewerbliche Tätigkeit i.s.d. 15 Abs. 2 EStG ausüben. 6 Damit eine gewerbliche Tätigkeit i.s.d. 15 Abs. 2 EStG vorliegt, müssen zunächst die allgemeinen Voraussetzungen für das Vorliegen einer Gewinneinkunftsart gegeben sein: Selbständigkeit, verstanden als das Handeln auf eigene Rechnung und Gefahr. Nachhaltigkeit, welche eine mindestens einmalige Tätigkeit mit Wiederholungsabsicht fordert. Gewinnerzielungsabsicht, verstanden als das Streben nach einem positiven Gesamtgewinn, wobei die tatsächliche Gewinnerzielung grundsätzlich ohne Belang ist. Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr, welche dann gegeben ist, wenn Leistungen einer unbestimmten Personenzahl (Allgemeinheit) angeboten werden. 7 Darüber hinaus darf es sich für das Vorliegen einer gewerblichen Tätigkeit weder um eine land- und forstwirtschaftliche Betätigung i.s.d. 13 EStG, eine selbständige Betätigung i.s.d. 18 EStG ( 15 Abs. 2 Satz 1 EStG), noch um eine Vermögensverwaltung handeln. Kapitalgesellschaften erzielen qua Rechtsform stets Einkünfte aus Gewerbebetrieb ( 8 Abs. 2 KStG). Personengesellschaften sind kein vollumfängliches Steuersubjekt, denn das Einkommensteuerrecht geht vom Prinzip der transparenten Einzelbesteuerung aus: Es werden die einzelnen Gesellschafter, die hinter der Personengesellschaft stehen, und nicht die Personenmehrheit besteuert. 8 Die Personengesellschaft erzielt allerdings selbst Einkünfte, wenn es sich um eine sog. Mitunternehmerschaft handelt. Denn in diesem Fall ist die Personengesellschaft partiell steuerrechtlich verselbständigt. 9 Die gesetzliche Erwähnung der Mitunternehmerschaft findet sich in 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG: Einkünfte aus Gewerbebetrieb sind die Gewinnanteile der Gesellschafter einer Offenen Handelsgesellschaft, einer Kommanditgesellschaft und einer an- 6 7 8 9 Vgl. Breithecker/Schmiel, Steuerbilanz und Vermögensaufstellung in der Betriebswirtschaftlichen Steuerlehre, 2003, S. 54. Vgl. Schneeloch, Betriebswirtschaftliche Steuerlehre Band 1: Besteuerung, 6. Aufl., 2012, S. 62. Vgl. Breithecker/Schmiel, Steuerbilanz und Vermögensaufstellung in der Betriebswirtschaftlichen Steuerlehre, 2003, S. 56 und Schneeloch, Betriebswirtschaftliche Steuerlehre Band 1: Besteuerung, 6. Aufl., 2012, S. 87. Vgl. Breithecker/Schmiel, Steuerbilanz und Vermögensaufstellung in der Betriebswirtschaftlichen Steuerlehre, 2003, S. 56. 11

deren Gesellschaft, bei der der Gesellschafter als Unternehmer (Mitunternehmer) des Betriebes anzusehen ist, und die Vergütungen, die der Gesellschafter von der Gesellschaft für seine Tätigkeit im Dienst der Gesellschaft oder für die Hingabe von Darlehen oder für die Überlassung von Wirtschaftsgütern bezogen hat. Eine Mitunternehmerschaft liegt dann vor, wenn die Personengesellschaft Gewinneinkünfte erzielt, die Gesellschafter Mitunternehmerrisiko 10 tragen und Mitunternehmerinitiative 11 leisten. 12 Eine gewerbliche Mitunternehmerschaft liegt vor, wenn die Personengesellschaft gewerblich tätig i.s.d. 15 Abs. 2 EStG ist. 13 Auch wenn die Einkünfte nur teilweise auf eine gewerbliche Tätigkeit zurückzuführen sind, liegt eine gewerbliche Mitunternehmerschaft vor ( 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG). 14 Selbst bei einer völligen Abwesenheit gewerblicher Tätigkeit seitens der Personengesellschaft ist diese als gewerbliche Mitunternehmerschaft anzusehen, wenn bei ihr ausschließlich eine oder mehrere Kapitalgesellschaften persönlich haftende Gesellschafter sind und nur diese Personen oder Personen, die nicht Gesellschafter sind, zur Geschäftsführung befugt sind ( 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG). 15 Buchführungspflicht und freiwillige Buchführung Neben den gewerblichen Einkünften setzt die Verpflichtung, eine Steuerbilanz zu erstellen, die Verpflichtung zum Führen von Büchern bzw. eine freiwillige Buchführung voraus. Die (steuerliche) Verpflichtung zum Führen von Büchern kann sich aus 140 AO ergeben. Hiernach hat der Steuerpflichtige Buchführungs- und Aufzeichnungspflichten, die er nach anderen Gesetzen als den Steuergesetzen zu erfüllen hat und die für die Besteuerung von Bedeutung sind, auch für die Besteuerung zu erfüllen. 10 11 12 13 14 15 Gemeint ist die Beteiligung an Gewinnen, Verlusten und stillen Reserven. Mitunternehmerinitiative liegt i.d.r. dann vor, wenn der Gesellschafter mindestens die Rechte eines Kommanditisten innehat. Vgl. hierzu ausführlich Breithecker/Schmiel, Steuerbilanz und Vermögensaufstellung in der Betriebswirtschaftlichen Steuerlehre, 2003, S. 56 und die dort angegebene Literatur. Mitunternehmerrisiko und Mitunternehmerinitiative sind demnach stets bei Gesellschaftern der GbR, der OHG, der KG oder der Partnerschaft anzunehmen, wenn deren Rechtsstellung den gesellschaftsrechtlichen Regelungen entspricht. Auch eine stille Gesellschaft kann als Mitunternehmerschaft angesehen werden, wenn es sich um eine atypisch stille Gesellschaft handelt. Vgl. hierzu die Voraussetzung der gewerblichen Tätigkeit bei natürlichen Personen. Als Gewerbetrieb gilt in vollem Umfang wenn die Gesellschaft auch eine Tätigkeit ( 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG). Die nicht gewerblichen Einkünfte werden durch die gewerblichen Einkünfte gewerblich infiziert. Hierbei handelt es sich um das Prinzip der gewerblichen Prägung: Da Kapitalgesellschaften qua Rechtsform gewerbliche Einkünfte erzielen, prägen sie der Personengesellschaft unter den o.g. Voraussetzungen ihre Gewerblichkeit auf. Daraus folgt aber auch, dass z.b. eine GmbH & Co. KG keinesfalls automatisch über gewerbliche Einkünfte verfügt. 12

Rechtsgrundlagen der Steuerbilanz Es handelt sich demgemäß um eine, aus anderen Vorschriften abgeleitete, derivative Buchführungspflicht. Zum Kreis der anderen Gesetze gehört insbesondere 238 HGB. 16 Folglich ist der Personenkreis der handelsrechtlichen Kaufleute steuerlich derivativ buchführungspflichtig. 17 Natürliche Personen trifft die derivative Buchführungspflicht dann, wenn sie die Kaufmannseigenschaft i.s.d. 1 bis 3 HGB erfüllen. Kapitalgesellschaften und Personenhandelsgesellschaften (GmbH, AG, KGaA, OHG, KG und GmbH & Co KG) sind nach 6 HGB Kaufleute und damit buchführungspflichtig. 18 Die GbR-Außengesellschaften und die Partnerschaftsgesellschaft sind mangels Kaufmannseigenschaft nie steuerlich derivativ buchführungspflichtig. 19 Gleiches gilt mangels Rechtsfähigkeit für Personeninnengesellschaften. 20 Zu beachten sind allerdings die Befreiungsvorschriften für Einzelkaufleute, die im Zuge des BilMoG eingeführt wurden: Einzelkaufleute, die an den Abschlussstichtagen von zwei aufeinander folgenden Geschäftsjahren nicht mehr als 600 000 Euro Umsatzerlöse und 60 000 Euro Jahresüberschüsse aufweisen, brauchen die 238 bis 241 HGB nicht anzuwenden ( 241a HGB). Für diese Einzelkaufleute kommt eine derivative Buchführungspflicht nicht in Betracht. Statt der derivativen Buchführungspflicht kann eine originäre Buchführungspflicht nach 141 AO bestehen. Natürliche Personen, GbR-Außengesellschaften oder Partnerschaftsgesellschaften, die gewerbliche Einkünfte i.s.d. EStG erzielen, sind originär steuerlich buchführungspflichtig, wenn sie eines der Größenkriterien nach 141 AO überschreiten, insbesondere einen Jahresumsatz von 600 000 EUR oder einen Gewinn aus Gewerbebetrieb in Höhe von 60 000 EUR. 21 16 17 18 19 20 21 Vgl. Breithecker/Schmiel, Steuerbilanz und Vermögensaufstellung in der Betriebswirtschaftlichen Steuerlehre, 2003, S. 57. Vgl. Federmann, Bilanzierung nach Handelsrecht, Steuerrecht und IAS/IFRS, 12. Aufl., 2010, S. 135. Vgl. Schneeloch, Betriebswirtschaftliche Steuerlehre Band 1: Besteuerung, 6. Aufl., 2012, S. 209. Vgl. auch Breithecker/Schmiel, Steuerbilanz und Vermögensaufstellung in der Betriebswirtschaftlichen Steuerlehre, 2003, S. 62. Vgl. Breithecker/Schmiel, Steuerbilanz und Vermögensaufstellung in der Betriebswirtschaftlichen Steuerlehre, 2003, S. 61. Bei der Anpassung der handelsrechtlichen Befreiungsgrenzen für eine Buchführungspflicht hat sich der Gesetzgeber von 141 AO leiten lassen und eine vermeintliche Identität der Grenzen hergestellt. Wie im weiteren Verlauf des Beitrags noch deutlich wird, ist allerdings eine Identität von (60.000 EUR) Jahresüberschuss und (60.000 EUR) Gewinn aus Gewerbebetrieb nahezu ausgeschlossen. Bedenkt man z.b. nur, dass der Gewerbesteueraufwand bei der Ermittlung des (handelsrechtlichen) Jahresüberschusses abgezogen werden muss, aber bei der Ermittlung des Gewinns aus Gewerbebetrieb gemäß 4 Abs. 5b EStG nicht mindernd erfasst werden darf. Insofern ist ohne weiteres denkbar, dass zwar handelsrechtlich eine Buchführung eines Einzelunternehmers unterbleiben kann, dieser allerdings nach 141 AO aus steuerlichen Gründen zur Buchführung verpflichtet wird. 13

Natürliche Personen, GbR-Außengesellschaften und Partnerschaftsgesellschaften können, wenn sie nicht originär steuerlich buchführungspflichtig sind, freiwillig Bücher führen. Eine freiwillige Buchführung kommt, ebenso wie eine originäre steuerliche Buchführungspflicht, für Innengesellschaften nicht in Betracht. 22 Folgende Übersicht soll die Untersuchungsergebnisse zusammenfassen: Buchführungspflicht Einkünfte Buchführungspflicht nach 140 AO Buchführungspflicht nach 141 AO keine Buchführungspflicht, aber freiwillige Buchführung gewerbliche Einkünfte Kapitalgesellschaften, OHG, KG, natürliche Personen (Einzelkaufleute) natürliche Personen, GbR, Partnerschaften natürliche Personen, GbR, Partnerschaften andere Einkünfte OHG, KG, natürliche Personen (Einzelkaufleute) natürliche Personen, GbR, Partnerschaften natürliche Personen, GbR, Partnerschaften = Pflicht zur Erstellung einer derivativen Steuerbilanz Abb. 2: Steuerbilanzierungspflicht von natürlichen Personen, Kapital- und Personengesellschaften. Quelle Breithecker/Schmiel, Steuerbilanz und Vermögensaufstellung in der Betriebswirtschaftlichen Steuerlehre, 2003, S 54. 22 Vgl. Breithecker/Schmiel, Steuerbilanz und Vermögensaufstellung in der Betriebswirtschaftlichen Steuerlehre, 2003, S. 63. 14

2. Gewinnkonzeption der Steuerbilanz 2.1. Managementzusammenfassung Für die derivative Steuerbilanz gilt das Maßgeblichkeitsprinzip ( 5 Abs. 1 EStG). Die materielle Maßgeblichkeit meint die Geltung der handelsrechtlichen GoB für die derivative Steuerbilanz. Unter der formellen Maßgeblichkeit ist die Geltung der konkreten Handelsbilanz für die derivative Steuerbilanz zu verstehen. Die umgekehrte Maßgeblichkeit ist im Rahmen des BilMoG abgeschafft worden. 2.2. Rechtliche Grundlagen 5 Abs. 1, 5 Abs. 6 EStG; 246, 252, 253 HGB. 2.3. Definitionen Die materielle Maßgeblichkeit ist die in 5 Abs. 1 Satz 1 EStG kodifizierte Regelung der Geltung der handelsrechtlichen GoB für die derivative Steuerbilanz. Unter der formellen Maßgeblichkeit wird die Maßgeblichkeit der konkret erstellten Handelsbilanz für die Steuerbilanz verstanden. Bei den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung (GoB) handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff. Sie sind teilweise gesetzlich kodifiziert, teilweise von der Rechtsprechung geschaffen worden. Die GoB lassen sich in Rahmengrundsätze, Systemgrundsätze und Kapitalerhaltungsgrundsätze einteilen. 2.4. Maßgeblichkeitsprinzip Das Maßgeblichkeitsprinzip soll für eine immanente Verknüpfung von Handelsund Steuerbilanz sorgen. Das ursprüngliche Motiv dieser Verknüpfung war die Idee, dem Bilanzierenden die Möglichkeit zu geben, eine Einheitsbilanz zu erstellen. Die Maßgeblichkeit entfaltet sich in einer materiellen und formellen Dimensi- 15

on, sowie, historisch, in der umgekehrten Maßgeblichkeit. Das Maßgeblichkeitsprinzip wurde durch die Neufassung des 5 EStG ab dem Veranlagungszeitraum 2009 wesentlich reformiert. Materielle Maßgeblichkeit Die materielle Maßgeblichkeit ist die in 5 Abs. 1 Satz 1 EStG kodifizierte Regelung der Geltung der abstrakten handelsrechtlichen GoB für die derivative Steuerbilanz. Demnach hat der Steuerpflichtige auch bei der Erstellung der Steuerbilanz den handelsbilanziellen GoB zu folgen. In diesem Zusammenhang verlangt 5 Abs. 6 EStG allerdings, dass steuerliche Spezialnormen, insbesondere hinsichtlich der Bewertung, zu beachten sind. Somit ergibt sich vereinfacht betrachtet folgende Reichweite der materiellen Maßgeblichkeit: Die Frage der Bilanzierung wird regelmäßig, soweit keine verpflichtende steuerliche Norm dem entgegensteht, durch die handelsrechtlichen GoB beantwortet. Die Frage der Bewertung richtet sich primär nach steuerlichen Sondervorschriften, es sei denn, der Gesetzgeber sieht solche steuerlichen Sonderregelungen nicht vor. Dann ist nach den handelsbilanziellen Vorschriften zu bewerten. 23 Hinsichtlich der Bilanzierung hat der BFH folgende Regelung getroffen: Ein handelsrechtliches Aktivierungsgebot führt zu einem steuerrechtlichen Aktivierungsgebot. Ein handelsrechtliches Aktivierungswahlrecht führt zu einem steuerrechtlichen Aktivierungsgebot. Ein handelsrechtliches Aktivierungsverbot führt zu einem steuerrechtlichen Aktivierungsverbot. Ein handelsrechtliches Passivierungsgebot führt zu einem steuerrechtlichen Passivierungsgebot. Ein handelsrechtliches Passivierungswahlrecht führt zu einem steuerrechtlichen Passivierungsverbot. Ein handelsrechtliches Passivierungsverbot führt steuerrechtlich zu einem Passivierungsverbot. 24 23 24 So auch Schneeloch, Betriebswirtschaftliche Steuerlehre Band 1: Besteuerung, 6. Aufl., 2012, S. 213. Vgl. BFH, Beschluss vom 03.02.1969 - GrS 2/68. 16

Maßgeblichkeitsprinzip Formelle Maßgeblichkeit Die formelle Maßgeblichkeit meint die Maßgeblichkeit der konkret erstellten Handelsbilanz für die Steuerbilanz. Demnach sind die konkreten handelsbilanziellen Ansätze und Werte in die Steuerbilanz zu übernehmen, soweit dies steuerlich zulässig ist. 25 Umgekehrte Maßgeblichkeit Die umgekehrte Maßgeblichkeit bezeichnete bis zum Ende des Veranlagungszeitraums 2008 die Notwendigkeit, steuerliche Wahlrechte in Übereinstimmung mit der Handelsbilanz auszuüben ( 5 Abs. 1 Satz 2 EStG a.f.). Genauer gesagt lag eine Umkehrung der Maßgeblichkeit nur dann vor, wenn in die Handelsbilanz steuerliche Regelungen übernommen wurden, obwohl diese Regelungen nicht mit den GoB vereinbar waren. 26 Demgemäß griff die umgekehrte Maßgeblichkeit nur bei steuerlichen Wahlrechten, die GoB-widrig waren. Die Übernahme derartiger GoBwidriger Regelungen in die Handelsbilanz wurde durch sog. Öffnungsklauseln im HGB ermöglicht. Voraussetzung für die Anwendung der umgekehrten Maßgeblichkeit war die Existenz eines steuerlichen GoB-widrigen Wahlrechts, welches in der Handelsbilanz nur aufgrund der Öffnungsklauseln ausgeübt werden durfte. 27 Sah das HGB hingegen eine zwingende Vorschrift vor und existierte steuerlich ein Wahlrecht, so schlugen die handelsrechtlichen GoB auf die Steuerbilanz durch. 28 Steuerlich war dann aufgrund der materiellen und formellen Maßgeblichkeit entsprechend der handelsbilanziellen Handhabe zu verfahren. 29 Im Zuge des BilMoG wurde die umgekehrte Maßgeblichkeit i.s.d. 5 Abs. 1 Satz 2 EStG mit Wirkung ab dem Veranlagungszeitraum 2009 verworfen. Gleichzeitig erfuhr der 5 Abs. 1 Satz 1 EStG eine Neufassung. 30 Diese Neuformulierung hat zu einer Kontroverse hinsichtlich einer etwaigen Einschränkung der materiellen und 25 26 27 28 29 30 Vgl. Scheffler, Besteuerung von Unternehmen II Steuerbilanz, 8. Aufl., 2014, S. 20 f. Vgl. Scheffler, Besteuerung von Unternehmen II Steuerbilanz und Vermögensaufstellung, 5. Aufl., 2007, S. 24. Vgl. Scheffler, Besteuerung von Unternehmen II Steuerbilanz und Vermögensaufstellung, 5. Aufl., 2007, S. 30. Vgl. z.b. zur Teilwertabschreibung BFH, Urteil vom 31.01.1991 IV R 31/90 und BFH, Beschluss vom 29.04.1999 IV R 40/97. Vgl. auch Ehmcke, in: Blümich, Einkommensteuer, Körperschaftsteuer, Gewerbesteuer Kommentar, 6 EStG, Rz. 564, 08/2014. Vgl. Scheffler, Besteuerung von Unternehmen II Steuerbilanz und Vermögensaufstellung, 5. Aufl., 2007, S. 27 f. es sei denn, im Rahmen der Ausübung eines steuerlichen Wahlrechts wird oder wurde ein anderer Ansatz gewählt ( 5 Abs. 1 Satz 1 EStG). 17

formellen Maßgeblichkeit geführt. 31 Unseres Erachtens ist auf den Willen des Gesetzgebers abzustellen. Somit hat die Neufassung des 5 Abs. 1 Satz 1 EStG lediglich klarstellenden Charakter. Durch die Aufhebung der umgekehrten Maßgeblichkeit können GoB-widrige Wahlrechte (z.b. die Bildung einer Rücklage i.s.d. 6b EStG) steuerlich nach wie vor ausgeübt werden, nur finden sie keinen Eingang in die Handelsbilanz mehr. Demgemäß gelten für den Betriebsvermögensvergleich i.s.d. 5 Abs. 1 EStG die handelsbilanziellen GoB, es sei denn, steuerlich wird ein GoB-widriges Wahlrecht ausgeübt, welches in den Regelungsbereich der mittlerweile aufgegebenen umgekehrten Maßgeblichkeit fällt. Durch die Aufgabe der umgekehrten Maßgeblichkeit werden die von der materiellen und formellen Maßgeblichkeit erfassten GoB-konformen Wahlrechte nicht berührt. 32 Die Verwaltungsmeinung hingegen ist eine andere: In seinem Schreiben vom 12.03.2010 vertritt das BMF die Position, dass steuerliche Wahlrechte unabhängig von der Handelsbilanz ausgeübt werden können, wenn und soweit es sich um reine 31 32 Laut der Gesetzesbegründung der Bundesregierung sollte die Neuformulierung lediglich klarstellenden Charakter hinsichtlich der Aufhebung der umgekehrten Maßgeblichkeit haben. Vgl. BT-Drucksache 16/10067, S. 99. Dieser Wille tritt allerdings in der Neuformulierung des 5 Abs. 1 Satz 1 EStG nicht objektiv erkennbar hervor. So wird in der Literatur auch die Meinung vertreten, dass steuerliche Wahlrechte, ob nun GoB-konform oder GoB-widrig, völlig unabhängig von der Handelsbilanz ausgeübt werden können. Vgl. Herzig/Briesemeister, Steuerliche Konsequenzen der Bilanzrechtsmodernisierung für Ansatz und Bewertung, in: DB, 2009, S. 976 f. oder Dörfler/Adrian, Zum Referentenentwurf des Bilanzrechtsmodernisierungsgesetzes (BilMoG): Steuerliche Auswirkungen, in: DB, 2008, S. 45. Vgl. diesem ausdrücklich zustimmend Schmidt/Usinger, in: Beck scher Bilanz-Kommentar, 10. Aufl., 2016, 243 HGB, Rz. 112. Folglich wäre es möglich, GoB-inkonforme Wahlrechte (z.b. die Bildung einer Rücklage i.s.d. 6b EStG) und GoB-konforme Wahlrechte (z.b. die Wahl der Abschreibungsmethode) steuerbilanziell unabhängig von der Handelsbilanz auszuüben. Anderer Meinung sind hingegen Schenke/Risse, die auf die Intention des Gesetzgebers abstellen und in der Neuformulierung des 5 Abs. 1 S. 1 EStG lediglich eine klarstellende Formulierung bezüglich der Abschaffung der umgekehrten Maßgeblichkeit sehen. Die materielle und formelle Maßgeblichkeit würde nach dieser Auffassung nicht eingeschränkt. Vgl. Schenke/Risse, Das Maßgeblichkeitsprinzip nach dem Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz, in: DB, 2009, S. 1959. Gleiches muss dann auch für GoB-widrige Wahlrechte gelten, die vorher nicht unter den Regelungsbereich der umgekehrten Maßgeblichkeit fielen. Die Wahlrechte der Teilwertabschreibung ( 6 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 EStG) und der Bildung von Pensionsrückstellungen ( 6a Abs. 1 EStG) sind zumindest dem Grunde nach als GoB-widrig anzusehen. Diese Wahlrechte werden nicht von der umgekehrten Maßgeblichkeit erfasst, da diesen Wahlrechten zwingende handelsrechtliche Vorschriften gegenüberstehen ( 254 HGB und 249 HGB). Folglich bleibt es bei der bisherigen Handhabe, dass diese Wahlrechte grundsätzlich leerlaufen und aufgrund der materiellen und formellen Maßgeblichkeit die verpflichtenden handelsbilanziellen Regelungen gelten. 18

Maßgeblichkeitsprinzip Bewertungswahlrechte handelt. 33 Ansatzwahlrechte scheinen - inkonsequenter weise - nicht betroffen zu sein. 34 Möglichkeit der Erstellung einer Einheitsbilanz Die historische Intention des Maßgeblichkeitsprinzips, die Erstellung einer Einheitsbilanz, wurde bereits vor dem Wegfall der umgekehrten Maßgeblichkeit durch zahlreiche Durchbrechungen des Maßgeblichkeitsprinzips konterkariert, welche insbesondere durch zwingende steuerliche Regelungen, die eine von der Handelsbilanz abweichende Bilanzierung erfordern, entstehen. Weitere Durchbrechungstatbestände wurden durch Regelungen des BilMoG geschaffen. 35 Die Aufgabe der umgekehrten Maßgeblichkeit führt durch die isolierte Wirkung steuerlicher Wahlrechte auf die Steuerbilanz zu einem darüber hinausgehenden Auseinanderfallen von Handels- und Steuerbilanz. 36 Folglich dürfte es nicht möglich sein, eine steuer- 33 34 35 36 Vgl. BMF, Schreiben vom 12.03.2010 - IV C 6 S 2133/09/10001, Rz. 13. Hiernach können sowohl GoB-widrige als auch GoB-konforme Wahlrechte unabhängig von der Handelsbilanz ausgeübt werden. Fraglich ist allerdings, wann beispielsweise der Verzicht auf die Durchführung einer Teilwertabschreibung ökonomisch sinnvoll ist. Im Grundsatz ist festzuhalten, dass eine möglichst frühe Aufwandsrealisierung steuerlich regelmäßig ökonomisch sinnvoll ist und damit Teilwertabschreibungen stets durchgeführt werden sollten. Dies gilt speziell für Kapitalgesellschaften, die eine lineare Steuertarifstruktur aufweisen. Bei progressiven Tarifstrukturen (bei Personengesellschaften mit natürlichen Personen als Gesellschaftern und Einzelunternehmern) kann eine Unterlassung der Teilwertabschreibung zu einer Glättung der steuerlichen Bemessungsgrundlagen in den einzelnen Perioden beitragen. Die Glättung kann zu einer Steuerbarwertminimierung führen. Diese Erkenntnis ist unter dem Begriff der Vogt schen Normallinie bekannt. Vgl. hierzu ausführlich Haberstock/Breithecker, Einführung in die Betriebswirtschaftliche Steuerlehre, 16. Aufl., 2013, S. 174-176. Auch jenseits derartiger Tarifstrukturüberlegungen existieren Randbereiche, in denen der Verzicht auf eine Aufwandsvorverlagerung aus steuerlicher Sicht rational sein kann (z.b. bei Teilwertabschreibungen auf Kapitalgesellschaftsbeteiligungen, die von einer Kapitalgesellschaft gehalten werden). Vgl. hierzu in aller Ausführlichkeit Schmiel, Steuerbilanzpolitische Strategien für kleine und mittlere Unternehmen, in: Meyer, Strategien für kleine und mittlere Unternehmen, 2010, S. 459-473. So sind Pensionsrückstellungen unter den einschränkenden Voraussetzungen des 6a EStG auch steuerlich zu bilden. Vgl. BMF, Schreiben vom 12.03.2010,- IV C 6 S 2133/09/10001, Rz. 9. Vgl. insbesondere die Auflistung von Durchbrechungen von Breithecker, BilMoG Überblick über die Änderungen einzelabschlussrelevanter Vorschriften und Auflistungen der Durchbrechungen des Maßgeblichkeitsprinzips, in: Schmiel/Breithecker, Steuerliche Gewinnermittlung nach dem Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz, 2008, S. 13-19. Vgl. weiterhin zu konkreten Durchbrechungen Kapitel IV.3. und 4. Vgl. Breithecker, BilMoG Überblick über die Änderungen einzelabschlussrelevanter Vorschriften und Auflistungen der Durchbrechungen des Maßgeblichkeitsprinzips, in: Schmiel/Breithecker, Steuerliche Gewinnermittlung nach dem Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz, 2008, S. 11. 19

lich und gleichzeitig handelsrechtlich richtige Einheitsbilanz zu erstellen. 37 Die in der Praxis in Gesellschaftsverträgen häufig anzutreffenden Einheitsbilanzklauseln, die die Erstellung einer Einheitsbilanz vertraglich verankern, sind demnach nahezu unerfüllbar geworden. 38 Zudem können solche Klauseln aufgrund der Abschaffung der umgekehrten Maßgeblichkeit den Vermögensinteressen der Eigentümer schaden, wenn auf die Ausübung steuerlastmindernder steuerlicher Wahlrechte zugunsten einer ohnehin nicht mehr möglichen Einheitsbilanz verzichtet wird. 39 2.5. Darstellung der handelsrechtlichen GoB Über das Maßgeblichkeitsprinzip finden die handelsrechtlichen GoB Eingang in die derivative Steuerbilanz. Bei den GoB handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff. 40 Sie sind teilweise gesetzlich kodifiziert, teilweise von der Rechtssprechung geschaffen worden. 41 Die GoB lassen sich in Rahmengrundsätze, Systemgrundsätze und Kapitalerhaltungsgrundsätze einteilen. 42 Unter die Rahmengrundsätze fallen folgende GoB: Grundsatz der Richtigkeit: Die wirtschaftliche Lage soll zutreffend und objektiv dargestellt werden. 43 Grundsatz der Willkürfreiheit: Die Annahmen, die bei der Darstellung des wirtschaftlichen Geschehens getroffen werden, sind offen zu legen. 44 Grundsatz der Vergleichbarkeit: Die Schlussbilanz des vorangegangenen Wirtschaftsjahres und die Eröffnungsbilanz des aktuellen Geschäftsjahres müssen identisch sein (Bilanzidentität) ( 252 Abs. 1 Nr. 1 HGB) und die angewandten Ansatz- und Bewertungsmethoden sind beizubehalten (Ansatzund Bewertungsstetigkeit) ( 246 Abs. 3 HGB und 252 Abs. 1 Nr. 6 HGB). 37 38 39 40 41 42 43 44 Vgl. Breithecker, BilMoG Überblick über die Änderungen einzelabschlussrelevanter Vorschriften und Auflistungen der Durchbrechungen des Maßgeblichkeitsprinzips, in: Schmiel/Breithecker, Steuerliche Gewinnermittlung nach dem Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz, 2008, S. 19 und Prinz, Rückstellungen in der Steuerbilanz: Ein Gebot sachgerechter Leistungsfähigkeitsbesteuerung, in: DB, 2011, S. 493. Vgl. Zwirner/Mugler, Einheitsklauseln und BilMoG, in: DB, 2011, S. 1191. Vgl. Zwirner/Mugler, Einheitsklauseln und BilMoG, in: DB, 2011, S. 1193. Vgl. Ruhnke, Rechnungslegung nach HGB und IFRS, 3. Aufl., 2012, S. 202. Vgl. Breithecker/Schmiel, Steuerbilanz und Vermögensaufstellung in der Betriebswirtschaftlichen Steuerlehre, 2003, S. 80 f. Vgl. Baetge/Kirsch/Thiele, Bilanzen, 12. Aufl., 2012, S. 122-150. Vgl. Coenenberg, Jahresabschluss und Jahresabschlussanalyse, 23. Aufl., 2014, S. 39. Vgl. Ruhnke, Rechnungslegung nach HGB und IFRS, 3. Aufl., 2012, S. 212 f. 20

Maßgeblichkeitsprinzip Grundsatz der Klarheit und Übersichtlichkeit: Die wirtschaftliche Lage ist verständlich und übersichtlich darzustellen. 45 Grundsatz der Vollständigkeit: Es sind alle Geschäftsvorfälle zu erfassen ( 246 Abs. 1 Satz 1 HGB). Grundsatz des Saldierungsverbots: Posten der Aktiv- und der Passivseite sowie Aufwendungen und Erträge dürfen nicht saldiert werden ( 246 Abs. 2 Satz 1 HGB). Ausnahme: Vermögensgegenstände, die ausschließlich der Erfüllung von (altersversorgungsbedingten) Schulden dienen (Planvermögen), sind handelsrechtlich mit diesen Schulden zu saldieren. Entsprechend ist mit den zugehörigen Aufwendungen und Erträgen aus der Abzinsung und aus dem zu verrechnenden Vermögen zu verfahren ( 246 Abs. 2 Satz 2 HGB). Stichtagsprinzip: Es ist auf die Verhältnisse am Bilanzstichtag abzustellen ( 252 Abs. 1 Nr. 3 HGB). Allerdings sind auch wertaufhellende Ereignisse zu berücksichtigen. Diese treten vor dem Bilanzstichtag ein, werden aber erst nach dem Stichtag bekannt und betreffen die Periode, über die Rechnung gelegt werden soll ( 252 Abs. 1 Nr. 4 HGB). Periodisierungsprinzip: Aufwendungen und Erträge sind unabhängig vom Anfall etwaiger Zahlungsströme in dem Wirtschaftsjahr zu berücksichtigen, in dem sie wirtschaftlich angefallen sind ( 252 Abs. 1 Nr. 5 HGB). Zu den Systemgrundsätzen gehören folgende GoB: Going-Concern-Prinzip: Bei der Bewertung ist von einer Fortführung des Unternehmens auszugehen, sofern dem nicht tatsächliche oder rechtliche Gründe entgegenstehen ( 252 Abs. 1 Nr. 2 HGB). 46 Grundsatz der Pagatorik: Eine Bewertung hat immer basierend auf zu leistenden oder geleisteten Zahlungen zu beruhen ( 252 Abs. 1 Nr. 5 HGB). Die Erfassung von Aufwendungen und Erträgen dient damit ausschließlich der Periodisierung von Zahlungen. 47 45 46 47 Vgl. Coenenberg, Jahresabschluss und Jahresabschlussanalyse, 23. Aufl., 2014, S. 50 f. Tatsächliche Gründe sind z.b. wirtschaftliche Schieflagen des Unternehmens. Ein rechtlicher Grund kann beispielsweise die Eröffnung des Insolvenzverfahrens sein. Vgl. hierzu Marten/Quick/Ruhnke, Wirtschaftsprüfung, 5. Aufl., 2015, S. 479f. Vgl. Ruhnke, Rechnungslegung nach IFRS und HGB, 3. Aufl., 2012, S. 211. Kalkulatorische Kosten und Erlöse werden somit nicht erfasst. 21

Grundsatz der wirtschaftlichen Betrachtungsweise: Vermögensgegenstände und Schulden sind demjenigen zuzurechnen, dem sie wirtschaftlich gehören ( 246 Abs. 1 Satz 2 und 3 HGB). Grundsatz der Einzelbewertung: Vermögensgegenstände und Schulden sind zum Abschlussstichtag einzeln zu bewerten ( 252 Abs. 1 Nr. 3 HGB). Allerdings sieht das HGB Ausnahmen von diesem Grundsatz vor. 48 Die Kapitalerhaltungsgrundsätze umfassen die folgenden GoB: Vorsichtsprinzip: Es ist vorsichtig zu bewerten ( 252 Abs. 1 Nr. 4 HGB). Im Zweifel hat der Kaufmann sein Vermögen niedriger auszuweisen. 49 Realisationsprinzip: Gewinne sind erst auszuweisen, wenn sie am Markt realisiert wurden ( 252 Abs. 1 Nr. 4 HGB). Eine Ausnahme gilt bei Banken für Finanzinstrumente des Handelsbestandes: Diese sind nach dem BilMoG zum beizulegenden Zeitwert abzüglich eines Risikoabschlags zu bewerten ( 340e Abs. 3 Satz 1 HGB), wodurch es zum Ausweis unrealisierter Gewinne kommen kann. Anschaffungskostenprinzip: Vermögensgegenstände und Schulden sind höchstens mit ihren historischen bzw. fortgeführten Anschaffungs- oder Herstellungskosten zu bewerten ( 253 Abs. 1 Satz 1 HGB). Eine Durchbrechung sieht das HGB, wie eben dargestellt, bei Banken vor. Imparitätsprinzip: Noch nicht realisierte, aber antizipierte Verluste sind, anders als rein realisierbare Gewinne, auszuweisen ( 252 Abs. 1 Nr. 4 HGB). Niederswertprinzip: Vermögensgegenstände sind bei Wertminderungen außerplanmäßig abzuschreiben ( 253 Abs. 3 Satz 3 und 4 HGB und 253 Abs. 4 HGB). Analog sind Schulden im Zuge des Höchstwertprinzips bei Erhöhung des Erfüllungsbetrages mit dem höheren Wert anzusetzen. 48 49 Hier ist die Bildung von Bewertungseinheiten nach 254 HGB zu nennen. Vgl. Breithecker/Schmiel, Steuerbilanz und Vermögensaufstellung in der Betriebswirtschaftlichen Steuerlehre, 2003, S. 96. 22

3. Ansatzvorschriften 1 3.1. Managementzusammenfassung Der handelsrechtliche Begriff des Vermögensgegenstandes und der steuerrechtliche Begriff des Wirtschaftsgutes sind grundsätzlich identisch. Wirtschaftsgüter sind in der Steuerbilanz zu erfassen, wenn sie zum Betriebsvermögen des Steuerpflichtigen gehören. Hinsichtlich des Ansatzes von Wirtschaftsgütern und Schulden ergeben sich diverse Durchbrechungen der Maßgeblichkeit, die insbesondere auf eine Vielzahl steuerlicher Sondervorschriften zurückzuführen sind. 2 3.2. Rechtliche Grundlagen 5 Abs. 2, 5 Abs. 2a, 5 Abs. 3, 5 Abs. 4, 5 Abs. 4a, 5 Abs. 5, 6 Abs. 2a, 6a, 7 Abs. 1 EStG; H 4.2, R 4.2 EStR; 246 Abs. 1, 246 Abs. 2, 248 Abs. 2, 249 Abs. 1, 249 Abs. 3, 250 Abs. 3 HGB. 3 3.3. Definitionen Der Begriff Wirtschaftsgut umfasst nach ständiger Rechtsprechung des BFH Sachen, Rechte, tatsächliche Zustände und konkrete Möglichkeiten und Vorteile, deren Erlangung sich der Kaufmann etwas kosten lässt und die einer besonderen Bewertung zugänglich sind. Es handelt sich demgemäß bei einem Wirtschaftsgut um einen wirtschaftlichen Wert, der selbständig bewertbar und greifbar ist. 50 Notwendiges Betriebsvermögen umfasst Wirtschaftsgüter und Verbindlichkeiten, die objektiv erkennbar zum unmittelbaren Einsatz im Betrieb bestimmt sind. Vermögen, welches für rein private Zwecke bestimmt ist, ist notwendiges Privatvermögen. 50 Vgl. BFH, Urteil vom 28.05.1979 - I R 1/76. 23

Gewillkürtes Betriebsvermögen sind Wirtschaftsgüter, die zwar objektiv dazu geeignet sind, den Betrieb zu fördern, aber eine weniger intensive Verbindung zum Betrieb aufweisen als notwendiges Betriebsvermögen. 3.4. Steuerliche Besonderheiten beim Ansatz von Aktiva 4 Vermögensgegenstand und Wirtschaftsgut Die Begrifflichkeit des Vermögensgegenstandes ist handelsrechtlicher Natur. Steuerlich hingegen findet der Begriff Wirtschaftsgut Anwendung. Der handelsrechtliche Begriff des Vermögensgegenstandes ist gesetzlich ebenso wenig kodifiziert wie der steuerliche Begriff des Wirtschaftsgutes, sondern durch die Rechtsprechung des BFH definiert. Aufgrund des Maßgeblichkeitsgrundsatzes sind beide Begrifflichkeiten hinsichtlich ihrer inhaltlichen Ausgestaltung identisch. 51 Der Begriff des Wirtschaftsgutes und damit auch der Begriff des Vermögensgegenstandes umfasst nach ständiger Rechtsprechung des BFH Sachen, Rechte, tatsächliche Zustände und konkrete Möglichkeiten und Vorteile, deren Erlangung sich der Kaufmann etwas kosten lässt und die einer besonderen Bewertung zugänglich sind. Es handelt sich demgemäß bei einem Wirtschaftsgut um einen wirtschaftlichen Wert, der selbständig bewertbar und greifbar ist. 52 Das Kriterium der Greifbarkeit verlangt dabei, dass das Gut mit dem Betrieb übertragbar ist und der potentielle Erwerber ein besonderes Entgelt für dieses Gut bezahlen würde. 53 Auf eine Einzelverwertbarkeit kommt es hingegen nicht an. 54 51 52 53 54 Vgl. Breithecker/Schmiel, Steuerbilanz und Vermögensaufstellung in der Betriebswirtschaftlichen Steuerlehre, 2003, S. 129 mit Bezug auf die Beschlüsse des BFH vom 26.10.1987 GrS 2/86 und vom 07.08.2000 GrS 2/99, sowie Schneeloch, Betriebswirtschaftliche Steuerlehre Band 1: Besteuerung, 6. Aufl., 2012, S. 228. Vgl. BFH, Urteil vom 28.05.1979 - I R 1/76. Vgl. BFH, Urteil vom 28.05.1979 - I R 1/76. Die These von der Identität von Vermögensgegenstand und Wirtschaftsgut ist nicht unstrittig. So wird auch die Meinung vertreten, dass ein Vermögensgegenstand selbständig verwertbar sein muss und damit der Vermögensgegenstandsbegriff enger gefasst ist als der Begriff des Wirtschaftsgutes. Vgl. BMJ, Referentenentwurf eines Gesetzes zur Modernisierung des Bilanzrechts (Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz BilMoG), 2008, S. 98 und Kahle/Günter, Vermögensgegenstand und Wirtschaftsgut Veränderung der Aktivierungskriterien durch das BilMoG, in: Schmiel/Breithecker, Steuerliche Gewinnermittlung nach dem Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz, 2008, S. 72 m. w. N. Folgt man dieser Auffassung, wäre beispielsweise ein entgeltlich erworbenes Wettbewerbsverbot, welches mit dem Betrieb übertragbar, jedoch nicht einzelverwertbar ist, als Wirtschaftsgut, nicht jedoch als Vermögensgegenstand zu qualifizieren. 24

Ansatzvorschriften 5 6 7 Sachliche Zuordnung von Wirtschaftsgütern Steuerpflichtige Einzelkaufleute besitzen i.d.r. Vermögen, welches für rein betriebliche Zwecke bestimmt ist (notwendiges Betriebsvermögen), Vermögen, welches für rein private Zwecke bestimmt ist (notwendiges Privatvermögen) und sog. gewillkürtes Betriebsvermögen. In der Steuerbilanz ist nur Betriebsvermögen auszuweisen. 55 Die Zuordnung hat entscheidende Konsequenzen: Nur beim Betriebsvermögen sind Veräußerungsgewinne und -verluste sowie Verluste aus dauernder Wertminderung des Vermögens steuerwirksam, beim Privatvermögen jedoch grundsätzlich nicht. 56 Notwendiges Betriebsvermögen umfasst Wirtschaftsgüter und Verbindlichkeiten, die objektiv erkennbar zum unmittelbaren Einsatz im Betrieb bestimmt sind. 57 Beispiel: Der LKW eines Speditionsunternehmens. Eigenbetrieblich genutzte Grundstücksteile brauchen allerdings nicht, wenn sie von untergeordnetem Wert sind, als Betriebsvermögen behandelt zu werden (R 4.2 Abs. 8 EStR). Gewillkürtes Betriebsvermögen sind Wirtschaftsgüter, die zwar objektiv dazu geeignet sind, den Betrieb zu fördern, aber eine weniger intensive Verbindung zum Betrieb aufweisen als notwendiges Betriebsvermögen. 58 Der Steuerpflichtige hat möchte er eine Zuordnung zum Betriebsvermögen erreichen die Eignung der Wirtschaftsgüter zur Förderung des Betriebs nachzuweisen. Beispiel: Wertpapiere des Speditionsunternehmens (H 4.2 EStR). Zum notwendigen Privatvermögen gehören Wirtschaftsgüter und Verbindlichkeiten, die keinen Zusammenhang zum Betrieb aufweisen. 59 Beispiel: Der tragbare Fernseher des Einzelkaufmanns, den er im Büro seines Speditionsunternehmens aufstellt. 60 Werden Wirtschaftsgüter betrieblich und privat genutzt (sog. gemischt genutzte Wirtschaftsgüter), hängt die Zuordnung zu den Vermögensbereichen bei beweglichen Wirtschaftgüter vom Grad der betrieblichen Nutzung ab (R 4.2 Abs. 1 EStR): 55 56 57 58 59 60 Vgl. Breithecker/Schmiel, Steuerbilanz und Vermögensaufstellung in der Betriebswirtschaftlichen Steuerlehre, 2003, S. 124 und Schneeloch, Betriebswirtschaftliche Steuerlehre Band 1: Besteuerung, 6. Aufl., 2012, S. 242. Vgl. Breithecker/Schmiel, Steuerbilanz und Vermögensaufstellung in der Betriebswirtschaftlichen Steuerlehre, 2003, S. 124. Vgl. BFH, Urteil vom 19.02.1997 - XI R 1/96. Vgl. Breithecker/Schmiel, Steuerbilanz und Vermögensaufstellung in der Betriebswirtschaftlichen Steuerlehre, 2003, S. 125. Vgl. Breithecker/Schmiel, Steuerbilanz und Vermögensaufstellung in der Betriebswirtschaftlichen Steuerlehre, 2003, S. 125. Angelehnt an Schneeloch, Betriebswirtschaftliche Steuerlehre Band 1: Besteuerung, 6. Aufl., 2012, S. 244. 25