Antwort. Deutscher Bundestag Drucksache 18/6974. der Bundesregierung



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Transkript:

Deutscher Bundestag Drucksache 18/6974 18. Wahlperiode 09.12.2015 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Birgit Wöllert, Kathrin Vogler, Sabine Zimmermann (Zwickau), weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. Drucksache 18/6794 Direktzugang zur Physiotherapie Vorbemerkung der Fragesteller In vielen Ländern ist der Direktzugang von Patientinnen und Patienten zur Physiotherapeutin oder zum Physiotherapeuten ohne vorherige ärztliche Diagnose und Verordnung möglich. Australien hat dies bereits im Jahr 1976 eingeführt; die Niederlande, Schweden, Norwegen, Großbritannien und Kanada folgten. Der direkte Zugang ist dort Bestandteil der Regelversorgung oder über Modellprojekte gewährleistet. Eine holländische Studie zeigte, dass die Behandlungsziele zu einem höheren Prozentsatz erreicht werden, wenn sie (i. e. Patientinnen und Patienten) nicht über den Arzt sondern direkt zum Physiotherapeuten kommen und dass die Direktzugang-Patienten weniger Behandlungseinheiten und weniger Behandlungsepisoden hatten (www.vpt.de/fileadmin/user_upload/news/pdf/mehr_therapiefreiheit _fuer_physiotherapeuten.pdf). Eine schottische Studie hat für den Direktzugang markante Kosteneinsparungen, insbesondere durch Einsparungen bei Medikamenten, Röntgendiagnostik und Krankenhausaufenthalten, ergeben (ebd.). Auch in Deutschland wurden einige Modellprojekte und Studien auf den Weg gebracht, die als erste Schritte auf dem Weg zum Direktzugang verstanden werden können. Ein Modellprojekt der BundesInnungskrankenkasse Gesundheit (BIG) mit dem Bundesverband selbstständiger Physiotherapeuten IFK e. V. bezieht sich auf die Behandlung von akuten Erkrankungen des Bewegungsapparates. Patientinnen und Patienten im Modellprojekt der BIG benötigen vorab eine ärztliche Verordnung für Physiotherapie. Wenn sie sich für die Teilnahme am Modellprojekt entscheiden, können die teilnehmenden Physiotherapeutinnen und Physiotherapeuten die Auswahl der Physiotherapeutischen Maßnahmen, die Dauer der Behandlung und die Frequenz der Behandlungseinheiten selbst bestimmen. Der Zwischenbericht zeigt positive Tendenzen: Die Behandlungsergebnisse weisen demnach eine größere Schmerzreduktion, bessere Funktionssteigerung und eine Zunahme der gesundheitsbezogenen Lebensqualität der Patientinnen und Patienten aus (www.ifk.de/fileadmin/dokumente/pt_1_13_s12.pdf). Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums für Gesundheit vom 8. Dezember 2015 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich in kleinerer Schrifttype den Fragetext.

Drucksache 18/6974 2 Deutscher Bundestag 18. Wahlperiode Ähnlich positive Tendenzen zeigt das Modellprojekt der IKK Berlin und Brandenburg und des Verbandes Physikalische Therapie Vereinigung für die physiotherapeutischen Berufe (VPT e. V.) zur Behandlung von chronischen Krankheiten des Bewegungsapparates. Seit dem Jahr 2011 wird hier das sogenannte Blanko-Rezept in der Praxis erprobt. Auch hier stellen Ärztinnen oder Ärzte die Diagnose und verordnen Physiotherapie. Die Therapie- und Ergebnisverantwortung hingegen übernehmen Physiotherapeutinnen und Physiotherapeuten, das heißt, sie entscheiden eigenständig über Art und Umfang der Behandlung (www.vpt.de/fileadmin/user_upload/news/pdf/mehr_therapiefreiheit_fuer_ physiotherapeuten.pdf). Eine Studie der Techniker Krankenkasse belegt, dass vier von fünf Rückenoperationen überflüssig waren (www.tk.de/tk/themen/ruecken/infografiken/701264). Ein Direktzugang auch in Form eines Primärzugangs, also ohne vorherige ärztliche Verordnung könnte dazu beitragen, dass viele für die Patientinnen und Patienten belastende und medizinisch überflüssige Operationen und stationäre Aufenthalte vermieden werden könnten. Vorbemerkung der Bundesregierung Die Vorgabe, dass in Deutschland Heilmittel nur auf ärztliche Verordnung abgegeben werden dürfen, soll Gesundheitsgefahren für die Patienten ausschließen. Im Fall einer Gesundheitsstörung muss vor der Entscheidung für eine bestimmte Therapie eine qualifizierte Diagnostik stehen. Andere Erkrankungen mit ähnlicher oder identischer Symptomatik sind gegenüber der Verdachtsdiagnose in Betracht zu ziehen, Behandlungsalternativen sind zu prüfen und Kontraindikationen auszuschließen. Die dafür erforderlichen medizinischen Kenntnisse und Fähigkeiten sind in Deutschland nicht Teil der Ausbildung von Physiotherapeuten. Darüber hinaus dient der Arztvorbehalt auch der notwendigen Mengensteuerung innerhalb der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV). Durch die Vorgaben der Heilmittelrichtlinie und die Kontrollmöglichkeiten der Kassenärztlichen Vereinigungen und Krankenkassen sind die Vertragsärzte unmittelbarer dem Wirtschaftlichkeitsgebot der GKV unterworfen als die Heilmittelerbringer. Somit gewährleisten die Vertragsärzte durch ihre Verordnungen, dass es nur in solchen Fällen zu Heilmittelbehandlungen kommt, in denen diese medizinisch notwendig sind. Wie die Fragesteller zutreffend anmerken, ist in einigen Ländern der Zugang zum Physiotherapeuten unabhängig von einer ärztlichen Verordnung möglich. Dies ist in der Regel einem dort anderen Verständnis vom Beruf des Physiotherapeuten und infolgedessen anderen Ausbildungswegen und -inhalten geschuldet. Festzustellen ist aber auch, dass in den meisten dieser Länder der Direktzugang nur für Selbstzahler bzw. bei physiotherapeutischen Behandlungen, die über private Krankenversicherungen abgerechnet werden, möglich ist. Nach einer 2011 veröffentlichten Studie der World Confederation for Physical Therapy (WCPT), dem Dachverband der nationalen physiotherapeutischen Berufsverbände, besteht zwar in zwölf der 28 Mitgliedstaaten der Europäischen Union die Möglichkeit des Direktzugangs. Doch gilt diese Möglichkeit lediglich in vier Staaten auch für solche physiotherapeutischen Behandlungen, die über die Sozialversicherung bzw. öffentlich finanziert werden. Dabei sind diese Leistungen starken Beschränkungen unterworfen, entweder indem sie nur an bestimmte Patientengruppen oder nur in bestimmten Einrichtungen (Krankenhäusern, Rehabilitationseinrichtungen, Einrichtungen des Öffentlichen Gesundheitsdienstes) abgegeben werden dürfen, oder indem anders als in Deutschland keine Niederlassungsfreiheit für Physiotherapeuten besteht.

Deutscher Bundestag 18. Wahlperiode 3 Drucksache 18/6974 1. Wie können nach Ansicht der Bundesregierung Heilmittelerbringerinnen und Heilmittelerbringer direkter in die Versorgung eingebunden werden, um die im Versorgungsstärkungsgesetz formulierten Ziele zu verwirklichen? Die Bundesregierung ist der Auffassung, dass Heilmittelerbringerinnen und -erbringer bereits umfänglich in die Versorgung eingebunden sind. Sie wird im Anschluss an die Modellvorhaben nach 63 Absatz 3b des Fünften Buches Sozialgesetzbuch SGB V prüfen, ob und inwieweit weitere Maßnahmen möglich und sinnvoll sind. 2. Wann und wie beabsichtigt die Bundesregierung, die Vereinbarung des Koalitionsvertrags zwischen CDU, CSU und SPD umzusetzen, die besagt, dass Modellvorhaben zur Erprobung neuer Formen der Substitution ärztlicher Leistungen [ ] in die Regelversorgung überführt werden sollen? Rechtlich sind Modellvorhaben zur Erprobung neuer Formen der Substitution nach 63 Absatz 3c SGB V in Verbindung mit Modellklauseln im Alten- und Krankenpflegegesetz möglich. Bisher sind nach diesen Vorschriften noch keine Erprobungen durchgeführt worden. Bislang wurde beim Bundesministerium für Gesundheit ein Antrag zur Genehmigung von Ausbildungsplänen gemäß 4 Absatz 7 Satz 3 des Krankenpflegegesetzes gestellt. Er wird derzeit geprüft. Eine Überführung neuer Formen der Substitution in die Regelversorgung kann erst in Betracht kommen, wenn Ergebnisse aus Modellvorhaben vorliegen. 3. Welche Regelungsnotwendigkeiten ergeben sich durch die Umsetzung des o. a. im Koalitionsvertrag formulierten Zieles, z. B. hinsichtlich Haftungsfragen und Akzeptanz durch die abgebenden Berufsgruppen (i. e. Ärztinnen und Ärzte), und wie möchte die Bundesregierung diese lösen? Substitution bedeutet die Übertragung ärztlicher Aufgaben einschließlich der nicht delegierbaren ärztlichen Kernaufgaben auf Angehörige der Gesundheitsfachberufe. Damit gehen auch die Anordnungs- und Durchführungsverantwortung in vollem Umfang auf diese Berufsgruppen über. Haftungsfragen für Ärztinnen und Ärzte stellen sich damit nicht mehr. Soweit Angehörige der Gesundheitsfachberufe eigenverantwortlich heilkundlich tätig werden, liegt die haftungsrechtliche Absicherung in ihrer Verantwortung. Eine Versicherungspflicht für Haftungsfragen müssten wie im ärztlichen Bereich die Länder, die für Fragen der Berufsausübung zuständig sind, regeln. 4. Ist die Bundesregierung über die Zwischenergebnisse der o. g. deutschen Studien informiert, und welche Erkenntnisse liegen aus den Studien über eine mögliche Verbesserung der Behandlungsqualität und der Zunahme der gesundheitsbezogenen Lebensqualität vor? Die Bundesregierung wird eine Bewertung der Ergebnisse der laufenden Modellvorhaben erst nach Vorliegen der Abschlussberichte vornehmen. 5. Welche Ergebnisse internationaler Studien über den Direktzugang oder zu Modellprojekten sind der Bundesregierung bekannt, und welche Konsequenzen zieht sie ggf. daraus? Der Bundesregierung sind gegenwärtig keine internationalen Studien über den Direktzugang oder zu Modellprojekten bekannt, denen eine Ausgangslage zugrunde liegt, die mit derjenigen der in Deutschland selbständig tätigen Physiotherapeuten vergleichbar ist. Die Bundesregierung wird weiterhin auch im Bereich

Drucksache 18/6974 4 Deutscher Bundestag 18. Wahlperiode der Heilmittelversorgung aufmerksam die Entwicklung der internationalen Diskussion und Studienlage verfolgen. 6. Liegen der Bundesregierung Erkenntnisse vor, dass durch die Übernahme der Diagnose- und Therapieverantwortung durch Physiotherapeutinnen und Physiotherapeuten Mehrfachuntersuchungen entfallen oder reduziert werden können, eine stationäre Aufnahme vermieden und die Anzahl der Krankheitstage verringert werden kann? 7. Liegen der Bundesregierung Erkenntnisse vor, dass durch die Übernahme der Diagnose- und Therapieverantwortung durch Physiotherapeutinnen und Physiotherapeuten Operationen vermieden werden können (insbesondere an der Wirbelsäule, an Kniegelenken oder der Einsatz künstlicher Hüftgelenke)? Die Fragen 6 und 7 werden wegen ihres Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet. Im Rahmen von Studien, die in den USA und Schottland durchgeführt wurden, ließ sich bei Patienten mit Direktzugang zum Physiotherapeuten ein verringerter Umfang der veranlassten Zusatzdiagnostik, eine geringere Zahl an Arzneimittelverordnungen und eine niedrigere Zahl weiterer Überweisungen nachweisen. Insbesondere war die Zahl konventioneller Röntgenaufnahmen niedriger als bei Patienten mit Erstkontakt zum Arzt. Nicht abschließend geklärt ist aber, ob sich diese Effekte auf den unmittelbaren Zugang zur physiotherapeutischen Behandlung zurückführen lassen oder den Unterschieden zwischen den Patientengruppen geschuldet sind. So hat sich in den Niederlanden gezeigt, dass Patientinnen und Patienten, die den Direktzugang nutzen, im Regelfall jünger sind und einen höheren Bildungsstatus aufweisen als die Patientinnen und Patienten, die auf ärztliche Überweisung eine Therapie aufnehmen. Außerdem weisen die selbstzuweisenden Patientinnen und Patienten einen signifikant höheren Anteil unspezifischer Rücken- und Halswirbelsäulenbeschwerden sowie eine kürzere vorherige Beschwerdedauer auf. Zu eventuellen Substitutionseffekten im stationären Bereich und im Bereich operativer Eingriffe sind der Bundesregierung keine Untersuchungen bekannt. 8. Plant die Bundesregierung, nicht nur die Therapieverantwortung für Physiotherapeutinnen und Physiotherapeuten in Modellprojekten zu ermöglichen, sondern einen Direktzugang der Patientinnen und Patienten zur Physiotherapie ohne vorherigen Arztbesuch und ohne ärztliche Heilmittelverordnung (Primärzugang) zu ermöglichen? Die Bundesregierung plant dies derzeit nicht. 9. Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung, ggf. aus internationalen Studien, über eine mögliche Leistungsausweitung oder eine mögliche Kostensteigerung? 10. Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung, ggf. aus internationalen Studien, über eine mögliche Kostensenkung durch eine stärker zielgerichtete Therapie und Inanspruchnahme sowie durch bessere und schnellere gesundheitliche Verbesserung? Die Fragen 9 und 10 werden wegen ihres Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet.

Deutscher Bundestag 18. Wahlperiode 5 Drucksache 18/6974 Die vorliegenden Studien lassen keine endgültigen Aussagen zu den gesundheitsbezogenen und ökonomischen Auswirkungen des Direktzugangs zu. Bezogen auf den einzelnen Behandlungsfall sind die Befunde zur Menge abgegebener Therapieeinheiten widersprüchlich. Während in einigen Studien keine Unterschiede zwischen den beiden Zugangswegen erkennbar waren, wurde in anderen Untersuchungen eine um wenige Sitzungen verkürzte Behandlungsdauer bei einem Direktzugang beschrieben. Diese Befunde lassen verschiedene Interpretationen zu, da sie auf eine erhöhte Wirksamkeit der Therapien bei frühzeitigem Beginn, aber auch auf das Vorliegen leichterer Beschwerden des direkt Behandelten hindeuten können. Weiterhin ungeklärt ist auch, ob der Direktzugang bezogen auf die Gesamtzahl der Behandlungsfälle zu einer Mengenausweitung führt. In diesem Fall wären eventuelle Einspareffekte bei der Zusatzdiagnostik oder bei der Verordnung von Arzneimitteln schnell wieder aufgezehrt. In den Niederlanden, in denen der Direktzugang zum Physiotherapeuten für die meisten Patienten nicht durch die obligatorische Krankenversicherung, sondern durch dort verbreitete private Zusatzversicherungen finanziert wird, ist nach der 2006 erfolgten Einführung des Direktzugangs der Anteil der Versicherten, die im Jahresverlauf einen Physiotherapeuten aufsuchen, von 16,8 Prozent (2005) auf 22 Prozent (2013) gestiegen. Ob dieser Anstieg in Verbindung mit der Einführung des Direktzugangs steht oder andere Ursachen hat, ist nicht geklärt. 11. Welche Voraussetzungen müssten nach Ansicht der Bundesregierung erfüllt sein, um einen Direkt- bzw. Primärzugang zu ermöglichen? Da die Bundesregierung, wie sich aus der Antwort zu Frage 8 ergibt, einen Direkt- bzw. Primärzugang zu Physiotherapeuten nicht plant, kann diese hypothetische Frage nicht beantwortet werden. 12. Welche zusätzlichen Qualifikationen werden für Physiotherapeutinnen und Physiotherapeuten nötig, wenn sie a) über den Weg der Blankoverordnung, oder b) über einen Direktzugang tätig werden könnten? Der Blankoverordnung liegt eine ärztliche Diagnose zu Grunde. Physiotherapeuten entscheiden aufgrund ihrer beruflichen Kompetenz über die geeigneten physiotherapeutischen Behandlungstechniken. Einer zusätzlichen Qualifikation bedarf es dabei nicht. Im Fall eines Direktzugangs erfolgt die diagnostische Abklärung der Behandlungsnotwendigkeit durch den Physiotherapeuten; dies ist eine Aufgabe aus dem Kernbereich heilkundlichen Handelns. Um die Diagnostik einschließlich Kontraindikationen umfassend sicherzustellen, sind den ärztlichen Kompetenzen vergleichbare Kompetenzen einschließlich der Befähigung erforderlich, über die Einbindung weiteren ärztlichen Sachverstandes etwa im radiologischen, labormedizinischen oder neurologischen Bereich entscheiden zu können. Um diese Kompetenzen zu erlangen, wäre eine deutliche Veränderung und Ausweitung der Ausbildung erforderlich.

Drucksache 18/6974 6 Deutscher Bundestag 18. Wahlperiode 13. Welche Auswirkungen ergeben sich für die Vergütung, wenn sie c) über den Weg der Blankoverordnung, oder d) über einen Direkt-/Primärzugang tätig werden könnten? Die Vergütungen für Heilmittelbehandlungen werden zwischen den Krankenkassen oder ihren Landesverbänden bzw. Arbeitsgemeinschaften und den Leistungserbringern oder Verbänden oder sonstigen Zusammenschlüssen der Leistungserbringer vertraglich vereinbart. Im Übrigen wird auf die Antwort zu Frage 11 verwiesen. 14. Wie ist nach Kenntnis der Bundesregierung die aktuelle Vergütungssituation selbstständiger Physiotherapeutinnen und Physiotherapeuten (Durchschnittsvergütung pro Stunde, durchschnittlicher Gewinn pro Praxis, Deckungsbeitrag pro Person, die in der Praxis behandelnd tätig ist)? Der Bundesregierung liegt keine Übersicht über die in der Frage angesprochenen Vergütungsparameter vor. 15. Wie würde sich nach Einschätzung der Bundesregierung die Vergütung der Physiotherapeutinnen und Physiotherapeuten durch einen Direktzugang verändern? Es wird auf die Antwort zu Frage 13 verwiesen. 16. Wie hoch sind die durchschnittlichen ärztlichen Honorare, die für Diagnose und das Ausstellen der Verordnung für eine Physiotherapie anfallen? Der Inhalt und die Bewertung der zu Lasten der Krankenkassen abrechnungsfähigen Leistungen sind im einheitlichen Bewertungsmaßstab für ärztliche Leistungen (EBM) bestimmt, der von der Kassenärztlichen Bundesvereinigung mit dem Spitzenverband Bund der Krankenkassen vereinbart wird. Die Diagnose und das Ausstellen der Verordnung für Physiotherapie sind Bestandteil der Versichertenund Grundpauschalen, die die regelmäßigen Leistungen der hausärztlichen Versorgung sowie der fachärztlichen Versorgung jeweils abbilden sollen. Diagnosen und das Ausstellen von Verordnungen für Physiotherapie werden demnach nicht gesondert vergütet. 17. Sind die aktuellen Ausbildungsstandards geeignet, um die Modellprojekte zum Direktzugang oder zur Blankoverordnung in die Regelversorgung überführen zu können? Welchen Reformbedarf sieht die Bundesregierung? Es wird auf die Antwort zu Frage 12 verwiesen. 18. Wie hat sich nach Kenntnis der Bundesregierung die Zahl der selbstständigen Physiotherapeutinnen und Physiotherapeuten seit dem Jahr 2000 entwickelt? Wie hat sich die Zahl der angestellten Physiotherapeutinnen und Physiotherapeuten entwickelt (bitte nach Tätigkeit in ambulanter Praxis und stationären Einrichtungen aufschlüsseln)? Die Gesundheitsberichterstattung des Bundes wurde wegen neuer Berufsklassifikationen im Jahr 2012 umgestellt. Zahlen für Physiotherapeuten stehen daher nur für die Jahre 2012 und 2013 zur Verfügung. Danach gab es im Jahr

Deutscher Bundestag 18. Wahlperiode 7 Drucksache 18/6974 2012 168 000, im Jahr 2013 176 000 im Gesundheitswesen tätige Physiotherapeuten. Die Art der Tätigkeit (angestellt/selbständig) wird nicht gesondert ausgewiesen. 19. Wie ist die aktuelle tarifliche Vergütung angestellter Physiotherapeutinnen und Physiotherapeuten in stationären Einrichtungen im Vergleich zum Einkommen der selbstständigen? Hierzu liegen der Bundesregierung keine Informationen vor. 20. Sieht die Bundesregierung Handlungsbedarf in Bezug auf die Verbesserung der Vergütungssituation und die Anpassung der Vergütung in Ost- und Westdeutschland, und welche Konsequenzen zieht sie daraus? Das GKV-Heilmittel-Informationssystem des GKV-Spitzenverbandes weist für die Physiotherapie für den Zeitraum von 2009 bis 2014 einen Anstieg des GKV- Bruttoumsatzes von 3,05 Mrd. Euro auf 4,08 Mrd. Euro (= 33,7 Prozent) aus. Darüber hinausgehend hat der Gesetzgeber bereits in diesem Jahr gehandelt und mit dem GKV-Versorgungsstärkungsgesetz zur Beseitigung von Wettbewerbsverzerrungen eine schrittweise Angleichung der zwischen den Krankenkassen unterschiedlichen Heilmittelpreise beschlossen. Dazu wird in jedem Bundesland jährlich der jeweils niedrigste und höchste Preis für eine Heilmittelleistung ermittelt. Daraus errechnet sich eine Preisuntergrenze: Die Differenz zwischen den beiden Preisen wird ermittelt, zwei Drittel davon werden zum niedrigsten Preis dazugerechnet. In der Folge wird das Vergütungsvolumen für Heilmittelleistungen bis 2021 über die regulären Anpassungen hinaus im Jahr um voraussichtlich 70 bis 80 Mio. Euro ansteigen. Als größte Gruppe unter den Heilmittelerbringern werden diese zusätzlichen Vergütungen auch den Physiotherapeuten zu Gute kommen. Darüber hinaus wird durch den beschriebenen Anpassungsmechanismus die Angleichung der Vergütungen in Ost- und Westdeutschland erheblich beschleunigt. Da die Vergütungen für Heilmittelleistungen einiger Krankenkassen in Ostdeutschland bereits Westniveau bzw. annähernd Westniveau erreicht haben, ist damit zu rechnen, dass ab 2021 zwischen Ost- und Westdeutschland im Heilmittelbereich allenfalls noch geringe Vergütungsunterschiede bestehen.

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