Psychologie im Kinder- & Jugendsport. Praxis trifft Sportwissenschaft: Psychologie im Kinder- & Jugendtraining Dozent: Dipl. Sportlehrer Dirk Jung 1

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Transkript:

Psychologie im Kinder- & Jugendsport 1

Gliederung 1 Allgemeine Psychologie 2 Psychologie im Kinder- und Jugendtraining 3 Regulationstechniken 4 Handlungsempfehlungen 2

Allgemeine Psychologie - Denken und Gedächtnis - Lernen - Wahrnehmung - Motivation - Emotion - Klinische Psychologie 3

Was ist Psychologie Was ist der menschliche Geist? Wie denken, lernen, erinnern wir? Woher kommen unsere Gefühle? Warum tun wir, was wir tun und warum machen wir es so, wie wir es tun? Wie werden wir, wer oder was wir sind, wie sollen wir unser Zusammenleben mit anderen gestalten? Wie können wir beurteilen, welche Verhaltensweisen normal, welche schädlich oder krank sind, und wie können wir psychisches Leiden heilen? (Zimbardo, 1995) 4

Denken und Gedächtnis Denken = Kognition (Erkennen und Wissen) Gedächtnis = Speicherung von Informationen (Wahrnehmungen, Erfahrungen, Ergebnissen von Denkprozessen) 5

Lernen Lernen kann man als einen Prozess definieren, der zu relativ stabilen Veränderungen im Verhalten oder im Verhaltenspotential führt und auf Erfahrung aufbaut. Das Lernen selbst ist nicht beobachtbar, nur die Veränderungen im Verhalten. (vgl. Zimbardo 1995) 6

Lernen Konditionierung - Klassisch (Lernen neuer Assoziationen) - Instrumentell (Lernen über Konsequenzen) 7

Lernen Konzept der gelernten Hilflosigkeit: - Die Unvermeidbarkeit eines Ereignisses wird erlernt und es werden auch keine Versuche das Ereignis zu vermeiden unternommen, nachdem die Möglichkeit des Vermeidens gegeben wird. - Teilnahmslose Erduldung des scheinbar unvermeidlichen. - Deutlicher Einfluss auf die Lernleistung in anderen Bereichen. 8

Wahrnehmung Wahrnehmung ist ein 3-stufiger Prozess: - Sensorische Empfindung (Umsetzung von Schall, Druck, Licht, etc. wird in neurale Aktivität verwandelt (Nervenimpulse) - Wahrnehmung (Umsetzen der Empfindung in Erfahrungen, z.b. Entfernung zu einem Ball über die Größe und Position im Raum) - Klassifikation (Umwandlung von Was ist das? in Welche Funktion hat es? z.b. freundlicher oder feindlicher Gegenüber) 9

Videosequenz: Wahrnehmung http://www.theinvisiblegorilla.com/ (Simons & Chabris 1999) Bitte zählen Sie die Bodenpässe, die Dribblings und die Ballübergaben/Pässe bei der Mannschaft in weiß. Bitte teilen Sie die Aufgabe nicht untereinander auf sondern versuchen Sie, die Beobachtung alleine durchzuführen. Auch wenn Sie aus dem Rhythmus kommen versuchen Sie bitte sich weiter zu konzentrieren und sofort wieder in die Beobachtung einzusteigen. 10

Wahrnehmung Ergebnisse: 1. Wie viele Bodenpässe? 2. Wie viele Dribblings? 3. Wie viele Ballübergaben/Pässe 4. Haben Sie noch etwas anderes gesehen? 5. Haben Sie Tiere gesehen? 6. Haben Sie einen Gorilla gesehen? 11

Der Stroop Effekt: Wahrnehmung Nennen Sie die Farbe, in der das jeweilige Wort geschrieben ist: 12

Das Leistungsmotiv Motivation - Messung über Interpretationen von Bildern/Situationen - Hohe Korrelationen von Bildern in Kinderbüchern und der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit eines Landes, ein paar Jahrzehnte später konnten nachgewiesen werden. - Bedeutung von Land zu Land unterschiedlich hoch eingeschätzt - Beeinflusst die Wahrnehmung 13

Motivation Leistungsziele: - Annäherungs- Leistungsziele - Vermeidungs- Leistungsziele 14

Motivation Ängstlichkeit und Konditionierbarkeit Ängstliche Personen lassen sich besser konditionieren als weniger ängstliche (Untersuchung per klassischer Konditionierung des Lidschlagreflexes durch Luftstoss und akustisches Signal) 15

Emotion Altruismus und Attribution - Altruismus (Wohlergehen anderer über das Eigene stellen) zum Selbstzweck? - Attribution = Ursachenzuweisung - Kausalattribution: X ist mir misslungen, weil Y 16

Klinische Psychologie Was bedeutet psychisch krank? - Extreme Ausprägungen alltäglicher Persönlichkeitseigenschaften oder Verhaltensweisen, die das normale Leben behindern. - Neurose vs Neurotizismus - Psychose vs Psychotizismus - Split Brain/Alien Hand 17

Psychologie im Kinder- und Jugendtraining Breitensport Stärkung des Selbstkonzeptes und des sozialen Netzwerkes: Durch hervorragende Leistungen im Sport hat ein Jugendlicher es nicht nötig, sich mit Drogenkonsum oder Alkoholmissbrauch zu beweisen. Gefahr: Sport produziert neben Siegern auch Verlierer (vgl. Sygusch, 2007) 18

Psychologie im Kinder- und Jugendtraining Leistungssport Keine klaren Befunde über Wirksamkeit einzelner Ressourcen auf sportliche Leistungsfähigkeit 19

Psychologie im Kinder- und Jugendtraining Diskutierte Ressourcen im Leistungssport: - Kognitiv: Konzentration und Aufmerksamkeit Selbstkonzept und Selbstwirksamkeit - Motivational: Leistungsmotivation und Willensstärke - Sozial: Gruppenzusammenhalt - Emotional: Emotionale Stabilität und Strategien zur Stressbewältigung und Emotionskontrolle (vgl. Sygusch, 2007) 20

Psychologie im Kinder- und Jugendtraining Stress Stress ist ein Muster spezifischer und unspezifischer Reaktionen eines Organismus auf Reizereignisse, die sein Gleichgewicht stören und seine Fähigkeiten zur Bewältigung strapazieren oder überschreiten. (Zimbardo, 2005) 21

Psychologie im Kinder- und Jugendtraining Stressreaktionen - Bereitstellung von körperlicher Leistungsfähigkeit zum entgehen bedrohlicher Situationen - Bekämpfung innerer Gefahr bzw. der Integrität des Organismus - fight or flight syndrome 22

Psychologie im Kinder- und Jugendtraining fight or flight syndrome - Erhöhung von Herzschlag, Blutdruck und Atmung, Adrenalinausschüttung, Funktionsreduktion weniger wichtigerer organischer Systeme (z.b. Verdauung) - Mobilisierung aller Ressourcen für Flucht oder Kampf 23

Psychologie im Kinder- und Jugendtraining - Keine Flucht oder Kampfmöglichkeit, Anspannung kann nicht abgebaut werden. - Anspannung führt zu Schmerz - Schmerz führt zu Stress - Teufelskreis aus Schmerz und Stress 24

Psychologie im Kinder- und Jugendtraining Coping Strategien - Bagatellisierung - Verdrängung - Vermeidung - Aggression - Suche nach sozialer Unterstützung 25

Regulationstechnicken - Anwendung verschiedenster Coping Strategien - Entspannungsverfahren (Muskelrelaxation, autogenes Training, Hypnose, Biofeedback, alternative Verfahren) - Anti-Stress-Training - Gedankenreise 26

Regulationstechnicken Die klassischen Entspannungsverfahren haben sich bei Kindern und Jugendlichen als eher weniger wirksam erwiesen. Es empfiehlt sich, Anti Stress Trainings durchzuführen oder mit sehr jungen Sportlern Gedankenreisen durchzuspielen. (Hampel/Petermann, 1998; Klein-Heßling/Lohaus, 1998) Oberstes Ziel muss es sein, den Kindern und Jugendlichen möglichst viele verschiedene Coping Strategien verfügbar zu machen. 27

Handlungsempfehlungen - Fördern, fordern aber nicht überfordern. - Bei extremen Auffälligkeiten frühzeitig reagieren, Gespräche mit Betroffenen und Eltern suchen und gegebenenfalls Fachkräfte zu Rate ziehen, zur Not auch am Widerstand der Eltern vorbei. - Sozialen Rückhalt bieten, Probleme auch außerhalb des Sports ansprechen und Lösungsmöglichkeiten suchen sowie anbieten. 28

Handlungsempfehlungen - Die Wahrnehmungen zweier Individuen sind nie identisch. Seien Sie sich dessen immer bewusst und suchen Sie die Schuld nicht zuerst beim Trainierenden, sondern bei sich, wenn etwas nicht funktioniert wie geplant. - Die Wirkung von mentalem Training bei Kindern und Jugendlichen ist nicht abschließend geklärt, ein wissenschaftlich auf Wirksamkeit untersuchtes Konzept ist nicht bekannt. 29

Handlungsempfehlungen - Gelegenheiten für Erfolgserlebnisse und soziales Handeln schaffen, Vertrauen aufbauen - Vorsicht : Im Zweifelsfall keine eigenen Therapieversuche starten! 30

Danke für Ihr Interesse und Ihre Aufmerksamkeit!