Patientensicherheit und Qualitätsmanagement

Ähnliche Dokumente
Die Stiftung für Patientensicherheit und die medizinische Qualität in den Spitälern

Systemische Zwischenfallanalyse (London Protocol)

Professionelles Fehlermanagement im Krankenhaus

Profis checken! Operation Sichere Chirurgie. Münchner Qualitätsforum vom 13./

Medizinisches Risikomanagement am UKE. Systemische Fehleranalyse

Aus Fehlern lernen Methodik der Systemanalyse

Möglichkeiten und sinnvolle Grenzen der präoperativen Diagnostik des multimorbiden Dialysepatienten aus internistisch-kardiologischer Sicht

Implementierung von Patientensicherheitsprogrammen in der Schweiz: progress! Sichere Chirurgie

Universitätsklinik für Anästhesiologie und Schmerztherapie

Sicherheit durch Kommunikation? Die chirurgische Checkliste als Sicherheitsstandard

Patientensicherheit im Anästhesiebereich und OP. Team-Time-Out und mehr. 8. Fortbildungstag der Anästhesie-Abteilung

Der Umgang mit Fehlern im Gesundheitswesen

Risikomanagement und Patientensicherheit. Jens Linstädt TÜV SÜD Management Service GmbH

Wie bringe ich als Führungskraft im Spital den Kulturwandel in Gang?

Patientensicherheit im Zeitalter der Digitalisierung.

Perioperative Sicherheit: Die Rolle der Anästhesie zwischen Motor und Bremser

Prozess-Sicht. Häufigkeit: Ausgangspunkt. Häufigkeit: Ausgangspunkt. Patientensicherheit - CIRS, Time Out, Risikomanagement. VLOU-Workshop 2010

Übersicht. Risikomanagement und QM: no risk no fun? Risikomanagement als Teil des Qualitätsmanagements C. Thomeczek

Wie es begann: Rückblick auf eine Dekade Patientensicherheit Wegweisende Initiativen 2005

Patientensicherheit ein Thema für die Chirurgie?

Patientensicherheit auf europäischer und internationaler Ebene aktuelle Entwicklungen und Lernen für die Praxis

Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser. Sicherheit in der Kinderchirurgie

Safe Surgery. Erfahrungen in der Uniklinik Aachen. Dr. U. Fabry Berlin, 1. Juni 2014

Haemovigilance - Tagung

Kosten/Nutzenanalyse Patientensicherheit nach 10 Jahren Praxiserfahrung

Konstruktiver Umgang mit Fehlern im Fachgebiet Onkologie: 8 Thesen

Fallanalysen & Peer Reviews für die Schadenfallanalyse kombinieren

Thema 5 Aus Fehlern lernen, um Schäden zu verhindern

Increasing value in clinical research Prof. Dr. med. Christiane Pauli-Magnus

1. PATIENTENSICHERHEITSTAG SALK 19. November 2013

Flöder + Saßen GbR * Petra Savelli, Dipl.-Pflegewirtin (FH) * *

Patientensicherheit - die Rolle von Leitlinien und EBM

Komplikationen und deren sinnvolle Erfassung

Neue Studie zur Patientensicherheit: Sicherheitslücken in der Schweizer Chirurgie?

PATIENTENSICHERHEIT Amtsärztliche Fortbildungsveranstaltung Dezember 2008

klinikund heim Qualität im Gesundheitswesen IFAS 2012 Nachlese IT-Sicherheit

Patientensicherheitsindikatoren im BQS-Indikatorenset

Stiftung Patientensicherheit Schweiz

Patientensicherheit: Aktionsbündnis und Institut

Kulturwandel oder rechtliche Absicherung?

Häufigkeit: Ausgangspunkt. Verkehrstote in Deutschland. Prävention durch Patientensicherheit oder Patientensicherheit in der Prävention

Zertifikate: Nutzen für wen?

Sicherheit: Was ist die Sicht des Patienten? Was ist die Sicht des Spitals?

Curriculum Patientensicherheit in der Chirurgie an der Universität Greifswald. Alexandra Busemann, Claus-Dieter Heidecke

Praktische Erfahrungen Schnedl Manfred LKH Stolzalpe DGKP Schnedl Manfred 1

5 Jahre APS. 10 Jahre APS. The end of the beginning. Patientensicherheit evaluieren durch EbM und Versorgungsforschung.

Messbar machen. Möglichkeiten der Quantifizierung des Sicherheitsniveaus. Dipl.-Kff. Marsha Fleischer. MHH, 8. September 2016

RICHTLINIEN, LEITLINIEN UND EMPFEHLUNGEN ZUR PRÄVENTION VON POSTOPERATIVEN WUNDINFEKTIONEN - UPDATE

Projekt der Kliniken des Landkreises Göppingen ggmbh mit dem Ärztlichen Zentrum für Qualität (ÄZQ) zur Einführung von CIRSmedical.

TYPISCHE FEHLER IN DER NOTFALLMEDIZIN WIE KOMMT ES DAZU UND WAS LERNEN WIR AUS IHNEN?

Umgang mit ZVK/ Ergebnisse der Europäischen PROHIBIT - Studie

28. Deutscher Krankenhaustag - ECCLESIA Forum Wirksamkeit von Risiko-Management im Qualitätsprozess von Krankenhäusern

Eingriffsverwechslungen in der Chirurgie: Automatisierte, präoperative Konsistenzprüfung von Daten in der elektronischen Patientenakte

Vaccines: A success story with failures. Aims of vaccination

Aktionsbündnis Patientensicherheit

Transparenz als Motivator im Verbesserungsprozess. Ralf Kuhlen Geschäftsführung, Helios Kliniken GmbH

Fehler und Fehlerkultur im Krankenhaus

Dipl. Pflegewiss. Michael Isfort Stellvertretender Geschäftsführer dip

Unterstützt vom Schweizerischen Nationalfonds und der Robert Bosch-Stiftung Keine Interessenkonflikte

Nationale Strategie zur Überwachung, Verhütung und Bekämpfung von nosokomialen Infektionen (Strategie NOSO)

Aus Fehlern lernen Irren ist menschlich

Selling Value im Vertrieb


The Swiss paediatric Surveillance unit SPSU contributes to change in Public Health Policy and practice at an international level

Qualitätssicherung im Krankenhaus Stellen wir die richtigen Fragen? 6. Niedersächsische Qualitätskonferenz

Lernen aus unerwünschten Ereignissen mit dem Learning from defects-tool

Versorgungsforschung und Patientensicherheit eine notwendige Perspektive. Patientensicherheit

Fehler in der Medizin: Ansatz für Programme zur kontinuierlichen Verbesserung

Thema 8 Patienten und Angehörige/ Bezugspersonen einbinden

Fallanalyse: Vom Ereignis zum nützlichen Ergebnis 15. ZQ-Forum Patientensicherheit und Risikomanagement workshop II

Was ist Risikomanagement?

Die Entwicklung der neuen Handlungsempfehlung Handeln bevor etwas passiert. Berichts- und Lernsysteme erfolgreich nutzen.

FACTSHEET Patientensicherheit

Mehr Sicherheit durch Critical Incident Reporting System Nenad Kragic, OP Manager Privatklinik Linde AG, Biel

Evidenzbasierte Chirurgie. Evidenzbasierte Chirurgie - Wirksame Strategien zur Umsetzung in die Praxis

Aktuelle Aspekte zur Therapie des Pankreaskarzinoms. Prof. M. Pross Dr. M. Sahm Klinik für Chirurgie DRK Kliniken Berlin Köpenick

CIRS - Critical Incident Reporting System

Prof. Dr. Dr. Martin HärterH

Nicht nur Insellösungen

Aesculap Patientensicherheit ist unser Ziel!

Human Factors im internationalen Projektmanagement

Umsetzung der Handlungsempfehlung Arzneimitteltherapiesicherheit im Krankenhaus Welchen Beitrag leistet closed-loop medication?

Infektpräventive Massnahmen im OP: Bald elektronisch erfassen und auswerten? Matthias Schlegel Infektiologie/Spitalhygiene Kantonsspital St.

Speak up und Team-Trainings Abweichungen erkennen und beherrschen

INTERVENTIONSMODUL Planung und organisatorische Aspekte

Welche Rolle spielt der Notfallsanitäter für die Patientensicherheit? Kurzvorstellung Hartwig Marung. Kurzvorstellung Hartwig Marung

Wenn Fehler passiert sind Umgang und Vermeidung. Erfahrungen aus der Luftfahrt Implementierung ins Gesundheitswesen

Techniken der Lebendspende

Effektive Nutzung des CIRS- Potenzials: Beteiligung und Lernen gezielt fördern. Prof. Dr. Tanja Manser Institut für Patientensicherheit

- DAS GQMG- ASSESSMENTTOOL ZUM KLINISCHEN RISIKOMANAGEMENT EIN INSTRUMENT ZUR ERHÖHUNG DER PATIENTENSICHERHEIT IN EINRICHTUNGEN DES GESUNDHEITSWESENS

Disease-Management-Programme (DMP)

Lernziele. Vorlesung Patientensicherheit und Risikomanagement. Patientensicherheit und Risikomanagement. Einführung und Konzept QM-Refresher

Förderung der Patientensicherheit als lohnende Aufgabe und Verpflichtung der Gesetzlichen Krankenkassen! Aktivitäten, Herausforderungen und Potentiale

PatientenWärmeSysteme für höchste klinische Ansprüche

Medikationsfehler in der Onkologie - Patienten als wachsame Partner?

Nationale Strategie zur Überwachung, Verhütung und Bekämpfung von therapieassoziierten Infektionen (Strategie NOSO)

Überlegungen und Planungen des G-BA zu CIRS Critical Incidence steigen die Risiken auch bei mehr Routine? CIRS Gipfel 2013

Konzept und Inhalte eines neuen Kurses zur Patientensicherheit für Studierende im Praktischen Jahr

4. GRAZER RISIKOTAG. PatientInnensicherheit in der Praxis

Symposium Patientensicherheit 01. Dezember Sicherheitskultur in Praxis und Klinik Eine selbstverständliche ärztliche Verpflichtung

Transkript:

Patientensicherheit und Qualitätsmanagement Paula Bezzola, MPH Stv. Geschäftsführerin, Projektmanagerin Stiftung für Patientensicherheit DEKO, Universitätsspital Basel, Chirurgie 30.1.2012

Stiftung für Patientensicherheit 2

Stiftung für Patientensicherheit 3

Patientenempfehlungen Kurse / Analysen Quick Alerts Quick-Alert Nr. 1 Schriftenreihen / Flyer Fehlermanagement Website Forschung und Lehre Wissenschaftl. Publikationen Handlungs- Empfehlungen Kampagnematerial 4 4

Patientensicherheit und Qualitätsmanagement (QM) Was ist hier QM, was krm? Traditionelles Selbstverständnis Patienten- Sicherheit garantieren (klinisches Risikomanagement, krm) Entwicklung des expliziten QM Gehören QM und krm zusammen? Inwiefern Ja? Inwiefern Nein? Behandlungsqualität optimieren Hotellerie und Servicequalität optimieren

Facts Chirurgische unerwünschte Ereignisse 3% der Spitaleintritte 65% von allen unerwünschten Ereignissen 40% waren Infektionen 45 % wurden als vermeidbar eingeschätzt Koordination Kommunikation Umsetzung Standards Zegers M et al, The incidence, root-causes, and outcomes of adverse events in surgical units: implication for potential prevention strategies; Patient Safety in Surgery 2011, 5:13 6

Jeder Mensch macht Fehler. Wie gehen wir mit dieser Tatsache um? 7

In Systemen denken! We can t Wir können die Art des Funktionierens von Menschen nicht ändern, under which humans work. aber die Bedingungen, unter denen Menschen arbeiten! change the human conditions, but we can change the conditions James Reason 8

Noch vorherrschendes Modell Individuelle Ausführung Fehler Zwischenfall Verstösse Modell des einsamen Helden 9 In Anlehnung an Folie von Dr. P. Chopard, HUG, Genève

In Systemen denken - Unfall-Entstehungs-Modell Adaptiertes Modell von J. Reason aus dem London Protocol von Charles Vincent INSTITUTIONELLER KONTEXT ORGANISATION & MANAGEMENT- KULTUR DIE PRAXIS BEEINFLUSSENDE FEHLERBEGÜNSTI- GENDE FAKTOREN FEHLERHAFTE VORGÄNGE ABWEHRMECHANISMEN / BARRIEREN Arbeits- und Umfeldfaktoren Unsichere Handlungen Management- Entscheidungen und organisatorische Prozesse Teamfaktoren Individuelle Faktoren (Personal) Aufgaben- und Prozessfaktoren Fehler Verstösse Zwischenfall Patientenfaktoren LATENTE FEHLER FEHLER UND VERSTÖSSE AUSLÖSENDE BEDINGUNGEN AKTIVE FEHLER Adaptiertes Modell von J. Reason, aus dem London Protocol von Sally Adams und C. Vincent, Übersetzung Stiftung für Patientensicherheit 2007Stiftung für Patientensicherheit Paula Bezzola, MPH, Stiftung für Patientensicherheit, 12.11.2011 10

Organisationen, welche hohe Zuverlässigkeit erreichen (High reliability organizations)

Was ist typisch für High reliability organizations? (Weick/Sutcliffe) Prinzipien/typische Eigenschaften? Konzentration auf Fehler, Beschäftigung mit Scheitern Abneigung gegen Vereinfachungen und vereinfachende Interpretationen Sensibilität für betriebliche Abläufe Streben nach Flexibilität Respekt vor fachlichem Wissen und Können

Problem? Currently, hospitals do MOST of the right things, on MOST patients, MOST of the time. The Checklist helps us do ALL the right things, on ALL patients, ALL the time 13

Checkliste WHO 14

Ergebnisse der multizentrischen Evaluationsstudie postoperative Komplikationsrate und Mortalitätsrate um mehr als 1/3 reduziert! Baseline Checklist P value Cases 3733 3955 - Death 1.5% 0.8% 0.003 Any Complication 11.0% 7.0% <0.001 SSI 6.2% 3.4% <0.001 Unplanned Reoperation 2.4% 1.8% 0.047 Haynes et al. A Surgical Safety Checklist to Reduce Morbidity and Mortality in a Global Population. New England Journal of Medicine 360:491-9. (2009) 15

Systemat. Lit.review Chirurg. Checkliste Effektivität 13 Studien, relatives Risiko Mortalität: 0.57 Komplikationen 0.63 Compliance Erfolgsfaktoren Einführung und Umsetzung 16

Relevanz der Compliance 17

Evidenzbasierte Intervention für Patientensicherheit Chirurgische Checkliste Gedächtnisstütze zur Sicherstellung der Vollständigkeit Kommunikation / Koordination Situationsbewusstsein Entscheidungsfindung Umsetzung Standards 18

Checkliste: was bringt es? Bewährtes Instrument: Immer alle richtigen Dinge an allen Patienten Letzte Barriere (bewusste Redundanz) und sichere Umsetzung von Standards Briefing: Verbesserung der Kommunikation und Koordination (strukturiert und Feedback-Kultur) Antizipation von Risiken und Abwägen von Risiken Wissen der anderen Nutzen (Schwarmintelligenz) Ermöglicht sich auf komplexe Fragenstellungen und Aktivitäten zu konzentrieren und somit Entlastung! 19

Checkliste: was machen, dass es lebt? Leadership zentraler Erfolgsfaktor Schulung - Sensibilisierung - Training (Simulationstraining oder real time coaching) Intervention: kultureller Wandel und Anpassung Prozesse notwendig Einbindung des ganzen Teams und auch wirkt! Klare Zuteilung der Rollen, Verantwortung, Aufgaben 20

Checkliste: was bringt es langfristig? Weniger Verwechslungen, Wundinfekte, Anästhesieprobleme, OP- Komplikationen, etc. Effizienzsteigerung - Kosteneinsparungen Weniger Schadens- und Haftpflichtfälle -Kosteneinsparungen Entlastung Operateure / OP-Personal Konzentration auf komplexe Handlungen /Entscheide möglich Bessere Sicherheits- und Teamkultur Noch mehr Freude an der Arbeit im OP-Saal! 21

Frage Wenn Sie operiert werden müssten, würden Sie wollen, dass man derartige Checklisten anwendet? 93 % beantwortenden diese Frage mit Ja Haynes et al. 2011: Changes in safety attitude and relationship to decreased postoperative morbidity and mortality following implementation of a checklist-based surgical safety intervention 22

DANKE! www.patientensicherheit.ch 23