Die ordentliche Kündigung 1. Allgemeines 1.1. Begriff der Kündigung Die Kündigung ist eine einseitige, empfangsbedürftige Willenserklärung mit Gestaltungswirkung. Diese Gestaltungswirkung entfaltet die Kündigung, wenn die Kündigungserklärung ordnungsgemäß dem Empfänger zugeht und die Wirksamkeitsvoraussetzungen erfüllt. 1.2. Kündigungsarten Man unterscheidet zwischen der ordentlichen Kündigung und der außerordentlichen Kündigung. Die wirksame, ordentliche Kündigung führt zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses nach Ablauf der vorgeschriebenen Kündigungsfrist. Die außerordentliche Kündigung wegen eines wichtigen Grundes führt zur sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses, falls sie fristlos ergeht. Falls die außerordentliche Kündigung mit einer sozialen Auslauffrist verbunden ist, wird das Arbeitsverhältnis mit Ablauf dieser sozialen Auslauffrist beendet. Ein Sonderfall ist die Änderungskündigung. Hierbei wird die Kündigung mit dem Angebot der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zu geänderten Bedingungen angeboten. Die Änderungskündigung ist also in erster Linie nicht auf die Beendigung des Arbeitsverhältnisses, sondern auf die Änderung der Arbeitsbedingungen gerichtet. Ist der Erklärungsempfänger nicht mit den geänderten Arbeitsbedingungen einverstanden, führt die Änderungskündigung zur völligen Beendigung des Arbeitsverhältnisses. 1.3. Form der Kündigung Die Kündigung bedarf zu ihrer Wirksamkeit der Schriftform (ebenso ein Auflösungsvertrag). 1.4. Begründungspflicht Grundsätzlich ist eine ordentliche Kündigung nicht zu begründen. Auf Verlangen des Arbeitnehmers hat der Arbeitgeber jedoch die Kündigungsgründe mitzuteilen. Kommt der Arbeitgeber der Aufforderung des Arbeitnehmers nicht nach, macht er sich gegebenenfalls schadensersatzpflichtig. Kündigungsgründe, die im Zeitpunkt des Kündigungszugangs objektiv vorlagen, können grundsätzlich selbst im Prozeß noch nachgeschoben werden. Ausnahmsweise ist ein Nachschieben von Kündigungsgründen nicht möglich, wenn die Mitteilung von Kündigungsgründen eine Wirksamkeitsvoraussetzung der Kündigung darstellt oder wenn der Betriebsrat im Rahmen seiner Anhörung nach 102 BetrVG nicht unterrichtet wurde.
2. Wirksamkeitsvoraussetzungen 2.1. Zugang Als eine einseitige, empfangsbedürftige Willenserklärung wird die Kündigung erst wirksam, wenn sie dem Erklärungsempfänger zugegangen ist. Für den Zugang ist der Erklärende beweispflichtig. Unter Anwesenden wird die Kündigung wirksam, wenn der Empfänger die Erklärung wahrgenommen hat. Unter Abwesenden ist die Kündigung zugegangen, wenn sie so in den Machtbereich des Empfängers gelangt, daß er unter normalen Verhältnissen die Möglichkeit hat, vom Inhalt der Kündigung Kenntnis zu nehmen. Ein gewöhnlicher Brief gilt daher als zugegangen, sobald mit der nächsten Leerung des Briefkastens zu rechnen ist. Bei nächtlichem Einwurf gilt daher die Kündigung am nächsten Morgen als zugegangen. Zur besseren Beweisbarkeit des Zugangs wird das Arbeitsverhältnis häufig durch Einschreiben mit Rückschein gekündigt. Hier ist zu berücksichtigen, dass der Einschreibebrief erst mit Aushändigung durch die Post an den Empfänger als zugegangen gilt. Der Benachrichtigungszettel bewirkt noch keinen Zugang. Verweigert der Empfänger grundlos die Annahme eines Einschreibebriefs oder löst er den Benachrichtungszettel verspätet oder überhaupt nicht ein, ist sein Verhalten als unzulässige Rechtsausübung zu qualifizieren. Der Empfänger kann sich nicht auf den fehlenden bzw. einen verspäteten Zugang der Kündigung berufen. Besonderheiten ergeben sich beim Zugang vermittels Empfangsboten. Geht die Kündigung an einen Empfangsboten (Personal, Familienangehörigen, Lebensgefährten oder Zimmervermieter), gilt die Kündigung in dem Zeitpunkt als zugegangen, in dem nach dem regelmäßigen Verlauf der Dinge die Weiterleitung an den Adressanten zu erwarten ist. Zugangsprobleme können sich ergeben, wenn sich der Kündigungsempfänger infolge Urlaubs, Krankheit, Kur oder Haft nicht an seinem gewöhnlichen Aufenthaltsort aufhält. Wird beispielsweise im Urlaub ein Kündigungsschreiben zugesandt, so gilt es als zugegangen, sobald nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge mit einer Kenntnisnahme zu rechnen ist. Die urlaubsbedingte Abwesenheit bleibt dabei außer Betracht. 2.2. Allgemeine Nichtigkeit und Kündigungsausschlußgründe Eine Kündigung darf weder nach 134 BGB gegen ein gesetzliches Verbot verstoßen noch nach 138 BGB sittenwidrig sein. Gesetzliche Kündigungsverbote bestehen für Abgeordnete (Art. 48 Abs. 2 GG), für ehrenamtliche Richter von Arbeits- und Sozialgerichten ( 26 ArbGG, 20 SGG), für Betriebsrats- und Personalratsmitglieder ( 15 KSchG), für Schwangere ( 9 MuSchG), Arbeitnehmer im Erziehungsurlaub ( 18 BErzGG), Auszubildende nach Ablauf der Probezeit ( 15 Abs. 2 Nr. 2 BBiG) und Wehr- oder Zivildienstleistende ( 2 Arbeitsplatzschutzgesetz). Sittenwidrig ist eine Kündigung, die beispielsweise aus Rachsucht oder Vergeltung ausgesprochen wurde. Im übrigen kann eine Kündigung gesetzeswidrig sein, wenn vor Ausspruch der Kündigung eine erforderliche Genehmigung, Anhörung, Meldung oder Zustimmung nicht eingeholt bzw. nicht durchgeführt wurde. So ist die ordentliche Kündigung eines Schwerbehinderten nur nach Zustimmung der Hauptfürsorgestelle zulässig ( 15 SchwbG). Massenentlassungen sind nach 17 Abs. 1 KSchG vorher anzuzeigen. 2.3. Kündigungsschutz nach dem Kündigungsschutzgesetz
Das Kündigungsschutzgesetz gilt nur, wenn in der Regel mehr als fünf Arbeitnehmer im Betrieb des Arbeitgebers beschäftigt sind, wobei die zur Berufsausbildung Beschäftigten nicht berücksichtigt werden. Weiterhin ist erforderlich, dass das Arbeitsverhältnis bereits mehr als sechs Monate besteht. Das Kündigungsschutzgesetz schränkt die Kündigungsfreiheit des Arbeitgebers erheblich ein. Nach 1 Abs. 1 KSchG ist die ordentliche Kündigung unwirksam, wenn sie sozial ungerechtfertigt ist. Sozial ungerechtfertigt ist die Kündigung, wenn einer der im 1 Abs. 2 Satz 2 KSchG genannten Kündigungsgründe nicht vorliegt. Danach ist eine Kündigung nur aus personen-, verhaltens- und betriebsbedingten Gründen zulässig. Die Prüfung der sozialen Rechtfertigung vollzieht sich in zwei Schritten. Zunächst ist zu fragen, ob der zugrundeliegende Sachverhalt überhaupt geeignet ist, einen Kündigungsgrund abzugeben. Sodann ist die Frage zu stellen, ob im konkreten Einzelfall bei umfassender Interessenabwägung aus Sicht eines verständigen Arbeitgebers diese Kündigung angemessen und billigenswert ist. Eine personenbedingte Kündigung stützt sich auf Tatsachen, die in der Person des Arbeitnehmers liegen (mangelnde Vorbildung, Ungeschicklichkeit, krankheits- oder altersbedingter Leistungsabfall etc.). Eine verhaltensbedingte Kündigung knüpft an das Fehlverhalten des Arbeitnehmers im Betrieb an (Trunkenheit am Arbeitsplatz, Verstöße gegen die Betriebsordnung, Beleidigungen gegenüber Kollegen oder Arbeitgeber, Straftaten etc.). Vor einer verhaltensbedingten Kündigung ist in der Regel eine Abmahnung erforderlich. Eine formlos mögliche Abmahnung ist eine Missbilligung eines Verhaltens unter Androhung von Rechtsfolgen für die Zukunft, falls das Verhalten nicht geändert wird. Der notwendige Inhalt einer Abmahnung ergibt sich aus ihren Funktionen. Nach der Dokumentationsfunktion muss die Abmahnung ein Fehlverhalten hinreichend bestimmen. Nach der Warnfunktion muss der Arbeitnehmer eindringlich auf das Fehlverhalten hingewiesen werden. Nach der Androhungsfunktion sind Rechtskonsequenzen aus dem Fehlverhalten anzudrohen. Eine betriebsbedingte Kündigung ist möglich, falls dringende betriebliche Erfordernisse einer Weiterbeschäftigung im Betrieb entgegenstehen. Gründe sind dringend, wenn der Arbeitgeber die Entlassung nicht durch andere technische, organisatorische oder wirtschaftliche Maßnahmen abwenden kann und auch keine andere Weiterbeschäftigungsmöglichkeit im Unternehmen gegeben ist. Zusätzlich zu einem dringenden, betrieblichen Grund muss eine soziale Auswahl erfolgen. Bei der sozialen Auswahl geht es um die Frage, welcher von mehreren in Betracht zu ziehenden Arbeitnehmern zu entlassen ist. Zu berücksichtigen sind hierbei soziale Gesichtspunkte. 2.4. Anhörung des Betriebsrates Vor der Kündigung eines Arbeitnehmers ist gemäß 102 BetrVG der Betriebsrat zu hören. Eine Kündigung, die ohne Anhörung des Betriebsrates ausgesprochen wurde, ist unwirksam. Der Betriebsrat braucht nur gehört zu werden. Es ist nicht erforderlich, dass der Betriebsrat der Kündigung zustimmt. Ein Widerspruch des Betriebsrates führt jedoch zu einer aufschiebenden Wirkung der Kündigung, d. h. bis zum rechtskräftigen Abschluß eines eventuellen Arbeitsrechtsstreits ist der Arbeitgeber verpflichtet, auf Verlangen des Arbeitnehmers diesen bei unveränderten Bedingungen bis zum Abschluss der Sache weiterzubeschäftigen. 3. Kündigungsfristen 3.1. Allgemeines
Die Einhaltung bestimmter Kündigungsfristen ist grundsätzlich keine Wirksamkeitsvoraussetzung einer ordentlichen Kündigung. Wird die gesetzliche oder vertragliche Kündigungsfrist nicht beachtet, gilt die Kündigung im Zweifel zum nächst möglichen Termin. 3.2. Kündigungsfristen Mit Wirkung zum 15.10.1993 wurden die Kündigungsfristen für Arbeiter und Angestellte vereinheitlicht. Neben den Grundkündigungsfristen wurden die Kündigungsfristen für langjährige Beschäftigte vereinheitlicht. Nach 622 Abs. 1 BGB kann das Arbeitsverhältnis eines Arbeiters oder Angestellten mit einer Frist von 4 Wochen zum 15. oder zum Ende eines Kalendermonats von Arbeitnehmer oder Arbeitgeber gekündigt werden. Die Grundkündigungsfristen haben bis auf vier Ausnahmen zwingenden Charakter: Während einer vereinbarten Probezeit bis zu 6 Monaten gilt eine zweiwöchige Kündigungsfrist. Für zur Aushilfe bis zu drei Monaten beschäftigte Arbeitnehmer können beliebig kurze Kündigungsfristen vereinbart werden. Arbeitgeber, die in der Regel nicht mehr als 20 Arbeitnehmer beschäftigen, können eine Kündigungsfrist von 4 Wochen, unbeachtlich von Endterminen, einzelvertraglich vereinbaren. In Tarifverträgen können sowohl hinsichtlich der Kündigungsfrist innerhalb der Probezeit als auch hinsichtlich der Grundkündigungsfristen für langjährig Beschäftigte kürzere Fristen als im 622 BGB vereinbart werden. Für langjährig Beschäftigte wurden grundsätzlich nur für den Arbeitgeber verbindliche verlängerte Kündigungsfristen festgelegt. - 2jähriges Arbeitsverhältnis - 1 Monat zum Ende eines Kalendermonats - 5jähriges Arbeitsverhältnis - 2 Monate zum Ende eines Kalendermonats - 8jähriges Arbeitsverhältnis - 3 Monate zum Ende eines Kalendermonats - 10jähriges Arbeitsverhältnis - 4 Monate zum Ende eines Kalendermonats - 12jähriges Arbeitsverhältnis - 5 Monate zum Ende eines Kalendermonats - 15jähriges Arbeitsverhältnis - 6 Monate zum Ende eines Kalendermonats - 20jähriges Arbeitsverhältnis - 7 Monate zum Ende eines Kalendermonats Bei der Berechnung der Beschäftigungsdauer werden die Zeiten, die vor der Vollendung des 25. Lebensjahres des Arbeitnehmers liegen, nicht berücksichtigt. Einzelvertraglich können die verlängerten Kündigungsfristen auch auf den Arbeitnehmer erweitert werden. 3.3. Verhältnis alte und neue Rechtslage
Sofern in Altverträgen mit Arbeitern noch auf eine zweiwöchige Grundkündigungsfrist verwiesen wird, ist die Rechtslage eindeutig. Hier gilt die neue, verlängerte Kündigungsfrist. Falls in einem Arbeitsvertrag mit einem Angestellten auf Kündigungsfristen Bezug genommen wird, ist zu unterscheiden: - Haben die altvertraglichen Regelungen lediglich deklaratorischen Charakter, finden die neuen gesetzlichen Bestimmungen Anwendung. Für das Vorliegen einer deklaratorischen Klausel spricht, wenn im Vertrag lediglich auf die gesetzlichen Vorschriften verwiesen wird. - Haben die altvertraglichen Regelungen jedoch konstitutiven Charakter, so gilt die bisherige Regelkündigungsfrist von 6 Wochen zum Quartalsende bzw. die altvertraglich vereinbarte Kündigungsfrist. Für eine konstitutive Klausel spricht, wenn der Arbeitsvertrag Formulierungen wie "es gelten die gesetzlichen Kündigungsfristen in der Fassung vom..." enthält oder wenn konkret "6 Wochen zum Quartalsende" vereinbart wurde. Ebenso ist bei Tarifverträgen, die Kündigungsfristen enthalten, zu unterscheiden. Es ist zu prüfen, ob die tariflichen Kündigungsfristen deklaratorischen oder konstitutiven Charakter haben. Ansprechpartner: Herr Assessor Jürgen Redlin Tel: (0931)41 94-313; Fax: (09 31)41 94-100 email: redlin@wuerzburg.ihk.de