Demenz und Therapie Dr. Barbara Schreiber Haus der Barmherzigkeit
OFFENLEGUNG Von folgenden Pharmafirmen erhielt ich Forschungsunterstützungen, Einladungen zu Kongressen, Honorare für Beratungs- oder Vortragstätigkeiten bzw. Unterstützungen für von mir organisierte Fortbildungsveranstaltungen: Fa Merz.. Fa Novartis.. Fa Pfizer.................. etc. Kommentare können Sie gerne hier noch ergänzen oder vor Ort vortragen.
Demenzen Alzheimerdemenz ca 60% -65% Vaskuläre Demenzen ca 8 10% Lewy-Body Demenz ca 7 20% Demenz bei Parkinson ca 7% Frontotemporale Demenzen ca 8 10%
Wo soll Behandlung ansetzen? Activity: Aktivitäten des täglichen Lebens (Potkin 2002) Behavior: Psychiatrische Begleitsymptome Grossberg 2002) Cognition: Geistige Leistungsfähigkeit (Corey-Blum 2003)
KORTIKALE SUBKORTIKALE kognitive Störungen Gedächtnisstörung: Störung neue Inhalte dauerhaft aufzunehmen, progrediente Neugedächtnisstörung, > Altgedächtnis zunehmend betroffen Orientierungsstörung zeitlich, örtlich Werkzeugstörungen: Aphasie, Apraxie, Agnosie Psychomotorische Verlangsamung, Bradyphrenie Dysexekutives Syndrom Konzeptbildung, zeitl Ordnen von Ereignissen Gedächtnisstörung mit Beeinträchtigung des Abrufs gelernter Information, Aufmerksamkeitsstörung
Differentialdiagnose Gedächtnisstörung Beyreuther, Einhäupl, Förstl, Kurz, Demenzen: Thieme 2002
Nicht kognitive Demenzsymptome Stimmungs- und Affektstörungen Psychotisches Erleben Verhaltensstörungen Neurovegetative Störungen Depressivität Ängstlichkeit Affektlabilität Illusionäre Verkennungen Halluzinationen Wahn Utilisationsverhalten, Sammeln Wandern Repetitivhandlungen Störung Tag/Nachtrhythmus Störung Essverhalten
86% der Patienten mit AD (Cummings & Chung 2001) weisen psychiatrische Symptome auf: 30 % Depression im frühen Stadium Apathie > Agitiertheit > Angst > Dysphorie > Disinhibition > Paranoide Symptomatik und Delusionel Misidentification Syndrom
Wiederkehrende Wahninhalte bei AD Beeinträchtigungswahn Vergiftungsideen Ehebruch Parasitenbefall DD echter Dermatozoenwahn; häufig auch bei Multisystematrophie
Sundowning Agitiertheit in den Nachmittags- und Abendstunden Dysfunktion der Retina Ncl suprachiasmaticus Epiphysen Achse (Skene et Swaab 2003) Degeneration von Nervenzellen im Ncl suprachiasmaticus des Hypothalamus (Stopa et al 1999) Cave DD Delir! Lichttherapie in Kombination mit Melatonin (de Jonghe et al 2010)
Was stresst in der Demenz? Körperliches Unwohlsein Kommunikationseinschränkung Orientierungslosigkeit Reduzierte Möglichkeiten innere und äußere Stressoren zuzuordnen und geeignete Copingstrategien zu entwickeln
Neurotransmission bei AD Gsell & all 1996 Cholinerge Fasern zum Cortex und Hippocampus am stärksten betroffen Serotonerge Fasern Excitatorische AS Glutamat Inhibitor gabaerges System Noradrenerge Bahnen Neuropeptigderg Dopaminerge Bahnen am geringsten betroffen
Cholinerge Neurotransmission Azetylcholin ist spielt eine wesentliche Rolle bei Lernund Gedächtnisprozessen Reguliert gemeinsam mit Noradrenalin Mikrozirkulation im Gehirn Bei AD geringere Konzentration im synaptischen Spalt, Postsynapse intakt > stärkerer Abbau > Mangel verstärkt Verlust von Synapsen
S 3 Leitlinien Demenz (2009) Acetylcholinesterasehemmer sind wirksam auf die Fähigkeit zur Verrichtung von Alltagsaktivitäten, auf die Besserung kognitiver Funktionen und auf den ärztlichen Gesamteindruck bei der leichten bis mittelschweren Alzheimerdemenz und eine Behandlung wird empfohlen. Es sollte die höchst verträgliche Dosis angestrebt werden. Die Auswahl sollte sich primär am Neben- und Wechselwirkungsprofil orientieren Die Weiterbehandlung oder Erstbehandlung im schweren Stadium kann empfohlen werden. (Off- label- Behandlung)
Acetylcholinesterasehemmer MMSE 10-26 Donezepil (Aricept R) : auch klinische Wirksamkeit bei schwer erkrankten Demenzpatienten; für vaskuläre Demenzen (Kavirajan&Schneider 2007), Wirkung auf Exekutivfunktionen Rivastigmin (Exelon R): auch Wirksamkeit bei Verhaltenssymptomen der LBD (McKeith 2000,Wild 2003), Kognition und ADL bei PD (Maidment 2006) Galanthamin (Reminyl R): auch bei schwer erkrankten Patienten (Burns 2009), für vaskuläre Demenzen (Mc Keith; Moretti 2002)
Mögliche NW bei Cholinesterasehemmern Gastrointestinale NW Extrapyramidal Symptome (EPS) - Nucleus Caudatus (G4) Schlafstörungen - Pons im Hirnstamm (G4) cardiorespiratorische NW - Medulla (G4), Peripherie (G2) Muskelkrämpfe Schwäche cardiorespiratorische NW periphere cholinerge Aktivität Harninkontinenz
Glutamat excitatorische AS Modulation des Ca Einstroms im Rahmen von Lernprozessen am NMDA Rezeptor, Long-Term Potentation AMPA + NMDA Rezeptoren: Dekodierung von Gedächtnisinhalten Bei AD relativ erhöhte Glutamattransmission, Excitotoxizität Neurotoxizität im Hippocampusbereich, Atrophie (+Kortisol)
S 3 Leitlinien Demenz (2009) Memantin ist wirksam auf die Kognition, Alltagsfunktion und den klinischen Gesamteindruck bei Patientin mit moderater bis schwerer Alzheimerdemenz und eine Behandlung wird empfohlen Eine Add-on Behandlung mit Memantine bei Patienten, die Acetylcholinesterasehemmer erhalten, ist der Monotherapie bei schwerer Alzheimerdemenz überlegen und kann erwogen werden. Für eine Add-on-behandlung im leichten bis oberen mittelschweren Bereich wurde keine Überlegenheit gegenüber der Monotherapie gezeigt, daher nicht empfohlen.
Memantine (Ebixa R, Axura R) MMSE 3-19 Schwacher NMDA Antagonist Verbessert Lernprozesse durch Modulation des Ca Einstroms in die Zelle NW: Kopfschmerzen, Schläfrigkeit, Verwirrtheit, Unruhe, Brechreiz, selten Krampfanfälle Die Wirkung dopaminerger und anticholinerger Substanzen kann verstärkt werden Die Wirkung von Neuroleptika kann vermindert werden
S 3 Leitlinien Demenz (2009) Vor dem Einsatz von Psychopharmaka bei Verhaltenssymptomen soll ein psychopathologischer Befund erhoben werden. Die medizinischen, personen- und umgebungsbezogenen Bedingungsfaktoren müssen identifiziert und soweit möglich behandelt und modifiziert werden. Darüber hinaus besteht eine Indikation für eine pharmakologische Intervention, wenn psychosoziale Interventionen nicht effektiv, nicht ausreichend oder nicht verfügbar sind. Bei Eigen- und/oder Fremdgefährdung, die nicht anders abwendbar ist, kann eine unmittelbare pharmakologische Intervention erforderlich sein.
Medikamentöse Therapie nicht kognitiversymptome Depressive Symptomatik SSRI, serotonerge AD, Monoaminooxidase-A-Hemmer Angstsymptome siehe depressive Symptomatik, Benzdiazepine cave Unruhe serotonerge AD, ev atypische NL Wahn, Halluzination atypische NL, Zulassung nur für Risperidon Aggressivität serotonerge AD, atypische NL, SSRI, ev Antikonvulsiva
Angst Citalopram, Sertralin Trazodon Buspiron Pregabalin Benzodiazepine? BZD ohne aktive Metaboliten mit kurzen Halbwertszeiten: Oxazepam, Lorazepam Sollten laut Demenzleitlinie vermieden werden, nur bei ausgeprägter, durch andere Behandlungsmethoden nicht beherrschbarer Angstsymptomatik
Wahn, Halluzination Antipsychotika sind mit einem erhöhten Mortalitätsrisiko vergesellschaftet Typica > Atypica (Gill & Seitz 2009) Auswahlkriterium anticholinerge NW: kognitive Störungen, delirante Zustände, Sehstörungen, Harnretention, Obstipation, zugelassen ist hier lediglich Risperidon Auswahlkriterium unerwünschte Verstärkung dopaminerges Defizit: Akathisie, Schluckstörung, EPS Gangstörung, Speichelfluss, Früh- und Spätdyskinesien; empfohlen Clozapin, Quetiapin
Psychomotorische Unruhe Cave DD Delir: akut auftretende Aufmerksamkeitsstörung, veränderte Denkprozesse bis hin zur Inkoheränz; erhebliche Fluktuation innerhalb 24h Delir immer ein Grund nach akutem Geschehen zu suchen!!! Neurotransmitterimbalance cholinerg< aminerg Haloperidol bis zu (0,5mg alle 4h-5h, max 3mg/die) Cholinesteraseinhibitoren? Cave DD Lewy Body Demenz, cave Neuroleptika
Psychomotorische Unruhe/ Agitiertheit Gemäß S3 Leitlinie 2009 Risperidon Aripiprazol Carbamazepin (Citalopram) Trazodon Melperon Quetiapin Tiaprid
Aggressivität Risperidon Cave NW Profil! Carbamazepin Interaktionen, Hyponatriämie Trazodon Rhythmusstörung, Hypotonie, Tiaprid gastrointestinale Blutungen, Citalopram anticholinerge NW, extra- Sertralin pyramidale NW Quetiapin
Nicht medikamentöse Therapiemöglichkeiten und Maßnahmen Psychotherapeutische Maßnahmen Milieugestaltung Adäquate Beschäftigung Validation Einsatz von Musik Lichttherapie
Schulung und Raum für supervidierende Gespräche Sprachlose, ohnmächtige, depressive, überforderte, aggressive Helfer können in Orientierungslosigkeit keinen Halt geben Fachliche Kompetenz: Wissen schützt vor Projektion und bewirkt Professionalisierung Fallbesprechungen: Möglichkeiten der Beziehungsgestaltung Biographisches Wissen Angehörigenthemenabende, Angehörigensprechstunde, Angehörigengruppen
Tanzcafe Tanzen ist eine biografisch und gesellschaftlich tief verankerte, vertraute Form, sich zur Musik zu bewegen und miteinander in Kontakt und Beziehung zu sein. Tanzen aktiviert auf körperlicher Ebene unmittelbar das Körpergedächtnis (Petzold, 1991) und bringt auf emotionaler Ebene stimmungsaufhellende Effekte zum Vorschein. Kognitive Leistungen können gesteigert werden (Powers, 2010). In diesem Sinne hilft Tanzen, Autonomie zu erhalten und zu fördern.