III. Mitbestimmung in allg. pers. Angelegenheiten/bei Berufsbildung Mitbestimmung gem. 92-98 BetrVG allg. personelle Angelegenheiten ( 92-95) Berufsbildung ( 96-98) Personalplanung ( 92) Information, Beratung, Vorschläge Ebenso bei Frauenförderung ( 92 III) Stellenausschreibung ( 93) Recht auf interne Ausschreibungen Bei Verstoß: 99 II Nr. 5 Personalfragebogen, Beurteilungsgrundsätze ( 94) Echte Mitbestimmungsrechte Erzwingbare Einigungsstelle ( 94 I 2, 3) Auswahlrichtlinien ( 95) Mitbest. nur bzgl. des Wie ( 95 I 1) Bei Verstoß: 99 II Nr. 2, 102 III Nr. 2 Beschäftigungssicherung ( 92a) Vorschläge, Beratung Ergänzung zu 80 I Nr. 8 Förderung der Berufsbildung ( 96 I 2, 3): Beratung, Vorschläge Errichtung / Ausstattung betriebl. Bildungseinrichtungen ( 97 I): Beratung Einführung best. betrieblicher Bildungsmaßnahmen ( 97 II): Echtes MBR ( 97 II 2, 3) Erzwingbare Einigungsstelle ( 97 II 2, 3) Durchführung betrieblicher Bildungsmaßnahmen ( 98): MBR, Mitsprache, Vorschläge Vorlesung Arbeitsrecht III 5: Betriebsverfassungsrecht
I. Allgemeine Angelegenheiten und Berufsbildung 1. Allgemeine personelle Angelegenheiten 92 95 BetrVG a) Personalplanung, 92 ff. BetrVG: Definition: o Summe der Maßnahmen zur Ermittlung des Personalbedarfs in einem bestimmten Planungszeitraum entspr. Bedürfnissen des Unternehmens o Bereitstellung der benötigten Arbeitskräfte zur richtigen Zeit in der richtigen Qualifikation Dazu gehören systematische Planung, sowie ad-hoc-planung Folgen bei Verstoß: 23 III und 121 BetrVG b) Beschäftigungssicherung, 92a BetrVG Vorschlagsrecht, 92a I BetrVG Beratungs- und Begründungspflicht, 92a II BetrVG Folgen bei Verstoß: 23 III BetrVG c) Innerbetriebliche Stellenausschreibung, 93 BetrVG Auf Verlangen des BR o Beachte: nur innerhalb des Betriebes Unternehmen / Konzern: mögliche Zuständigkeit des GBR bzw. KBR Zweck: o Aktivierung des innerbetrieblichen Arbeitsmarktes o Bestmögliche Verwertung der Fähigkeiten und Kenntnisse der AN im Betrieb Externe Ausschreibung gleichzeitig möglich Folgen bei Verstoß: 99 II Nr. 5 BetrVG d) Personalfragebogen und Beurteilungsgrundsätze, 94 BetrVG Zustimmungserfordernis = echtes Mitbestimmungsrecht Bei Streit: Einigungsstelle, 76 BetrVG e) Auswahlrichtlinien, 95 BetrVG Zustimmungserfordernis = echtes Mitbestimmungsrecht Zweck: Objektivierung personeller Maßnahmen; vgl. auch 1 IV KSchG Folgen bei Verstoß: 23 III BetrVG; Einigungsstelle, 76 BetrVG, 99 II Nr. 2, 102 III Nr. 2 BetrVG Vorlesung Arbeitsrecht III 5: Betriebsverfassungsrecht Seite 1 von 2
2. Berufsbildung 96 98 BetrVG a) Grundsatz: 96 I 1 BetrVG Allgemeine Pflicht von ArbGeb und BR Berufsbildung der AN zu fördern Allgemeines Beratungs- und Vorschlagsrecht des BR in betrieblichen Berufsbildungsangelegenheiten b) Besonderes Beratungsrecht, 97 I BetrVG: Bei Errichtung / Ausstattung betrieblicher Berufsbildungsmaßnahmen Bei Einführung betrieblicher Berufsbildungsmaßnahmen Bei Teilnahme an außerbetrieblichen Berufsbildungsmaßnahmen c) Mitbestimmungsrecht, 97 II BetrVG Bei Einführung betrieblicher Berufsbildungsmaßnahmen, wenn ArbGeb Maßnahme plant, die dazu führt, dass sich Tätigkeit der betroffenen AN ändert und ihre Fähigkeiten zu Erfüllung ihrer Aufgaben nicht mehr ausreicht d) Erzwingbares Mitbestimmungsrecht, 98 BetrVG Bei Durchführung betrieblicher Berufsbildungsmaßnahmen ( 95 IV, V BetrVG), nicht jedoch hinsichtlich der Frage, ob betrieblicher Berufsbildungs-maßnahme überhaupt durchgeführt wird. Ausnahme: 97 II BetrVG (s. o.) Rechtsprechung: LAG Frankfurt v. 5.7.2001 5 TaBV 153/00, NZA-RR 2002, 200: Erhebung von Personalfragebögen durch Email oder Intranet BAG v. 2.12.1999 2 AZR 724/98, NZA 2001, 107: Anfechtungsrecht des Arbeitgebers hinsichtlich des Arbeitsvertrages bei fehlender Zustimmung des Betriebsrates zum Personalfragebogen. BAG v. 24.8.2004 1 ABR 28/03, NZA 2005, 371: Mitbestimmungsrecht gem. 98 I BetrVG über Dauer betrieblicher Berufsausbildung BAG v. 30.5.2006 1 ABR 17/05, NZA 2006, 1291: Mitbestimmung bei Berufsbildung in Tendenzunternehmen Vorlesung Arbeitsrecht III 5: Betriebsverfassungsrecht Seite 2 von 2
Personelle Einzelmaßnahmen, 99 BetrVG 1. Anwendungsbereich des 99 BetrVG: Mehr als 20 wahlberechtigte AN im Unternehmen (oder gemeinsamer Betrieb) 2. Gegenstand der Mitbestimmung a) Einstellung setzt nach BAG die tatsächliche Beschäftigung voraus ( Eingliederung ) (a. A. in Lit: Einstellung kann sowohl Abschluss des ArbV als auch tatsächl. Beschäftigung sein) setzt auch weisungsgebundene Tätigkeit voraus Zusammenfassende Übersicht (nach Hromadka/Maschmann ArbR II S. 412): Zu beschäftigende Person ArbN des Beschäftigungsunternehmens - Neueinstellung - Verlängerung eines befristeten ArbV - Versetzung in einen anderen Betrieb Mitbestimmungspflichtige Einstellung - Ja, 99 BetrVG - Ja, außer bei ProbearbVerh. 99 BetrVG - Ja ArbN eines anderen Unternehmens - LeihArbN - FremdfirmenAN ( Gäste ) - Ja, 14 III AÜG - Grds. nein, aber Anspruch auf Unterrichtung Kein ArbN - Freier Mitarbeiter - Tätigkeit aufgrund Vereinsrechts - Wie FremdfirmenArbN - Wenn das Beschäftigungsunternehmen einen Teil der ArbGeb- Stellung (=Weisungsrecht) übernimmt Vorlesung Arbeitsrecht III 5: Betriebsverfassungsrecht Seite 1 von 2
b) Eingruppierung Einstufung der AN in bestimmte Lohngruppen, z.b. tarifvertragl. System c) Umgruppierung Überführung in eine andere Lohngruppe d) Versetzung, 95 III BetrVG; vgl. instruktiv hierzu BAG 28. 8. 2007 NZA 2008, 188 ( workshop ) Anderer Arbeitsbereich länger als 1 Monat oder Anderer Arbeitsbereich mit erheblicher Änderung der Arbeitsumstände 3. Rechtsfolgen Im Hinblick auf das Individualarbeitsverhältnis ist bei fehlender und nicht ersetzter Zustimmung wie folgt zu differenzieren: Einstellung: Das Arbeitsverhältnis ist wirksam, aber der Arbeitgeber darf den Arbeitnehmer nicht tatsächlich einsetzen. Tatsächliche Beschäftigung (-) Versetzung: Ist individualrechtlich wirksam, BR kann aber nach 101 BetrVG Rückversetzung erzwingen. Umgruppierung/Eingruppierung: Es kommt nur auf die zutreffende rechtliche Beurteilung der Lohngruppe an. Rechtsprechung: - BAG v. 19.6.2001 1 ABR 25/00, DB 2002, 47 Beschäftigung von Zivildienstleistenden mitbestimmungspflichtige Einstellung i.s.v. 99 BetrVG. - BAG v. 5.4.2001 2 AZR 580/99, NZA 2001, 893 Erneutes Mitbestimmungsrecht des BR bei Wiedereinstellungsanspruch - BAG v. 25.1.2005 1 ABR 59/03, NZA 2005, 945: Mitbestimmungspflichtige Einstellung nach 99 I 1 BetrVG bei Änderung der vertraglichen Arbeitszeit. - BAG v. 28.8.2007 1 ABR 70/06, NZA 2008, 188 Zum Versetzungsbebgriff isv 99 I, 95 III BetrVG - BAG 30. 6. 2008 1 ABR 81/07, NZA 2009, 112 = NJOZ 2009, 288 Mitbestimmung bei der Einstellung Auszubildender bei Einsatz in anderen Betrieben Vorlesung Arbeitsrecht III 5: Betriebsverfassungsrecht Seite 2 von 2
Mitbestimmung bei Kündigungen, 102 ff. BetrVG I. Anwendungsbereich Alle AN mit Ausnahme der leitenden Angestellten ( 1, 5 II; arg. e: 31 II SprAuG) Mindestbeschäftigtenanzahl ist nicht erforderlich II. Gegenstand der Mitbestimmung Jede ordentliche oder außerordentliche Kündigung III. Mitbestimmungsverfahren 1. Vorherige Anhörung des BR ( 102 I BetrVG) Vollständige, umfassende Unterrichtung erforderlich Grundsatz der subjektiven Determination Kein Nachschieben von Kündigungsgründen Fehlende oder unvollständige Unterrichtung führt zur Unwirksamkeit der Kündigung ( 102 I 3 BetrVG) 2. Reaktionsmöglichkeiten des BR Zustimmung oder Zustimmungsfiktion ( 102 II 2 BetrVG) Bedenken gem. 102 II 1 BetrVG Form- und fristgerechter Widerspruch ( 102 II, III BetrVG) 3. Folgen eines Widerspruchs des BR Weiterbeschäftigungsanspruch ( 102 V 1 BetrVG) Entbindung nur durch einstweilige Verfügung möglich ( 102 V 2 BetrVG) Erhöhter Kündigungsschutz ( 1 II S. 2 Nr. 1, S. 3 KSchG) IV. Sonderfälle 1. Außerordentliche Kündigung oder Versetzung eines BR-Mitglieds ( 103 I BetrVG) 2. Initiativrecht des BR bei Kündigungen ( 104 BetrVG) 3. Mitwirkung bei Massenentlassung Vorlesung Arbeitsrecht II und III 5: Betriebsverfassungsrecht Folie 73
Beispielsfälle zu 99 ff. BetrVG Fall 1: S bewarb sich bei Arbeitgeber A um eine Anstellung als Sekretärin. Am 12. 10. 2002 wurde zum 2. 11. 2002 ein entsprechender Arbeitsvertrag geschlossen. Eine Beteiligung des Betriebsrates erfolgte nicht. Als S die Arbeit aufnehmen will, protestiert der Betriebsrat und meint, es bestünde kein wirksames Arbeitsverhältnis zwischen A und S. Zu Recht? Lösung: Voraussetzung für Beschäftigungsanspruch der S? Wirksam geschlossener Arbeitsvertrag nach 611 BGB P: Individualrechtliche Rechtsfolge bei Unterlassung einer Mitwirkung des BR nach 99 BetrVG ist gesetzlich nicht geregelt. BR kann nur nach 101 BetrVG vom ArbGeb verlangen, die vollzogene Einstellung wieder rückgängig zu machen. Wirksamkeit des Individualvertrages wird von der fehlenden Mitwirkung des BR nicht berührt Arg: Anderenfalls wäre Rückabwicklung nach 101 BetrVG nicht erforderlich. Auch ist nicht ersichtlich, warum AN aufgrund eines Fehlers in der ArbGeb-Sphäre mit Risiko eines fehlerhaften Arbeitsverhältnisses belastet werden sollte. Ergebnis: S hat einen Beschäftigungsanspruch gegenüber A. Vorlesung Arbeitsrecht III 5: Betriebsverfassungsrecht
Fall 2: Programmierer P war gerade drei Monate bei U beschäftigt, als U dem Betriebsrat mitteilt, er sehe für P im Betrieb keine Zukunft mehr und werde ihn deshalb entlassen. Nachdem der Betriebsrat sich hierzu zwei Wochen nicht äußert, kündigt U dem P. Ist die Kündigung wirksam? Lösung: BR könnte Zustimmung gem. 102 II 2 BetrVG erteilt haben. Dass auf P das KSchG noch nicht Anwendung findet, ändert an Erforderlichkeit der BR-Anhörung nichts. Wortlaut des 102 I BetrVG: vor jeder Kündigung Anhörung gem. 102 I 2 BetrVG setzt jedoch voraus, dass AG dem BR die Kündigungsgründe mitteilt. Dies ist hier nicht der Fall: o Die pauschale Äußerung des U ist nicht substantiell genug, um den BR Aufschluss über die Beweggründe zur Kündigung des P zu vermitteln. Subj. Determination: ArbGeb muss BR die Gründe mitteilen, die aus seiner Sicht die Kündigung rechtfertigen Ergebnis: Die Kündigung ist unwirksam, 102 I 3 BetrVG Vorlesung Arbeitsrecht III 5: Betriebsverfassungsrecht