Geisteswissenschaft Steffi Funnekötter Strukturalismus als Methode Studienarbeit
Strukturalismus als Methode 1 Einleitung...1 2 Die Anfänge des Strukturalismus...2 3 Leach strukturalistische Methode zur Entschlüsselung von Mythen...10 3.1 Genesis as Myth...14 3.2 Michelangelo s Genesis...17 3.3 Paradies...19 3.4 Diese Welt...19 4 Schlußbemerkung...21 5 Literaturverzeichnis...23 1 Einleitung Die Vielfalt und Verschiedenheit der Methoden, mit deren Hilfe die Menschen Zugang zur Erkenntnis der Menschheit gewinnen, steht im Gegensatz zur Einheit der menschlichen Wirklichkeit, die notwendigerweise durch diese Methoden zerstört wird (Esbroeck 1968:11). In der vorliegenden Arbeit soll eine dieser Methoden der Strukturalismus genauer untersucht werden. Die Analyse wird sich auf Edmund Leach Genesis as Myth (1969) konzentrieren, der in diesem Buch ein Analyseverfahren für Mythen anhand der Bibel vorstellt. Um einen tieferen Einblick in seine Vorgehensweise zu erlangen, ist es notwendig, einen historischen Abriß des Strukturalismus mit seinen Grundthesen in den Anfängen bei Saussure zu geben. Da Saussure die Grundsteine für den Strukturalismus legte, werden die Ausführungen seiner Thesen so ausführlich wie nötig und so knapp wie möglich behandelt. Dennoch wird es sich nicht vermeiden lassen, diesen Einblick in die strukturale Sprachwissenschaft ein wenig detaillierter ausfallen zu lassen, bauen doch zahlreiche Wissenschaftler (Roman Jakobson, Claude Lévi-Strauss, Jacques Lacan, Noam Chomsky etc.) ihre Theorien auf Saussures Ergebnisse auf. Im dritten Kapitel soll anschließend Leach strukturalistische Methode der Mythenanalyse vorgestellt werden, die anhand ausgewählter Beispiele aus der Entstehungsgeschichte der Bibel verdeutlicht werden soll. Die von Leach erarbeiteten 1
Ergebnisse lassen sich auch auf dem Gebiet der Kunst wiederentdecken und so folgt als weiteres Beispiel eine strukturalistische Betrachtung des von Michelangelo gemalten Deckengemäldes in der Sixtinischen Kapelle. Abschließend sollen die Ergebnisse zusammen getragen und kritisch betrachtet werden. Sicherlich wäre es interessant, den Strukturalismus mit anderen Methoden wie z.b. der Hermeneutik und der Exegese zu vergleichen, doch sind dies sicherlich Themen für einzelne Hausarbeiten. Ein Vergleich zu Claude Levi-Strauss Denkweise kann hier aufgrund des Platzes nicht erfolgen. Da es sich bei dieser Arbeit um eine wissenschaftliche Analyse handeln soll, ist es notwendig, die hier erarbeiteten Ergebnisse mit zahlreichen Zitaten zu fundieren. Dies trifft besonders für das dritte Kapitel zu, in dem es um Leach strukturalistische Methode zur Analyse von Mythen geht, die eine textnahe Betrachtung fordert. 2 Die Anfänge des Strukturalismus Schon die Verwendung von Signifikat und Signifikant sowie die Trennung von Diachronie von der als wichtiger erachteten Synchronie haben im Strukturalismus allgemein methodologische Bedeutung bekommen und wurden zu Aspekten der Wissenschaftlichkeit schlechthin erklärt (Vogel 1975:16). Ursprünglich verstand man unter Strukturalismus eine geisteswissenschaftliche Verfahrensweise, welche den historischen Kontext ihres Forschungsgegenstandes vernachlässigte, um sich der Untersuchung seiner Struktur, also des Beziehungsgefüges seiner Einzelelemente zueinander, zuzuwenden. Wie oft behauptet handelt es sich bei den Anfängen jedoch nicht um ein ausschließlich französisches Phänomen, findet man in der Mannigfaltigkeit der strukturalistischen Strömungen auch gesamteuropäische und nordamerikanische Einflüsse (Füssel 1983: 13). Eindeutig kann man jedoch sagen, daß die Linguistik bei einer historischen Betrachtungsweise des Strukturalismus in den Mittelpunkt tritt, da hier die strukturalistische Methode ihre ersten Erfolge feierte und zu einer theoretisch fundierten Erfahrungswissenschaft wurde, deren Denk- und Arbeitsweise sich schnell auch in anderen Disziplinen wie der Anthropologie, Poetik und Ästhetik durchsetzte. Als Begründer des Strukturalismus gilt der Linguist Ferdinand de Saussure, der mit seinem erstmalig 1916 in französischer Sprache erschienenem Buch Grundfragen der allgemeinen Sprachwissenschaft eine Abkehr vom damaligen vorherrschenden 2
Psychologismus und Historismus der Sprachwissenschaft hervorrief und die junggrammatische Schule überwand. Saussures Verdienst war es, den Gegenstand der Linguistik genauer zu erfassen und ihn von der historisierenden Vorgehensweise seiner Zeit zu differenzieren, indem er der "Diachronen Sprachwissenschaft" eine "Synchrone Sprachwissenschaft" entgegenstellte. Während die diachrone Sprachwissenschaft sich mit der zeitlichen Veränderung, bzw. der historischen Entwicklung, der Sprache beschäftigt, wird bei der synchronen Sprachwissenschaft die Sprache als System betrachtet. Um diese Vorgehensweise zu verdeutlichen, erwähnt Saussure als Vergleich das Schachspiel: Der Übergang von einer Stellung zu einer anderen im Ablauf einer Partie entspricht der Diachronie in der Sprachwissenschaft. Der Synchronie entsprechen die (abstrakten) Regeln des Schachspiels und das Verhältnis (der Wert) der Figuren zueinander in einer bestimmten Stellung (Falk 1976: 18). Seine ausgeführten Konzeptionen haben in den klassischen Schulen der strukturalen Linguistik Verwirklichung, Ergänzung und Weiterentwicklung erfahren und endeten nach dem 2. Weltkrieg in den vielschichtigen Facetten des französischen Strukturalismus. Der russische Formalismus, der Prager Funktionalismus, die Kopenhager Glossematik und der amerikanische Deskriptivismus sind die Hauptvertreter der Schulen, welche die strukturale Linguistik weiter ausführten. Saussure wurde durch die Beschäftigung mit den Junggrammatikern 1 zu einem Denkansatz geführt, der historisch und methodologisch die Wurzeln des Strukturalismus bilden sollten. Wenn man die Geschichte einer Sprache nur anhand der direkt wahrnehmbaren oder mindestens unterstellten individuellen Äußerungen erforschen konnte, was war dann die Sprache als Ganzes? Ist eine Sprache nichts anderes als die Gesamtheit aller Sätze, die von einer bestimmten Gruppe zufällig hervorgebracht werden? [...] Ins Zentrum des praktischen und theoretischen Interesses rückte damit die Frage, die man bis dahin für trivial gehalten hatte: Wie ist eine einzelne Sprache aufgebaut, wie muß sie beschrieben werden? (Bierwisch 1966:80). Saussure begriff die Sprache als ein System von Zeichen (Saussure 1931:19), zu welchem er die Systemhaftigkeit hinzufügte. Er sah seine Aufgabe darin, die Struktur der sprachlichen Zeichen sowie die Relationen, die zwischen Zeichen bestehen, auf den 1 Als wichtigste Vertreter wären hier Verner, Brugmann, Osthoff und Leskien zu nennen. 3