Verbeamtung bei ÜBERGEWICHT UND ADIPOSITAS

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Transkript:

Diagnosegruppe: Übergewicht bzw. Adipositas Seite 1 Verbeamtung bei ÜBERGEWICHT UND ADIPOSITAS Einführung Adipositas ist definiert als die über das Normalmass hinaus gehende Vermehrung von Körperfett. Die Klassifikation bzw. Beurteilungsgrundlage erfolgt üblicherweise anhand des Body-mass-Index (BMI): 25 kg/m² spricht man von Übergewicht, 30 kg/m² von Adipositas. Folge Klassifikation ist anerkannt: Kategorie BMI kg/m² Risiko für Begleiterkrankungen Untergewicht < 18.5 niedrig Normalgewicht 18.5 24.9 durchschnittlich Übergewicht Adipositas Grad I Adipositas Grad II Adipositas Grad III 25 29.9 30 34.5 35 39.9 > 40 gering erhöht erhöht hoch sehr hoch Darüber hinaus bestimmt die Fettverteilung das metabolische und kardiovaskuläre Gesundheitsrisiko. Besonders das viszerale Fett korreliert mit Risikofaktoren und Komplikationen. Gemessen wird es über den Taillenumfang (TU). Bei einem Taillenumfang 88 cm bei Frauen bzw. 102 bei Männern liegt eine abdominelle Adipositas vor. Bekannt ist eine Zunahme insbesondere der Adipositas in Deutschland. Auch wenn Übergewicht und Adipositas klassischer Weise mit dem Alter einsteigen, so ist doch bereits eine hohe Prävalenz bei Kindern und Jugendlichen zu beobachten. Die Leitlinienverfasser weisen auf die hohen Kosten von Übergewicht und Adipositas für die Gesellschaft hin (ca. 15 Mrd. jährlich), die durch die Behandlung von Folgeerkrankungen, aber auch Arbeits- und Erwerbsunfähigkeiten entstehen. Ursachen, Risiken und Verläufe Als Ursachen für die Adipositas werden angesehen: familiäre bzw. genetische Disposition 1 Lebensstil (z. B. Bewegungsmangel, Fehlernährung) ständige Verfügbarkeit von Nahrung Schlafmangel 1 Auch wenn wissenschaftlich ein genetisches Risiko für arteriosklerotische Erkrankungen unstrittig ist, wurde in Einzelfällen die Verwendung der Familienanamnese in der Rechtsprechung nicht akzeptiert, und unter Aspekten des Datenschutzes wird sie meist kritisch gesehen.

Diagnosegruppe: Übergewicht bzw. Adipositas Seite 2 Stress depressive Erkrankungen niedriger Sozialstatus Essstörungen endokrine Erkrankungen (z. B. Hypothyreose, Cushing-Syndrom) Medikamente (z. B. Antidepressiva, Neuroleptika, Phasenprophylaktika, Antiepileptika, Antidiabetika, Glukokortikoide, einige Kontrazeptiva, Betablocker) andere Ursachen (z. B. Immobilisierung, Schwangerschaft, Nikotinverzicht). Übergewicht und Adipositas können aber mit einer Vielzahl von Komorbiditäten und Komplikationen einhergehen. > 3-fach erhöhtes Risiko ergibt sich für: Diabetes mellitus Cholezystolithiasis Dyslipidämie Insulin Resistenz Fettleber Schlaf-Apnoe-Syndrom Für folgende Erkrankungen ist das Risiko 2 3-fach erhöht: Koronare Herzkrankheit Hypertonie Dyslipidämien Gonarthrose Gicht Refluxoesophagitis 1 2-fach erhöht ist das Risiko für: Karzinome Polyzystisches Ovar-Syndrom Coxarthrose Rückenschmerzen Infertilität Fetopathie Übergewicht bzw. Adipositas gelten als die wichtigsten Promotoren des metabolischen Syndroms 2, die Entstehung ist vermutlich multikausal, das Risiko für kardiovaskuläre Erkrankungen deutlich erhöht. Außerdem können auftreten: Störungen der Hämostase, chronische Inflammation, weitere kardiovaskuläre (Schlaganfall, Herzinsuffizienz, linksventrikuläre Hypertrophie, Vorhofflimmern, venöse Thromboembolien, pulmonale Embolien), pulmonale (z. B. restriktive Ventilationsstörungen oder Hypoventilation) und gastrointestinale (z. B. Cholecystolithiasis, Fettleber, nicht-alkoholische Fettleberhepatitis, Refluxkrankheit) Erkrankungen, Nierenkrank- 2 Eine einheitliche Definition des metabolischen Syndroms gibt es nicht. Gängige Grenzwerte sind: Taillenumfang 88 cm / 102, RR 130 mmhg systolisch oder 85 mmhg diastolisch, erhöhter Nüchternblutzucker ( 110 mg/dl, kapilläres Vollblut), Triglyceride > 150 mg/dl, HDL < 50 mg/dl / <40 mg/dl.

Diagnosegruppe: Übergewicht bzw. Adipositas Seite 3 heiten und Harninkontinenz, hormonelle Störungen bei Männern und Frauen, Komplikationen bei Schwangerschaft und Geburt, ebenso weitere Probleme des Bewegungsapparates (z. B. Coxarthrose, Fersensporn). In verschiedenen Studien wurde ein Zusammenhang mit folgenden Karzinomen gezeigt: bei Frauen z. B. Ösophagus, Kolon-, Nierenzell-, Endometrium-, Pankreas- und Gallenblasenkarzinom, bei Männern z. B. Ösophagus-, Kolon-, Rektal-, und Nierenzellkarzinom. Man schreibt der Adipositas einen Anteil von 16% bei der Entstehung aller Krebskrankheiten zu. Auch das Operations-, Narkose- und Unfallrisiko ist erhöht. Erfahrungsgemäß wird mit zunehmendem BMI die Lebensqualität gemindert. Adipöse Menschen weisen eine höhere Prävalenz komorbider psychischer Störungen (z. B. depressive, Angst- und somatoforme Störungen) auf. Die in westlichen Nationen weit verbreitete negative Stigmatisierung und Diskriminierung (z. B. im Beruf, im Gesundheitswesen und den Medien) von übergewichtigen und adipösen Personen erhöht ihrerseits die Vulnerabilität für weitere psychische Störungen (z. B. Depressionen, Dysthymie). Als Kombination von einer Essstörung und Adipositas wird die Binge-Eating- Störung angesehen. Groß angelegte Studien zur Mortalität zeigen etwas unterschiedliche Ergebnisse bezüglich des geringsten Sterblichkeitsrisikos: In manchen liegt es bei einem BMI unter 25, bei manchen auch im Bereich der übergewichtigen Personen. Alle zeigen jedoch einen deutlichen Anstieg der Mortalität mit zunehmender Adipositas. Der Zusammenhang ist umso deutlicher, je jünger die Personen sind. Diagnostik und Prävention/Therapie Laut Leitlinie gehört zu einer Erstuntersuchung durch Haus- oder Facharzt bei Übergewicht bzw. Adipositas die ausführliche Anamnese einschließlich Gewichts-, Familien-, und psychosozialer Anamnese. An Untersuchungen soll erfolgen: Körperlänge und -gewicht (BMI), Taillenumfang bei einem BMI 25 kg/m², Blutdruck Nüchternblutzucker, HbA1c (fakultativ oraler Glukosetoleranztest) Gesamt-, HDL-, und LDL-Cholesterin, Trigylceride Harnsäure Kreatinin (fakultativ Elektrolyte) TSH (fakultativ andere endokrinologische Parameter, wie z.b. Dexamethason-Hemmtest) fakultativ Mikroalbuminurie bzw. Albumin/Kreatinin-Ratio im Urin Leberwerte (Anmerkung der Verfasser: in der Leitlinie bei der Erstuntersuchung nicht aufgeführt, möglicherweise vergessen?) EKG (fakultativ Ergometrie, Herzecho, 24-Stunden-Blutdruckmessung, Schlaf-Apnoe- Screening) fakultativ Oberbauchsonographie, Dopplersonographie Zu Verlaufskontrollen gehören laborchemisch je nach Ausgangsbefund: Nüchternblutzucker, HbA1c, alle Fettwerte, GPT, Harnsäure, Kreatinin, Elektrolyte Die aktuelle Leitlinie gibt detaillierte Empfehlungen zur Prävention und Therapie. Neben den vielen Vorteilen einer Gewichtsreduktion weist sie auch auf mögliche Nachteile, besonders bei rigorosen Gewichtsabnahmen hin, insbesondere erhöhtes Risiko für Gallensteinerkrankungen, mögliche Abnahme der Knochendichte und Überwiegen der Nachteile bei Personen sog. Weight Cycling. Die Indikation zur Behandlung wird üblicherweise bei einem BMI 30 oder zwischen 25 30 bei gleichzeitigem Vorliegen übergewichtsbedingter Gesundheitsstörungen, abdomineller

Diagnosegruppe: Übergewicht bzw. Adipositas Seite 4 Adipositas, bei Erkrankungen, die durch Übergewicht verschlimmert werden oder hohem psychosozialen Leidensdruck gesehen. Als Zielgewicht sollen bei Erwachsenen der BMI 25 kg/m² und/oder der Taillenumfang 80 cm bei Frauen bzw. 94 cm bei Männern nicht überschreiten, wobei jedoch aufgrund mangelnder Evidenzlage für die Vorteile eines niedrigeren Gewichtes auch ein BMI zwischen 25 und 30 toleriert werden kann. Zur Prävention gehört immer bedarfsadäquate Ernährung und regelmäßige körperliche Bewegung, besonders in Form von Ausdauersportarten. Die Behandlung besteht ebenfalls aus diesen zwei Elementen, ergänzt möglichst durch Verhaltenstherapie bzw. schulung (insbesondere zur langfristigen Gewichtsstabilisierung). Die Adipositastherapie soll dabei individualisiert erfolgen, realistische Ziele haben, praktisch umsetzbar und verständlich sein und auch das persönliche (und berufliche Umfeld) des Betroffenen mit einbeziehen. Zur Gewichtsreduktion angestrebt wird ein tägliches Energiedefizit der Nahrung von etwa 500-600 kcal/tag und mindestens 150 Minuten/Woche Bewegung mit einem Energieverbrauch von 1.200-1.800 kcal/woche. Vorgehen bei der Frage nach der Verbeamtung Hinweise zur Diagnostik: Bei der amtsärztlichen Untersuchung übergewichtiger und adipöser Bewerber sollten die wesentlichen obigen Parameter vorliegen. Die hier vorgenommene Kategorisierung hat den Charakter einer orientierenden Einteilung. Die gutachterliche Einzelfallentscheidung bleibt davon unberührt. Einfließen können dabei nicht nur Art und Ausmaß der Gewichtserhöhung und weiterer Risikofaktoren, sondern u. a. auch Alter, angestrebte Tätigkeit und Verhalten des Probanden. In gewissen Tätigkeitsbereichen sind vom Arbeitgeber bestimmte Grenzen vordefiniert, die es zu berücksichtigen gilt. Da sowohl von wissenschaftlicher Seite als auch im Rahmen einiger Gerichtsverfahren die prognostische Bedeutung des BMI immer wieder bezweifelt wird, sollten zur Ablehnung einer Verbeamtung immer weitere Parameter herangezogen und aufgeführt werden. Während in der Kategorie A keinerlei Bedenken bestehen, sollte die Kategorie B zumindest die Empfehlung einer langfristigen Gewichtskontrolle bzw. stabilsierung enthalten. Bei Kategorie C wird man die Bedenken im Einzelnen schildern, aber darauf hinweisen, dass es eine wissenschaftliche Evidenz bezüglich der überwiegenden Wahrscheinlichkeit nicht gibt. Bei Kategorie D sind die Befunde und damit Bedenken so gravierend, dass man mit überwiegender Wahrscheinlichkeit von negativen Folgen für die Verbeamtung ausgeht. Anmerkung: Bei Nennung von Diagnosen sollte die Einwilligung des Bewerbers vorliegen. Da in derartigen Fällen ein Gerichtsverfahren nicht ausgeschlossen werden kann, empfiehlt es sich, ein ausführliches Hintergrundgutachten in der Akte des Gesundheitsamtes zu hinterlegen. Kategorie A Kein Risiko BMI < 25 kg/m² und keine anderen Risiken/Erkrankungen BMI 25 - < 30 kg/m² ohne viszerales Fett und ohne andere bedeutende Risiken und Erkrankungen 3 3 Sobald eine Erkrankung vorliegt (z.b. Hypertonie), muss entschieden werden, ob nicht diese unabhängig vom BMI der im Vordergrund stehende Faktor zur Beurteilung ist.

Diagnosegruppe: Übergewicht bzw. Adipositas Seite 5 Formulierungsvorschlag Unter Bezug auf Anamnese und Untersuchungsumfang ergaben sich keine Hinweise auf bedeutsame Erkrankungen, die die Eignung von Herrn/Frau für die Tätigkeit als einschränken würden. Nach jetzigem Erkenntnisstand sind keine tatsächlichen Anhaltspunkte erkennbar, welche die Annahme rechtfertigen, eine vorzeitige Dienstunfähigkeit bzw. häufige und erhebliche krankheitsbedingte Ausfälle seien mit überwiegender Wahrscheinlichkeit zu erwarten. (Fakultativ ergänzen: Gegen die Einstellung im Beamtenverhältnis auf Probe und später ggf. auf Lebenszeit bestehen keine Bedenken.) Kategorie B Erwähnenswerte Befunde, Empfehlungen Anmerkung: Ab dieser Kategorie sollte immer eine aktive Risikofaktorensuche erfolgen! BMI 25 - < 30 kg/m² mit viszeralem Fett (TU 88 cm bzw. 102 cm ) und keine anderen bedeutsamen Risiken/ Erkrankungen 3/ Folgebeschwerden BMI 30 - < 35 kg/m² ohne eindeutig viszerales Fett Formulierungsvorschlag: Unter Bezug auf Anamnese und Untersuchungsumfang ergaben sich keine Hinweise auf Erkrankungen, die die Eignung von Herrn/Frau für die Tätigkeit als grundlegend einschränken würden. Bei ihm/ihr besteht allerdings ein Übergewicht/eine Adipositas I. Grades (BMI, evtl. TU ) ohne Hinweis auf weitere Risikofaktoren. Empfohlen wird, einer Gewichtszunahme vorzubeugen/das Gewicht zu reduzieren, möglichst bis zu einem BMI von nicht mehr als 25 kg/m², mindestens aber unter 30 kg/m². Ausgehend von den jetzigen Befunden sind jedoch keine tatsächlichen Anhaltspunkte erkennbar, welche die Annahme rechtfertigen, eine vorzeitige Dienstunfähigkeit bzw. häufige und erhebliche krankheitsbedingte Fehlzeiten seien mit überwiegender Wahrscheinlichkeit zu erwarten. (Fakultativ ergänzen: Gegen die Einstellung im Beamtenverhältnis auf Probe und später ggf. auf Lebenszeit bestehen keine durchgreifenden Bedenken.) Kategorie C Erhöhtes Risiko, Bedenken formulieren, keine Evidenz für überwiegende Wahrscheinlichkeit In dieser Gruppe befinden sich alle Bewerber/innen zwischen der Kategorie 2 und 4, insbesondere: BMI 25 - < 40 kg/m², besonders mit viszeralem Fett, mit zusätzlichen vertretbaren Risiken/Erkrankungen (z.b. gut behandelter Bluthochdruck, eingestellter Diabetes mellitus)/folgebeschwerden (z.b. mäßige orthopädische Belastungszeichen) Zum Untersuchungszeitpunkt bestehen deutliche Risikofaktoren bzw. Hinweise auf Komorbiditäten. Mittelfristig ist jedoch bei Durchführung bestimmmter Maßnahmen eine Stabilisierung/Verbesserung zu erwarten. In Einzelfällen besonders bei der Verbeamtung auf Widerruf oder Probe kann es sinnvoll sein, Empfehlungen zu formulieren, die vom Bewerber beeinflussbar sind. Allerdings wird in den wenigsten Fällen die Nichtbeachtung der Empfehlungen bei einer etwaigen Nachuntersuchung allein zur ungünstigeren Beurteilung (Kategorie D anstatt C) ausreichen.

Diagnosegruppe: Übergewicht bzw. Adipositas Seite 6 Formulierungsvorschlag: Unter Bezug auf Anamnese und Untersuchungsumfang ergaben sich keine Hinweise auf Erkrankungen, die die Eignung von Herrn/Frau für die Tätigkeit als grundlegend einschränken würden. Bei ihm/ihr besteht allerdings ein Übergewicht/eine Adipositas (BMI, TU ) mit (Risikofaktoren u.a. mit möglichen Auswirkungen beschreiben). Dies kann zu beruflichen Einschränkungen, längeren/häufigeren Krankenphasen und/oder einer vorzeitigen Dienstunfähigkeit führen. Allerdings können keine hinreichenden wissenschaftlichen Grundlagen ermittelt werden, die ein negatives amtsärztliches Votum stützen würden. Auch unter Berücksichtigung von möglicherweise in der Zukunft liegenden sonstigen Einflussfaktoren bleibt eine Abwägung der Wahrscheinlichkeiten für den weiteren Verlauf insoweit spekulativ. Bezüglich einer Verbeamtung (auf Probe/Lebenszeit...) ist daher aus amtsärztlicher Sicht trotz gesundheitsbezogener Bedenken eine überwiegende Wahrscheinlichkeit längerer/häufigerer Fehlzeiten bzw. eine vorzeitige dauerhafte Dienstunfähigkeit nicht begründbar. Anmerkung: Ggf. derzeitige oder möglicherweise zukünftig eintretende Verwendungsausschlüsse beschreiben, evtl. auch positives und negatives Leistungsbild erstellen. Kategorie D Hohes Risiko, Gefahr der vorzeitigen Dienstunfähigkeit/häufigen Fehlzeiten/verminderten Belastbarkeit mit überwiegender Wahrscheinlichkeit schwere Adipositas, in der Regel kann ein BMI 40 kg/m² besonders mit viszeralem Fett als Grenzwert angenommen werden BMI 30 kg/m² und zusätzlich weitere gravierende Risiken (insbesondere metabolisches Syndrom)/Erkrankungen/Folgebeschwerden Formulierungsvorschlag:: Unter Bezug auf Anamnese und Untersuchungsumfang zeigten sich gravierende gesundheitliche Einschränkungen. Bei Herrn/Frau. Besteht eine Adipositas (BMI, TU ) und weitere Risiken/Krankheiten (bzw. Funktionsdiagnose mit Merkmalen, Schweregrad, bisherigem und zu erwartendem Verlauf beschreiben). Dennoch/daher ist er/sie für eine Tätigkeit als als solche geeignet/nicht geeignet. Bezogen auf den hier vorliegenden Einzelfall wurden die Besonderheiten des Risikoprofils; des bisherigen Krankheitsverlaufs sowie weiterer individueller und/oder sonstiger ungünstiger Einflussfaktoren gewichtet und bewertet. (Evtl. weitere individuelle Details ergänzen). Danach ist aus amtsärztlichsachverständiger Sicht zusammenfassend festzustellen, dass aufgrund zu erwartender zukünftiger Komplikationen das Eintreten häufiger/längerer Fehlzeiten bzw. einer vorzeitigen Dienstfähigkeit mit deutlich überwiegender Wahrscheinlichkeit erwartet werden muss. Fakultativ: Gegen eine Einstellung im Rahmen eines Beschäftigungsverhältnisses bestehen aus amtsärztlicher Sicht keine Bedenken. Dann ggf. derzeitige oder möglicherweise zukünftig eintretende Verwendungsausschlüsse beschreiben, evtl. auch positives und negatives Leistungsbild erstellen.

Diagnosegruppe: Übergewicht bzw. Adipositas Seite 7 Kategorie E Schwerbehinderung oder Gleichstellung Eine Adipositas stellt üblicherweise keine Grundlage für die Anerkennung einer Schwerbehinderung dar, es sei denn, es liegen schwerwiegende Folgeerkrankungen vor. Dies bestätigen mehrere Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts. In einem Beschluss vom 04.04.2013 stellt es klar, dass selbst eine Person mit Adipositas III. Grades nicht behindert ist. Denn eine Behinderung im Rechtssinne setze voraus, dass die Teilhabe eines Menschen am Leben in der Gemeinschaft beeinträchtigt ist. Dies kann auch für stark adipöse Menschen nicht festgestellt werden. Darüber hinaus üben sie ihren Beruf oft ohne Einschränkungen aus. Die Versagung des Zugangs zum Beamtenverhältnis als solches begründet keine Behinderung. Auch ein Vergleich mit Rauchern u. ä. nicht zulässig (selbst wenn sie bei amtsärztlichen Beurteilungen nicht gleich behandelt werden). Ein ähnlicher Tenor findet sich im BVerwG-Urteil 2B 37.13. Grundlagen/Literatur Dr. Dörr und KollegInnen der AG Adipositas im Rahmen der Begutachtung zur Einstellung/Verbeamtung, vorgestellt in der Plenumssitzung am 07.03.07. Drs. Engler/Joggerst Arbeitskreis Qualitätssicherung im Amtsärztlichen Dienst: Adipositas, Stand 6.3.2008 Interdisziplinäre Leitlinie der Qualität S3 zur Prävention und Therapie der Adipositas vom April 2014 (gültig bis 2019, erarbeitet von der Deutschen Adipositas-Gesellschaft e. V. (DAG), der Deutschen Diabetes-Gesellschaft e. V. (DDG), der Deutschen Gesellschaft für Ernährung e. V. (DGE) und der Deutschen Gesellschaft für Ernährungsmedizin e. V. (DGEM). Bundesverwaltungsgerichtbeschluss BVerwG 2 B 86.12 vom 04.04.2013, BVerwG-Urteil 2B 37.13 vom 13.12.2013. Übrige Urteile siehe Einstellungsuntersuchung Beamte Arbeitshilfe Weitere detaillierte Literaturhinweise finden sich in der Leitlinie. Außerdem hat Frau Wiemer eine aktuelle Literatursammlung angelegt, die sich im Anhang befindet.