Die Wellenfunktion Die bisherige Diskussion hat uns überzeugt, dass Teilchen auch als Wellen aufgefasst werden können/müssen. Die statistische Deutung z. B. der Messwahrscheinlichkeit an einem Orthat uns nahegelegt, Teilchen mit einer komplexen Wellenfunktion ψ(x, t) zu beschreiben. Ihr Zusammenhang mit der Wahrscheinlichkeitsamplitude P haben wir im Elektronenbeugungsexperiment kennengelernt, P(x, t)dx = ψ(x, t) 2 dx. Die einfachst mögliche Wellenfunktion lautet ψ(x, t) = C 0 dke ( a 2) 2 (k k 0 ) 2 e i(kx ωt). Sie ist deshalb einfach, weil das Integral analytisch ausführbar ist. Für t = 0 findet
man ( )1 2 4 ψ(x,0) = e x 2 /a 2 πa 2 e ik0x. Die Wahrscheinlichkeitsamplitude ist normiert, P(x,0) = 1, dx ψ(x, 0) 2 = 2 dx πa 2 2 /a 2 e 2x = 1. Die maximale Amplitude der Wellenfunktion ψ(x.0) liegt bei x = 0 und die Wahrscheinlichkeitsamplitude P(x,0) hat bei x 12 = ±a/2 den Wert 1/ e. Die Breite x = x 2 x 1 = a wird oft als volle Breite bezeichnet. Analog gilt für die volle Breite in Wellenzahlen k = 1/a. Damit ist die Heisenbergsche Unschärferelation in die Wellenfunktion eingebaut. x p = a h k = a h/a = h
Das Auseinanderlaufen von Wellenpaketen ψ 2 v g Das Wellenpaket bewege sich mit Gruppengeschwindigkeit v g = p/m, dann ist die Unschärfe in der Geschwindigkeit x x v g = 1 m p = 1 h. m x 0 Weil die Wellenfunktion ψ(x, t) normiert ist, muss das Wellenpaket auseinanderlaufen. Und zwar läuft es um so schneller auseinander, je kleiner die ursprüngliche Ortsunschärfe x 0 war.
Unschärferelation für Energie und Zeit Wir betrachten ein Wellenpaket, ψ(x, t) = ω0 + ω 2 ω 0 ω 2 dωc(ω)e i(ωt kx) welches an einem Ort x = 0 vorbeizieht und fragen uns, wie genau wir dessen Energie bestimmen können. Dazu entwickeln wir wieder in eine Taylorreihe und erhalten ψ(x, t) C(ω 0 )e iω 0t e ik 0x ω0 + ω 2 ω 0 ω 2 dωe idk dω (ω ω 0)x e i(ω ω 0)t,
sin 2C(ω 0 )e i(ω 0t k 0 x) ) dω x ω0 t dk ω0 x (( t df dω ) ω. ψ(x, t) hat ein Maximum bei t = dk/dω ω0 x 0 bei x = x 0. Die Nullstellen ziehen an der Stelle x 0 zu den Zeiten t 12 = dk dω x 0 ± π ω0 ω denn die Nullstellen von sin((t dk/dω ω0 x 0 ) ω) sind ( dk dω x 0 ± π ω0 ω dk ) dω x 0 ω = ±π. ω0
Deshalb braucht das Wellenpaket eine Zeit t = 2π/ ω um über x 0 hinwegzuziehen. Andererseits können wir ω 0 nur mit einer Unschärfe ω bestimmen, wenn wir das Wellenpaket während einer Zeit t beobachten. Um dies zu verstehen, betrachten wir eine monochromatische Welle C 0 e i(ωt kx), welce wir bei x = 0 währned einer Zeit t beobachten. Ihre Fouriertransformierte lautet C(ω) = t 2 t 2 ( ω ω0 2 dtc 0 e i(ω ω0)t sin ( ω ω 0 2 t ) = C 0 ). Sie hat eine halbe Breite ω = 2π t, denn sin( ω/2 t) = 0 wenn ω/2 t = π, also ω = 2π/ t. Mit E = hω
folgt E = h Ω und damit also E t = h ω 2π ω = h, E t h, wo das Gleichheitszeichen nur für ein Gaußsches Wellenpaket gilt.
Anwendung der Heisenbergschen Unschärferelation: Die Größe eines Atoms Wir definieren als Größe des Atoms den (unbekannten) Abstand des Elektrons vom Atomkern, a. Wir können den Ort des Elektrons nicht sehr präzise bestimmen, sonst wird p zu groß und das Elektron ist schon wieder weg. Damit wird der Impuls also etwa die Größenordnung der Impulsunsicherheit aufweisen, also p x = h; = p h a p, womit die kinetische und potentielle Energie E kin = p2 2m = h2 2ma 2, und E pot = 1 4πɛ 0 e 2 a.
die totale Energiesumme E tot = E kin + E pot = h2 a in einem Atom soll minimal sein, womit wir über de/da = 0 den optimalen Wert a 0 für den Atomradius gewinnen, a 0 = 4πɛ 0h 2 me 2 = 0.528Å und die Energie des niedrigsten Energiezustandes 1 e 2 2ma 2 4πɛ 0 e = h2 2ma 2 0 1 e 2 = me4 4πɛ 0 a 0 2(4πɛ 0 )h 2 = 13.6eV. Damit können wir auch die Stabilität von Materie verstehen (immerhin schon teilweise). Wenn wir auf ein Atom stehen, so wird der Ort kleiner, dafür aber der Impuls der Elektronen grö3er, was wieder einen Druck ausübt.
Wahrscheinlichkeitsamplituden s e P 1 P 2 P 1 = Φ 2 1 P 2 = Φ 2 2 x P 12 = Φ 1 + Φ 2 2 Die statistische Eigenschaft der Quantennatur hat uns gezeigt, dass wir mit Wahrscheinlichkeiten rechnen müssen und dass wir diese auf eine besondere Art und Weise zusammensetzen müssen. Ohne uns im Weiteren um die genaue mathematische Form zu kümmern, wollen wir das Zusammensetzen untersuchen. P. A. M. Dirac hat dazu eine äußerst nützliche Notation erfunden, die uns einige Schreibarbeit abnimmt. Die Wahrscheinlichkeitsamplitude, dass ein Elektron oder Lichtquant die Quelle s verlässt und den ort x erreicht, schreibt sich dann einfach
als ψ = Teilchen erreicht Ort x Teilchen verlässt Quelle = x s. Dabei ist x s eine komplexe Zahl und die Wahrscheinlichkeit, dass das Teilchen die Quelle s verlässt und den Ort x erreicht ist gerade das Quadrat der Wahrscheinlichkeitsamplitude ψ, P = ψ 2 = x s 2. Kann das Teilchen den ort x über zwei Wege erreichen, so schreiben wir einfach x s zwei offene Löcher = x s durchloch1 + x s durchloch2. Dass wir diese Wahrscheinlichkeitsamplitude so einfach schreiben können liegt daran, dass wir ja auch hätten schreiben können x s durchloch1 = x Loch 1 Loch 1 s
und damit x s zwei offene Löcher = x 1 1 s + x 2 2 s. s e a b c x Mit dieser Schreibweise lässt sich auch die Situation links leicht beschreiben: x s = x a a 1 1 s + x a a 2 2 s + x b b 1 1 s + x b b 2 2 s + x c c 1 1 s + x c c 2 2 s = 2 c x α α i i s. i=1 α=a
Die Wahrscheinlichkeitsamplitude r 2 r 1 ist (in Analogie zum Huygenschen Prinzip) proportional zu exp( p r 12 / h)/ r 12, wo r 12 = r 2 r 1.
Spektren Beobachtungen von Balmer (1885) hatten gezeigt, dass z. B. Wasserstoff Licht in ganz bestimmten Wellenlängen aussendet. Er fand λ = 3646 n2 n 2 4Å. Rydberg hat gefunden, dass diese Emission auch für andere Elemente besser mit dem Kehrwert κ = 1/λ beschrieben wird. Die Balmer-Serie lautet dann κ = R H ( 1 2 2 1 n 2 ), wo die Rydbergkonstante R H = 1.096775810 10 7 m 1.
Stabilität eines Atoms Wirr hatten in Physik II gelernt, dass eine beschleunigte Ladung Leistung abstrahlt. Der Betrag des Poynting-Vektors war S = q 2 a 2 16π 2 ɛ 0 c 3 r 2 sin2 θ = ɛ 0 ce 2. Die Abstrahlungsrate in alle Richtungen lautet dann R = π das(θ) = 2πr 2 dθs(θ)sinθ = 1 2 4πɛ 0 3 0 q 2 a 2 c 3. Frage: In welcher Zeit strahlt das Elektron auf einer Kreisbahn seine Energie ab?
Die Beschleunigung ist die Coulombkraft geteilt durch die Masse des Elektrons, a = F C m e = 1 4πɛ 0 Z e 2 r 2. Setzen wir für r den bisher gefunden Radius r 1Å ein, so finden wir a 10 22 m/s 2! In den Ausdruck für die Abstrahlungsrate R eingesetzt, finden wir, dass das Elektron ca. 10 7 J/s abstrahlt. Dies entspricht etwa R 10 12 ev/s, womit die Lebensdauer eines Atoms etwa τ 10 12 Sekunden sein müsste. Offensichtlich leben wir länger...
Das Bohrsche Atommodell Niels Bohr 1913 schlug die folgenden Bohrschen Postulate vor: Elektronen bewegen sich auf Kreisbahnen um den Atomkern und gehorchen der klassischen Physik. Der Drehimpuls der Elektronen ist gequantelt, L = n h, wo n eine natürliche Zahl ist. Das Elektron emittiert trotz seiner beschleunigten Bewegung keine elektromagnetische Strahlung. Springt das Elektron von einer höheren Bahn der Energie E i in eine niedrigere Bahn der Energie E f ( Quantensprung ) so emittiert es die Energie E = E i E f, die Frequenz der Strahlung ist ν = E/h.
Energieniveaux im Bohrschen Atommodell E[eV] -0.85-1.51-3.4-13.6 UV NUV vis Lyman (Ly) IR Kontinuum Paschen (Pa) Balmer (Ba) nicht im Bild: Brackett IR Pfund IR n = n = 4 n = 3 n = 2 n = 1 Nach der Voraussage der Bohrschen Atomtheorie musste es neben der Balmer-Serie auch andere Emissionslinien, allerdings im Ultravioletten und im Infraroten geben. Diese wurden von Lymann, Paschen, Brackett und Pfund gefunden. Das Bild links beschreibt die Entstehung der Serien und heisst Termsschema.
Serie Typ Formel n Lymann UV κ = R H ( 1/1 2 1/n 2) n = 2, 3,4,... Balmer UV,vis. κ = R H ( 1/2 2 1/n 2) n = 3, 4,5,... Paschen IR κ = R H ( 1/3 2 1/n 2) n = 4, 5,6,... Brackett UV κ = R H ( 1/4 2 1/n 2) n = 5, 6,7,... Pfund UV κ = R H ( 1/5 2 1/n 2) n = 6, 7,8,...
Größe des Borschen Atoms Die Größe des Bohrschen Atoms lässt sich leicht abschätzen: µv 2 r = 1 Ze 2 4πɛ 0 r 2, L = µvr = n h, folglich v = n h µr r = Ze2 4π 2 µ 2 r 2 4πɛ 0 µn 2 h 2 = n2 Z ɛ0h 2 πµe 2. Der Term heisst Bohr-Radius. a 0 = ɛ 0h 2 πµe 2 0.529Å
Energieniveaus im Bohrschen Atom Die totale Energie eines Elektrons im Bohratom ist wo E tot = E kin + E kin = 1 2 E pot + E kin = 1 Ze 2, 24πɛ 0 r n r n = n2 h 2 ɛ 0 πµze 2. Damit E = 1 Z 2 e 4 µ 8ɛ 0 h 2 n 2 = Z 2 R y n 2, wo R y = µe4 8ɛ 2 0 h2 von µ abhängig ist. Um eine einheitliche Konstante zu erhalten, wird oft R y verwendet, die Rydbergkonstante für unendlich schwere Kerne (bzw. Elektronen mit m e = 0).
Frequenz der emittierten Strahlung Nach dem dritten Bohrschen Postulat gilt ν if = E i E f h = Z2 R y h ( 1 n 2 i 1 n 2 f ). Diese Frequenz unterscheidet sich für Isotope deselben Elementes, denn ν if = µe4 Z 2 8ɛ 0 h 3 ( 1 n f 1 n 2 i ),
wo z. B. für Wasserstoff, Deuterium und Tritium µ H = m e m p m p + m e = µ D = m e 2m p 2m p + m e = µ T = m e 3m p 3m p + m e = m ( e 1 + m m e e 1 m e m p m p m e 1 + m e 2m p m e m e 1 + m e 3m p m e ), ( 1 m e 2m p ( 1 m e 3m p ), ).
Quantisierung des Drehimpulses Warum kommt im Bohrschen Atom dieselbe Konstante h vor, wie im Planckschen Strahlungsgesetz? Eine Antwort auf diese Frage wurde 1916 von Wilson und Sommerfeld gefunden, welche sog. Quantisierungsreglen fanden: Physikalische Systeme in denen Koordinaten periodische Funktionen der Zeit sind, gibt es eine Quantisierungsregel für jede Koordinate: p q dq = n q h, wo q eine der Koordinaten und p q der zugehörige Impuls ist. n q ist die ganzzahlige Quantenzahl und die Integration über eine Periode von q ist.
Beispiel: Der harmonische Oszillator E = E kin + E pot = p2 x 2m + kx2 2, bzw. p 2 x 2mE + x2 2(E/k) = 1, was im p q q Phasenraum eine Bewegung auf einer Ellipse darstellt - das Phasendiagramm eines harmonischen Oszillators. Das System bewegt sich in einer Periode einmal um die ellispe mit Halbachsen a = 2E/k und b = 2mE und Fläche πab. Damit p x dx = πab = 2πE k/m.
Die Frequenz der Schwingung ist aber 2πν = k/m, womit p x dx = E/ν = n x h, bzw. E = nhν. Die erlaubten Schwingungen sind eine Folge von Ellipsen im Phasenraum. Diese unterscheiden sich jeweils um eine Fläche h. Die klassische Physik entspricht dem Grenzwert h 0. Das Phasenintegral p x dx entspricht dem Integral über die Wirkung (siehe Mechanik), also entspricht die Plancksche Quantisierung der Quantisierung der Wirkung.
Beispiel: Das Bohrsche Atom In diesem Fall bewegt sich ein Elektron auf einer Kreisbahn (Bohr I) um einen Kern, es hat einen konstanten Drehimpuls L. Der Winkel θ ist damit eine periodische Funktion der Zeit. Damit p q dq = Ldθ = L 2π 0 dθ = 2πL = nh, bzw. L = n h, das Bohrsche Quantisierungsgesetz. Wir sehen also, dass sowohl die Plancksche wie auch die Bohrsche Quantisierung als Konsequenz der Wilson-Sommerfeldschen Quantisierungsregel aufgefasst werden können.
Die Interpretation von de Broglie De Broglie gab eine weitere Interpretation für die Bohrsche Quantisierungsregel. Mit L = mvr = pr = h r = n h = nh λ D 2π n = 1 sehen wir unmittelbar, dass nur solche Kreisbahnen des Elektrons in Frage kommen, welche einen Umfang haben, welcher gerade ein Vielfaches der n = 2 de-broglie Wellenlänge λ D des Elektrons betragen. dies bedeutet nichts anderes, als dass nur n = 3 solche Bahnen in Frage kommen, in denen die Wahrscheinlichkeitsamplitude des Elektrons im atomaren Potential einen stehende Welle bildet.
Das Sommerfeldsche Atommodell n θ = 1 n = 1 n θ = 3 n = 3 n θ = 2 n = 2 n θ = 1 n θ = 2 n θ = 1 Genaue Beobachtungen der Wasserstoffspektrums zeigen eine Feinstruktur, gewisse Linien erscheinen doppelt, also gespalten. Sommerfeld konnte diese Feinstruktur dadurch erklären, dass er für die Elektronen elliptische Bahnen postulierte. In diesem Fall ist nicht nur der Drehimpuls quantisiert, sondern sowohl der Radius r wie auch der Winkel θ, Ldθ = n θ h, p r dr = n r h sowie eine Bewegungsgleichung im Zentralfeld. Aus diesen Gleichungen errechnete
Sommerfeld die Halbachsen der Ellipsenbahnen sowie ihre Energie E. a = 4πɛ 0n 2 h 2 µze 2, b = n ( ) 2 θ 1 n a, E = µz 2 e 4 4πɛ 0 2n 2 h 2, wo n = nθ + n r. Die Feinstruktur ist damit noch nicht erklärt. Der Geschwindigkeitsunterschied auf den elliptischen Bahnen im Vergleich zu den Bohrschen Kreisbahnen führt zu kleinen relativistischen Korrekturen in der Größenordnung von 10 4, welche die Feinstruktur im Wasserstoffatom erklären konnten. E = µz2 e 4 (4πɛ 0 ) 2 2n 2 h 2 [1 + α2 Z 2 n ( 1 3 )], n θ 4n
wo α die dimensionslose Feinstrukturkonstante ist, α = 1 4πɛ 0 e 2 hc 1 137. n = 3, n θ = 3 n = 3, n θ = 2 n = 3, n θ = 1 n = 2, n θ = 2 n = 2, n θ = 1 Untersuchungen haben dann gezeigt, dass nicht alle Übergänge stattgefunden haben, sondern nur solche mit n θi n θf = ±1. n = 1, n θ = 1 Solche Regeln nennt man Auswahlregeln. sie wählen aus allen möglichen Übergängen die erlaubten aus (im Termschema durchgezogene Linien). Die Sommerfeldsche Erklärung funktioniert nur für Wasserstoff.
Probleme mit dem Bohrschen Atommodell Trotz der Erfolge der alten Quantentheorie (wie z. B. die hier nicht erwähnte Erklärung der Wärmekapazität von Festkörpern bei tiefen Temperaturen, gibt es Gründe zu glauben, dass die Reise hier noch nicht beendet ist: Wir können nur systeme beschreiben, die periodisch sind. Wir können die unterschiedlichen Übergangswahrscheinlichkeiten nicht erklären. Wir können nur Ein-Elektron-Atome wie die Alkali-Metalle Li, Na, K, Rb und Cs beschreiben. Die alte Quantentheorie ist eine eigenartige und unbefriedigende Mischung aus moderner und klassischer Physik.