Schwangerschaft und Schilddrüse Andreas Niesen Nuklearmedizinische Klinik Praxis für Nuklearmedizin
Jeder 3. hat ein Schilddrüsenproblem!
Schilddrüse - Erfolgsorgane Nervensystem Schilddrüse Herz Muskel Knochen Darm Keimdrüsen
Schilddrüsen-Überfunktion Symptome Nervosität, innere Unruhe und Zittern, Schlafstörungen, Stimmungsschwankungen Gewichtsabnahme trotz unverändertem oder sogar gesteigertem Appetit verstärktes Schwitzen, Wärmeintoleranz sowie eine warme, feuchte Haut Haarausfall Beschleunigung des Herzschlags Durchfälle und Zyklusstörungen sind möglich
Schilddrüsen-Überfunktion Ursachen M. Basedow Funktionelle Autonomie (diffus, warme Knoten) Ausgelöst z.b. durch Iod-haltiges Röntgen-KM Schilddrüsenhormonüberdosierung Immunsystem Hormonell: Pubertät, Post partum, Klimakterium
Schilddrüsen-Unterfunktion Symptome verlangsamter Herzschlag Gewichtszunahme, Verstopfung Depression Verlust der Libido, Menstruationstörungen Müdigkeit, Antriebsarmut, ein gesteigertes Schlafbedürfnis sowie Gedächtnisstörungen Kälteempfindlichkeit, Frieren Eine Unterfunktion bei Schwangeren kann beim Kind Kretinismus verursachen
Schilddrüsen-Unterfunktion Ursachen Bei Neugeborenen: Fehlende Schilddrüsenanlage oder Iod-Verwertungsstörung Bei Erwachsenen: aufgrund einer Entzündung, nach einer medizinischen Behandlung: - Schilddrüsenoperation oder -bestrahlung, - Radiojodtherapie - durch Medikamente (z.b.thyreostatika) Selten durch Probleme im Gehirn (z.b. Tumor der Hirnanhangsdrüse)
Jeder Dritte in Deutschland ist krank an der Schilddrüse, aber Also, die Schilddrüsenwerte sind normal. Dann kann ihre Schilddrüse auch eigentlich nicht krank sein. Schilddrüsendiagnostik, wenn - Laborwerte nicht in Ordnung - Klinische Symptomatik - Morphologische Veränderungen (Palpation, Sonographie)
Schilddrüsendiagnostik Anamnese Inspektion, Palpation, klinische Untersuchung Labor (TSH, ft3, ft4, MAK, TAK, TRAK, htg) Sonographie, evtl. Feinnadelpunktion (FNP) Szintigraphie (Tc-99m, Jod-123, Jod-131) (MRT, CT ohne KM)
Schilddrüse bei Kinderwunsch Diagnostik: Trotz fehlender Leitlinienempfehlung: Generelles TSH-Screening bei Frauen mit Kinderwunsch und Schwangeren. Besonders wichtig bei positiver Familienanamnese und Vorerkrankung Initial: TSH und TPO-AK Bei path. Befund: FT4, FT3, Sonographie, TRAK Mitchell,M.L., Klein;R.Z. The sequelae of untreated maternal hypothyroidism. Eur J.Endokrinol. 2004:1 (Suppl 3): U45 U48 Dietlein,M. et al.: Screening und Therapie..unter dem Aspekt von Kosten und Nutzen. Nuklearmedizin 2003 : 42: 181-189
Schilddrüse bei Kinderwunsch Therapie: Behandlung auch von subklinischen Hypothyreosen Dosierung von L-Thyroxin nach TSH (TSH - Absenkung in den unteren Normbereich: ca. 1) Bei Hyperthyreose: Niedrig dosiert Thyreostatika oder definitive Th. vor SS Abalovich,M. et al.:an Endocrine Society Clinical Practice Guideline. J. Clin. Endocrinol. Metab. 2007: 92, 1 47 Demers,L.M., Spencer, C.A.:Clin. Endocrinol. (Oxf.) 2003; 58: 138-140 Janssen O.E., Benker,G.: Schilddrüse:Reproduktionsmed. Aspekte. Update 2011
M. Basedow bei Frauen mit Kinderwunsch 1.Thyreostatische Therapie möglich, wenn: Thyreostatikabedarf niedrig (<15 mg Thiamazol, <20 mg Carbimazol, <150 mg PTU) Struma klein (<40-50 ml) 2. Op. vor erneuter SS empfehlen, wenn: früherer Thyreostatikabedarf hoch (>20 mg Thiamazol/ Carbimazol, > 200 mg PTU) Struma groß Struma schwirrend Immunologische Aktivität hoch (TRAK) Remissionswahrscheinlichkeit gering
SD-Funktionsstörungen und weibliche Fertilität: Fazit Hyperthyreosen sind nur selten Ursache einer Infertilität bei der Frau Hypothyreosen auch subklinisch führen zu Hyperprolaktinämie, Corpus Luteum-Insuffizienz und zur Einschränkung der Fertilität Die Therapie mit L-T4 führt zum Eintritt einer Schwangerschaft bei ca. 33% der Frauen
Schilddrüse und Schwangerschaft Jede Schwangerschaft geht mit physologischen Veränderungen der SD-Funktionsparameter einher DD echte SD-Fehlfunktion SD-Funktionsstörungen können zu Komplikationen im Schwangerschaftsverlauf führen und negative Auswirkungen auf die Entwicklung des Feten haben
SD-Veränderungen in der Schwangerschaft 50%-iger Mehrbedarf an LT4 durch dtl. Anstieg TBG Zunahme des Verteilungsvolumen für SD-H Beschleunigung des LT4-Metabolismus Jodversorgung - Bedarf erhöht Erhöhtes Plasmaverteilungsvolumen Erhöhte Jodidclearance
Jodstoffwechsel in der Schwangerschaft GFR, renale Jodidclearance Hämodilution, Zunahme von Zellmasse und Bindungsprotein (TBG), vergrößerter Jodverteilungsraum Mütterliche Jodverluste an den Feten Verminderte Plasmajodidkonzentration Thyreoidale Jodidclearance Erhöhter Jodidbedarf ( ~ 260 µg/tag) Dawson,A., Schröer, A., Hehrmann,R.: Physiologische Veränderungen der Schilddrüsenfunktion in der Schwangerschaft. Gynäkologische Endokrinologie 4: 2009, 219-232
Empfehlungen der täglichen Jodzufuhr (Jodbedarf) 90 μg für Kleinkinder (0-59 Monate); 120 μg für Schulkinder (6-12 Jahre); 200 μg für Jugendliche (>12 J.)/Erw. 250 μg für Schwangere und Stillende In Deutschland zusätzl. 150 µg Jod/Tag - auch bei Autoimmunthyreopathie! WHO/UNICEF/ICCIDD. Assessment of the iodine deficiency disorders and monitoring their elimination. Geneva: Publication WHO/NHD/01.1:1-107, 2007.
Prävention und Therapie der Struma in der Schwangerschaft Moderater (<100 µg/d) und ausgeprägter Jodmangel (<50 µg/d) führen zu 1. Strumawachstum der Mutter 2. Erhöhte Prävalenz konnataler Struma und konnataler Hypothyreose Beides lässt sich durch Jodid (200-300µg Gesamtzufuhr pro Tag) verhindern Bei vorbestehender Struma der Mutter verhindert Jodid+T4 das weitere Strumawachstum
Schilddrüsenvolumen in der Schwangerschaft: Effekt der Jodprophylaxe (Bohnet 1990) 35 30 mit Jod ohne Jod 25 20 15 10 5 0 vor Schw. 1.Trim. 2. Trim 3. Trim. nach Geb
Schilddrüsenvolumen in der Schwangerschaft unter Therapie mit Jodid + Thyroxin (Bohnet)
Prävention und Therapie der Struma in der Schwangerschaft Schwangere ohne Struma: Jodidtherapie (100 (200) µg/tag) (für Mutter und Kind) Schwangere mit Struma: L-Thyroxin (75 150 µg/tag) + Jodid (100 (200) µg/tag) (- Kombinationstherapie der Mutter, - Jodidprophylaxe des Kindes)
Schilddrüsendiagnostik in der Schwangerschaft Morphologie: Lokalbeschwerden Tastbefund Sonographie (Zytologie) Kein Szintigramm!! Funktion: TSH sensitiv FT4, FT3 (TT4, TT3) (TBG) AK bei V.a. AIT
Diagnostische Besonderheiten in der Schwangerschaft hcg-anstieg mit Gipfel 10.- 12. SSW TSH fällt im 1. Trimenon ab durch vermehrte HCG-Stimulation und transiente T4-Mehrsekretion TSH-Anstieg im 2. und 3. Trimenon wieder innerhalb des Normbereichs TSH-Werte bei Geburt höher als bei Eintritt der SS, aber im NB
Komplikationen der Hypothyreose Bei der Mutter: Spontanaborte Früh- bzw. Todgeburten Präeklampsie Anämie Plazentariss Postpartale Hämorrhagien Beim Kind: Niedriges Geburtsgewicht erhöhte Perinatale Sterblichkeit Kongenitale Anomalien Fetale/neonatale Struma Beeinträchtigung der neurokognitiven Entwicklung (irreversibel)
Ursachen von Hypothyreosen in der Schwangerschaft 1. Autoimmunthyreoiditis Hashimoto 2. Z. n. Strumaresektion 3. Z. n. Radiojodtherapie 4. Thyreostatische Therapie
Manifeste und subklinische Hypothyreose in der Schwangerschaft 150 Schwangerschaften bei 114 Frauen mit manif./ subkl. Hypothyreose 51 Schw. traten unter Hypothyreose ein (34%), 16 manifeste, 35 subklinische Hypo. 99 Schw. euthyreot unter Substitution Abortrate vor Konzeption: - 4% bei Euthyreose - 31,4% bei Hypothyreose Abalovich,M.,Gutierrez,S. et al.:thyroid 12 (2002), 63 68
Manifeste und subklinische Hypothyreose in der Schwangerschaft Abortrate bei manifester Hypothyreose 60%, bei subklinischer Hypothyreose 71,4% Frühgeburten bei manifester Hypothyreose 20%, bei subklinischer Hypothyreose 7,2% L-T4-Substitution vor der Schwangerschaft musste bei 69 % erhöht werden Abalovich,M.,Gutierrez,S. et al.:thyroid 12 (2002), 63 68
Therapie der Hypothyreose in der Schwangerschaft (1) Frauen mit manifester Hypothyreose sind oft infertil, mit latenter Hypothyreose subfertil Selten eintretende Schwangerschaften sind kompliziert durch Aborte, Frühgeburten Die kindliche Schilddrüsenentwicklung ist meist ungestört Die Therapie erfolgt wie außerhalb der Schwangerschaft mit L-Thyroxin, das TSH muss normalisiert werden
Therapie der Hypothyreose in der Schwangerschaft (2) Bei Entdeckung in der SS: sofortige Substitution von L-T4, Dosierung nach Klinik und TSH (!!) Bei bekannter Hypothyreose: Fortführung der L-T4-Substitution; > 50% benötigen mehr L-T4 (Dosisanpassung nach TSH) Die Therapie reduziert die Komplikationen des Schwangerschaftsverlaufes
(Subklinische) Hypothyreose in der SS: Auswirkung auf den Feten TSH erhöht(13),t4 niedrig bei 62 von 25216 Müttern 62 Kinder bei Geburt euthyreot, 124 Kontrollkinder 15 Tests zur mentalen und neuropsychologischen Entw. In fast allen Test gering schlechtere Ergebnisse, aber nicht signifikant, Ausnahme: Wechsler-Intelligenz-Test: 15% unter Score 85, nur 5% der Kontrollen unter 85; Gesamtscore 4 Punkte niedriger als Kontrollen (101 vs. 105) Haddow, J.E. et al.: NEJM 41 (1999) 3-9: Maternal thyroid deficiency during pregnancy and subsequent neuropsychological development in the child.
Therapie der (milden) Hypothyreose in der Schwangerschaft : Fazit Thyroxin - Substitution zunächst in gleicher Dosierung wie vor der Schwangerschaft Engmaschige Kontrollen alle 4 Wochen Bei TSH-Erhöhung: Dosisanpassung (bei ca. 50 75% der Frauen nötig) TSH unbedingt im unteren Normbereich halten
Hyperthyreosen in der Schwangerschaft Ätiologie der Hyperthyreosen Morbus Basedow ( >85%) Autonomes Adenom ( ca.10%) Gestationshyperthyreose (HCG-induziert z.b. Blasenmole, Chorion-Ca.) Hyperthyreosis factitia De Quervain Thyreoiditis (kasuistisch) Hashimoto-Thyreoiditis (kasuistisch)
Klinik der Hyperthyreosen in der Schwangerschaft Symptome, die auch bei normaler Schwangerschaft vorkommen: Tachycardie, innere Unruhe Emotionale Labilität Wärmeintoleranz Schweißneigung Übelkeit, Erbrechen
Komplikationen der Hyperthyreose Bei der Mutter: Aborte Frühgeburten Präeklampsie Herzinsuffizinenz Beim Kind: Erhöhte Missbildungsrate Konnatale Hyperthyreose (durch AK-Transfer) Unter Thyreostatika der Mutter: Risiko einer - Konnatale Struma - Konnatale Hypothyreose
Therapie der Hyperthyreose in der Abwägung zwischen Schwangerschaft (1) Risiko einer unzureichend kontrollierten Hyperthyreose (Mutter und Kind) Gefahr einer iatrogenen Hypothyreose beim Feten Thyreostase meist nur bei M. Basedow notwendig
Therapie der Hyperthyreose in der Schwangerschaft (2) Bei manifester Hyperthyreose: Sofortige Therapie bei Diagnosestellung Thyreostatische Monotherapie in möglichst niedriger Dosierung FT4 und FT3 werden in den oberen Normbereich gesenkt, dann die Dosis reduziert Keine Kombinationstherapie mit L-T4 wegen erhöhtem Thyreostatikabedarf
Therapie der Hyperthyreose in der Schwangerschaft (3) Initialdosis Dauertherapie Thiamazol 5 15 mg 2.5 10 mg Carbimazol 5 20 mg 2.5 15 mg PTU (3x tgl./hwz) 100 300 mg 25 150 mg
Thyreostatika in der Schwangerschaft Thiamazol/Carbimazol Einzelfälle von Missbildungen: Aplasia cutis vort.con Choanalatresie Ösophagusatresie In Studien: keine erhöhte Missbildungsrate PTU Leberschädigungen, teilweise gravierend ANCA-positive Vaskulitiden
Therapie der Hyperthyreose in der Schwangerschaft (4) Empf.: PTU im 1. Trimeneon (Organogenese), danach Thiamazol/Carbimazol, ggf. passager Propranolol Kontrolle: Klinik und ft3/ft4 alle 4 Wochen Sämtliche Medikamente mit sehr hohem Jodgehalt >500µg (?>300 µg) sind bei Mutter und Kind kontraindiziert In der Stillzeit gelten die gleichen Therapiekriterien wie in der Schwangerschaft
Thyreostatika in der Stillzeit Thyreostatika gehen in die Muttermilch über (PTU fraglich geringer als Thiamazol und Carbimazol) Bei Einhaltung der oberen Grenzdosen in der SS kann mit PTU, Carbimazol und Thiamazol behandelt werden
Fetale Schilddrüsenentwicklung 3. SSW: Wanderung der SD-Anlage vom Zungengrund nach caudal 5. SSW: Schilddrüse zweilappig ventral des Schildknorpels 10.-12. Jodspeicherung, Thyroninsynthese SSW: Histologische Differenzierung von Hypophyse und Hypothalamus 12.-18. Reifung der hypophysär-thyreoidalen SSW: Regulation; Anstieg (Sekretion) von T4,TSH
Fetale Schilddrüsenentwicklung: SD-Hormonkonzentrationen beim Feten
Physiologie des Plazentatransfers Grenzwertige Schilddrüsenbefunde, Aufgepasst bei Schwangeren und Jugendlichen, K. Frank-Raue, Der Hausarzt, 02/2007, S 28-42
Post-Partum- Hyperthyreose: Ursachen Häufig: > 95% Selten: < 3 5% 1. Post-Partum (silent) Thyreoiditis ~ 80% 2. M. Basedow ~ 15% 1. Autonomes Adenom 2. De Quervain Thyreoiditis 3. Hyperthyreosis factitia 4. Jodinduzierte Hyperthyreose
Post-Partum-Thyreoiditis: Charakteristika Beginn Alter TPO-AK Struma Sonographie Tc-Uptake Funktion Dauer Danach 4-8 Wochen pp, plötzlich < 30 Jahre positiv 0 I Echoarmes BRM niedrig initial milde Hyperthyreose ca. 2 Monate fakultativ Hypothyreose
Post-Partum-Thyreoiditis: Prävalenz in Deutschland Manifeste Hypothyreosen: keine Manifeste Hyperthyreosen: Gießen/Kiel: 1.8%, aber 2.5% in der SS Hannover: keine Fazit: Im Jodmangelgebiet BRD (1991) sind Post-partum-Thyreoditiden viel seltener als z.b. in USA, Kanada, Japan Aktuelle epidemiologische Untersuchungen bei besserer Jodversorgung fehlen