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Transkript:

Entscheidung unter Risiko Entscheidungstheoretische Grundlagen Ein Entscheider, seine Entscheidung betrifft nur ihn selbst, aber es gibt Risiko: Risikopräferenzen: Ein Eckpfeiler des Verhaltens (neben Zeitpräferenzen, sozialen Präferenzen und strategischer Denktiefe) Yves Breitmoser, HU Berlin Themen: Risiko, Unsicherheit, Risikoaversion Risiko-Nutzenfunktion, Existenz, Allais-Paradoxon CARA, CRRA, Rabin-Paradoxon Framing, Verlustaversion, Prospect-Theorie Ambiguity-Aversion, Ellsberg-Paradoxon 1 Risiko oder Unsicherheit? Risiko: Fairer Würfel W, Entscheidung zwischen A 50 sicher B 100 Gewinn bei W 3, 0 sonst (W 4) Unsicherheit: Bundestagswahl 2013, Entscheidung zwischen A 50 sicher B 100 Gewinn falls A. Merkel Kanzlerin bleibt, 0 sonst Grundlagen Unterschied: Objektive Wahrscheinlichkeiten Risiko Subjektive Wahrscheinlichkeiten Unsicherheit Ansonsten analog. Aber: Wie werden subjektive Wahrscheinlichkeiten gebildet? Eines der Hauptprobleme in Spieltheorie, und kommt später. 2 3

Risikoaversion Noch einmal: Fairer Würfel W {1,..., 6}, Entscheidung zwischen A 50 sicher B 100 Gewinn bei W 3, 0 sonst (W 4) Sicherheitsäquivalent Fairer Würfel W {1,..., 6}, Entscheidung zwischen A x sicher B 100 Gewinn bei W 3, 0 sonst (W 4) Bei welchem x sind Sie indifferent? Was würden Sie wählen? Bei 50 Cent, Groschen, Euro, Tausendern? Die meisten wählen A. Warum sollte man das Risiko (Option B) eingehen? Im Allgemeinen: tendentiell Risikovermeidung, Risiko muss sich lohnen Das ist Risikoaversion (oder Risikoscheue) Ausnahme: Lotto (Risikoaffinität, Risikofreude, Risikosuchend) Dieses x ist Ihr Sicherheitsäquivalent zur Lotterie B Das Sicherheitsäquivalent ist individuell, abhängig von den eigenen Risikopräferenzen Wir unterscheiden: x < 50 Risikoaversion x = 50 Risikoneutralität x > 50 Risikofreude 4 5 Sicherheitsäquivalent vs. Erwartungswert Fairer Hekatoeder H {1,..., 100}, Entscheidung zwischen A x sicher B 100 Gewinn bei H z, 0 sonst Bei welchem x sind Sie indifferent (z.b. bei z = 20, 40, 60, 80)? Präferenzordnung Fairer Hekatoeder H {1,..., 100}, Entscheidung zwischen 1 x 1 Gewinn bei H z 1, 0 sonst (x 1, z 1 ) 2 x 2 Gewinn bei H z 2, 0 sonst (x 2, z 2 ) 3 x 3 Gewinn bei H z 3, 0 sonst (x 3, z 3 ). Was ist der Erwartungswert (bspw. bei z = 20)? z 100 z 100 100 + 100 0 = z Es gibt viele solcher Optionen (x i, z i ) Bei Risikoaversion: x z Sicherheitsäquivalent ist kleiner als Erwartungswert der Lotterie Dies ist die Grundlage von Versicherungsunternehmen Versicherung übernimmt Risiko gegen Prämie y, mit x y z Gewinn Versicherung ist z y, Gewinn V-Nehmer ist y x Angenommen, es gibt eine vollständige Präferenzordnung Für alle Paare (x i, z i ), (x j, z j ) gilt (x i, z i ) (x j, z j ) oder (x j, z j ) (x i, z i ) Dann ergeben sich Indifferenz: (x i, z i ) (x j, z j ), wenn (x i, z i ) (x j, z j ) und (x j, z j ) (x i, z i ) Strikte Präf.: (x i, z i ) (x j, z j ), wenn (x i, z i ) (x j, z j ) und (x j, z j ) (x i, z i ) 6 7

Konsistenz H ist stetig auf [0, 100], es gibt viele Optionen (x i, z i ) Option i x i Gewinn bei H z i, 0 sonst Notation: x (x i, z i ) bedeutet Indifferenz zwischen x sicher und (x i, z i ) Drei sinnvolle Annahmen über die Präferenzordnung Lösbarkeit: Für jedes x x i gibt es ein z i, so dass x (x i, z i ) Dominanz: Wenn z i > z j und x i > x j, dann (x i, z i ) (x j, z j ) Konsistenz: Wenn x (x i, z i ), dann (x, λ) ( (x i, z i ), λ ) (x mit W-keit λ ist genauso gut wie Doppellotterie (x i, z i ) mit W-keit λ) Konsistenz und Nutzenmaximierung 8 Überraschung! Dann existiert eine Nutzenfunktion U, und der Entscheider agiert, als würde er den Erwartungswert EU seines Nutzens maximieren Nutzenfunktion U: Weist jedem x i einen Nutzenwert U(x i ) zu Erwartungsnutzen EU einer Lotterie: EU = U(x i ) z i 100 + U(0) 100 z i 100 9 Nutzenmaximierung Unsere entscheidende Annahme ist also nicht Nutzenmaximierung, sondern Konsistenz der Präferenzen Wenn die Präferenzen konsistent sind, dann agiert der Entscheider, als würde er seinen Nutzen maximieren. Sind Präferenzen konsistent? Nicht ganz. Es gibt sowohl zufällige Schwankungen als auch systematische Abweichungen. Zufällige Schwankungen werden in modernen Analysen oft berücksichtigt. Beispiele folgen in späteren Vorlesungen. Viele systematische Abweichungen sind recht gut verstanden und können in Analysen berücksichtigt werden. Beispiele dazu folgen jetzt. Gegenbeispiele 10 11

Das Allais-Paradoxon (Allais, 1953) Wählen Sie zwischen A 100 sicher B 100 mit 89%, 0 mit 1%, 500 mit 10% Und nun zwischen C 100 mit 11%, 0 mit 89% D 500 mit 10%, 0 mit 90%, Normalerweise: A B und D C, Widerspruch zu Konsistenz! Lösung: Wahrscheinlichkeitsgewichtung (werden wir nicht machen) Ereignisse, die selten und extrem sind, werden übergewichtet Erklärt auch Neigung zu Lotto Kurzer Nachweis des Widerspruches zur Konsistenz Wenn man A in der ersten Lotterie wählte, dann gilt U(100) > 0.89 U(100) + 0.01 U(0) + 0.1 U(500) Wenn man D in der zweiten Lotterie wählte, dann gilt 0.89 U(0) + 0.11 U(100) < 0.90 U(0) + 0.1 U(500) Dies ist äquivalent zu (erst Subtraktion von 0.89 U(0) auf beiden Seiten, dann Addition von 0.89 U(100) auf beiden Seiten) 0.11 U(100) < 0.01 U(0) + 0.1 U(500) 1 U(100) < 0.89 U(100) + 0.01 U(0) + 0.1 U(500) Wenn man D in der zweiten Lotterie wählt und den Erwartungsnutzen maximiert, dann müsste man also B in der ersten Lotterie wählen. 12 13 Nutzenfunktionen Wir wissen also, Menschen mit konsistenten Präferenzen haben Nutzenfunktionen und i.a. sind sie risikoavers. Wie können wir das in Analysen einfließen lassen? Wir müssen Geldwerte durch Nutzen dieses Geldwertes ersetzen Dafür benötigen wir Nutzenfunktionen u : R R wie vielleicht folgende Konstante Absolute Risikoaversion (CARA): u(x) = 1 e α x Hier ist die Abs. RA konstant: A(x) = u (x)/u (x) = α Abs. RA = Krümmung der Nutzenfunktion (normalisiert) ist konstant wenn man x + a vs. x b bei 50-50 ablehnt, dann auch x + a vs. x b Konstante Relative Risikoaversion (CRRA): u(x) = x 1 ρ /(1 ρ) Nutzenfunktionen RA falls ρ 0. Bei ρ 1 ergibt sich u(x) = log x Hier ist die Rel. RA konstant: R(x) = x u (x)/u (x) = ρ Skaleninvarianz: Konstante Risikoeinstellung in Euro wie in Cent wenn man x a vs. x/b bei 50-50 ablehnt, dann auch x a vs. x /b 14 15

Das St.-Petersburg Paradoxon (Bernoulli, 18. Jh) Lotterie: Faire Münzen wird geworfen bis Zahl kommt: k 0 Mal Auszahlung: beginnt mit 1, wird nach jedem Kopf -Wurf verdoppelt: A(k) = 2 k 2 Euro bei 1 Kopf, 4 Euro bei 2 Kopf, 8 Euro 3 Kopf,... Wieviel ist Ihnen diese Lotterie wert? Erwartungswert = 1 2 20 + 1 4 21 + 1 8 22 + 1 16 23 = Soviel bezahlt niemand. Weil wir risikoavers sind? Seien u(x) = log(x) der Nutzen und A(k) = e 2k die Auszahlung Dann ist der Erwartungsnutzen unendlich, aber auch hier zahlt niemand Ähnlich ist es bei allen unbeschränkten Nutzenfunktionen Problem für die Nutzentheorie? Eher nicht. Mögliche Erklärung des Verhaltens: Absurdes Spiel: Preise über 2 30 1 Milliarde Euro kann niemand auszahlen Mit dieser Grenze ist der Erwartungswert nur noch 16 Euro Das Rabin-Paradoxon (Rabin, 2000) Annahme: Man lehnt bei jedem Vermögen w die Lotterie +11 mit 50% vs. 10 mit 50% ab. u(w + 11) u(w) u(w) u(w 10), bzw. u (w + 11) u (w 10) 10/11 Die Steigung von u() fällt um mind. 10/11, wenn man 21 Euro mehr hat, um (10/11) 2 bei 42 mehr, um (10/11) 3 bei 63 mehr,... Nutzen hat obere Schranke u( ) u(w) + 21 11 u (w) In die andere Richtung steigt sie um den gleichen Betrag (11/10), wenn man 21 Euro weniger hat, und auch wieder exponentiell Nutzen fällt schnell ab, unter u(w) 21 11 u (w) schon bei w 100 Entscheider lehnt 50 50 Lotterien ab, wenn er dabei 100 Euro verlieren kann, selbst wenn er unendlich viel gewinnen würde Problem: Annahme ist unrealistisch, sie widerspricht CRRA (und auch Prospekt Theorie, kommt gleich) 16 17 Verlustaversion Ihre Geschäfte liefen gut. Wählen Sie zwischen A 50 Gewinn sicher B 100 Gewinn mit 50%, 0 mit 50% Ihre Geschäfte liefen schlecht. Wählen Sie zwischen A 50 Verlust sicher B 100 Verlust mit 50%, 0 mit 50% Prospekt-Theorie Es gibt eine Steuerrückzahlung von 100! Nur die Geschäfte liefen schlecht. Wählen Sie zwischen A 50 Verlust sicher B 100 Verlust mit 50%, 0 mit 50% Übliches Muster A, B, B: Sicherheit bei Gewinnen, Risiko bei Verlusten (Eigentlich ist Lotterie 1 aber äquivalent zu Lotterie 3 der Unterschied ist Framing) 18 19

Anderer Fall: Eine Epidemie ähnlich der Vogelgrippe greift um sich. Es wird erwartet, dass ca. 600 Personen daran sterben werden. Problem 1 Es stehen zwei Aktionspläne zur Verfügung, die unterschiedlich riskant sind. Wählen Sie einen. A 200 Personen sicher retten B mit W-keit 1/3 alle 600 retten, mit 2/3 niemanden Problem 2 Es stehen nun zwei andere Aktionspläne zur Verfügung, die aber wieder unterschiedlich riskant sind. Wählen Sie einen. A 400 Personen sterben lassen B mit W-keit 1/3 wird niemand sterben, mit 2/3 sterben alle 600 Oft erst A dann B Verlustaversion auch in nicht-monetären Problemen Prospekt-Theorie (Kahneman and Tversky, 1979) Risikoaversion bei Gewinnen, Risikofreude bei Verlusten Alles wird in Relation zum Status Quo bewertet Nutzenfunktion ist konkav bei Gewinnen, konvex bei Verlusten Nutzen des Betrags x bei Status Quo x = 0 u(x) = { x α, wenn x 0 β ( x) α, wenn x 0 Dies ist eine allgemein recht nützliche Risiko-Nutzenfunktion Erklärt Sunk-cost-Effekte, Framing-Effekte (Beschreibung als Gewinn oder Verlust), Endowment-Effekt (Kaufen vs. Zurückkaufen) sie enthält Verlustaversion vermeidet dadurch das Rabin-Paradoxon Übliche Parameter: α = 0.88, β = 2.25 20 21 Das Ellsberg-Paradoxon (Ellsberg, 1961) Eine Urne enthält 30 rote Kugeln und 60 andere (schwarz oder gelb). Deren genaue Anzahlen sind unbekannt. Wählen Sie zwischen A 100 Gewinn, wenn Sie eine rote Kugel ziehen B 100 Gewinn, wenn Sie eine schwarze Kugel ziehen Wählen Sie zwischen C 100 Gewinn, wenn Sie eine rote oder gelbe Kugel ziehen D 100 Gewinn, wenn Sie eine schwarze oder gelbe Kugel ziehen Viele wählen A und D, zur Vermeidung der Unsicherheit (Ambiguität) Angenommen, man glaubt es gibt mehr rote als schwarze: A und C Angenommen, man glaubt es gibt weniger rote als schwarze: B und D 22 Entsteht zusätzliches Risiko durch die Unsicherheit? Angenommen, man hat beliebige subjektive Wahrscheinlichkeiten p(i) für das Vorhandensein von i schwarzen Kugeln. Bspw. p(i) = 1/61 für jedes der möglichen Ereignisse i = 0, 1,..., 60 schwarze Kugeln. Da dies Wahrscheinlichkeiten sind, addieren sie sich zu 1: 60 i=0 p(i) = 1 Wenn man sich für A entschieden hat, gilt 30 90 u(100) > 60 i=0 p(i) i 90 u(100) Wenn man sich für D entschieden hat, gilt 60 i=0 p(i) 90 i 90 60 i=0 u(100) < 60 90 u(100) p(i) 90 60 60 u(100) < 90 90 u(100) + i=0 i=0 p(i) 30 60 90 u(100) < i p(i) 90 u(100) i 90 u(100) und damit der Widerspruch zur Entscheidung für A. Risikoaversion allein erklärt das Entscheidungsmuster also nicht. Es sind mindestens inkonsistente subjektive Wahrscheinlichkeiten, mutmaßlich Unsicherheitsaversion. 23

Zusammenfassung Entscheider mit konsistenten Präferenzen agieren so, als würden sie Nutzen maximieren Wir nehmen keine Maximierung an, sie ergibt sich aus Konsistenz Problem: Nutzenfunktion ist dadurch nicht festgelegt Nutzen aus Prospekt-Theorie funktioniert im Durchschnitt recht gut Alles wird in Relation zu Referenzpunkten bewertet Schluss Grenzen Zufällige Schwankungen/Stimmungen (auch kurzfristig) Allais-Paradoxon: Seltene Ereignisse werden übergewichtet (Ist in allgemeiner Prospekt-Theorie enthalten, aber nicht bei uns) Ambiguity-Aversion: Präferenz für objektive Wahrscheinlichkeiten Problem: Menschen agieren i.a. mit unbekannten Wahrscheinlichkeiten 24 25 Mögliche Themen für die Hausarbeit Die angegebenen Quellen unten sind nicht erschöpfend oder notwendig, sondern gedacht als Ausgangspunkte für die Suche Verletzungen stochastischer Dominanz (bspw. Birnbaum and Navarrete, 1998) Allais-Paradox und Variationen ( common ratio und common consequence Effekte), bspw. Wu and Gonzalez (1998), Blavatskyy (2007) Wahrscheinlichkeitsgewichtung (Wakker, 2010, Kapitel 5,6) Verallgemeinerungen des Rabin-Paradoxons (Rabin, 2000; Cox and Sadiraj, 2006; Neilson and Winter, 2002; Palacios-Huerta and Serrano, 2006) Themen Variationen des St. Petersburg-Paradoxons (Blavatskyy, 2005, Camerer, 2005, und bspw. Neugebauer Moral impossibility in the Petersburg Paradox ) Ambiguitäts-Aversion: Experimente und Theorien (Fox and Tversky, 1995; Trautmann et al., 2008; Ozdenoren and Peck, 2008) 26 Nicht-stetige Präferenzen (bspw. Andreoni und Sprenger Risk Preferences Are Not Time Preferences ) 27

Literatur I Literatur Allais, M. (1953). Le comportement de l homme rationnel devant le risque: Critique des postulats et axiomes de l école américaine. Econometrica, pages 503 546. Birnbaum, M. H. and Navarrete, J. B. (1998). Testing descriptive utility theories: Violations of stochastic dominance and cumulative independence. Journal of Risk and Uncertainty, 17(1):49 79. Blavatskyy, P. (2005). Back to the st. petersburg paradox. Management Science, 51(4):677 678. Blavatskyy, P. (2007). Stochastic expected utility theory. Journal of Risk and Uncertainty, 34(3):259 286. Camerer, C. (2005). Three cheers psychological, theoretical, empirical for loss aversion. Journal of Marketing Research, 42(2):129 133. Cox, J. C. and Sadiraj, V. (2006). Small-and large-stakes risk aversion: Implications of concavity calibration for decision theory. Games and Economic Behavior, 56(1):45 60. Ellsberg, D. (1961). Risk, ambiguity, and the savage axioms. Th Quarterly Journal of Economics, pages 643 669. Fox, C. and Tversky, A. (1995). Ambiguity aversion and comparative ignorance. The Quarterly Journal of Economics, 110(3):585 603. 28 29 Literatur II Kahneman, D. and Tversky, A. (1979). Prospect theory: An analysis of decision under risk. Econometrica, 47(2):263 291. Neilson, W. S. and Winter, H. (2002). A verification of the expected utility calibration theorem. Economics Letters, 74(3):347 351. Ozdenoren, E. and Peck, J. (2008). Ambiguity aversion, games against nature, and dynamic consistency. Games and Economic Behavior, 62(1):106 115. Palacios-Huerta, I. and Serrano, R. (2006). Rejecting small gambles under expected utility. Economics Letters, 91(2):250 259. Rabin, M. (2000). Risk aversion and expected-utility theory: A calibration theorem. Econometrica, 68(5):1281 1292. Trautmann, S., Vieider, F., and Wakker, P. (2008). Causes of ambiguity aversion: Known versus unknown preferences. Journal of Risk and Uncertainty, 36(3):225 243. Wakker, P. (2010). Prospect theory: For risk and ambiguity. Cambridge Univ Pr. Wu, G. and Gonzalez, R. (1998). Common consequence conditions in decision making under risk. Journal of Risk and Uncertainty, 16(1):115 139. 30