Nutzen einer diagnostischen Tests in der Praxis: prädiktive Werte

Ähnliche Dokumente
EbM-Splitter 10 Sensitivität und Spezifität: Auswirkung der Wahl des Trennpunktes

WIE SICHER IST DIE DIAGNOSE?

2. Übung Diagnostik. Ein erfundenes Beispiel (H.P.Beck-Bornholt und H.-H.Dubben)

Diagnostikstudien. Dr. Dirk Hasenclever IMISE, Leipzig.

Um diese Begriffe (Sensitivität, Spezifität, prädiktive Werte etc.) geht es im Folgenden!

Täuschung und Manipulation mit Zahlen Teil 1

Medizinische Biometrie (L5)

Diagnostische Verfahren

Täuschung und Manipulation mit Zahlen

Epidemiologie und HIV-Tests

Epidemiologie 10. Thomas Kohlmann Maresa Buchholz. Institut für Community Medicine Abteilung Methoden Universitätsmedizin Greifswald

Braucht es diagnostische Interventionen bei Gutachten? M.D. Zumstein

Südtiroler Akademie für Allgemeinmedizin. Seminar

Statistical Coaching. Thomas Forstner

MaReCum Klausur in Biomathematik WS 2006 / 2007 Freitag, den 27. Oktober 2006

Vorlesung - Medizinische Biometrie

EXPERTEN-MEETING Mammographie-Screening

Themenblock. Diagnose und Prognose. Querschnittsbereich Epidemiologie, Med. Biometrie und Med. Informatik. Themen im Block Diagnose und Prognose

Sensitivität und Spezifität (95% Konfidenzintervalle)

Chestpain in primary care: a systematic research programme to support guideline development

Retrospektives Studiendesign

Screeningmaßnahmen - klinische Beispiele

Südtiroler Akademie für Allgemeinmedizin. Brustschmerzen: ein häufiges Symptom in der Allgemeinpraxis

Bitte lesen Sie die folgende Musteraufgabe konzentriert durch. Musteraufgabe I

Bis vor einigen Jahren basierte die lokale Bildgebung der Prostata auf dem transrektalen Schall.

Die Realisierung von Evidenz-basierter Medizin im deutschen Gesundheitssystem

The ROC curve in screening with multiple markers: An application to the triple test in prenatal diagnostics

FAQ Kontakt Impressum Systemvoraussetzungen. Kursanmeldung bei der vhb

Mammographie-Screening in der Diskussion um Nutzen und Schaden: Was glauben wir und was wissen wir über den Nutzen?

Medizinische Psychologie. Bewertung wissenschaftlicher Ergebnisse, Evidenzbasierte Medizin, Anwendung statistischer Information

Lösungen zur Biomathe-Klausur Gruppe C Montag, den 16. Juli 2001

Tab. 1: Die fünf Schritte der EbM in der Praxis [zusammengestellt nach 2, 6, 8]

Evidenzbasierte Medizin und Zweitmeinungsverfahren. Ingrid Mühlhauser Vorsitzende des Deutschen Netzwerks Evidenzbasierte Medizin

Querschnittsbereich Epidemiologie, Med. Biometrie und Med. Informatik Diagnose und Prognose WS 06/07 Übung 5

Chancen und Risiken der digitalen Gesundheitsversorgung: Diagnose vor Therapie und Abwägung vor Versand

Was bedeutet p<0.05?

Lokale Bildgebung der Prostata

Seminar Diagnostik L5

Klinisches Institut für Medizinische und Chemische Labordiagnostik (KIMCL) Allgemeines Krankenhaus Wien. Medizinische Universität Wien

Klausur in "Biomathematik" WS 2007 / 2008 Montag, den 28. Januar 2008

Mehr Diagnostik = mehr Wissen? Ein epidemiologischer Blick auf medizinische Diagnostik.

Das Konzept der evidenzbasierten Praxis in der Physiotherapie Ein Plädoyer

Evidenzbasierte Diagnostik

3.3.1 Referenzwerte für Fruchtwasser-Schätzvolumina ( SSW)

Lösungen zur Biomathe-Klausur Gruppe A Montag, den 16. Juli 2001

Lösungen zur Biomathe-Klausur Gruppe B Montag, den 16. Juli 2001

Prinzipien der klinischen Epidemiologie

STATISTISCHE KRANKHEITSTESTS. Simon Schimpf und Nico Schmitt

Epidemiologie 3. Thomas Kohlmann Maresa Buchholz. Institut für Community Medicine Abteilung Methoden Universitätsmedizin Greifswald

ifobt, PSA und HKS: der heilige Gral der Früherkennung practica 2018: Kurs 159 ifobt, PSA, HKS:

Diagnostische Tests Über den Umgang mit Risiken

Strategien erfolgreicher Prävention. J. Wolstein, Bamberg

Bindegewebszonen als Indikator für Lebererkrankungen

Hausarztmedizin ist ANDERS als Spezialarztmedizin

Bewertung diagnostischer Tests

Borrelien-Serologie. Kriterien analytischer Leistungsfähigkeit am Beispiel kommerziell erhältlicher Testsysteme (ELISA)

Bewertung diagnostischer Tests

Bewertung diagnostischer Tests

Medizinisches Beispiel

Bedingte Wahrscheinlichkeiten & Unabhängigkeit

KLAUSUR IN BIOMATHEMATIK WS 2007/08 MONTAG, DEN 28. JANUAR 2008

Schilddrüsen-Ca- Screening

Der Hund, der Eier legt

Effektgrößen. Evidenz-basierte Medizin und Biostatistik, Prof. Andrea Berghold

Basis-Kurs Statistik und SPSS für Mediziner Lösungen. SPSS-Übung Korrelation, Regression und diagnostische Tests

Grundlagen der Labormedizin. Die analytische Phase

Ernährung in der onkologischen Rehabilitation. Eine der wichtigsten Säule in der supportiven Therapie bei Tumorpatienten

Moderne Definition der Toxikologie (Greim 1996)

3 Bedingte Wahrscheinlichkeit, Unabhängigkeit

Prüfung nicht bestanden. Die gleiche Tabelle kann man auch mit den entsprechenden Wahrscheinlichkeiten (relative Häufigkeit) erstellen.

Diagnostische Forschung

Diagnose und Prognose: Kurzfassung 3

Diagnostisches Testen. Coniecturalem artem esse medicinam

Analyse kategorieller Daten

Wie s weitergeht. Psychische Gesundheit und Arbeitsmarkt

Brustkrebs Screening mittels Mammographie : Contra oder «a case for reasonable doubts»

APT Anvertraubare Professionelle Tätigkeiten. P. Berberat, TU München M. Kadmon, Uni Augsburg

BSc Bioinformatik Wintersemester 2013/2014 Nachklausur zur Statistik I Freie Universität Berlin

Aussagekraft von Anamnese, körperlicher Untersuchung und EKG in der Diagnostik der KHK. Eine systematische Übersichtsarbeit.

Pathophysiologie 3 Möglichkeiten werden diskutiert: 1. Entzündung Dolor Rubor Tumor Calor Schmerz Rötung Schwellung Wärme 2. Sympathische Störungen

Der Intuition auf der Spur? Das Bayes sche Theorem und die Diagnostik in der Grundversorgung

PROBASE: Große deutsche Studie zum Prostatakrebs-Screening. PROBASE Große deutsche Studie zum Prostatakrebs-Screening

Humangenetische Beratung

Bedingte Wahrscheinlichkeiten & Unabhängigkeit

2. Statistische Methoden in der Diagnostik. Elemente des Studiendesigns

Sonographie und Endosonographie zum Staging von Ösophagus- und Magentumoren

Klinische Forschung. Klinische Forschung. Effectiveness Gap. Versorgungsforschung und evidenzbasierte Medizin. Conclusion

Das Alpha-Fetoprotein (AFP) ist ein Einweiß, das vom Kind während der Schwangerschaft gebildet wird.

Was ist normal? ao.univ.prof.dr. Michael Krebs

3.4.1 Referenzwerte für das fetale Schätzgewicht in der SSW

Hat die Phlebographie in der Diagnose einer tiefen Venenthrombose noch einen Stellenwert?

ebm info.at ärzteinformationszentrum

Koronare Herzerkrankung 2012

5. Übung Zusammenhänge zweier Merkmale

Study fact sheet für ID: Garcia-Retamero 2013

Bitte lesen Sie die folgende Musteraufgabe konzentriert durch. Musteraufgabe I

Dr. med. Christoph Bobrowski. M.Sc. Dipl.-Psych. Ruth Fahland. Gesamtsterblichkeit im Krankenhaus als Qualitätskennzahl

EbM-Splitter 18. Medline-Recherche: PubMed Clinical Queries

Elektronisches Analysetool sichert hohe Qualität

Transkript:

EbM-Splitter 11 Nutzen einer diagnostischen Tests in der Praxis: prädiktive Werte In den beiden letzten EbM-Splittern [6, 7] wurden die Maßzahlen Sensitivität (Wahrscheinlichkeit, eine kranke Person als krank zu erkennen) und Spezifität (Wahrscheinlichkeit, eine gesunde Person als gesund zu erkennen) vorgestellt und deren Nutzen zur Beurteilung der Güte eines diagnostischen Tests diskutiert. Zur Bewertung des Ergebnisses einer diagnostischen Maßnahme im klinischen Alltag, d.h. nach der Anwendung des diagnostischen Tests, sind Sensitivität und Spezifität jedoch nicht geeignet. Im klinischen Alltag liegt vielmehr ein positives oder negatives Testergebnis vor und man ist an der Wahrscheinlichkeit interessiert, dass dieses Testergebnis richtig ist. Die Wahrscheinlichkeit für die Richtigkeit eines Testergebnisses ist sowohl für den Patienten als auch den behandelnden Arzt von zentraler Bedeutung: Der Patient will verlässlich über seinen Krankheitsstatus informiert werden, während für den behandelnden Arzt die weiteren diagnostischen oder therapeutischen Maßnahmen von der Verlässlichkeit des Testergebnisses abhängen. Im Folgenden wird die Bestimmung der Wahrscheinlichkeit für ein richtig positives bzw. richtig negatives Ergebnis dargestellt: Diese Wahrscheinlichkeit wird auch als prädiktiver Wert (oder Vorhersagewert) bezeichnet. "Mit Ausnahme weniger Dinge, die ganz an der Oberfläche liegen, beruht alle Diagnostik auf Wahrscheinlichkeitsrechnung. Prof. Dr. C. Gerhardt, zur Eröffnung der Klinik für Innere Medizin an der Berliner Universität am 2. November 1885 [1] Definition der prädiktiven Werte Im vorletzten EbM-Splitter wurde u.a. die Faseroptiktransillumination zur Diagnostik der Approximalkaries diskutiert [3]. Das Ergebnis dieser diagnostischen Maßnahme ist in Tabelle 1 wiedergegeben; für die Kenngrößen Sensitivität und Spezifität ergeben sich Werte von 67,7% (377/557) und 99,5% (5139/5165), d.h. eine mittlere Sensitivität und eine sehr hohe Spezifität. Die Wahrscheinlichkeit, dass eine Person bei einem positiven Testergebnis tatsächlich krank ist, wird als positiv prädiktiver Wert (positiver Vorhersagewert) bezeichnet. Entsprechend wird die Wahrscheinlichkeit, dass eine Person bei einem negativen Testergebnis tatsächlich gesund ist, als negativ prädiktiver Wert (negativer Vorhersagewert) bezeichnet. Für die Daten in Tabelle 1 können diese Kenngrößen direkt bestimmt werden. Der positive Vorhersagewert ist der Anteil der tatsächlich kariösen Zähne (gemäß Ergebnis der röntgenologischen Untersuchung) unter den mittels der faseroptischen Untersuchung als kariös eingestuften Zähnen. Von 403 (a+b) als kariös eingestuften Zähnen, sind 377 (a) Zähne tatsächlich kariös. Der positiv prädiktive Wert (PPW) berechnet sich somit zu 93,5% (a/(a+b) 377/403). In analoger Weise ist der negativ prädiktive Werts (NPW) definiert als d/(c+d). Im Beispiel ergibt sich 96,6% (5139/5319). Wie im nächsten Abschnitt beschrieben wird, können diese geschätzten Werte nicht generell, sondern nur für die Tabelle 1 zugrundeliegende Situation verwendet werden.

Faseroptische Untersuchung Röntgenologische Untersuchung Kariös Gesund S Kariös 377 26 403 a c Gesund 180 S 557 a+c b d 5139 5165 b+d a+b c+d 5319 5722 N Tab. 1: Vergleich der faseroptischen und röntgenologischen Kariesdiagnostik [3] Einfluss der Prävalenz auf die prädiktiven Werte Im verwendeten Beispiel sind 557 von 5722 Zähnen tatsächlich kariös, was einem Anteil von 9,7% entspricht. Dieser Anteil wird üblicherweise als Prävalenz bezeichnet, d.h. die Wahrscheinlichkeit, dass eine Person aus einer Population die interessierende Krankheit (hier: Karies) hat. Neben der Sensitivität und Spezifität hängen die prädiktiven Werte in erheblichem Maße von der zugrundeliegenden Prävalenz ab. Allgemeine Berechnungsformeln für den positiv prädiktiven Wert (PPW) und den negativ prädiktiven Wert (NPW) sind durch PPW Sensitivit Sensitivit ät x Prävalenz ät x Prävalenz + (1- Spezifität ) x (1- Prävalenz) NPW Spezifität Spezifität x (1- Prävalenz) x (1- Prävalenz) + (1- Sensitivit ät) x (Prävalenz ) gegeben [2]. Die Richtigkeit dieser Formeln kann für die Daten von Tabelle 1 (Sensitivität: 67,7%, Spezifität: 99,5%, Prävalenz: 9,7%) überprüft werden: PPW 67,7% x 9,7% 67,7% x 9,7% + (100% - 99,5%) x (100% - 9,7%) 93,6% Dies entspricht gerade dem im letzten Abschnitt berechneten positiv prädiktiven Wert. 1 Für den negativ prädiktiven Wert erhält man NPW 99,5% x (100% -9,7%) 99,5% x (100% - 9,7%) + (100% - 67,7%) x 9,7% 96,6% Dies entspricht exakt dem Ergebnis im letzten Abschnitt. Die Rechenformeln für die prädiktiven Vorhersagewerte können für beliebige 1 Der geringe Unterschied (93,5% vs. 93,6%) ergibt sich durch Ungenauigkeiten beim Runden.

Patientenpopulationen, die sich in der Prävalenz unterscheiden, herangezogen werden. In einer Population mit einer Karies-Prävalenz von lediglich 1% berechnet sich der positive Vorhersagewert zu 57,8% und der negative Vorhersagewert zu 99,7%. In diesem Fall kann der tatsächliche Zahnstatus bei Vorliegen eines positiven Testergebnisses sehr ungenau vorhergesagt werden, da nur knapp mehr als die Hälfte der Vorhersagen (57,8%) richtig sind. Andererseits kann bei Vorliegen eines negativen Testergebnisses die Diagnose als gesichert angesehen werden, da 99,7% der Vorhersagen richtig sind. Bei einer Karies-Prävalenz von 30% ergeben sich hingegen Werte von 98,3% für den PPW und von 87,8% für den NPW. In diesem Fall liegen somit sowohl bei einem positiven als auch bei einem negativen Testergebnis relativ gute Vorhersagen vor. In einer Population mit sehr hohem Anteil kariöser Zähne berechnet sich bei einer Prävalenz von 90% der positiv prädiktive Wert zu 99,9% und der negativ prädiktive Wert zu 25,5%. D.h. bei dieser hohen Prävalenz ist ein positives Testergebnis sehr verlässlich, wohingegen ein negatives Testergebnis nur in 1 von 4 Fällen richtig ist. Als Merkregel lässt sich festhalten (Tab. 2): Mit zunehmender Prävalenz (bei festen Werten für Sensitivität und Spezifität) wird der PPW größer und der NPW kleiner. Dementsprechend wird mit abnehmender Prävalenz der PPW kleiner und der NPW größer. Aus diesem Grunde ist in Kollektiven mit einem hohen Anteil erkrankter Personen (hohe Prävalenz) ein positives Testergebnis verlässlicher als in einem Kollektiv mit einem geringen Anteil erkrankter Personen (niedrige Prävalenz). Sens: 99%; Spez: 95% Prävalenz PPW NPW 1% 16,67% 99,99% 2% 28,78% 99,98% 3% 37,98% 99,97% 4% 45,21% 99,96% 5% 51,03% 99,94% 6% 55,83% 99,93% 7% 59,84% 99,92% 8% 63,26% 99,91% 9% 66,20% 99,90% 10% 68,75% 99,88% 15% 77,75% 99,81% 20% 83,19% 99,74% 25% 86,84% 99,65% 30% 89,46% 99,55% 35% 91,42% 99,44% 40% 92,96% 99,30% 45% 94,19% 99,15% 50% 95,19% 98,96%

Sens: 70%; Spez: 96% Prävalenz PPW NPW 1% 15,02% 99,69% 2% 26,32% 99,37% 3% 35,12% 99,04% 4% 42,17% 98,71% 5% 47,95% 98,38% 6% 52,76% 98,04% 7% 56,84% 97,70% 8% 60,34% 97,35% 9% 63,38% 97,00% 10% 66,04% 96,64% 15% 75,54% 94,77% 20% 81,40% 92,75% 25% 85,37% 90,57% 30% 88,24% 88,19% 35% 90,41% 85,60% 40% 92,11% 82,76% 45% 93,47% 79,64% 50% 94,59% 76,19% Tab. 2: Abhängigkeit der positiven und negativen prädiktive Werte (PPW; NPW) von der Prävalenz der Krankheit (a) bei einem idealen diagnostischen Test mit einer Sensitivität von 99% und einer Spezifität von 95%; (b) bei einem Test mit einer Sensitivität von 70% und einer Spezifität von 96%, was nach Widmer [8] den Mindestanforderungen für diagnostische Tests zur Diagnostik von kraniomandibulären Dysfunktionen entspricht. Sichere Diagnosen (SpPin, SnNout) In einigen Sonderfällen können klare Aussagen bei Vorliegen eines bestimmten Testergebnisses gemacht werden: Bei einer Sensitivität nahe 100% (und einer genügend kleinen Prävalenz) ist der negativ prädiktive Werte nahe 100% (vgl. Tab. 2). Ein diagnostischer Test mit hoher Sensitivität hat demnach die größte Aussagekraft, wenn das Testergebnis negativ ausfällt (sehr hohe Wahrscheinlichkeit der Abwesenheit der Erkrankung). Sackett et al. [4, 5] verwenden für diesen Fall die Abkürzung SnNout (very high Sensitivity: Negative result rules out the diagnosis/disease). Bei einer Spezifität nahe 100% (und einer genügend großen Prävalenz) ist der positiv prädiktive Wert nahe 100%. Sackett et al. [4, 5] verwenden für diesen Fall die Abkürzung SpPin (very high Specificity: Positive result rules in the diagnosis/disease). Mit anderen Worten: Ein hochspezifischer diagnostischer Test hat die größte Aussagekraft, wenn das Testergebnis positiv ausfällt (deutlicher Hinweis auf das Vorliegen der Erkrankung bzw. Bestätigung der Diagnose). Im letzten Abschnitt wurde beispielsweise gezeigt, dass bei einer Sensitivität von 67,7%, einer Spezifität von 99,5% und einer Prävalenz von 30% der PPW gleich 98,3% ist.

Hilfsmittel zur Abschätzung der Güte diagnostischer Tests Die Berechnung von Sensitivität und Spezifität oder (bei bekannter Sensitivität, Spezifität und Prävalenz) von PPW und NPW kann bequem mit Hilfe von Rechnern (Calculatoren) erfolgen, auf die im Weltweiten Netz z. B. unter www.clinical-trials.de/de/werkzeuge/online_hilfsmittel/online_hilfsmittel.html kostenfrei zugegriffen werden kann. Festlegung der Prävalenz für einen einzelnen Patienten (Vortestwahrscheinlichkeit) In diesem Splitter wurde gezeigt, dass die objektiven Eigenschaften eines diagnostischen Tests (Sensitivität und Spezifität) für die Bewertung eines Testergebnisses nicht ausreichend sind, sondern dass die Prävalenz einen entscheidenden Einfluss auf die patientenbezogenen Aussagen hat. Das Problem in der Praxis besteht darin, für einen Patienten eine (verlässliche) Angabe zur Prävalenz zu finden. Diese Angabe existiert aber oftmals nicht, so dass eine subjektive Einschätzung durch den Arzt notwendig ist. Diese Einschätzung sollte auf der Anamnese des Patienten und gegebenenfalls auf weiteren Befunden beruhen. Hierbei kann eine grobe Einteilung in Risikogruppen hilfreich sein (niedrige, mittlere, hohe Wahrscheinlichkeit für das Vorliegen der Erkrankung). Die Einschätzung sollte vom Arzt unabhängig vom Ergebnis des diagnostischen Test, d.h. vor der Durchführung des Tests, festgelegt werden. Aus diesem Grunde wird anstelle von Prävalenz zunehmend der Begriff Vortestwahrscheinlichkeit verwendet. Literatur 1. Gerhardt, C.: Ueber Diagnostik und Therapie. Dtsch Med Wochenschr 11, 778 (1885). 2. Gross, R., Löffler, M.: Prinzipien der Medizin. Springer, Berlin 1997, 289-290. 3. Heinrich, R., Künzel, W., Tawfiq, H.: Approximale Kariesdiagnostik Vergleich klinischer, faseroptischer und röntgenographischer Diagnoseverfahren (Approximalkariesdiagnostik). Dtsch Zahn Mund Kieferheilkd Zentralbl 79, 535 (1991). 4. Sackett, D.L., Haynes, R.B., Guyatt, G.H., Tugwell, P.: Clinical Epidemiology. A Basic Science for Clinical Medicine. Little, Brown and Company, Boston 1991, 83. 5. Sackett, D.L., Straus, S.E., Richardson, W.S., Rosenberg, W., Haynes, R.B.: Evidence- Based Medicine. How to Practice and Teach EBM. 2nd ed. Churchill Livingstone, Edinburgh 2000, 249-250. 6. Schwarzer, G., Türp, J.C., Antes, G.: EbM-Splitter: Die Vierfeldertafel (in Diagnosestudien): Sensitivität und Spezifität. Dtsch Zahnärztl Z 57, 333 (2002). 7. Schwarzer, G., Türp, J.C., Antes, G.: EbM-Splitter: Sensitivität und Spezifität: Auswirkung der Wahl des Trennpunktes. Dtsch Zahnärztl Z 2002;57:573-575. 8. Widmer, C.G.: Review of the literature. B: Reliability and validation of examination methods. J Craniomand Disord Facial Oral Pain 6, 318 (1992). Guido Schwarzer, Freiburg Jens C. Türp, Freiburg / Basel Gerd Antes, Freiburg