Chancen und Risiken Unterschiede und Gemeinsamkeiten

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Transkript:

Suchtvorbeugung Jugendsuchtberatung Drogenberatung Familie & Sucht im interkulturellen Kontext Chancen und Risiken Unterschiede und Gemeinsamkeiten

Migration (Bevölkerung mit- und ohne Migrationshintergrund 2012) Deutschland Duisburg 11% 9% 16% 80% Deutsche ohne Migrationshintergrund Deutsche mit Migrationshintergrund Menschen mit ausländischer Staatsangehörigkeit 18% 66% Mediendienst Integration, Quelle: Statistisches Bundesamt, 2014-2-

Ehe, Familie, Werte- Migrantinnen und Migranten in Deutschland Kennzeichnend für das Familiengründungsverhalten von Migrantinnen und Migranten sind hohe Heiratsziffern und eine vergleichsweise hohe Kinderzahl. Eine Familie im klassischen Sinne (verh. Ehepaar) ist in Haushalten mit Migrations - hintergrund deutlich häufiger anzutreffen (80%) als bei Menschen ohne MH (69 %). Rund zwei Drittel aller Personen mit Migrationshintergrund sind verheiratet. Im Jahr 2009 hatten 28 Prozent der in Deutschland lebenden Familien mit einem minderjährigen Kind einen Migrationshintergrund. Migranten heiraten entweder in der Aufnahmegesellschaft, in der eigenen Migrantenminorität oder in der jeweiligen Herkunftsgesellschaft (Herkunftsländer). Die gewünschte Kinderzahl bei Migranten beträgt 2,3 und in der Gesamtbevölkerung 2,0. Für Migranten ist Kinderlosigkeit keine Alternative. Generell beobachtbar ist, dass Migranten im Vergleich zu Gesamtbevölkerung, ein jüngeres Alter bei Eheschließung und Geburt des ersten Kindes haben. Im Vergleich zu Menschen ohne Migrationshintergrund (21%) sind Alleinerziehende mit Migrationshintergrund seltener (14 %). Die Struktur der Familie (türk.) ist insbesondere durch den Begriff der Ehre (Namus) best. Bei allen Migranten wird eher von den Töchtern als von den Söhnen erwartet, in der Nähe der Eltern zu wohnen und für Hilfeleistungen (Mithilfe im Haushalt) verfügbar zu sein. 76% der Migrantinnen und Migranten fragen vor wichtigen Entscheidungen die Familie (bei den Deutschen liegt es bei 70%). (vgl. : u.a. Monitor Familienforschung 2010. Bundesministerium für Familie, -3- Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ), IfD Allensbach 2009a u. Brainin 1996)

Anteile von Personen mit Migrationshintergrund in der Allgemeinbevölkerung und in der Klientel von ambulanter und stationärer Suchtbehandlung nach der Deutschen Suchthilfestatistik 2011-4-

Hauptsächlich konsumierte Substanzen (ambulant) - Klienten mit Migrationshintergrund im Vergleich - Alkohol Gesamtgruppe:54% mit MH: 34% Opioide Gesamtgruppe:17% mit MH: 31% -5-

Anteile von Personen mit Migrationshintergrund Suchthilfeverbund 2013 mit Migrationshintergrund ohne Migrationshintergrund 77,60% 76,14% 92,12% 22,40% 23,86% 7,88% Gesamt Männer Frauen -6-

Migration & Suchthilfe Sind die Menschen mit Migrationshintergrund weniger Suchtanfällig oder liegt es an Zugangsbarrieren, die die Versorgung erschweren? -7-

Zugangsbarrieren Kulturelle Unterschiede können sich in einem anderen Krankheitsverständnis äußern, z. B. wenn die Krankheitsentstehung auf den "bösen Blick (blaue Auge) zurückgeführt oder Krankheit als gottgewolltes Schicksal verstanden wird. Diese Unterschiede oder auch ein anderes Schamgefühl können zu einer Nichtinanspruchnahme oder einer Fehlversorgung führen. Es wird davon ausgegangen, dass besonders sprachliche und kulturelle Besonderheiten, Barrieren für die Inanspruchnahme von Gesundheitsleistungen darstellen. (vgl. Robert Koch-Institut, 2008). -8-

Migration & Sucht Der Migrationshintergrund bringt für die meisten Migranten in Deutschland bedeutende Ressourcen mit sich, die zu einer großen Zurückhaltung beim Konsumverhalten führen und somit vor einer Entwicklung von riskantem Konsum, Abhängigkeit und Sucht schützen (Rüdiger Schmolke, 2009, Heinrich Böll Stiftung / Suchtpräventionsfachstelle Chill out ) Jugendliche türkischer Herkunft bekennen sich häufiger zu traditionellen Werten und Religiosität, konsumieren weniger Alkohol und Drogen. (Prof. Dr. Klaus Boers / Uni Münster und Prof. Dr. Jost Reinecke / Uni Bielefeld) Religiöse Überzeugungen im Leben von Risikokindern (in diesem speziellen Fall von Migrantenkindern) sind als ein Schutzfaktor zu betrachten (Prof. Dr. Haci-Halil Uslucan, Duisburg 2011, Wissenschaftlicher Leiter des Zentrums für Türkeistudien und Integrationsforschung Essen) Jugendliche (11-17-Jahre) mit beidseitigem Migrationshintergrund rauchen deutlich weniger als diejenigen ohne (Kinder- und Jugendgesundheitssurveys KIGGS 2008) -9-

Sucht- und Drogenabhängigkeit - im familiären Kontext - Berauschung durch Alkohol und andere Drogen gelten generell bei religiösen Menschen (insb. bei Moslems) als Sünde und Schande. Eltern und Angehörige erfahren erst sehr spät von der Abhängigkeit der Kinder. Die Drogenabhängigkeit wird in der Regel unter den Migranten, nicht als Krankheit, sondern als eine schlechte Angewohnheit angesehen. Mangelnde Kenntnisse der Angehörigen ist ein zusätzliches Problem. Sie sind über die Wirkung der Drogen oft nicht oder durch Medien falsch informiert und glauben beispielsweise, Haschischkonsum ziehe den unmittelbaren Tod nach sich. Aus Angst davor, dass Nachbarn und Verwandte davon erfahren, wird das Problem zunächst verheimlicht (Tabu) und um Ansehen und Ehre zu wahren nach einer Lösung innerhalb der Familie gesucht u.a.: Einige werden zum Hoca gebracht. Heirat im Herkunftsland mit einem unschuldigen Mädchen. Auslandsaufenthalt für ein halbes oder ein Jahr ( z.b. in der Türkei). Militärdienst im Herkunftsland (Pässe werden weggenommen) Drei bis vier Wochen Therapie im Herkunftsland Einige Familien besorgen sogar selbst die Drogen, damit die Kinder in der Öffentlichkeit nicht auffallen. Sie erstatten Anzeige bei der Polizei und setzen auf den Faktor Angst als Druckmittel, um den Drogenkonsum zu beenden. -10-

Chancen und Risiken Unterschiede und Gemeinsamkeiten Unsere Beitrag hierzu kann u.a.: Interkulturelle Öffnung der Suchthilfe Interkulturelle Kompetenz der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sein. Interkulturelle Kompetenz (Dr. Thomas Hegemann) ist,.die Fähigkeit mit Menschen eines fremden kulturellen Hintergrunds kommunizieren zu können. Dazu gehören: -sich über den kulturellen Hintergrund anderer kundig machen, -sich über den kulturellen Hintergrund des eigenen Handelns klarer zu werden, -sich der Relativität von Werten bewusst zu sein, -Stereotypen nicht zu erliegen, -sich verbal und nonverbal für beide Kulturen akzeptabel ausdrücken zu können, -mit Menschen unterschiedl. Kulturen gemeinsame Realitäten und Lösungen finden zu können. -11-

Weitere Informationen finden Sie auf unserer Homepage: www.suchthilfeverbund-duisburg.de Mustafa Arslan Suchthilfeverbund Duisburg e.v.