Familienbilder im Wandel zur Bedeutung und Funktion von Familie Juniorprofessur für empirische Schulforschung / Schulpädagogik Johannes Gutenberg-Universität Mainz 25. Juni 2013 Tagung Ja, was wollt ihr denn? Eltern als Bildungsbegleiter ihrer Kinder, Essen
Inhalt 1 Begriffsbestimmung 2 Historische Betrachtung - Vorindustrielle Zeit: das Ganze Haus - Industrielle Zeit: die Entwicklung der bürgerlichen Normalfamilie 3 Postmoderne Entwicklungen 4 Eltern-Kind-Beziehungen 5 Funktionsverlust vs. Funktionswandel 2
Ehepaare mit Ehepaare Kind(ern) ohne Kinder Alleinerziehende Mehrgenerationshaushalte Lebensgemeinschaften mit Kind(ern) Patchwork- Familien Binationale Familien Homosexuelle Paare mit/ohne Kind(ern) Familien mit Flucht- bzw. Migrationshintergrund Lebensgemeinschaften ohne Kinder Familie... etc. 3
Begriffsbestimmung biologisch Familie als zweigenerative Gruppe (zumeist) blutverwandtschaftlicher Basis (genetische Verwandtschaft) rechtlich Zwei Generationen, die durch biologische oder durch Adoption begründete Elternschaft verbunden sind. Fokus: Fragen des Sorgerechts, von Versorgung, Rechten und Pflichten soziologisch Fokus auf zwei Generationen. Zentrale Funktion: Vermittlung von Normen und Werten sowie soziale Orientierung psychologisch Familie als Ort intimer Interaktionen 4
Historische Betrachtung Drei Phasen: 1. traditionell, vorindustriell, agrarisch geprägte Zeit (bis zur ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts) 2. industrielle Zeit / moderne Phase (zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts bis Anfang der 60er Jahre des 20. Jahrhunderts) 3. Nichtindustriegesellschaft / postmoderne Phase (seit Mitte der 60er Jahre des 20. Jahrhunderts) (vgl. Hofer 2002, 70) 5
Historische Betrachtung Vorindustrielle Gesellschaft - Funktion und Struktur der Familie eng an die Produktions- und Arbeitswelt geknüpft - Das ganze Haus als typische Sozialform - Zentrale Funktionen: Produktion, Konsumtion, Sozialisation sowie Alters- und Gesundheitsvorsorge - Kinder als potenzielle Arbeitskräfte - Ehe/Partnerwahl von ökonomischen Faktoren abhängig (vgl. Ecarius 2002, 519) 6
Historische Betrachtung Industrielle Gesellschaft - Trennung von Wohn- und Arbeitsplatz als Auslöser für die Veränderung des Familienbildes - Bürgerliche Normalfamilie als Vorläufer der modernen Kleinfamilie - Privatisierung des familiären Zusammenlebens - Zunehmender Fokus auf Emotionalität, Liebe und Zuneigung - Polarisierung von Geschlechterrollen (vgl. Peuckert 2012) 7
Postmoderne Entwicklungen - Veränderung der Familie im inneren und äußeren Bereich - klassischen Mutter-Vater-Kind-Konstellationen werden durch neue Varianten des familialen Zusammenlebens ergänzt - Indikatoren für die zunehmende Heterogenität: (a) Heiratsziffern (b) Scheidungsraten (c) Geburtenraten 8
Postmoderne Entwicklungen Entwicklung der Geburten, Eheschließungen und Ehescheidungen in der BRD (früheres Bundesgebiet) zwischen 1950 und 2000. - Angaben in absoluten Zahlen - 1000000 900000 800000 Geburten Eheschließungen Ehescheidungen 700000 600000 500000 400000 300000 200000 100000 0 1950 1960 1970 1980 1990 2000 Kalenderjahr (vgl. bmfsfj 2003a, S. 65, 71, 81) 9
Postmoderne Entwicklungen Haushaltsgrößen zwischen 1900 und 2010 - Angaben in Prozent der Haushalte - 50 40 Prozent 30 20 10 0 1900 1925 1950 2000 2010 1-Personenhaushalt 7,1 6,7 19,4 36 40,2 2-Personenhaushalt 14,7 17,7 25,3 33,4 34,2 3-Personenhaushalt 17 22,5 23 14,7 12,6 4-Personenhaushalt 16,8 19,7 16,2 11,5 9,6 5 u. mehr-personenhaushalt 44,4 33,3 16,1 4,4 3,4 (vgl. Statistisches Bundesamt 2002, 2011) 10
Postmoderne Entwicklungen Ab 1965: demografischer Bruch -Anstieg der Ehescheidungen - Rückgang der Eheneigung - Rückgang Geburtenzahlen - Abnahme der Haushaltsgröße Mögliche Gründe: - Liberalisierung der Geschlechterrollen - Wachsender Anspruch der jüngeren Frauen auf Gleichberechtigung - Verfügbarkeit bequemerer und sicherer Verhütungsmittel - Bildungsexpansion - Individualisierung 11
Postmoderne Entwicklungen Früher (moderne Gesellschaft): Der Mann gilt als Haupternährer und Autoritätsperson Aufgabe der Frau ist primär auf den Haushalt und die Erziehung der Kinder ausgerichtet Heute (postmoderne Gesellschaft): Heutige Lebensformen weichen in vielerlei Hinsicht von der - von diesem Leitbild geprägten - Normalfamilie ab Auf der einen Seite findet ein sozialer Wandel der demografischen Merkmale und der Formen des Zusammen- bzw. Alleinlebens statt. Der Typus der Normalfamilie nimmt sowohl zahlen- als auch anteilsmäßig ab und wird ergänzt durch eine Vielzahl anderer Lebensformen. Auf der anderen Seite wird diese demografische Veränderung von einem Wandel des Leitbildes im ehelich-familialen Verhalten begleitet und auch bestimmt. à Prozess der Deinstitutionalisierung (Tyrell) 12
Eltern-Kind-Verhältnis - Eltern-Kind-Beziehungen sind biologisch und rechtlich verankert - Eltern-Kind-Beziehung ist unkündbar - Eltern-Kind-Beziehung ist eine aus Kindersicht nicht gewählte Verantwortungsbeziehung, die ihre besondere Schutzfunktion und Lernpotenziale hat Früher: Kinder als finanzieller Gewinn Aktuell: Kinder alleinig emotionaler Gewinn à Veränderung der Eltern-Kind-Beziehung 13
Eltern-Kind-Verhältnis Ablösung vom Elternhaus erfolgt auf vier Ebenen: a) Psychologische Ebene b) Kulturelle Ebene c) Räumliche Ebene d) Materielle Ebene 14
Eltern-Kind-Verhältnis - Bei den Eltern wohnen - Jugendliche im Alter von 18 bis 21 Jahren nach Geschlecht - Angaben in % - Prozent 82 80 78 76 74 72 70 68 66 71 % weiblich 81 % männlich 15
Eltern-Kind-Verhältnis Ablösung vom Elternhaus erfolgt auf vier Ebenen: a) Psychologische Ebene b) Kulturelle Ebene c) Räumliche Ebene d) Materielle Ebene 16
Eltern-Kind-Verhältnis - Eltern als Ratgeber bei Problemen - Jugendliche im Alter von 12 bis 25 Jahren nach sozialer Schichtzugehörigkeit - Angaben in % - 80 70 60 50 58% 63% 64% 72% 40 46% 30 20 10 0 Unterschicht untere Mittelschicht Mittelschicht obere Mittelschicht Oberschicht (vgl. Shell-Jugendstudie 2010) 17
peerorientierten Allrounder passiven Medienfreaks schulkontext. Freizeitnutzer bildungselitären Freizeitgestalter Organisierten N (= 520) Prozent 149 28,7% 132 25,4% 141 27,1% 35 6,7% 63 12,1% Soziales Kapital - vielschichtige Freundschaften/Cliquen/ Partnerschaften/ - vertrauensbasierte Eltern-Kind-Beziehungen - intraethnische u. geschlechtshomogene Freundschaften - breit gefächerte innerfamiliale soziale Netzwerke - Familie als zentraler informeller Bildungsort - geringere Peereinbindung (nur Schule) - zumeist dyadische Freundschaftsbeziehung - soziale Einbindungen in freundschaftliche, partnerschaftliche und familiärer Kontext als Motor für formale Bildung - vor allem intraethnisch - geschlechtsheterogene Freundschaften/Cliquen, die außerhalb der Schule aufgenommen werden - Partnerschaften - Familie als Moratorium, aber kein Freizeitort Kulturelles Kapital - hohe zeitliche - breiter Aktivitätsradius - hohe Anzahl an favorisierten Freizeitaktivitäten/ -räumen - sehr hohe zeitliche - eingeschränkte Freizeitwelten - passives Freizeitverhalten - enorm hoher Medienkonsum - sehr geringe zeitliche - Einbindung in Haushaltspflichten - in fast allen Freizeitkategorien zum Teil hoch signifikant unterrepräsentiert - geringe zeitliche - bewusste und gezielte Auswahl von Freizeit - Rezeption von Printmedien - Musikinteresse - Computer als Werkzeug - Bildungsorientierung als Leitgedanke, der das Freizeitverhalten determiniert - Fokussierung auf die organisierte und strukturierte Freizeit: Jugendclubs, Jugendverbände u. Vereine stellen die primären Freizeitwelten dar. - Sportaktivitäten stehen im Zentrum - Interesse an politischer Bildung Ökonomisches Kapital hohe finanzielle Ressourcen (Grund: Ausübung bezahlter Nebentätigkeit) - enorm hohe Ausstattung mit Unterhaltungsmedien - unterdurchschnittliche Ausstattung mit Unterhaltungsmedien - Ausübung bezahlter Nebentätigkeit Soziodemografische Struktur Geschlecht weiblich männlich weiblich weiblich männlich Altersklassen leichte Dominanz der 16- bis 22-Jährigen 13- bis 15-Jährige 10- bis 12-Jährige 16- bis 18-Jährige Alle Altersklassen Formaler Bildungsstand Dominanz der Gymnasiasten Gesamt- und Realschule Gesamtschule Gymnasium Hauptschule Nationale Herkunft ohne Mig.H. mit Mig.H. kein signifikanter Unterschied ohne Mig.H. mit Mig.H.
peerorientierten Allrounder passiven Medienfreaks schulkontext. Freizeitnutzer bildungselitären Freizeitgestalter Organisierten N (= 520) Prozent 149 28,7% 132 25,4% 141 27,1% 35 6,7% 63 12,1% Soziales Kapital - vielschichtige Freundschaften/Cliquen/ Partnerschaften/ - vertrauensbasierte Eltern-Kind-Beziehungen - intraethnische u. geschlechtshomogene Freundschaften - breit gefächerte innerfamiliale soziale Netzwerke - Familie als zentraler informeller Bildungsort - geringere Peereinbindung (nur Schule) - zumeist dyadische Freundschaftsbeziehung - soziale Einbindungen in freundschaftliche, partnerschaftliche und familiärer Kontext als Motor für formale Bildung - vor allem intraethnisch - geschlechtsheterogene Freundschaften/Cliquen, die außerhalb der Schule aufgenommen werden - Partnerschaften - Familie als Moratorium, aber kein Freizeitort Kulturelles Kapital - hohe zeitliche - breiter Aktivitätsradius - hohe Anzahl an favorisierten Freizeitaktivitäten/ -räumen - sehr hohe zeitliche - eingeschränkte Freizeitwelten - passives Freizeitverhalten - enorm hoher Medienkonsum - sehr geringe zeitliche - Einbindung in Haushaltspflichten - in fast allen Freizeitkategorien zum Teil hoch signifikant unterrepräsentiert - geringe zeitliche - bewusste und gezielte Auswahl von Freizeit - Rezeption von Printmedien - Musikinteresse - Computer als Werkzeug - Bildungsorientierung als Leitgedanke, der das Freizeitverhalten determiniert - Fokussierung auf die organisierte und strukturierte Freizeit: Jugendclubs, Jugendverbände u. Vereine stellen die primären Freizeitwelten dar. - Sportaktivitäten stehen im Zentrum - Interesse an politischer Bildung Ökonomisches Kapital hohe finanzielle Ressourcen (Grund: Ausübung bezahlter Nebentätigkeit) - enorm hohe Ausstattung mit Unterhaltungsmedien - unterdurchschnittliche Ausstattung mit Unterhaltungsmedien - Ausübung bezahlter Nebentätigkeit Soziodemografische Struktur Geschlecht weiblich männlich weiblich weiblich männlich Altersklassen leichte Dominanz der 16- bis 22-Jährigen 13- bis 15-Jährige 10- bis 12-Jährige 16- bis 18-Jährige Alle Altersklassen Formaler Bildungsstand Dominanz der Gymnasiasten Gesamt- und Realschule Gesamtschule Gymnasium Hauptschule Nationale Herkunft ohne Mig.H. mit Mig.H. kein signifikanter Unterschied ohne Mig.H. mit Mig.H.
peerorientierten Allrounder passiven Medienfreaks schulkontext. Freizeitnutzer bildungselitären Freizeitgestalter Organisierten N (= 520) Prozent 149 28,7% 132 25,4% 141 27,1% 35 6,7% 63 12,1% Soziales Kapital - vielschichtige Freundschaften/Cliquen/ Partnerschaften/ - vertrauensbasierte Eltern-Kind-Beziehungen - intraethnische u. geschlechtshomogene Freundschaften - breit gefächerte innerfamiliale soziale Netzwerke - Familie als zentraler informeller Bildungsort - geringere Peereinbindung (nur Schule) - zumeist dyadische Freundschaftsbeziehung - soziale Einbindungen in freundschaftliche, partnerschaftliche und familiärer Kontext als Motor für formale Bildung - vor allem intraethnisch - geschlechtsheterogene Freundschaften/Cliquen, die außerhalb der Schule aufgenommen werden - Partnerschaften - Familie als Moratorium, aber kein Freizeitort Kulturelles Kapital - hohe zeitliche - breiter Aktivitätsradius - hohe Anzahl an favorisierten Freizeitaktivitäten/ -räumen - sehr hohe zeitliche - eingeschränkte Freizeitwelten - passives Freizeitverhalten - enorm hoher Medienkonsum - sehr geringe zeitliche - Einbindung in Haushaltspflichten - in fast allen Freizeitkategorien zum Teil hoch signifikant unterrepräsentiert - geringe zeitliche - bewusste und gezielte Auswahl von Freizeit - Rezeption von Printmedien - Musikinteresse - Computer als Werkzeug - Bildungsorientierung als Leitgedanke, der das Freizeitverhalten determiniert - Fokussierung auf die organisierte und strukturierte Freizeit: Jugendclubs, Jugendverbände u. Vereine stellen die primären Freizeitwelten dar. - Sportaktivitäten stehen im Zentrum - Interesse an politischer Bildung Ökonomisches Kapital hohe finanzielle Ressourcen (Grund: Ausübung bezahlter Nebentätigkeit) - enorm hohe Ausstattung mit Unterhaltungsmedien - unterdurchschnittliche Ausstattung mit Unterhaltungsmedien - Ausübung bezahlter Nebentätigkeit Soziodemografische Struktur Geschlecht weiblich männlich weiblich weiblich männlich Altersklassen leichte Dominanz der 16- bis 22-Jährigen 13- bis 15-Jährige 10- bis 12-Jährige 16- bis 18-Jährige Alle Altersklassen Formaler Bildungsstand Dominanz der Gymnasiasten Gesamt- und Realschule Gesamtschule Gymnasium Hauptschule Nationale Herkunft ohne Mig.H. mit Mig.H. kein signifikanter Unterschied ohne Mig.H. mit Mig.H.
Funktionsverlust vs. Funktionswandel - Auslagerung von Teilbereichen wie z.b. Krankenversorgung, Produktion und Erziehung sowie (Aus-)Bildung in den öffentlichen Raum à Funktionsübergabe an spezialisierte Erziehungseinrichtungen als Kompensation à Familie im Spannungsverhältnis zwischen zielgerichteter Erziehung und partnerschaftlicher und zugleich diffuser Rollenstruktur 21