Praxisleitfaden Kindesmisshandlung- Vorgehen in der kinder- und jugendärztlichen Praxis Herbsttagung 2014 des BVKJ-LV SH 8.11.2014 Kiel Prof. Dr. Ute Thyen Universität Lübeck Klinik für Kinder- und Jugendmedizin
Was Sie erwartet Praxisleitfaden der Kommission Kinderschutz der DAKJ Rahmung Bundeskinderschutzgesetz Risikoabschätzung Freiburger Anhaltsbogen Projekt Guter Start in die Familie GuStaF Filmausschnitte
Empfehlungen der DAKJ- Kommission Kinderschutz Praxisleitfaden Kindesmisshandlung ( 01/2014) Der Leitfaden zum Vorgehen in der kinder- und jugendärztlichen Praxis im Verdachtsfall auf Kindesmisshandlung und -vernachlässigung wurde von der Kommission Kinderschutz der DAKJ erarbeitet. Autor: Herbert Grundhewer/Berlin unter Mitarbeit von Sylvester von Bismarck/Berlin, Frank Häßler/Rostock, Bernd Herrmann/Kassel, UteThyen/Lübeck Empfehlungen für Kinderschutz an Kliniken (10/2012) Der Leitfaden für Kliniken zum Vorgehen im Verdachtsfall auf Kindesmisshandlung und -vernachlässigung wurde in Zusammenarbeit der Arbeitsgemeinschaft Kinderschutz in der Medizin (AG KiM) und der Kommission Kinderschutz der DAKJ 2010 erarbeitet und wird kontinuierlich aktualisiert.
Ziele und Aufgaben in der Praxis frühzeitiges Erkennen einer möglichen Gefährdung des Kindes gesundheitliche Versorgung des Kindes, Förderung von gesundem Aufwachsen des Kindes und Unterstützung dessen Entwicklungspotentiale verbindliche Betreuung der Familie und des Kindes: dafür muss unbedingt eine vertrauensvolle Arzt- Patientenbeziehung bestehen und weiter erhalten werden Information der Eltern über die Hilfsmöglichkeiten vor Ort Aktiv geeignete Hilfen einleiten Kontakt zu anderen Institutionen herstellen
Grundsätze Grundsätzlich sollte bei Kindermisshandlung immer (mit dem Wissen und Einverständnis der Eltern) wegen der wahrscheinlichen Komplexität der Problematik eine Kooperation mit anderen Stellen der Jugendhilfe angestrebt werden. Bevor ein Verdacht einer Kindesmisshandlung gegenüber den Eltern geäußert werden darf, muss dieser abgesichert sein- im ärztlich- diagnostischen Sinne, nicht im rechtsmedizinischforensischen! Dann in Eröffnungsgespräch die Sorgen und Hinweise für Misshandlung den Eltern erläutern und Brücken bauen Mögliche Hilfen in der Gemeinde sollten bekannt sein Eine Weitergabe der Informationen ohne Einverständnis der Eltern bedarf gewichtiger Gründe und die Annahme einer Kindeswohlgefährdung, die ohne Mitwirkung der Eltern nicht abgewendet werden kann.
Stufenweises Vorgehen Erstuntersuchung Verlaufsbeobachtung Fachberatung durch insoweit erfahrene Fachkraft, ggf. Kollegen, Rechtsmedizin im Rahmen einer anonymen Beratung Diagnosegespräch und Einwilligung zur Kooperation (KiTa, Jugendamt, Frühe Hilfen)
Persönliche Vorbereitung sich Zeit nehmen für sich, für das Gespräch; den Schreck und Schock bei sich selbst wahrnehmen. Eventuell auch mit Kollegen sprechen; durchatmen. man kann sich in die Situation der Eltern hineindenken: weshalb kommen sie in dieser Situation? Sie suchen Hilfe für ihr verletztes Kind Angst, Schuldgefühle Angst vor weiterer Eskalation des familiären Konfliktes Unbestimmtes Gefühl der akuten Gefährdung Aber auch: Angst vor Aufdeckung und Strafe Ruhiger Raum, keine Störung durch Schwester, Telefon, Rezepte etc., ausreichend Zeit außerhalb des üblichen Praxisbetriebes.
Gesprächsverlauf Kontakt herstellen Zentrale Gesprächsinhalte: Verletzungen und die Symptomatik des Kindes schildern- auch über die möglichen Folgen und die Dauerschäden Sich und Eltern Zeit geben: Betroffenheit über die Verletzungen und deren Folgen ausdrücken lassen - auch Eltern, die ihre Kinder misshandeln, sorgen sich und ihre Kinder und um Folgen! Erklärung der Eltern nicht kommentieren ( Lüge o.ä.) Gegen ihren Widerstand nichts beweisen wollen Auch auf keine abenteuerlichen Diskussionen oder Spekulationen einlassen oder bedrängen der Eltern; diese sind nicht verpflichtet, die Wahrheit zu sagen Nur beschreibende Fragen benutzen: Was Wann Wo Wer; kein Warum! Vertragsphase: Das Ganze ist kein Einzelproblem Ich helfe Ihnen gerne, aber ich kann das nicht allein. Zeit für weitere Gespräche anbieten, Ziele klären
Risikoabschätzung Stationäre Abklärung bei hoher Gefährdung, schweren Verletzungen, prinzipiell immer bei jungen Säuglingen (mit Hämatomen oder anderen Verletzungen). Misshandlungen sind selten einmalige Ereignisse, sie finden über einen langen Zeitraum statt, mit gelegentlicher Eskalation. Gerade diese lange Dauer führt zu den langfristigen Traumatisierungen beim Kind. Bei dem ersten Arztbesuch besteht in der Regel kein unmittelbarer Handlungsbedarf, um eine Gefahr abzuwehren. Bei vagen Befunden: kurzfristige Wiedervorstellungen, Umfeld des Kindes klären, eventuell auch mit Einverständnis der Eltern Kontakt zu anderen Einrichtungen, die das Kind kennen. Bei konkreten Anhaltspunkten: Zeit für ein diagnostisches Gespräch möglichst bald.
Zielperspektiven BKiSchG Aktiver Kinderschutz braucht Frühe Hilfen und verlässliche Netzwerke Handlungs- und Rechtssicherheit verbindliche Standards belastbare Daten Artikelgesetz: Gesetz zur Stärkung eines aktiven Schutzes von Kindern und Jugendlichen Bundeskinderschutzgesetz (BKiSchG) 1. (Neues) Gesetz zur Kooperation und Information im Kinderschutz (KiKoG) 2. Änderungen im SGB VIII 3. Änderungen in anderen Gesetzen
Befugnisnorm für Berufsgeheimnisträger Konzentration auf Berufsgruppen, die in einem direkten Kontakt zu Kindern/Jugendlichen stehen und grds. zur Erörterung der einschlägigen Problemlagen mit den Eltern befähigt sind Ärzte, Psychologen, Psychotherapeuten und Sozialpädagogen/ Sozialarbeitern Beratung von Eltern, Kindern/ Jugendlichen bei gewichtigen Anhaltspunkten für eine Kindeswohlgefährdung Anspruch des Geheimnisträgers auf Beratung durch eine insoweit erfahrene Fachkraft Befugnis zur Datenweitergabe an das Jugendamt, wenn ein Tätigwerden für dringend erforderlich erachtet wird.
Zusammenhang Entwicklungsstörung - Vernachlässigung/ Misshandlung Manche Entwicklungsstörungen Folge von: Vernachlässigung/ Verwahrlosung/ Gewalt Hintergrund komplexe psychosoziale Belastungssituation: Veränderte Familienstrukturen Innerfamiliäre Konflikte Mangelnde Erziehungskompetenz Substanzmissbrauch Psychische Erkrankungen der Eltern Erschwerter Zugang zu Versorgungsangeboten, (z.b. bei Familien mit Migrationshintergrund)
Präventive Möglichkeiten Früherkennungsuntersuchungen Interaktionsstörungen beobachten, Wachstum und Entwicklung dokumentieren Vermittlung von Materialien und Angeboten, die Eltern in der Erziehungskompetenz stärken Auf psychisch auffällige Befunde reagieren
Freiburger Anhaltsbogen Kontakt: florian.belzer@uniklini k-freiburg.de
Ziegenhain, Gebauer, Ziesel, Künster & Fegert (2010)
Frühe Hilfen: Eintrittspforte Gesundheitswesen Gesundheitswesen Schwangerenvorsorge Geburt, Hebammentätigkeit Früherkennungsuntersuchung für Kinder Schwangerschaftsberatung Kinder- und Jugendhilfe Kinderschutz Frühe Hilfen Frühförderung Eingliederungshilfe
Vorbeugende Beratung: BZgA Elternheft 1 zu den Früherkennungsuntersuchungen U1- U6 Elternheft 2 zu den Früherkennungsuntersuchungen U7- U9 und J1 Infoheft 1: Entwicklungsgrundlagen Infoheft 2: Kindliche Entwicklung Infoheft 3: Entwicklungsförderung Infoheft 4: Entwicklungsauffälligkeiten Infoheft 5: Vorbeugung Infoheft 6: Krankheitswissen Elternbriefe im E-Mail Abo U1 bis U9 - auch in der Kita ein Thema für Erzieher/innen
Projekt Guter Start in die Familie Beispiel Frauenklinik UKSH: ca. 1500 Geburten / Jahr 250 Frühgeburten (< 37. SSW) 60 sehr kleine Frühgeborene < 1.500 g 6-9 drogenabhängige Mütter (etabliertes Kooperationsprojekt) keine Daten von psychisch kranken Müttern pränatalen Versorgung und Nachsorge jugendlicher Mütter Bedarf für Kompetenzen in Erkennen von Hilfebedarf (Feinfühligkeit) und Befähigung zur Netzwerkarbeit.
Einladung Filmvorführung in Lübeck Im Rahmen des Qualitätszirkels Frühe Hilfen 3.12.2014, 13.30 bis 17:00 Uhr Kommunales Kino Lübeck, Mengstrasse 35 Anmeldung: Elsbeth Hoeck unter: 2037387 oder per E mail: fruehehilfen@kinderschutz-zentrumluebeck.de Film bestellen bei BZgA /NZFH http://www.fruehehilfen.de/serviceangebote-des-nzfh/materialien/publikationen/