Einlagenrückgewähr - Ausgewählte Aspekte. Univ.-Prof. Dr. Georg E. Kodek



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Transkript:

Einlagenrückgewähr - Ausgewählte Aspekte Univ.-Prof. Dr. Georg E. Kodek

Übersicht I. Allgemeines II. Beispiele III. Neuere Judikatur IV. Erfasster Personenkreis V. IPR VI. Rechtsfolgen VII. Firmenbuch VIII. GmbH & CoKG IX. Verhältnis zu anderen Ansprüchen X. Zwischenbilanz: Problemfelder XI. Ausgewählte Literatur FOLIE 2

I. Allgemeines A. Grundsätze 82 GmbHG: (1)Die Gesellschafter können ihre Stammeinlage nicht zurückfordern; sie haben [ ] nur Anspruch auf den nach dem Jahresabschluss [ ] sich ergebenden Bilanzgewinn. Ähnlich 52 AktG Begriffsbestimmung: geht eigentlich um umfassende Vermögensbindung der Gesellschaft In Ö bei GmbH und AG gleich (anders in D!) FOLIE 3

Ausgangslage: Rechtsgeschäfte zwischen AG/GmbH und Gesellschafter sind grundsätzlich zulässig Gesellschafter darf aus diesen Rechtsgeschäften eine Leistung der Gesellschaft erhalten Aber: Wert der Leistung der Gesellschaft muss durch die Gegenleistung des Gesellschafters abgegolten werden zulässig nur bei angemessenen (fremdüblichen) Konditionen Anderenfalls liegt eine verdeckte Einlagenrückgewähr vor FOLIE 4

Verdeckte Einlagenrückgewähr: Unzulässig ist jeder Vermögenstransfer von der Gesellschaft zum Gesellschafter in Vertragsform oder auf andere Weise, der den Gesellschafter auf Grund des Gesellschaftsverhältnisses zulasten des gemeinsamen Sondervermögens bevorteilt. Ulmer/Müller OGH JBl 2006, 388 (Artmann) FOLIE 5

Steuerrechtliche Definition: Als verdeckte Gewinnausschüttung sind alle unmittelbaren oder mittelbaren, nicht ohne Weiteres als Ausschüttungen von Gewinnanteilen erkennbaren Zuwendungen aus dem Vermögen der Körperschaft an die an ihr beteiligten Personen zu verstehen, die sich als Zuwendung von Teilen des Einkommens der Körperschaft darstellen. VwGH GeS 2003, 318 (Herdin) FOLIE 6

Beachte: Parallelen in der Begriffsbildung, aber nicht zwingend deckungsgleich. Daher denkbar, dass steuerrechtlich eine verdeckte Gewinnausschüttung zu bejahen ist, gesellschaftsrechtlich aber nicht. VwGH QuHGZ 1980, 475 FOLIE 7

1. Inäquivalenz von Leistung und Gegenleistung als Grundvoraussetzung Vermutung für VGA 2. Widerlegung der Vermutung möglich durch Drittvergleich (Geschäft wäre auch mit einem außenstehenden Dritten geschlossen worden) oder durch Betriebliche Rechtfertigung 6 Ob 288/99t; 6 Ob 271/05d Auf subjektive Kriterien (Begünstigungsabsicht, Umgehungsabsicht) kommt es nach ha nicht an FOLIE 8

Gilt auch für Vermögensverschiebungen zugunsten des einzigen Gesellschafters NZ 1929, 28 Unmaßgeblich ist, ob der Vermögenstransfer in der Bilanz seinen Niederschlag findet. JBl 2006, 388 FOLIE 9

Objektives Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung zulasten der Gesellschaft reicht aus. Dann kann angenommen werden, dass das Geschäft causa societatis zustande gekommen ist. OGH JBl 2006, 88 6 Ob 226/09t FOLIE 10

Beweislast: bei objektivem Missverhältnis von Leistung und Gegenleistung Vermutung für Begünstigung des Gesellschafters Gegenbeweis möglich (OGH 20.1.2000, 6 Ob 288/99t) auch bei Unangemessenheit "betriebliche Rechtfertigung" aus der Sicht der Gesellschaft möglich (vgl 6 Ob 271/05d) Nicht: Bloßes "Konzerninteresse" oder Nachweis, dass das Geschäft nicht von der Gesellschaftereigenschaft beeinflusst wurde (genauso mit einem Dritten geschlossen worden wäre) FOLIE 11

B. Fremdvergleich Fremdvergleich VwGH GesRZ 2007, 212 GesRZ 2007, 140 ua Methoden (Reich-Rohrwig, Kapitalerhaltung 122) Wiederverkaufspreismethode Kostenaufschlagsmethode Gewinnverteilungsmethode FOLIE 12

Beispiele: Übertragung eines 100%-igen Geschäftsanteils von einer GmbH auf ihren Gesellschafter zu einem Kaufpreis in Höhe des Stammkapitals wbl 1992, 305 Auch wenn Äquivalenz fehlt, ist zusätzlich zu prüfen, ob ein sorgfältig handelnder Geschäftsleiter das Geschäft auch mit einem Dritten hätte abschließen dürfen. JBl 2006, 388 FOLIE 13

C. Betriebliche Gründe Eine verdeckte Einlagenrückgewähr kann auch damit gerechtfertigt werden, dass besondere betriebliche Gründe im Interesse der Gesellschaft vorliegen, wenn dies nach der Formel des Fremdvergleichs dahin gedeckt ist, dass das Geschäft, das mangels objektiver Wertäquivalenz ein Vermögensopfer der Gesellschaft bedeutet, auch mit einem Außenstehenden geschlossen worden wäre. 6 Ob 271/05d (Gemeinsamer Kontokorrentkredit einer Gesellschaft und eines ihrer Gesellschafter als Solidarkreditnehmer, bei dem die Gesellschaft für die Rückzahlung auch dann haftet, wenn die Kreditvaluta dem Gesellschafter zufließen. Für das rechtfertigende Eigeninteresse der Gesellschaft sprechen die geringeren Kreditspesen, vor allem aber die festgestellten Aspekte der wirtschaftlichen Zusammenarbeit beider Unternehmen.) FOLIE 14

II. Beispiele überhöhte Gehälter/Pensionszusagen VwGH GeS 2004, 287 Mithaftung der GmbH für Leasingraten des Pkw des Gesellschafters RdW 2007, 382 FOLIE 15

Variante 1: Gesellschafter Ehegatte Anteile Leistungsbeziehung Leistungsbeziehung GmbH FOLIE 16

Variante 2: Gesellschafter Kreditvertrag Anteile GmbH (insolvent) Klage * Bank Kreditrateneinzüge Liegenschaft Besicherung: Sicherungszession Mieten, Hypotheken * Rückzahlung Kreditraten Unwirksamkeit Besicherung FOLIE 17

Übernahme von Versicherungsprämien durch Gesellschaft VwGH ecolex 1992, 273 Verzinsung einer Privatschuld eines Gesellschafters VwGH ÖJZ 1980, 162 Verzicht auf Forderungen gegen den Gesellschafter VwGH RWZ 2006, 175 FOLIE 18

Vermietung an GmbH zu überhöhtem Mietzins 6 Ob 132/10w Veräußerung einer Bibliothek durch Gesellschafter an Gesellschaft zu überhöhtem Preis (6 Mio ATS) VwGH 2006/15/0215 FOLIE 19

Tragung von Privataufwendungen eines Gesellschafters ecolex 2006, 222 Überlassung von Geschäftschancen? (3 Ob 287/02f; 6 Ob 251/05d) FOLIE 20

Bestellung einer Sicherheit durch Gesellschaft für eine Gesellschafterschuld JBl 2006, 388 wbl 2004, 192 wenn Regressanspruch nicht durchsetzbar oder keine angemessene Gegenleistung an Werthaltigkeit des Regressanspruchs hohe Anforderungen! FOLIE 21

Verpfändung der gesamten Aktiva der Zielgesellschaft für ein von der Übernahme-Gesellschaft zum Zweck der Anteilserwerbung aufgenommenes Darlehen bedenklich Koppensteiner/Rüffler 82 Rz 17a Gegen das Verbot der Einlagenrückgewähr wird auch dann verstoßen, wenn die Zielgesellschaft nicht bloß eine fremde Verbindlichkeit sichert, sondern selbst einen Kredit aufnimmt, um dem Käufer die Mittel für den Anteilserwerb zur Verfügung zu stellen. Maßgebend ist, ob das Geschäft dem Fremdvergleich standhält und auch dann so geschlossen worden wäre, wenn kein Gesellschafter (kein einem Gesellschafter nahestehender Dritter) daraus einen Vorteil zöge. 4 Ob 2078/96h FOLIE 22

Eine verdeckte Einlagenrückgewähr kann auch damit gerechtfertigt werden, dass besondere betriebliche Gründe im Interesse der Gesellschaft vorliegen, wenn dies nach der Formel des Fremdvergleichs dahin gedeckt ist. Für den gemeinsamen Kontokorrentkredit einer Gesellschaft und eines ihrer Gesellschafter als Solidarkreditnehmer, bei dem die Gesellschaft für die Rückzahlung auch dann haftet, wenn die Kreditvaluta dem Gesellschafter zufließen, liegt ein rechtfertigendes Eigeninteresse der Gesellschaft vor. Dafür sprechen die geringeren Kreditspesen; vor allem aber die festgestellten Aspekte der wirtschaftlichen Zusammenarbeit beider Unternehmen. 6 Ob 271/05d FOLIE 23

Nachfolgender downstream-merger ändert an Verstoß gegen Einlagenrückgewähr nichts, wenn Vermögensbestand der früheren Muttergesellschaft negativ ist SZ 69/149 FOLIE 24

Dieselben Grundsätze gelten für Darlehensgewährung der Gesellschaft an ihre Gesellschafter. Nur bei unbedenklicher Bonität zulässig; existenzbedrohende Risken dürfen nicht übernommen werden. Vgl VwGH RWZ 2007, 66 6 Ob 271/05d = JBl 2006, 388 Auch bei voller Besicherung sind existenzgefährdende Kredite unzulässig BGH ZIP 2004, 263 (str) FOLIE 25

Strittig ist Zeitpunkt des Verstoßes Gewährung des unzulässigen Darlehens BGH ZIP 2004, 263 Bilanzielle Betrachtung: erst wenn Inanspruchnahme der Sicherheit bzw Ausfall des Kredits so wahrscheinlich, dass er sich in der Bilanz niederschlägt Bauer/Zehetner in Straube, 82 Rz 121 ff FOLIE 26

Auch Umgründungen können gegen 82 verstoßen. Keine abschließende Regelung des Gläubigerschutzes durch 226 ff AktG Wird überschuldete Mutter downstream verschmolzen, übernimmt die Tochter zugunsten ihres Gesellschafters mehr Verbindlichkeiten, als sie Aktiva erhält. Vgl GesRZ 2000, 25 GesRZ 2001, 87 FOLIE 27

Inwieweit dies auch für upstream-verschmelzungen gibt, ist strittig. Schwesternverschmelzung (sidestream) jedenfalls sittenwidrig, wenn die fusionierte Gesellschaft überschuldet ist. GesRZ 2003, 287 vgl auch 6 Ob 165/04i Auch Einbringung kann gegen 82 verstoßen, wenn Gesellschaft auf Veranlassung des Gesellschafters in eine Schwestergesellschaft Vermögen gegen unangemessene Gegenleistung erbringt wbl 2000, 330 FOLIE 28

Bei der Einbringung eines Unternehmens als Sacheinlage gegen Anteilsgewährung kann die Einlagenrückgewähr darin bestehen, dass der Verkehrswert des in die Kapitalgesellschaft eingebrachten Unternehmens unter Berücksichtigung der aufgrund unbarer Entnahmen bestehenden Verbindlichkeit der Gesellschaft die gewährte Stammeinlage nicht deckt oder die Entnahmen zu einer wertmäßigen Überschuldung des eingebrachten Unternehmens (Fehlen eines positiven Verkehrswertes) führt. 6 Ob 196/03x 2 Ob 143/07d FOLIE 29

Einbringung downstream ohne Gegenleistung stellt grds keine verbotene Einlagenrückgewähr dar, weil die unentgeltliche Zuwendung in die Tochter deren Beteiligungswert entsprechend erhöht ecolex 2002, 26 wbl 2005, 236 Anders, wenn der Tochter kein positiver Verkehrswert zugeführt wird, etwa wegen überhöhter Entnahmen im Zuge einer Einbringung gem Art III UmgrStG GesRZ 2003, 163 FOLIE 30

Wird eine Gesellschaft mit hohem Stammkapital auf eine solche mit niedrigem Stammkapital verschmolzen, würde sich das vormals gebundene Vermögen in frei ausschüttbares verwandeln: sog kapitalentsperrender Effekt GesRZ 2000, 25 OLG Wien GesRZ 2004, 204 Muss bei sonstiger Nichtigkeit dadurch neutralisiert werden durch Anwendung der Vorschriften über Kapitalherabsetzung Rücklagenbildung Nachweis der Befriedigung der Gläubiger FOLIE 31

III. Neuere Judikatur: 6 Ob 29/11z Hypothekenbestellung durch eine GmbH für Kredit eines Dritten (Strohmann eines Gesellschafters) Mehrere Umstände machten Transaktion hochverdächtig : Schon auffällig, dass eine Gesellschaft Sicherheit für jemand bestellt, mit dem sie in keinem Zusammenhang steht Bank war auch das Konzept bekannt, wonach die S-GmbH und der Kreditnehmer Gesellschafter werden sollten FOLIE 32

6 Ob 110/12p überhöhter Mietzins (1) Sachverhalt: Kläger war Mehrheitsgesellschafter und GF der beklagten GmbH. Die GmbH benötigt Parkplätze und Lagerflächen und mietet dafür ein Büroobjekt des Klägers an. Der Mietzins lag nach Feststellungen einer Betriebsprüfung 200 % über dem ortsüblichen Mietzins. Kläger klagt Mietzins ein; GmbH wendet Ansprüche aus Einlagenrückgewähr kompensando ein. (6 Ob 110/12p; vgl auch 8 Ob 20/13v) FOLIE 33

6 Ob 110/12p überhöhter Mietzins (2) Drittvergleich: Konditionen, aber auch ob überhaupt Geschäft abgeschlossen worden wäre. Kein Zuschlag für Monopolstellung FOLIE 34

6 Ob 110/12p überhöhter Mietzins (3) Nichtigkeit (so auch hl, ebenso in D zur AG) Teil- oder Gesamtnichtigkeit Hypothetischer Parteiwille Bei Streit um vergangene Perioden kein Unterschied Bollenberger (RdW 2008): Teilnichtigkeit bei Parteiwille und fehlender Schutzwürdigkeit des Gesellschafters Sofern Liegenschaft überhaupt nicht hätte angemietet werden dürfen, ist Benützungsentgelt nur Parkplatz zu berechnen, Rest wäre aufgedrängte Bereicherung FOLIE 35

6 Ob 110/12p überhöhter Mietzins (4) Aufrechnung Aufrechnungsverbot steht Geltendmachung des Rückforderungsanspruchs nicht entgegen Verjährung Rückwirkung der Aufrechnung Rückforderungsanspruch nach 83 GmbHG konkurriert mit bereicherungsrechtlichen Ansprüchen, 83 Abs 5 GmbHG daher keine lex specialis Verjährung hatte isd 1494 ABGB nicht begonnen, solange Kläger GF der GmbH war FOLIE 36

6 Ob 153/12m - Tischplatten Klage einer Minderheitsgesellschafterin GmbH lieferte an Schwestergesellschaft Tischplatten unter Herstellungskosten Aber: Deckungsbeitrag nicht geringer als bei anderen Kunden Betriebliche Rechtfertigung: Schwestergesellschaft war größter Kunde Regelmäßige langjährige Produktabnahme Übernahme von Werbemaßnahmen für die Gesellschaft Fremdvergleich bejaht FOLIE 37

6 Ob 48/12w Kreditaufnahme für Unternehmenserwerb (1) Tochtergesellschaft nimmt Kredit für Firmenerwerb auf. Später Wechsel des Kreditnehmers auf Muttergesellschaft Mit diesem Kredit wird Erwerb der Gesellschaftsanteile finanziert Muttergesellschaft (nur zum Zweck des Unternehmenserwerbs gegründet) nahm gleichfalls Kredit auf In der Folge Verschmelzung upstream Der Bank waren diese Umstände im vorhinein bekannt FOLIE 38

6 Ob 48/12w Kreditaufnahme für Unternehmenserwerb (2) Berufungsgericht: verbotene Einlagenrückgewähr an Muttergesellschaft und deren Gesellschafter Revision zurückgewiesen Wenn Geschäft ungültig ist, bestehen auch keine Bereicherungsansprüche, die Zweck des 82 GmbH zuwiderlaufen FOLIE 39

Rezeption Scharfe Ablehnung ( Blödsinn : RA *****, nicht veröffentlicht) Zustimmung: Richter Einschränkung: Brugger Kritik, Einschränkung: Karollus Entscheidend sei Zulässigkeit der Verschmelzung Ausschluss der Bereicherung fraglich, wenn und soweit Bereicherung verblieben ist, zb in Form von Ansprüchen gegen Dritte (s Krejci, FS Koppensteiner) FOLIE 40

3 Ob 50/13v Management Buyout II Finanzierungsmodell: Kreditaufnahme durch Zielgesellschaft, Mittel aus dem Kredit ausschließlich zur Finanzierung des Anteilserwerbs Besicherung durch (abstrakte) Garantien von Gesellschafter und FG des Erwerbsvehikels (Anm: Daher keine Aussage zu akzessorischen Sicherheiten) Insolvenzeröffnung über Zielgesellschaft zwei Jahre nach Übernahme Bank macht Anspruch aus Garantieerklärungen geltend FOLIE 41

OGH: Tilgung des Akquisitionskredits aus ausgeschütteten Gewinnen verstößt nicht gegen 82 GmbHG Fortschreibung der Weiterleitungs-Judikatur: Zweck der Finanzierung des Anteilserwerbs führt zu Unzulässigkeit des von der Zielgesellschaft aufgenommenen Kredits Einwendungen Nichtigkeit, verdünnte Willensfreiheit etc nicht erfolgreich FOLIE 42

IV. Erfasster Personenkreis Normadressaten des in 82 GmbHG und 52 AktG enthaltenen Verbotes der Einlagenrückgewähr sind die Gesellschaft und der Gesellschafter (Aktionär), nicht aber auch ein Dritter. 83 Abs 1 GmbHG und 56 AktG räumen der Gesellschaft einen Rückgewähranspruch gegen den Gesellschafter (Aktionär) ein. Dritte sind bei Kollusion und grober Fahrlässigkeit rückgabepflichtig. 4 Ob 2078/96h 9 Ob 25/08d FOLIE 43

Ehemalige und künftige Gesellschafter 6 Ob 132/10w Personen, denen wirtschaftliche Gesellschafterstellung zukommt Treugeber 3 Ob 287/02f Auch zu vermuten, wenn an Ehegatten oder minderjährige Kinder geleistet wird BGH ZIP 1992, 242 FOLIE 44

Bei verdeckter Einlagenrückgewähr durch Bestellung einer Sicherheit für eine Gesellschafterschuld richtet sich die Wirksamkeit des Vertrages im Verhältnis zum Sicherungsnehmer (idr Bank) nach den Grundsätzen über den Missbrauch der Vertretungsmacht. JBl 2006, 388 Wbl 2004, 192 Dem Dritten kann daher die Nichtigkeit entgegengehalten werden, wenn er vom Verbotsverstoß wusste oder dieser evident war. JBl 2006, 388 FOLIE 45

Nichtigkeit wirkt auch gegenüber Kreditinstituten, sofern Kollusion oder (grob?) fahrlässige Unkenntnis von Verstoß gegen das Einlagenrückgewährverbot vorliegt. 1 Ob 290/00d Dt L (zur AG): positive Kenntnis und Evidenz FOLIE 46

Erkundigungspflicht 6 Ob 271/05d 4 Ob 2078/96h; 7 Ob 35/10p Eine allgemeine Erkundigungs- und Prüfpflicht der Bank besteht nicht für alle Fälle denkmöglicher Einlagenrückgewähr, sondern ist nur dort zu fordern, wo sich der Verdacht schon so weit aufdrängt, dass er nahezu einer Gewissheit gleichkommt. (T4); Beisatz: Die Beurteilung muss für den Zeitpunkt des Abschlusses des Rechtsgeschäfts vorgenommen werden. 9 Ob 25/08d Gilt wohl auch bei Leistungen an sonstige Dritte 10 Ob 16/06k (Leasinggeber) FOLIE 47

V. IPR Voraussetzung ist Österreichbezug (Frotz/Kaufmann, Grenzüberschreitende Verschmelzungen [2008] 3 EU-VerschG Rz 19). Ein solcher Österreichbezug wäre etwa dann gegeben, wenn einziger Gesellschafter der übertragenden ausländischen Kapitalgesellschaft eine österreichische AG oder GmbH ist, deren Muttergesellschaft wiederum die gesamten Anteile an der übernehmenden österreichischen Kapitalgesellschaft hält. FOLIE 48

Ob ein derartiger Österreichbezug sich aufgrund der 10 IPRG zugrundeliegenden Sitztheorie nur daraus ergeben kann, dass der Gesellschafter der übertragenden Gesellschaft isd 224 Abs 2 AktG seinen Sitz in Österreich hat, oder isd in 1 Abs 1 IPRG angesprochenen Grundsatzes der stärksten Beziehung (dazu Verschraegen in Rummel, ABGB3 1 IPRG Rz 3) auch andere Bezugspunkte zu Österreich die Anwendbarkeit österreichischen Kapitalerhaltungsrechts rechtfertigen können, wurde offen gelassen. 6 Ob 226/09t FOLIE 49

Nach 4 Abs 1 IPRG ist das fremde Recht grundsätzlich von Amts wegen zu ermitteln (vgl nur Verschraegen in Rummel, ABGB³ 4 IPRG Rz 1). Allerdings ist hier die Ausgestaltung des Firmenbuchverfahrens als (in der Regel einseitiges) Urkundenverfahren zu berücksichtigen. 6 Ob 226/09t FOLIE 50

VI. Rechtsfolgen Nichtigkeit, weil Verbot der Einlagenrückgewähr dem Gläubigerschutz dient 6 Ob 132/10w wbl 2004, 192 SZ 69/149 = JBl 1997, 108 (Hügel) hl, hl in D zur AG (anders zur GmbH und Mindermeinung [insb Bayer] zur AG) von Amts wegen wahrzunehmen 6 Ob 132/10w FOLIE 51

Die absolute Nichtigkeit einer Vereinbarung wegen eines Verstoßes gegen das Verbot der Einlagenrückgewähr des 82 Abs1 GmbHG ist nur dann von Amts wegen wahrzunehmen, wenn Anzeichen bestehen, dass von der Gesellschaft erbrachte Leistungen für den Gesellschafter nicht Gewinnverwendung sind und ihnen auch keine gleichwertige Gegenleistung des Gesellschafters gegenübersteht. 4 Ob 252/02s 3 Ob 287/02f FOLIE 52

Aber: Von Gesellschafter selbst bestellte Sicherheiten vom Verbot der Einlagenrückgewähr nicht betroffen. Auch bei akzessorischen Sicherheiten kann sich Gesellschafter nicht auf eine aus dem Verbot der Einlagenrückgewähr abgeleitete Nichtigkeit der Hauptschuld berufen. 6 Ob 200/06i; vgl auch 3 Ob 50/13v FOLIE 53

Weitere Rechtsfolgen: Rückgewährungsanspruch Schadenersatzhaftung der Organe Strafrecht ( 153 StGB, allenfalls auch 156 StGB) (Außenhaftung des Aktionärs) (Ausfallshaftung der Mitgesellschafter) FOLIE 54

VII. Firmenbuch Auch im Firmenbuch von Amts wegen wahrzunehmen 6 Ob 226/09t ecolex 2003, 177 wbl 20000, 330 FOLIE 55

VIII. GmbH & CoKG Anwendung des Kapitalerhaltungsrechts der GmbH Umwandlung einer Einpersonen-Kapitalgesellschaft in eine Personengesellschaft: Nach 5 Abs 1 zweiter und dritter Satz UmwG idf ÜbRÄG 2006 (BGBl I 75/2006) muss bei der errichtenden Umwandlung die Höhe der übernommenen Einlagen der Höhe des Stammkapitals entsprechen. Es steht den Gesellschaftern frei, ob sie sich als Kommanditist oder Komplementär beteiligen. Dabei muss mindestens ein weiterer Gesellschafter hinzutreten. Dem bei Umwandlung unter Errichtung einer GmbH & Co KG im engsten Sinn erforderlichen Gläubigerschutz ist bereits im Eintragungsverfahren Rechnung zu tragen. 6 Ob 235/07p ua FOLIE 56

Ist bei einer Kommanditgesellschaft kein unbeschränkt haftender Gesellschafter eine natürliche Person, so sind die Vorschriften über das Verbot der Einlagenrückgewähr gemäß 82 Abs 1 und 83 Abs 1 GmbHG auf die Kommanditgesellschaft im Verhältnis zu ihren Kommanditisten analog anzuwenden. Der Rückersatzanspruch gemäß 83 Abs 1 GmbHG steht dabei der Kommanditgesellschaft zu. 2 Ob 225/07p FOLIE 57

IX. Verhältnis zu anderen Ansprüchen Gegenüber der Anfechtung der Einlagenleistung des Gesellschafters durch den Masseverwalter kann sich die Gesellschaft nicht auf die Kapitalerhaltungsregeln berufen. 3 Ob 51/10m FOLIE 58

Vorrang von Schadenersatzansprüchen geschädigter Anleger vor Verbot der Einlagenrückgewähr 7 Ob 77/10i 6 Ob 28/12d EuGH C-174/12 Hirmann/Immofinanz Vgl auch zur Einlagensicherung 4 Ob 89/13m; Zur Rangfrage 1 Ob 34/13a; obiter auch 6 Ob 28/12d FOLIE 59

X. Zwischenbilanz: Problemfelder Anforderungen an betriebliche Rechtfertigung Anforderungen an Evidenz des Verstoßes für Dritten (Bank) Verschmelzungen, insb Gleichbehandlung von upstream und downstream?, Wartefrist vor Verschmelzung? allenfalls restliche Bereicherungsansprüche in Sonderkonstellationen FOLIE 60

XI. Ausgewählte Literatur Brugger, Das Ende des Special Purpose Vehicle (SPV) durch 6 Ob 48/12w? NZ 2013, 208 Hörlsberger/Rieder, ecolex 2013/259 S 638 Karollus, 6 Ob 48/12w: Das Ende der bisherigen LBO-/MBO- Finanzierungspraxis? GES 2013, 283 Kodek, Einlagenrückgewähr ausgewählte neuere Judikatur, in Konecny, Insolvenzforum 2010 (2011) 187 Reich-Rohrwig, Unzulässige Einlagenrückgewähr im Spiegel der Rechtsprechung 2003-2013, ecolex 2013, 940 Richter, Verbotene Einlagenrückgewähr bei einer Up-stream- Verschmelzung. Anmerkungen zu OGH 6 Ob 48/12w, ZIK 2013, 84 Wolkerstorfer/Gebetsberger, ÖBA 2013, 601/1933 FOLIE 61

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit Department für Unternehmensrecht, Arbeits- und Sozialrecht Institut für Zivil- und Unternehmensrecht Welthandelsplatz 1/D3/1.OG, 1020 Vienna, Austria UNIV.PROF. DR. Georg E. Kodek T +43-1-313 36-4276DW F +43-1-313 36-714DW georg.kodek@wu.ac.at www.wu.ac.at/privatrecht FOLIE 62