Die Bewohner beteiligen - Nachhaltige Sanierung von Wohnsiedlungen in Quartieren mit besonderem Handlungsbedarf

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Transkript:

Die Bewohner beteiligen - Nachhaltige Sanierung von Wohnsiedlungen in Quartieren mit besonderem Handlungsbedarf Soziale Wohnungspolitik Herausforderungen für Staat und Kommune, Wirtschaft und Zivilgesellschaft Ev. Akademie Hofgeismar, 9. / 10. September 2011 Dr. Immanuel Stieß, Institut für sozial-ökologische Forschung, ISOE

Inhaltsübersicht Anforderung an die Sanierung in benachteiligten Quartieren Gesetzliche Regelung der Mieterbeteiligung bei einer Sanierung Handlungsfelder, Methoden und Voraussetzungen der Bewohnerbeteiligung 2

Erhöhte Fluktuation und soziale Entmischung In vielen Siedlungen der 1960er und frühen 1970er Jahre findet ein Generationenwechsel statt: Alteingesessene Bewohner sterben oder müssen ihre Wohnung altersbedingt verlassen. Eine neue Generation zieht nach. Unterschiedliche Lebensstile, Wertvorstellungen und Gewohnheiten prallen aufeinander Nachbarschaftskonflikte, fehlende Verständigung Verstärkte Abwanderung von besser gestellten Haushalten Zunehmende Konzentration von Haushalten mit geringem Einkommen Quelle: Bizer et al. 2010 3

Hoher Modernisierungsund Instandhaltungsbedarf Schlechter baulicher Zustand Ausstattung wird heutigen Anforderungen nicht gerecht Unzureichende Wohnungszuschnitte Schlechte Wärmedämmung Hoher Energiebedarf und hohe Energiekosten Quelle: destatis EVS 2008 - eigene Darstellung 4

Defizite im Wohnumfeld Unzureichende Gemeinschaftseinrichtungen Mangelhaft gestaltete Freiflächen Überdimensionierte Verkehrserschließung Sanieren als bauliche und soziale Aufgabe 5

Sanierung als Eingriff in bestehende Nutzungen Sanierungsprozess als Eingriff in bestehende Nutzungen Massive Belästigung durch Lärm, Staub und Dreck Eingeschränkte Nutzung der Wohnung während der Sanierung Geänderte Nutzungsmöglichkeiten durch baulich-technische Veränderungen der Wohnung Komfortgewinn durch gedämmte Wohnung und zeitgemäße technische Installationen Veränderte Stellflächen und Lage von Anschlüssen Mietereinbauten und Investitionen können u.u. nicht mehr genutzt werden Anpassung von Heiz- und Lüftungsroutinen Richtige Bedienung von Heizungs- und Lüftungsanlagen Vermeidung von Feuchteschäden und Schimmel! Erhöhung der Kaltmiete vs. verringerte Heizkosten Ausgleich oder Anstieg der Gesamtkosten ( Warmmietenneutralität )? 6

Rechtliche Regelung der Mieterkommunikation bei einer Sanierung Duldungspflicht des Mieters bei einer Sanierung ( 554 BGB) Verbesserung der Mietsache Einsparung von Energie Schaffung neuen Wohnraums Soweit diese keine unzureichende Härte bedeuten, insbesondere Belastung durch vorzunehmende Arbeiten Bauliche Folgen Vorherige Aufwendungen des Mieters Zu erwartende Mieterhöhung aber nicht wenn die Mietsache in einen Zustand versetzt wird, der allgemein üblich ist Informationspflicht des Vermieters Art, Umfang, Beginn und voraussichtliche Dauer der geplanten Maßnahme Voraussichtliche Mieterhöhung mindestens drei Monate vor Beginn der Maßnahme Recht auf außerordentliche Kündigung des Mietverhältnisses 7

Defizite der bestehenden gesetzlichen Regelung Unzureichende gesetzliche Anforderungen Später Zeitpunkt der Mieterinformation Keine Einflussmöglichkeiten auf Planung von Art, Umfang und Qualität der Sanierungsmaßnahmen Juristischer Einspruch als einziger Ausweg für Wut-Mieter? Schaffen erweiterter Möglichkeiten der Mieterbeteiligung bei einer Sanierung 8

Was kann Bewohnerbeteiligung leisten? Qualität von Lösungen verbessern Informationszugang erleichtern Bedürfnisse, Interessen und Positionen ermitteln Breite Informationsgrundlage schaffen Kreative Potenziale aktivieren Akzeptanz schaffen und Identifikation stiften Zufriedenheit mit Ergebnissen erzeugen Befürchtungen und Ängste abbauen Eigenverantwortung stärken Mitwirkungs- und Gestaltungsmöglichkeiten schaffen Konsensfindung und Konfliktregelung ermöglichen Lernprozesse anstoßen Sowohl bei Planern und Entscheidern als auch bei als bei Betroffenen Umsetzungsorientierung fördern Widerstände frühzeitig erkennen, Feedback ermöglichen 9

Handlungsfelder der Bewohnerbeteiligung bei einer Sanierung Veränderung der Wohnung Wohnumfeld, öffentlicher Raum Soziale Aktivitäten, soziale Infrastruktur Image, Öffentlichkeitsarbeit 10

Handlungsfelder der Bewohnerbeteiligung Wohnungsbezogene Veränderungen Umfang und Varianten von Sanierungsmaßnahmen Wahl zwischen unterschiedlichen Ausstattungs- und Gestaltungsoptionen Grundrissänderungen Ablauf- und Organisation der Sanierung Information und Einweisung in die Bedienung von Heizungs- und Lüftungsanlagen Umgestaltung des Wohnumfelds Gestaltung von Eingangsbereichen und Treppenhäusern Umnutzung von Gemeinschaftseinrichtungen (Waschküche als Mietertreff) Gestaltung von Freiflächen Zielgruppenbezogene Spiel- und Aufenthaltsmöglichkeiten 11

Bewohnerbeteiligung bei einer Sanierung Erhebung von Daten Erkunden von Interessen und Meinungen Vermittlung und Weitergaben von Informationen Mieteranschreiben, Mieterzeitung, Aushänge Internet Mietersprechstunde Mieterversammlung Quelle: Stieß 2005 12

Bewohnerbeteiligung bei einer Sanierung Aktivieren Interesse für das Thema Sanierung wecken Begehungen Gespräche mit BewohnerInnen vor Ort Mitwirkung Planungsworkshops mit BewohnerInnen Handwerkliche Beteiligung bei der Durchführung von Maßnahmen (Finanzielle Beteiligung) Quelle: Stieß 2005 13

Bewohnerbeteiligung - Schritte und Inhalte Gebietsauswahl Bestandsaufnahme Entwurfsplanung Ausführungsplanung Bauausführung Nutzungsphase Panelbefragung Siedlungsbegehung [Mieterbefragung] Bekanntgabe Begehungen Mieterversammlung [Planerrunden] Ankündigung Modernisierungs- Vereinbarung Aushang Termine Sprechstunde Mieterinformation Persönliche Einweisung Mieterzufriedenheit Mieterdaten Bewertung Wohnsituation Planungsstand Konzeptbewertung durch Mieter Information zu Umfang u. Ablauf Bauzeiten Sonderwünsche Beschwerden Feedback Nutzungshinweise Quelle: Stieß 2005 14

Erfolgsfaktoren für Bewohnerbeteiligung Existenz faktischer Entscheidungsspielräume für Bewohnerbeteiligung Ausreichende Ressourcen für die Organisation des Beteiligungsprozesses Transparenz und Verbindlichkeit über Umgang mit Beteiligungsergebnissen Rückkopplung von Ergebnisse in Planung und Umsetzung der Sanierung Quelle: Stieß 2005 15

Ergebnisse der Bewohnerbeteiligung Wohnungsunternehmen Verbesserte Informationsbasis über Mieterbedürfnisse und -wünsche Breiteres Spektrum von Optionen Hohe Akzeptanz für umfangreiche bauliche Veränderungen Verbesserte Planungssicherheit durch weniger juristische Auseinandersetzungen Einsparungen durch Mieterselbsthilfe Verringertes Leerstandsrisiko und geringere Fluktuation durch verbesserte Kundenbindung Langfristige Sicherung der Vermietbarkeit Mieterinnen und Mieter Verbesserter Zugang zu Informationen über die Modernisierung Bessere Möglichkeit zur Wahrung der Mieterinteressen Verringerte Eingriffe in bestehende Nutzungen Geringere Belästigungen durch individuell abgestimmte Planung und Serviceangebote Aufwertung der Nutzungsqualität des Wohnumfelds Gemeinsame Lernprozesse durch moderierte Planerrunden 16

Fazit Bewohnerbeteiligung bei der Sanierung Gesetzliche Minimalanforderungen ermöglichen nur unzureichende Einbindung der Mieter bei einer Sanierung Absehbare Akzeptanzprobleme durch geplante Lockerung des Mietrechts Sanierung als Chance für Bewohnerbeteiligung Unmittelbarer Bezug ist für alle einsichtig Auch beteiligungsferne Bewohnergruppen können mobilisiert werden Verbesserung von Ablauf und Ergebnis der Sanierung Bedürfnisgerechte Lösungen für unterschiedliche Bewohnergruppen Akzeptanz auch für schwierige Lösungen Förderung von sozialem Lernen und gegenseitigem Verständnis im Wohnbereich Transparenz und faktische Entscheidungsspielräume als Voraussetzung 17

Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit! www.isoe.de stiess@isoe.de 18