Verband der Krankenhausdirektoren Deutschlands Frühjahrsseminar 2013: Personalwesen Bayreuth, 16. April 2013 Ernst Burger Landesarbeitsgericht München Rechtliche Aspekte personenbedingter Kündigungen I. 1. Definition: personenbedingt Allein in der Sphäre des Beschäftigten angesiedelte persönliche Verhältnisse und Eigenschaften/Eignungsvoraussetzungen, fehlende Steuerbarkeit, kein vertragswidriges Verhalten deshalb keine Abmahnungsvoraussetzung 2. Typische Fälle in der Praxis: - Fehlen notwendiger Berufsausübungsvoraussetzungen (ggf. erforderliche Arbeitserlaubnis, Approbation beim Arzt, Berufsausübungserlaubnis bei Pflegekräften, Fahrerlaubnis beim Kraftfahrer, Fluglizenz beim Piloten...) - Fachliche und persönliche Eignung (kirchliches Arbeitsverhältnis!, außerdienstliche Aktivitäten/ Straftaten: 8 BAT im TVöD/TV-L nicht mehr enthalten, jedoch allgemeine Rücksichtnahmepflicht: vgl. BAG, U. v. 10.09.2009, 2 AZR 257/08, NZA 2010, S. 220 f, und BAG, U. v. 28.10.2010, 2 AZR 293/09, ZTR 2011, S. 110 f - Gewissenskonflikte (alternative Beschäftigungsmöglichkeiten?) - Haft (betriebliche Auswirkungen maßgeblich, Ungewissheit der Rückkehr) - Sucht (wenn bereits Krankheitswert)
2 - Low Performer (subjektiver Leistungsbegriff, 1/3-Grenze, Frage möglicher Umorganisation, Umschulung...) - Krankheit II. Krankheit als personenbedingter Kündigungsgrund 1. Arten (i. w. S.) krankheitsbedingter Kündigungen 2. Kündigung wegen häufiger krankheitsbedingter Fehlzeiten a) Fehlzeitenquote (2 3 Jahre?) b) Negative Gesundheitsprognose (konkretes Risiko weiterer erheblicher krankheitsbedingter Fehlzeiten) aa) bb) cc) relevanter Zeitpunkt: Kündigungserklärung (spätere Entwicklung?) objektive Situation maßgebend Darlegungs- und Beweislast: grundsätzlich Arbeitgeber - Auflistung der bisherigen Krankheitszeiten (Häufigkeit, etwaige Entwicklung und Tendenz, Regelhaftigkeit - damit ggf. Indizwirkung) - substantiierte Bestreitens-/Erschütterungslast des Arbeitnehmers (Einlassungspflicht des Arbeitnehmers, konkrete Angaben zu Diagnosen Behauptung, die Ärzte hätten die künftige gesundheitliche Entwicklung des Beschäftigten ihm gegenüber als günstig dargestellt) jedenfalls: - Benennung der behandelnden Ärzte, - deren Entbindung von der Schweigepflicht (durch höchstpersönliche Erklärung), - Erteilung des Rechts zur Einsichtnahme in die Behandlungsunterlagen
3 - dann: Beweisaufnahme (Vernehmung der behandelnden Ärzte als sachverständige Zeugen, Sachverständigengutachten) c) hierauf beruhende erhebliche betriebliche Störungen und/oder finanzielle Belastungen aa) Betriebsablaufstörungen - Friktionen im Betriebsablauf, Ersatzpersonal: Kosten, Überstundenvergütung/-zuschläge u.a. - mögliche und zumutbare Überbrückungsmaßnahmen bb) wirtschaftliche/finanzielle Belastungen - finanzielle (Doppel-)Belastung für Vertretungskräfte - Entgeltfortzahlungsaufwendungen oberhalb sechs Wochen/ Jahr (+ Zuschuss nach 22 Abs. 2 TVöD/TV-L?) Ausklammerung von Fehlzeiten ohne Wiederholungsgefahr d) ggf. geeignete Umsetzungsmöglichkeit auf freien/freizumachenden Arbeitsplatz? e) Betriebliches Eingliederungsmanagement gemäß 84 Abs. 1 SGB IX - keine Wirksamkeitsvoraussetzung der Kündigung - bei fehlendem/fehlerhaftem BEM: erhöhte Anforderungen an Darlegungs- und Beweislast des Arbeitgebers zu fehlenden Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten (es sei denn, Beschäftigter hätte Mitwirkung am BEM abgelehnt)
4 f) Interessenabwägung Krankheitsursachen, Dauer des ungestörten Verlaufs des Arbeitsverhältnisses, Alter, Betriebszugehörigkeit, Unterhaltspflichten, Schwerbehinderung, Aussichten auf dem Arbeitsmarkt, Kostenbelastung bei Weiterbeschäftigung 3. Kündigung wegen langandauernder Krankheit - negative Gesundheitsprognose - Beeinträchtigung betrieblicher Interessen (hier idr nicht: finanzielle Belastung) - Interessenabwägung 4. Krankheitsbedingte dauerhafte Leistungsunmöglichkeit Auch: 24 Monate durchgängige Arbeitsunfähigkeit, indiziert dann die negative Prognose und das Vorliegen erheblicher Beeinträchtigung betrieblicher Interessen 5. Krankheitsbedingte Minderung der Leistungsfähigkeit Darlegungs- und Beweislast III. Kündigung/Beendigung des Arbeitsverhältnisses 1. Ordentliche fristgemäße Kündigung - Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes ( 1 Abs. 1, 23 Abs. 1 KSchG) - Kündigungsfristen: 34 Abs. 1 TVöD/TV-L, 622 BGB
5 2. Außerordentliche Kündigung - Unkündbare Beschäftigte ( 34 Abs. 2 und Abs. 3 TVöD/TV-L): idr soziale Auslauffrist entsprechend der sonst anwendbaren ordentlichen Kündigungsfrist erforderlich (Betriebs- /Personalratsanhörung!) - Kündigungserklärungsausschlussfrist ( 626 Abs. 2 BGB) 3. Aufhebungs-/Auflösungsvertrag ( 33 Abs. 1 lit. b TVöD/TV-L) IV. Formale Voraussetzungen einer Kündigung (eines Aufhebungsvertrages) 1. Schriftform ( 623 BGB) 2. Unterzeichnungsberechtigung/Zurückweisungsrisiko ( 174 BGB) 3. Zugang der Kündigung 4. Beteiligung des Betriebsrats oder des Personalrats ( 102 BetrVG, Art. 77 BayPersVG) Verfahren, Risikoverteilung 5. Sonderkündigungsschutz, insbes. für schwerbehinderte Menschen nach 85 f SGB IX 6. Annahmeverzugs-(Vergütungsnachzahlungs-)risiken