Neuregelung zu Mindestabständen von Windenergieanlagen in Bayern 08.11.2014 Fachtagung des BUND Naturschutz in Bayern Dr. Bernd Wust, LL.M. Rechtsanwalt; Lehrbeauftragter der Hochschule Deggendorf Kapellmann und Partner Rechtsanwälte mbb
Kapellmann im Überblick Gegründet 1974 durch Prof. Dr. Klaus Kapellmann Wurzeln im Bau- und Immobilienrecht, heute in allen wirtschaftsrelevanten Rechtsgebieten tätig Ca.130 Anwälte an 7 Standorten Netzwerkkanzleien im Ausland "Kapellmann und Partner sind in ihrer heutigen Form das Ergebnis einer fast beispiellosen Erfolgsgeschichte." Kanzleien in Deutschland 2014 2
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Abstände von WEA zur Wohnbebauung Derzeitige Rechtslage 35 Abs. 1 Nr. 5 BauGB: Privilegierung der Windenergie im Außenbereich WEA sind planungsrechtlich zulässig, wenn keine öffentlichen Belange entgegenstehen Kein gesetzlicher Mindestabstand Aber: Abstandswirksame Belange Lärmgrenzwerte Schattenwurf Gebot der Rücksichtnahme ( erdrückende Wirkung ) > faktische Mindestabstände von 3-4 H 4
Abstände von WEA zur Wohnbebauung Derzeitige Rechtslage 35 Abs. 3 S. 3 BauGB: Planungsvorbehalt der Gemeinden / Reg. Planungsverbände Gemeinden / Planungsverbände können Windenergie auf bestimmte Flächen beschränken Zuweisung auf bestimmte Flächen schafft Ausschlussgrund für übriges Planungsgebiet Dadurch Vermeidung von Verspargelung, Umzingelung und Überlastung Und: Festlegung von Mindestabständen Grenzen u.a.: Substantieller Raum Korrekte Ermittlung und Abwägung aller Belange (umfangreiche Rechtsprechung) -> nicht einfaches, aber praktikables und bewährtes Mittel zur Steuerung der Windenergie (nicht aber zur Verhinderung) 5
Abstände von WEA zur Wohnbebauung Derzeitige Rechtslage 35 Abs. 3 S. 3 BauGB: Planungsvorbehalt der Gemeinden / Reg. Planungsverbände von diesem Steuerungsrecht haben die Gemeinden/Planungsverbände umfangreich Gebrauch gemacht Hauptsächliches Steuerungsinstrument: Regionalpläne 2 Abs. 1 S. 2 Landesentwicklungsprogramm (LEP): Bis zum 22.08.2015 müssen alle Regionalen Planungsverbände Vorranggebiete für Windkraftanlagen ausweisen. Praktische Folge: WEA werden in aller Regel in ausgewiesenen Flächen errichtet 6
Gesetzgebungskompetenz für Mindestabstände Gesetzgebungskompetenz Höhere Abstände, die nicht der Gefahrenabwehr dienen (z.b. Brandschutz etc.), unterfallen dem Bodenrecht ( flächenbezogene Regelungen ) Bodenrecht = Bundesrecht, Art. 74 Abs. 1 Nr. 18 GG Bislang: Abschließende Regelung im BauGB: Privilegierung im Außenbereich landesrechtliche Regelung ist deshalb nur durch Erlaubnis des Bundes möglich -> Länderöffnungsklausel -> Erst danach: Landesrechtliche Umsetzung 7
Länderöffnungsklausel im BauGB Seit 01.08.2014 249 Abs. 3 BauGB (3) Die Länder können durch bis zum 31. Dezember 2015 zu verkündende Landesgesetze bestimmen, dass 35 Absatz 1 Nummer 5 auf Vorhaben, die der Erforschung, Entwicklung oder Nutzung der Windenergie dienen, nur Anwendung findet, wenn sie einen bestimmten Abstand zu den im Landesgesetz bezeichneten zulässigen baulichen Nutzungen einhalten. Die Einzelheiten, insbesondere zur Abstandsfestlegung und zu den Auswirkungen der festgelegten Abstände auf Ausweisungen in geltenden Flächennutzungsplänen und Raumordnungsplänen, sind in den Landesgesetzen nach Satz 1 zu regeln. Die Länder können in den Landesgesetzen nach Satz 1 auch Abweichungen von den festgelegten Abständen zulassen. 8
Länderöffnungsklausel im BauGB Regelungsbefugnis der Länder für Abstände zu zulässigen baulichen Nutzungen Keine Beschränkung nur auf Wohnnutzungen Einzelheiten zur Abstandsfestlegung sind vom Landesgesetzgeber zu regeln Denkbar: Höhenabhängige Abstände Feste Mindestabstände Differenzierungen im Landesgebiet 9
Länderöffnungsklausel im BauGB Bestandsschutz für Ausweisungen in Flächennutzungsplänen oder Raumordnungsplänen obliegt Landesgesetzgeber Urspr. vorgesehener bundesrechtlicher Schutz dieser Flächen ist entfallen Länder können Abweichungsmöglichkeiten von den Mindestabständen zulassen Durch Bebauungsplan immer möglich Denkbar wäre aber auch: Abweichung durch Einfachen Gemeinderatsbeschluss Abweichung durch die Genehmigungsbehörde Befristung bis zum 31.12.2015 Warum? -> Maximale Flexibilität für die Länder 10
Das geplante 10-H Gesetz Entwicklung 08.04.2014 Erster Entwurf 27.05.2014 Gesetzentwurf im Landtag 03.07.2014 Anhörung im Wirtschaftsausschuss; danach Überarbeitung 15.10.2014 Änderungsvorschläge für gemeindefreie Gebiete und bestehende Flächennutzungspläne 16.10.2014 Beschlussfassung im Wirtschaftsausschuss (Ablehnung einer weiteren Anhörung) 22.10.2014 Ältestenrat ordnet Wiederholung der Beschlussfassung über weitere Anhörung an 06.11.2014: Nochmalige Beschlussfassung im Wirtschaftsausschuss: Anhörung erfolgt, aber erst nach dem In-Kraft-Treten des Gesetzes 12.11.2014 Beschlussfassung im Landtag 20.11.2014 Geplantes In-Kraft-treten 11
Das geplante 10-H Gesetz Art. 82 Abs. 1 BayBO-E (1) 35 Abs. 1 Nr. 5 BauGB findet auf Vorhaben, die der Erforschung, Entwicklung oder Nutzung der Windenergie dienen, nur Anwendung, wenn diese Vorhaben einen Mindestabstand vom 10-fachen ihrer Höhe zu Wohngebäuden in Gebieten mit Bebauungsplänen ( 30 BauGB), innerhalb im Zusammenhang bebauter Ortsteile ( 34 BauGB) sofern in diesen Gebieten Wohngebäude nicht nur ausnahmsweise zulässig sind und im Geltungsbereich von Satzungen nach 35 Abs. 6 BauGB einhalten. 12
Das geplante 10-H Gesetz Art. 82 Abs. 1 BayBO-E Art. 82 Abs. 1 BayBO: Deutliche Einschränkung der Privilegierung 10-fache Anlagenhöhe zu Wohngebäuden in Gebieten mit Bebauungsplan (v.a. Wohngebiete ) im Zusammenhang bebauten Ortsteilen ( Innenbereich ) Gebieten mit Außenbereichssatzung nach 35 Abs. 6 BauGB Kein Mindestabstand zu Einzelgehöften Splittersiedlungen Wohngebäuden in Gewerbegebieten, sofern Wohngebäude dort nicht regelmäßig zulässig Bei aktuellen Anlagenhöhen: Abstände von 1.800 bis 2.000 m Folge: Drastische Reduzierung der Potentialflächen! 13
Potentialflächen in Bayern ohne 10 H Quelle: Ostwind projekt GmbH, Kartengrundlage: Bayerische Vermessungsverwaltung Potentialfläche: 5,17 % 14
Potentialflächen in Bayern mit 10 H Quelle: Ostwind projekt GmbH, Kartengrundlage: Bayerische Vermessungsverwaltung Verbleibende Potentialfläche: 0,05 % 15
Auswirkungen auf Vorrangflächen am Beispiel der Region Oberfranken Ost 16
Studie des Umweltbundesamtes (22.10.2014) 08.11.2014 Mindestabstände für Windenergie Dr. Bernd Wust, LL. M. 17
Studie des Umweltbundesamtes (22.10.2014) 08.11.2014 Mindestabstände für Windenergie Dr. Bernd Wust, LL. M. 18
Das geplante 10-H Gesetz Art. 82 Abs. 2 BayBO-E (2) Höhe im Sinn des Abs. 1 ist die Nabenhöhe zuzüglich Radius des Rotors. Der Abstand bemisst sich von der Mitte des Mastfußes bis zum nächstgelegenen Wohngebäude, das im jeweiligen Gebiet im Sinn des Abs. 1 zulässigerweise errichtet wurde bzw. errichtet werden kann. 19
Das geplante 10-H Gesetz Art. 82 Abs. 3 BayBO-E (3) Soll auf einem gemeindefreien Gebiet ein Vorhaben nach Abs. 1 errichtet werden und würde der in Abs. 1 beschriebene Mindestabstand auch entsprechende Wohngebäude auf dem Gebiet einer Nachbargemeinde einschließen, gilt hinsichtlich dieser Gebäude der Schutz der Abs. 1 und 2, solange und soweit die Gemeinde nichts anderes in einem ortsüblich bekannt gemachten Beschluss feststellt. 20
Das geplante 10-H Gesetz Art. 82 Abs. 3 BayBO-E Hintergrund: 10 H kann nur durch Bebauungsplan überwunden werden Bebauungspläne können nur von Gemeinden erlassen werden Folge: Im gemeindefreien Gebiet kann kein Bebauungsplan erlassen werden Folge: Gemeindefreie Gebiete wären für Windkraft endgültig verloren Gesetzentwurf 10-H gilt im gemeindefreien Gebiet zunächst Angrenzende Gemeinden können 10 H durch Beschluss aufheben Beschluss kann wohl nicht generell, sondern nur in Bezug auf ein konkretes Projekt getroffen werden 21
Das geplante 10-H Gesetz Art. 82 Abs. 4 BayBO-E (4) Abs. 1 und 2 finden keine Anwendung, 1. wenn in einem Flächennutzungsplan für Vorhaben der in Abs. 1 beschriebenen Art vor dem (Inkrafttreten des Gesetzes) eine Darstellung für die Zwecke des 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB erfolgt ist, 2. soweit und sobald die Gemeinde der Fortgeltung der Darstellung nicht bis ( Tag sechs Monate nach Inkrafttreten) in einem ortsüblich bekannt gemachten Beschluss widerspricht und 3. soweit und sobald auch eine betroffene Nachbargemeinde der Fortgeltung der Darstellung nicht ( Tag sechs Monate nach Inkrafttreten) in einem ortsüblich bekannt gemachten Beschluss widerspricht; als betroffen gilt dabei eine Nachbargemeinde, deren Wohngebäude in Gebieten im Sinn des Abs. 1 in einem geringeren Abstand als dem 10-fachen der Höhe der Windkraftanlagen, sofern der Flächennutzungsplan jedoch keine Regelung enthält, maximal in einem Abstand von 2 000 m, stehen. 22
Das geplante 10-H Gesetz Art. 82 Abs. 4 BayBO-E Ausweisungen in Flächennutzungsplänen sollen Bestandsschutz haben Kein Bestandsschutz für Regionalpläne Untergeordnete Relevanz, weil Flächensteuerung überwiegend durch Regionalpläne erfolgte Angebliches Ziel: Keine Entwertung der Planungskosten der Gemeinden Beleggemeinde kann Bestandschutz durch Beschluss aufheben Beschluss muss 6 Monate nach Inkrafttreten des Gesetzes erfolgen Haftungsrisiko wegen Beseitigung der Planungsgrundlagen entsprechend 39 BauGB? 23
Das geplante 10-H Gesetz Art. 82 Abs. 4 BayBO-E Auch Nachbargemeinde kann beschließen, dass 10-H im Gebiet der Nachbargemeinde gelten soll Bemerkenswert: Die Nachbargemeinde trifft Beschluss über Bebaubarkeit von Flächen außerhalb ihres Gemeindegebietes! Bedenken: Verstoß gegen kommunale Planungshoheit (Verfassungsrang) Meinung der Staatsregierung: Gedeckt durch Länderöffnungsklausel ( Auswirkungen auf Ausweisungen regelt Landesgesetzgeber) 24
Das geplante 10-H Gesetz Art. 82 Abs. 5 BayBO-E (5) Bei der Aufstellung von Bauleitplänen, die für Vorhaben nach Abs. 1 einen geringeren als den dort beschriebenen Mindestabstand festsetzen wollen, ist im Rahmen der Abwägung nach 1 Nr. 7 BauGB auf eine einvernehmliche Festlegung mit betroffenen Nachbargemeinden hinzuwirken. Abs. 4 Nr. 3 Halbsatz 2 gilt entsprechend. 25
Das geplante 10-H Gesetz Art. 82 Abs. 5 BayBO-E Rolle der Nachbargemeinden bei Abweichung von 10-H war im gesamten Gesetzgebungsverfahren strittig Politisches Versprechen: Abweichung nur mit Zustimmung der Nachbargemeinde Aber Kommunale Planungshoheit bundesrechtlich abschließende Regelungen zur Bauleitplanverfahren lassen Veto-Recht der Nachbargemeinde nicht zu 26
Jetzt: Pflicht, im Rahmen der Abwägung auf einvernehmliche Festlegung hinzuwirken Was bedeutet das? Jedenfalls kein Vetorecht Gesetzesbegründung: Klarstellung; Auslegungshilfe Aber wovon? Auslegungshilfe setzt voraus, dass die erwünschte Regelung bereits in der auszulegenden Norm (hier: Abwägungsverfahren) enthalten ist. Das ist aber wohl nicht der Fall Gesetzesbegründung: Gleichzeitig Ziel, die Interessen der Nachbargemeinde stärker einzubeziehen Damit mehr als reine Auslegung I.E: unzulässiger Eingriff in bundesrechtliche Regelungen 27
Das geplante 10-H Gesetz Art. 83 Abs. 1 BayBO-E Art. 83 Abs. 3 BayBO-E: Übergangsvorschrift (1) Soweit vor Ablauf des 4. Februar 2014 bei der zuständigen Behörde ein vollständiger Antrag auf Genehmigung von Anlagen zur Erforschung, Entwicklung oder Nutzung der Windenergie eingegangen ist, finden Art. 82 Abs. 1 und 2 keine Anwendung. 28
Das geplante 10-H Gesetz Art. 83 Abs. 1 BayBO-E Art. 83 Abs. 1 BayBO-E: Beschränkter Vertrauensschutz bei laufenden Genehmigungsverfahren Altes Recht gilt weiter, wenn Genehmigungsunterlagen am 04.02.2014 vollständig waren Genehmigungsverfahren bis 31.12.2015 abgeschlossen wird Prognose: zahlreiche entwertete Planungen Planungszeiträume sind deutlich länger Einreichung des Genehmigungsantrages ist letzter Schritt Mittlerweile gewisse Entschärfung durch Verzögerung im Gesetzgebungsverfahren 29
Abschließende Bewertung Deutliche Beschränkung des privilegierten Bereichs (Privilegierung wird zur leeren Hülle) Logische Folge: Einbruch des Windkraftausbaus in Bayern Bereits jetzt Einbruch der Genehmigungsanträge Widerspruch zum Bayerischen Energiezielen (sofern noch vorhanden) Windenergie wird in siedlungsferne Gebiete verschoben: Konflikt mit Landschaftsschutz sowie Natur- und Artenschutz Zulassung von WEA im örtlichen Konsens nur durch Bebauungsplan Aufwendig, langwierig und teuer Bürgerentscheid für Windkraft nicht möglich (Bebauungsplan kann nicht durch Bürgerentscheid beschlossen werden) 30
Abschließende Bewertung Trotz Übergangsregelung: Entwertung vieler Planungen (öffentlich und privat) Erheblicher Druck auf andere Bundesländer, ebenfalls Mindestabstände einzuführen Zielkonflikt mit Ausbaukorridor im neuen EEG (2.400 2.600 MW p.a.) Einwirkungsrechte der Nachbargemeinde vorsichtig formuliert fragwürdig Klagen gegen das Gesetz bereits angekündigt Popularklage unmittelbar gegen Gesetz Verfassungsbeschwerde 31
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit! Dr. Bernd Wust, LL.M. Rechtsanwalt Josephspitalstraße 15 80331 München Telefon: 089 242 168-46 Telefax: 089 242 168-61 E-Mail: bernd.wust@kapellmann.de Kapellmann und Partner Rechtsanwälte mbb