Zum der Willenserklärung Die Willenserklärung ist die kleinste Einheit des Rechtsgeschäfts: Woraus besteht sie? ( Bausteine der Willenserklärung) Lehrstuhl für Zivilrecht, Wirtschaftsrecht, Geistiges Eigentum Prof. Dr. Michael Hassemer
ist eine schöne Stadt Benno beschließt, seine Jugendliebe Clara in zu besuchen. Als er bei ihr zu Hause erscheint, erklärt ihm Claras Tochter, dass Clara im Gasthof zur Eiche in der Marktgasse sei. Also begibt Benno sich zur Marktgasse und betritt den Gastraum der Eiche. In diesem sitzen zu Bennos Überraschung etwa einhundert Menschen. Er erkennt in der Menge sofort Claras unverwechselbares Haar und winkt ihr kraftvoll zu. Eine Sekunde später ruft eine Stimme ganz vorne: Zum Ersten, zum Zweiten, zum Dritten. 5000 Flaschen Trockenbeerauslese Riesling für insgesamt 10.000 Euro an den Herrn mit Bart in der letzten Reihe. Gemeint ist natürlich Benno. Tatsächlich war Benno in eine Weinversteigerung geraten und hatte durch sein Armaufheben den Zuschlag erhalten. Am Eingang zum Gasthof Eiche befindet sich ein großes Schild mit der Aufschrift Heute Weinversteigerung, das Benno allerdings beim Eintreten übersehen hatte. Der Versteigerer Viktor fordert den Kaufpreis von 10.000. Benno weigert sich mit der Begründung, er habe keinen Wein kaufen, sondern lediglich Clara zuwinken wollen. Rechtslage? Zivilrecht 6 Sommersemester 2015 Prof. Dr. Michael Hassemer 2
Fragestellungen Willenserklärung als kleinste Einheit des Rechtsgeschäfts. Unproblematische (häufig) und problematische (selten) Fälle Falls problematisch, trennen: 1. (äußerer) und 2. (innerer) Zivilrecht 6 Sommersemester 2015 Prof. Dr. Michael Hassemer 3
Objektiver (äußerer) Grundtatbestand: Erkennbarkeit von Rechtsbindungswillen Äußerung eines auf eine Rechtsfolge gerichteten Willens (Rechtsbindungswillen) aus Sicht eines objektiven Betrachters. Wichtig: Es kommt beim objektiven noch nicht darauf an, ob der Rechtsbindungswillen tatsächlich gegeben war (erst im subjektiven ) Ausdrücklich und konkludent Konkludenz: schlüssiges Handeln. Kopfnicken, Daumen hoch, Supermarkt, Atrium Benno Oft einfach: Lieferung, Erfüllung Zivilrecht 6 Sommersemester 2015 Prof. Dr. Michael Hassemer 4
Zum Geburtstag viel Glück (mit den Frauen)! OLG Schleswig-Holstein, 22.05.2012 Zum 60. Geburtstag ihres damaligen Partners fuhr die Beklagte mit einem gerade erworbenen Fahrzeug (Sport-Cabrio, Ausstattung Oldtimer, Preis 50.000 ) vor dessen Arbeitsstelle vor, gratulierte ihm zum Geburtstag und übergab ihm einen Fahrzeugschlüssel für das mit einer Schleife geschmückte Auto. Sie behielt den Zweitschlüssel sowie den KFZ-Brief in ihrem privaten Tresor. Als es nach knapp einem Jahr zur Trennung gekommen war, nahm die Beklagte das Fahrzeug mithilfe des Zweitschlüssels wieder an sich. Vor Gericht stritt das ehemalige Paar nun darüber, ob die Beklagte dem Kläger das Fahrzeug geschenkt oder nur geliehen hatte (unentgeltliches Nutzungsrecht). Zivilrecht 6 Sommersemester 2015 Prof. Dr. Michael Hassemer 5
Objektiver (äußerer) : Schweigen? Schweigen im Rechtsverkehr: Schweigen ist Zustimmung? Ausnahmen ( beredtes Schweigen ): 108 II 2 BGB negativ ( verweigert ) 177 II 2 BGB Zivilrecht 6 Sommersemester 2015 Prof. Dr. Michael Hassemer 6
Objektiver (äußerer) Keine Willenserklärungen (da kein Rechtsbindungswille): a) Bloße b) die Zu a) (nicht-bindende Abreden): Untergrenze der Rechtsbindung ( 133, 157 BGB). Geringes rechtliches und wirtschaftliches Interesse. Z. B.: Arbeitnehmer bringt kranken Kollegen nach Hause, Blumengießen etc. Zivilrecht 6 Sommersemester 2015 Prof. Dr. Michael Hassemer 7
Objektiver (äußerer) : b) Invitatio ad insbesondere Schaufenster, Zeitungsanzeigen etc. Wird in Deutschland aus zwei Gründen nicht als Willenserklärung verstanden: 1. Möglichkeit des Anbietenden, sich für oder gegen den konkreten Interessenten zu entscheiden (Privatautonomie: Abschlussfreiheit) 2. Möglichkeit des Anbietenden, Verfügbarkeit der Ware zu überprüfen Sehr schwierig/umstritten: Webseiten analog/digital Zivilrecht 6 Sommersemester 2015 Prof. Dr. Michael Hassemer 8
Objektiver (äußerer) Karl Knapp betreibt ein Geschäft für Herrenmode, in dessen Schaufenster er einen Anzug für 199 ausgestellt hat. Gustav Grünlich sieht den Anzug und betritt den Laden, um ihn zu erwerben. Knapp entgegnet, dies sei leider nicht möglich, da das Stück gerade telefonisch von einem anderen Kunden gekauft worden sei. Grünlich ist der Überzeugung, es gebe zwischen ihm und Knapp bereits einen wirksamen Vertrag und fordert den Anzug. Anspruch des Grünlich gegen Knapp? Zivilrecht 6 Sommersemester 2015 Prof. Dr. Michael Hassemer 9
OLG Nürnberg, 10.6.2009: Antrag auf Webseite? Der Beklagte ist ein Internet-Händler, der u.a. Flachbildschirme verkauft. Auf seiner Webseite bot er diese versehentlich für 200 pro Stück an. In Wahrheit sollte der Preis 2.000 betragen. Über verschiedene Bestellstufen gelangte der Käufer an die Stufe "Zur Kasse gehen", während derer der Kunde seine persönlichen Daten und die Art und Weise der Zahlung anzugeben hatte. Der Kläger bestellte auf diesem Weg 18 Flachbildschirme. Der Beklagte weigerte sich, die Flachbildschirme zu versenden. Der Kläger begehrt nun die Lieferung der Fernseher. Zivilrecht 6 Sommersemester 2015 Prof. Dr. Michael Hassemer 10
Objektiver (äußerer) : invitatio? Schaufenster, Zeitungsannoncen?, keine Willenserklärungen Webseiten? kommt (in Deutschland) darauf an, ob digitale Güter oder körperliche Sachen angeboten werden Getränkeautomaten Tankstelle Fahrkartenautomaten offerta ad incertas personas Willenserklärungen Zivilrecht 6 Sommersemester 2015 Prof. Dr. Michael Hassemer 11
Subjektiver (innerer) 1. Handlungswille: natürlicher, physischer Wille Nicht bei: Schlaf, Hypnose, etc. Handlungen unter physikalischer Krafteinwirkung ( vis absoluta vs. vis relativa ) 2. Erklärungsbewusstsein: Bewusstsein, eine Willenserklärung abzugeben Ohne-Brille-Fälle, Leuchtraketen vor allem aber: er Weinversteigerung Erklärungsfahrlässigkeit 3. Geschäftswille: Wille, inhaltlich genau dieses Geschäft abzuschließen Zivilrecht 6 Sommersemester 2015 Prof. Dr. Michael Hassemer 12
ist eine schöne Stadt Benno? Anfechtung! (Hierzu später) Zivilrecht 6 Sommersemester 2015 Prof. Dr. Michael Hassemer 13