Therapie bei Vorhofflimmern - mit Kanonen auf Spatzen?

Ähnliche Dokumente
Zu Therapie und Prophylaxe des paroxysmalen Vorhofflimmerns

Die Bedeutung der Kardioversion bei Vorhofflimmern

Arbeitsblatt Metaanalyse von Therapiestudien

Vorhofflimmern 2014 Zürcher Update Innere Medizin

Inhaltsverzeichnis. 2.1 Epidemiologie Prognose Literatur... 14

Vorhofflimmern : Neue Behandlungsmöglichkeiten?

INHALT ABBILDUNGSLISTE 11 VORWORT 13

Herzstolpern. Christian Sticherling Kardiologie USB. medart basel `15

Neue Aspekte bei der Behandlung ventrikulärer Tachykardien

Vorhofflimmer-Ablation: Für wen eine Alternative? Uta C. Hoppe

Update. Behandlung des Vorhofflimmerns. AZA 9500 Wil ISSN

Vorhofflimmern. rungen

Vorhofflimmern. Florian Hintringer Tiroler Ärztetage 2018

KHK mit Angina pectoris: Ivabradin reduziert kardiale Ereignisse

Volkskrankheit Vorhofflimmern Prof. Dr. Frank M. Baer

Ich habe Vorhofflimmern! Was nun?

Irene Lang, Günter Stix Kardiologie AKH-Wien Medizinische Universität Wien

Vorhofflimmern Vorhofflattern

Ablation von Vorhofflimmern

Vorhofflimmern - Schlaganfall. 24. Salzburger Herztag

Volkskrankheit Vorhofflimmern Prof. Dr. Frank M. Baer

Herzinsuffizienz wie kann das Pumpversagen vermieden (und behandelt) werden?

Neue Risikofaktoren für den Schlaganfall jenseits des CHA 2 DS 2 -VASc Scores

ESC-Leitlinien-Update bestätigt Dronedaron als Erstlinientherapie zum Erhalt des Sinusrhythmus bei Vorh

Atriale und ventrikuläre Arrhythmie Wann an Ablation denken?

Neues Antiarrhythmikum Dronedaron unmittelbar vor der Zulassung Alternative zu Amiodaron?

AMB 2014, 48, 35. Neues zur Therapie bei Vorhofflimmern

Volkskrankheit Vorhofflimmern

Vorhofflimmern Patienteninformation der Medizinischen Kliniken I und IV

Krankenhaus Düren ggmbh Dürener Anästhesie-Symposium Dr. med. Ingo Zillessen.

HERZRHYTHMUSSTÖRUNGEN UND IHRE MEDIKAMENTÖSE THERAPIE

Antiarrhythmika. Dr. med. Frank Scherff

Vorhofflimmern Wann Katheterablation?

Herzrhythmusstörungen: Die Bedeutung der Katheterablation. Richard Kobza

MODERNE THREAPIEVERFAHREN VON HERZRHYTHMUSSTÖRUNGEN

Vorhofflimmern 2012: Wer profitiert von Dronedaron? Vorhofflimmern 2012 Wer profitiert von Dronedaron?

Die Behandlung von Herzrhythmusstörungen mit Magnesium bei Patienten mit Herzinsuffizienz

Möglichkeiten der Devicetherapie bei Herzinsuffizienz Was für wen?

4.1 AV-Zeitverlängerung nach atrialer Stimulation

Anamnese 43-jährige Patientin Vorstellung wg. rezidivierenden Herzrasen mit Schwächegefühl, z.t. Schwindel, Pochern im Hals Seit Jahren bekannt, jetzt

Ablation von Vorhofflimmern Bei wem? Wie? Mit welchen Ergebnissen?

Moderne Antikoagulations - Behandlung

Arbeitsgruppe Herzschrittmacher und Elektrophysiologie der SGK

Herzinsuffizienz und Depression was ist notwendig zu beachten

Herzrhythmusstörungen

Katheterablation des Vorhofflimmerns

Update Vorhofflimmern auf der Intensivstation

Vorhofflimmern und seine Behandlung. A. Schuchert, Med. Klinik, Neumünster

Vorhofflimmern Alte und Neue Konzepte zur Schlaganfallprävention

Herzrhythmusstörungen und ihre Behandlungsmöglichkeiten

Neue Aspekte des Vorhofflimmerns ffli Dienstagabend Dienstagaben -Fortbildung Fortbildung Spital Wil 21. Oktober 2003

Herzrhythmusstörungen und Schlaganfall: Primär- und Sekundärprophylaxe

Vorhofflimmern Vorhofflattern

Gute Karten bei Vorhofflimmern!

Wenn das Herz galoppiert: Die absolute Arrhythmie bei Vorhofflimmern (VHF)

SV Rhythmusstörungen-Definitionen. Vorhof-Frequenz. Vorhoftachykardie min

Rezidive nach Vorhofflimmerablation Hat die Therapie versagt?

Herzinsuffizienz Was ist neu?

Rhythmus- oder Frequenzkontrolle - Wer soll und darf heute noch rhythmisiert werden?

Extrasystolie Bedeutung für den Praktiker. Richard Kobza

Vorwort 13. Auftakt 15. »Arbeitsplatz«Herz 21

Leitliniengerechte Gerinnungshemmung bei Vorhofflimmern und KHK

Ventrikuläre Extrasystolen - wann und wie behandeln?

Erstellung eines eines Beispiels einer einer kostensensiblen Leitlinie (KSLL) in in der der Kardiologie im im Hinblick auf auf den den Einsatz

Der Patient mit akuter Herzrhythmusstörung. Welche wann und mit was behandeln? Claudius Jacobshagen Klinik für Kardiologie und Pneumologie

Dresden. Bezirksgeschäftsstelleninformation 01/ Informationen aus dem Bereich Abrechnung 2 Organisation Mitteilungen und Festlegungen 2

1. Einführung 1.1. Epidemiologie des Vorhofflimmerns

2. Patienten und Methoden

Herzrhythmusstörungen Herzschrittmacher Implantierbare Defibrillatoren

Intrakoronare Stents. Welche Prophylaxe gegen Restenosierung und Verschluß?

Schlaganfallprävention mit oraler Antikoagulation (OAK) Lars G. Hemkens Basel Institute for Clinical Epidemiology and Biostatistics

Neu aufgetretenes Vorhofflimmern in der Notaufnahme. Markus Wehler Zentrale Notaufnahme Klinikum Augsburg

Tabelle 1. Ursachen des Vorhofflimmerns (VHF).

VORHOFFLIMMERN. Mischa Kühne

KHK bei Dialysepatienten aktuelle Aspekte / Antianginöse Therapie

ICD nach Reanimation. ICD nach Reanimation. Peter Ammann

KHK und Vorhofflimmern: Immer noch ein heißes Eisen?! Koronare Herzkrankheit und Vorhofflimmern. Koronare Herzkrankheit und Vorhofflimmern

Indikationen bei NOAKs: nach Vorhofflimmern, venösen Thromboembolien und bei KHK/Atherosklerose

Inhalt. 1 Lage, Größe und Form des Herzens Diagnostische Möglichkeiten 15

Rhythmusstörungen beim herzoperierten Patienten

Sollte Vorhofflimmern bei einem herzinsuffizienten Patienten abladiert werden?

Kardio-Onkologie Prof. C. Tschöpe Charite

ICD Primärprophylaxe nur bei KHK?

Der Notfall-Patient mit Rhythmusstörungen. Kurt Höllinger Interne II Kardiologie Barmherzige Schwestern Linz

Effektgrößen. Evidenz-basierte Medizin und Biostatistik, Prof. Andrea Berghold

Vorhofflimmern Ein Überblick. PD Dr. med. Jan Steffel Klinik für Kardiologie / Rhythmologie, USZ

Sie werden als Notärztin/Notarzt von der Besatzung eines Rettungswagens (RTW) nachgefordert. Die Einsatzmeldung lautet Herzrhythmusstörungen.

DEUTSCHE GESELLSCHAFT FÜR KARDIOLOGIE HERZ- UND KREISLAUFFORSCHUNG e.v. German Cardiac Society

Lernhilfen zur Hauptvorlesung Kardiologie WS 2015/2016 Schmidt/Baars. Vorhofflimmern

Neues vom ESC Arrhythmien

Hypertonie. Prof. Dr. David Conen MPH Innere Medizin

Moderne Therapie der Herzinsuffizienz und Asthma/COPD zwei unvereinbare Entitäten. Stefan Hammerschmidt Klinikum Chemnitz ggmbh

Herzrhythmusstörungen. Normaler Rhythmus: Sinusrhythmus Der Schrittmacher ist der Sinusknoten am Dach des rechten Vorhofs

Empfehlungen des PRAC zu Signalen für die Aktualisierung der Produktinformationen

Kardiologische Notfälle: Schmalkomplextachykardie

Möglichkeiten und Grenzen der Katheterablation. Richard Kobza

am Was ist neu in der Kardiologie? H.Reuter

Transkript:

AMB 2000, 34, 89 Therapie bei Vorhofflimmern - mit Kanonen auf Spatzen? Zusammenfassung: Patienten mit stabilem Vorhofflimmern haben unter adäquater Kontrolle der Herzfrequenz und unter effektiver Thromboembolie- Prophylaxe eine gute Prognose. Bei geringen Symptomen, vorausgegangenen Kardioversionsversuchen oder bei erheblichen kardialen Grundkrankheiten sollte in der Regel keine Kardioversion versucht werden, denn es ist bisher nicht bewiesen, daß durch diese Behandlung die Prognose verbessert wird. Nach Kardioversion ist meist eine Prophylaxe mit Antiarrhythmika erforderlich, um den wiederhergestellten Sinusrhythmus zu erhalten. Dabei ist allerdings das Risiko unerwünschter proarrhythmischer Effekte - besonders wenn eine kardiale Krankheit zu Grunde liegt - ein Problem. Auch wenn der wiederhergestellte Sinusrhythmus zunächst therapeutisch befriedigt, so sind Patienten nach Kardioversion doch gefährdet durch eventuelle unerwünschte Wirkungen der Antiarrhythmika und durch Rezidive des Vorhofflimmerns mit erneuten Beschwerden, mit erneuten Krankenhausaufenthalten und mit erhöhtem Risiko für einen Schlaganfall. Vorhofflimmern ist eine sehr häufige Rhythmusstörung mit einer Prävalenz von 5% bei Personen über 65 Jahren (20). Die Sterblichkeit bei Vorhofflimmern ist doppelt so hoch wie bei der Normalbevölkerung, wobei sich das höhere Risiko überwiegend auf die zugrundeliegenden kardiovaskulären Erkrankungen zurückführen läßt (14). Ob durch eine Kardioversion das Risiko für Thromboembolien vermindert oder sogar die allgemeine Sterblichkeit gesenkt werden kann, ist bisher nicht belegt und zumindest für den zweiten Punkt unwahrscheinlich. Durch eine dem Risiko angepaßte Embolieprophylaxe, in der Regel mit Phenprocoumon (Marcumar), kann die Häufigkeit zerebraler Ereignisse verringert werden (10). Durch Senken der Herzfrequenz mit Betarezeptoren-Blockern, Kalziumantagonisten und/oder Digitalis wird ein großer Teil der Patienten mit Vorhofflimmern symptomarm (24; s.a. Tab. 1). Die Therapie mit antiarrhythmisch wirksamen Medikamenten ist problematisch. Bei Patienten mit Koronarer Herzkrankheit ist nach Gabe von Gruppe-I-Antiarrhythmika der Plötzliche Herztod häufiger, auch wenn die Extrasystolen im Langzeit-EKG

abnehmen (6). In einer Metaanalyse zeigte sich, daß durch die Gabe von Chinidin bei Patienten mit Vorhofflimmern zwar häufiger ein Sinusrhythmus erhalten werden kann, die Sterblichkeit aber ansteigt (7). Daten der SPAF-Studie deuten auf eine erhöhte Sterblichkeit unter Gruppe-I-Antiarrhythmika bei Patienten mit Herzinsuffizienz und Vorhofflimmern hin (9). Das Risiko proarrhythmischer Effekte ist allerdings bei Patienten ohne Herzinsuffizienz (d.h. mit guter linksventrikulärer Funktion) und ohne Koronare Herzkrankheit gering (9). Trotzdem finden sich in den meisten, oft kleinen Kardioversions-Studien auch bei Patienten ohne diese Risikofaktoren in 0,5-5% maligne proarrhythmische Effekte unter Antiarrhythmika (19, 20, 22). Wenn die Patienten nicht so gut wie in den meisten Studien überwacht sind, können darüber hinaus Elektrolytstörungen, Kumulation der Antiarrhythmika bei Niereninsuffizienz (z.b. Sotalol) oder zusätzlich verabreichte, QT-Zeit-verlängernde Medikamente (Antidepressiva, Antihistaminika, Prokinetika, Makrolid-Antibiotika u.a.) maligne Rhythmusstörungen induzieren. Aufgrund der vorliegenden Daten sollten Antiarrhythmika bei Vorhofflimmern zurückhaltend und differenziert gegeben werden. Eine Indikation zur Kardioversions- Behandlung ergibt sich in erster Linie aus den Symptomen des Patienten, wenn sie trotz adäquater Senkung der Herzfrequenz weiterbestehen (s. Abb. 1). Ein Vorschlag zum Vorgehen bei Patienten mit anhaltendem Vorhofflimmern ist in Abb. 2 dargestellt. Die elektrische Kardioversion sollte bevorzugt werden, weil hierbei der Herzrhythmus mit Monitor kontrolliert wird und hohe Dosen von Antiarrhythmika, wie sie zur medikamentösen Kardioversion oft erforderlich sind, vermieden werden. Nach neueren Daten kann sowohl durch eine Vorbehandlung mit den Gruppe-III- Antiarrhythmika Ibutilid (17) oder Sotalol (Sotalex u.v.a.; 16) i.v. als auch durch orale Aufsättigung mit Amiodaron (Cordarex u.a.; 3) die Chance erhöht werden, durch elektrische Kardioversionsbehandlung einen Sinusrhythmus zu erreichen. Nach erfolgreicher Kardioversion muß über die Notwendigkeit einer antiarrhythmischen Rezidivprophylaxe individuell endschieden werden (s.a. Tab. 1). Bei reversiblen Ursachen (Hyperthyreose, postoperativ, Alkoholentzug oder akute Alkoholintoxikation, Elektrolytstörungen, Infekte u.a.) kann hierzu ein reiner Betarezeptoren-Blocker ausreichend sein. Die prophylaktische Wirkung der Beta- Blocker hinsichtlich des Auftretens von Vorhofflimmern ist jedoch bisher nur für die Situation nach Herzoperationen ausreichend belegt (2). Ohne eine antiarrhythmische

Prophylaxe erleiden innerhalb des nächsten Jahres etwa 75% der Patienten ein Rezidiv (7). Ist also der Aufwand und der Versuch einer Kardioversion erfolgreich, muß in der Regel eine Rezidiv-Prophylaxe mit Antiarrhythmika zumindest über einen gewissen Zeitraum (bis zum Eintritt des Vorhof-Remodelings?) durchgeführt werden. Patienten mit intermittierendem Vorhofflimmern sind gesondert zu betrachten, da meist nach einigen Stunden spontan wieder Sinusrhythmus auftritt. Viele dieser Patienten haben trotz frequenzsenkender Medikamente weiterhin Symptome, und mit Antiarrhythmika kann oft nur die Häufigkeit der Anfälle gesenkt werden (21). Bei einzelnen Patienten, bei denen die übliche Therapie versagt und die während der intermittierenden Anfälle schwer beeinträchtigt sind, können die Beschwerden durch Kombination von Schrittmacher-Implantation und AV-Knoten-Ablation erheblich gebessert werden (s. Abb. 3). Neuerdings gibt es auch Schrittmacher-Aggregate, die in besonders hartnäckigen Fällen zur Prophylaxe (und Therapie) des Vorhofflimmerns eingesetzt werden können. Sie stimulieren, z.b. nach einer supraventrikulären Extrasystole, die häufig dem Vorhofflimmern vorausgeht, mit übernormaler Frequenz den Vorhof und lassen so das Vorhofflimmern gar nicht erst entstehen. Sie können sogar durch komplexe Impulse trotzdem entstandenes Vorhofflimmern wieder unterbrechen. Leider gibt es aber noch keine größeren Erfahrungen mit dieser neuen Methode. Skepsis ist angezeigt. Bei Herzgesunden (keine erkennbare Koronare Herzkrankheit, gute linksventrikuläre Funktion) kann man zur Rezidivprophylaxe von Vorhofflimmern zwischen verschiedenen Antiarrhythmika mit nahezu identischer Wirksamkeit (13, 19) auswählen. Gruppe-IA-Antiarrhythmika werden wegen extrakardialer Nebenwirkungen (Disopyramid = Rythmodul u.a., Chinidin = Chinidin-Duriles) und häufigerem Auftreten von Torsaden (Chinidin) nur noch selten verordnet. Je nach begleitenden Erkrankungen (z.b. Hypertonie, obstruktive Lungenerkrankung) werden heute in erster Linie Sotalol, Flecainid (Tambocor) oder Propafenon (Rytmonorm u.v.a.) zur Rezidivprophylaxe eingesetzt. Nach klinischen Kriterien und an Hand von Ruhe-EKG-Kontrollen kann bei etwa 50% der Patienten ein beständiger Sinusrhythmus über 6-12 Monate erreicht werden (7, 22). Wenn auch bei Patienten, die keine erkennbaren zusätzlichen Herzerkrankungen haben, proarrhythmische Effekte selten sind, so muß doch auf begleitende Elektrolytstörungen, auf QT-Zeit-

Verlängerung im EKG und auf die Begleitmedikation (eventuell Einfluß auf die QT- Zeit) geachtet werden. Nach Beginn der antiarrhythmischen Therapie sollten in den ersten drei Tagen 12-Kanal-EKG-Registrierungen (Messen der QT-Zeit) sowie frühzeitig eine Langzeit-EKG-Kontrolle zum Ausschluß bzw. Nachweis proarrhythmischer Effekte durchgeführt werden. Bei Patienten mit kardialer Grundkrankheit ist die Wahl des Antiarrhythmikums schwierig. Gruppe-IC-Antiarrhythmika (Flecainid und auch Propafenon) erhalten zwar häufiger den Sinusrhythmus (1, 19, 22), sollten aber wegen des statistisch häufigeren Plötzlichen Herztodes nicht mehr gegeben werden (6, 15). Auch unter D- Sotalol waren bei Patienten nach Myokardinfarkt die Todesfälle durch Herzrhythmusstörungen häufiger (23). Mit zusätzlicher Betablocker-Wirkung (Gabe von DL-Sotalol) wurden in einer alten Studie die proarrhythmischen Effekte von D- Sotalol zwar neutralisiert (11); allerdings waren auch die sonst üblichen positiven Effekte der Betablocker-Therapie nach Myokardinfarkt nicht mehr nachweisbar. Entschließt man sich bei dieser Patientengruppe zur Kardioversion mit anschließender Gabe von Antiarrhythmika, sollte die Initialphase mittels Monitor (Telemetrie) überwacht werden. Bei den meisten Patienten mit organischer Herzerkrankung oder bei Herzgesunden mit Rezidiv, bei denen ein erneuter Kardioversionsversuch unumgänglich erscheint, sollte Amiodaron als Antiarrhythmikum der ersten Wahl gelten. So konnte in der CTAF-Studie (20) unter Amiodaron bei 67% der Patienten über 1,5 Jahre ein Sinusrhythmus erhalten werden, während dies nur bei 27% unter Sotalol/Propafenon gelang. Bei langsamer oraler Aufsättigung ist die Therapie mit Amiodaron selbst unter ambulanten Bedingungen sicher (4, 12, 20). Jedoch wurden in alle Studien nur stabile Patienten eingeschlossen. Die Sicherheit dieser Therapie ist aber nicht bei allen Patientengruppen gegeben. So wurden im Verlauf der letzten beiden Jahre zwei Patienten mit Tachyarrhythmie-induzierter Kardiomyopathie gesehen, die unter oraler Aufsättigung mit Amiodaron wegen Kammerflimmerns reanimiert werden mußten (8). Bei beiden Patienten waren auch nach dem Absetzen des Medikaments noch tagelang ventrikuläre Torsaden zu beobachten. In den mehrere Jahre dauernden Studien wurde Amiodaron (Dosis 200 mg/d) trotz häufiger, aber eher geringfügiger Nebenwirkungen (Photosensitivität, Sehstörungen und zentralnervöse Auffälligkeiten) meist recht gut toleriert. Schwerwiegende unerwünschte

Arzneimittelwirkungen, wie Störungen der Schilddrüsenfunktion, Lungenfibrose und Polyneuropathie treten aber in einer Größenordnung von 2-3% pro Jahr auf (4, 5, 12, 18, 20). Insbesondere die durch Amiodaron induzierte Hyperthyreose und Lungenfibrose mit wahrscheinlich immunologischer Genese sind wegen der langen Halbwertszeit des Medikaments schwer zu therapieren. Ob neuere Gruppe-III-Antiarrhythmika mit geringeren extrakardialen Nebenwirkungen insgesamt Vorteile haben, ist zur Zeit nicht klar. Erste Daten zu Dofetilid zeigen hohe Raten ventrikulärer Torsaden (21). Zusätzlich bestehen erhebliche Interaktionen mit anderen Medikamenten sowie eine Kumulation bei Niereninsuffizienz. Literatur 1. Anderson, J.L., et al.: Circulation 1989, 80, 1557. 2. Andrews, T., et al.: Circulation 1991, 85 Suppl. II, II-236. 3. Capucci, A., et al.: Eur. Heart J. 2000, 21, 66. 4. Cairns, J.A., et al.: Lancet 1997, 349, 675. 5. CASCADE Investigators (Cardiac Arrest in Seattle: Conventional vs. Amiodarone Drug Evaluation study): Am. J. Cardiol. 1993, 72, 280. (s.a. AMB 1994, 28, 92 und 1995, 29, 46). 6. CAST Investigators (Cardiac Arrhythmia Suppression Trial): N. Engl. J. Med. 1989, 321, 406. (s.a. AMB 1989, 23, 46; 69; 91). 7. Coplen, S.E., et al.: Circulation 1990, 82, 1106. 8. Dißmann, R.: persönliche Mitteilung. 9. Flaker, G.C., et al. (SPAF = Stroke Prevention in Atrial Fibrillation): J. Am. Coll. Cardiol. 1992, 20, 527. 10. Hart, R.G., et al.: Ann. Int. Med. 1999, 131, 492. 11. Julian, D.G., et al.: Lancet 1982, I, 1142. 12. Julian, D.G., et al.: Lancet 1997, 349, 667. 13. Juul-Moller, S., et al.: Circulation 1990, 82, 1932. 14. Kannel, W.B., et al.: N. Engl. J. Med. 1982, 306, 1018. 15. Kuck, K.H., et al.: PACE 1993, 16, 552. 16. Lai, L.-P., et al.: J. Am. Coll. Cardiol. 2000, 35, 1434. 17. Oral. H., et al.: N. Engl. J. Med. 1999, 340, 1849. 18. Reiffel, J.A.: Am. J. Cardiol. 2000, 85, 12D. 19. Reimold, S.C., et al.: Am. J. Cardiol. 1993, 71, 558. 20. Roy, D., et al. (CTAF = Canadian Trial of Atrial Fibrillation): N. Engl. J. Med. 2000, 342, 913. 21. Torp-Pedersen, C., et al.: N. Engl. J. Med. 1999, 341, 857. 22. UK Propafenone PSVT Study Group: Circulation 1995, 92, 2550. 23. Waldo, A.L., et al. (SWORD = Survival With ORal D-Sotalol): Lancet 1996, 348, 7. (s.a. AMB 1995, 29, 46). 24. Hohnloser, S.H., et al. (PIAF = Pharmacological Intervention in Atrial Fibrillation): Lancet 2000, 356, 1789.

Abbildung 1 Abwägen der Entscheidung zur Kardioversion von chronischem Vorhofflimmern Kontrolle der Herzfrequenz, Antikoagulation Kardioversion Ja Ausgeprägte Symptome Reversible Ursache Hämodynam. Verbesserung wahrscheinlich Nein Frühere Kardioversionsversuche Dauer > 6 Monate Schwere kardiale Grunderkrankung

Tabelle 1 Therapieansätze bei absoluter Arrhythmie durch Vorhofflimmern Embolieprophylaxe: Phenprocoumon Azetylsalizylsäure Kontrolle der Herzfrequenz: Betarezeptoren-Blocker Kalziumantagonisten Digitalis Selten erforderlich: Amiodaron AV-Knoten-Modulation/-Ablation plus Herz-Schrittmacher Rezidivprophylaxe: Behandlung der zu Grunde liegenden Krankheit Betarezeptoren-Blocker (bei reversiblen oder passageren Ursachen) Sotalol, Flecainid, Propafenon (zurückhaltende Indikation bei organischer Herzerkrankung, dann in der Regel Einleitung unter Monitorkontrolle) Amiodaron (extrakardiale Nebenwirkungen beachten, jedoch selten unter niedriger Erhaltungsdosis von 100-200 mg/d)

Abbildung 2 Vorgehen bei der Kardioversion von Viorhofflimmern Vorhofflimmern Dauer < 48 Stunden Dauer > 48 Stunden Hämodynamisch instabil, schwerste Symptome Hämodynamisch stabil Phenprocoumon Ausschluß eines > 3 Wochen oder Vorhofthrombus (INR 2-3) im TEE Notfall-Kardioversion (selten) Vollheparinisierung, Frequenzkontrolle Nach 24 Stunden Sinusrhythmus Kardioversion sinnvoll (s. Waage-Schema, Abb. 1) Elektrische Kardioversion Erfolglos Erfolgreich Ja Nach 24 Stunden Sinusrhythmus Nein Phenprocoumon für weitere 1-3 Monate, Rezidivprophylaxe Embolieprophylaxe, Rezidivprophylaxe Elektrische Kardioversion Vorbehandlung mit Antiarrhythmika Oder Intrakardiale Kardioversion

Abbildung 3 Vorgehen bei intermittierendem paroxysmalem Vorhofflimmern Intermittierendes oder paroxysmales Vorhofflimmern Embolieprophylaxe, Kontrolle der Anfallsfrequenz, Abklärung der Ursachen Ausgeprägte Symptome Eventuell Prophylaxe mit Spezialschrittmacher Wenig Symptome Antiarrhythmika Abwartendes Procedere Organische Herzerkrankung Ja Nein Sotalol, Propafenon, Flecainid Amiodaron Falls weiter ausgeprägte Symptome Falls weiter ausgeprägte Symptome Alternative Therapie (z.b. AV-Knoten-Ablation plus Schrittmacher